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Chasaren - frühe Juden des Ostens
26.09.2016, 15:13
Beitrag: #1
Chasaren - frühe Juden des Ostens
Um die Mitte des 7. Jh. werden die Chasaren historisch fassbar. Damals organisierten sie ein Khanat im Nordosten des Kaukasus. Im Verlauf des 8. Jh. dehnte sich ihr Herrschaftsgebiet weiter nach Nordwesten und Westen aus. Im 9. Jh. erlebte das chasarische Khanat seine größte politische und kulturelle Blüte.

Das Chasaren-Khanat hatte eine multiethnische und multilinguale Bevölkerung. Außer den Chasaren lebten dort andere verwandte Turkstämme wie die Onoguren, außerdem iranische und finno-ugrische Gruppen. Ferner waren die Chasaren den benachbarten Slawen gut bekannt und mehrere ostslawische Stämme wie die Poljanen, Sewerjanen, Wjatitschen und Radimitschen waren ihnen tributpflichtig.

Die Ethnogenese der Chasaren erfolgte im Verlauf des Frühmittelalters, wobei sie ein von anderen türkischen Stämmen verschiedenes Volkstum ausbildeten. Dennoch zählt das Chasarische natürlich zum Kreis der Turksprachen und steht verwandtschaftlich der Sprache der Protobulgaren am nächsten. Im übrigen vermutet man, dass ein Teil der alten turksprachigen Entlehnungen im Ungarischen chasarischer Herkunft sein könnte, was plausibel erscheint, da die Ungarn auf ihrer Wanderung chasarische Gebiete durchzogen.

Die Chasