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Sach-u.Fachliteratur zum Römischen Reich
27.12.2012, 13:44
Beitrag: #7
RE: Sach-u.Fachliteratur zum Römischen Reich
Andrea Giardina (: Der Mensch der römischen Antike. Magnus Verlag Essen 2004.

Dieser 430-seitige Band, herausgegeben von Andrea Giardina, behandelt den Menschen der römischen Antike. Aber wenn man es sich noch einmal überlegt: Eigentlich gab es das doch gar nicht: DEN Menschen der römischen Antike. Es gibt ja auch nicht DEN Menschen des Mittelalters und DEN Deutschen. Natürlich gab es soziale Unterschiede, es gab verschiedene Menschengruppen, die zusammen lebten, zusammen gehörten – zusammen funktionierten! Und nach diesen ist auch dieses Buch aufgebaut. Die Autoren beschreiben in elf Kapiteln die verschiedenen Gruppen, die die römische Antike ausmachten. Der Schreibstil ist zwar wissenschaftlich, aber durchgehend gut. Die Autoren der Einzelkapitel sind durchgehend ausgewiesene Althistoriker und Meister ihres Fachs.

Andrea Giardina: Der Mensch der römischen Antike. S. 9 – 26.
Ein dieser Einführung in das Thema erörtert der Herausgeber die Frage nach dem „Römer sein“ an sich. Dieses war nicht von der Herkunft, von Stammeszugehörigkeit oder solchen Kriterien abhängig, sondern nur von diesem Recht, das jedermann erhalten konnte. dem ius civile. Es verlor im Laufe der Zeit seine Bedeutung, was darin gipfelte, dass es 212 n. Chr. jedem freien Bewohner des riesigen Imperiums verliehen wurde. Doch selbst dann wies es seinen Träger als etwas höheres aus, im Gegensatz zu Sklaven und anderen Völkerschaften.
Claude Nicolet: Der Bürger und der Politiker. S. 27 – 66.
Was bedeutete dieses römische Recht eigentlich? Nicolet zeigt, dass es vor allem aus Pflichten bestand. Doch es gab Vorteile, die eine massive Ausbreitung des Bürgertums bewirkten. Er betrachtet Entwicklungen und Differenziertheit des Bürgersystems und den militärischen, den finanziellen und den politischen Wirkungskreis. Dann werden Amt und das Wesen des Politikers betrachtet. Leider bleibt das Kaiserreich etwas außen vor.
John Scheid: Der Priester. S. 67 – 98.
In der Gesellschaftspyramide bildeten Priester mit Politikern die Spitze. Auf die Priesterämter und ihre Aufgaben geht Scheid ein – auch auf die familiären (Familienvater) und politischen (Magistrate). Der Schwerpunkt liegt auf Priestern öffentlicher Kulte, ihrem Status, den Kollegien, der Rolle der Frau und den Entwicklungen. Ein kurzer, guter Einblick in die Welt des Priestertums, der sich aber auf Rom beschränkt.
Aldo Schiavone: Der Jurist. S. 99 – 116.
Der Jurist zeichnete sich durch Gelehrsamkeit aus, so kommt auch diesem Kapitel eine besondere Bedeutung zu: Es beschreibt sozialen Status und Gelehrsamkeit, aber auch die Entwicklungen der Rechtswissenschaft: Der Priester als „Weiser“, ab dem 4. Jhdt. v. Chr. die Justiz in der Hand des Adels, die Verfeinerung des Rechtswesens, die Entstehung eines vom Kaiser abhängigen Juristenstandes vor Christi Geburt, die Blütezeit der römischen Justiz und schließlich die Entwicklung zum vom Kaiser abhängigen spätantiken Justizapparat.
Jean-Michel Carrié: Der Soldat. S. 117 – 157.
Die Bürgersoldaten der Republik wurden schon im Kapitel 1 behandelt. So beschränkt sich der Text auf die Kaiserzeit, wo es „Soldatenbürger“ wurden, Legionäre niedriger Herkunft, die durch den Dienst Bürger wurden und immer kaserniert waren. Dargestellt werden Rekrutierung, Leben vor und nach dem Dienst, Familienverhältnisse und Begräbnisse, Leben innerhalb des Lagers und auch das (verzerrte und negative) Bild, das die Zivilbevölkerung vom Soldaten hatte. Für mich eines der besten Kapitel des Buches (trotz einiger Logikfehler).
Yvon Thébert: Der Sklave. S. 158 – 199.
Ab hier wird im Buch die breite Masse abgehandelt, angefangen ganz unten bei den Sklaven. Der historische Kontext, die Sklavenhaltung und der Unterschied zwischen Stadt- und Landsklaven, die rechtliche und gesellschaftliche Stellung der Sklaven, keines dieser Themen kommt zu kurz. So wird die Rechtlosigkeit der Sklaven deutlich wie auch das Ausmaß, in dem sie Verantwortung übernehmen und als Freigelassene reich werden konnten.
Jean Andreau: Der Freigelassene. S. 200 – 225.
Der Freigelassene war ein rechtloses Objekt gewesen und dies wurde im in seinem ganzen Leben nicht vergessen. Andererseits hatte er Beziehungen zu sehr reichen Menschen und konnte so sehr, sehr reich werden (als Teil- oder Haupterbe, als Teilhaber an Geschäften etc.). Relativ knapp (aufgrund des Mangels an zuverlässigen Informationen) handelt Andreau Leben, Selbstverständnis, Ansehen und Chancen eines Freigelassenen ab.
Jerzy Kolendo: Der Bauer. S. 226 – 242.
Dem Bauer, der Grundlage der römischen Wirtschaft, widmet sich J. Kolendo in einem kurzen Beitrag. Hauptsächlich werden rechtlicher Status, Entwicklungen und die Sicht der Stadtbevölkerung und der Oberschicht behandelt, aber auch Alltag und Lebensweise. Nicht zu vergessen die Unterschiede zwischen reichem Landbesitzer und armem colonus, der in der Spätantike eine Art Leibeigener war.
Jean-Paul Morel: Der Handwerker. S. 243 – 275.
Die Oberschicht verachtete sie, aber in der Unterschicht waren sie relativ weit oben. Sie hatten einen geregelten Beruf und ein Einkommen, konnten aber auch Sklaven sein. Je nachdem, ob man literarische, epigraphische oder archäologische Quellen betrachtet, erhält man eine völlig unterschiedliche Sicht auf diesen Berufsstand. Morel behandelt auch die zunftähnlichen Zusammenschlüsse, die Rolle der Frauen und die Menge des Lohns. Alles in allem ein sehr differenzierendes Kapitel über den Motor der römischen Wirtschaft.
Andrea Giardina: Der Kaufmann. S. 276 – 304.
Die Geschichtsschreiber der Antike verachteten die Händler, die sich bereicherten, „ohne dafür zu arbeiten“. Nur der Großhandel, in dem sie meist selbst nicht unerheblich tätig waren, wurde akzeptiert, denn die Schiffe brachten Neuigkeiten, versorgten die Stadt Rom und jede andere Ortschaft und waren sehr welterfahren. Dies nur einer der Schwerpunkte des Kapitels. Alles in allem eine sehr interessante Einführung in das Gebiet.
Charles R. Whittaker: Der Arme. S. 305 – 336.
Das Kapitel über den Armen ist ein sehr schweres Kapitel, erstens, da die Quellenlage schwierig ist, zweitens, weil es nicht eine so genaue Bezeichnung ist wie „Jurist“, „Priester“ oder „Kaufmann“. Whittakers Kapitel besteht aus der Sicht der Oberschicht auf die Armen Roms, aus der Lebensweise und behandelt schließlich die finanziellen Verhältnisse der Ärmsten und Armen.
Brent D. Shaw: Der Bandit. S. 337 – 381.
Brent D. Shaw führt hier relativ ausführlich in die Welt des römischen Banditentums ein. Nach einer kurzen Definition werden die verschiedensten Aspekte zum Räuberleben erklärt: Wie es ablief, wie man Räuber wurde und wie sich die Bevölkerung vor den Banditen schützte, wie ein Räuberleben enden konnte und wie in der späteren Zeit Räuber in hohe Positionen aufsteigen konnten.
Paul Veyne: Nachwort: Humanitas: Die Römer und die anderen. S. 382 – 412.
Im Nachwort geht Paul Veyne anhand des Begriffes der „humanitas“ noch einmal auf das Römertum ein. Deutlich wird die Bandbreite des Wortes von "Zivilisation, die Römer von Barbaren unterscheidet" über "Verzicht auf Überheblichkeit (clementia = Milde)" und „gerechte Kriegsführung“ bis hin zu "Beherrschung der Welt" wird deutlich. Leider wird nicht auf das Römertum der Unterschichten eingegangen.

Es folgt ein kurzes Literaturverzeichnis zu den einzelnen Kapiteln. Mein Fazit also: Ein viel zu wenig beachtetes Standartwerk, das ich trotz kleiner Mängel uneingeschränkt empfehlen kann!

--> ein Standardwerk: 9 von 10 Punkten.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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RE: Sach-u.Fachliteratur zum Römischen Reich - Maxdorfer - 27.12.2012 13:44

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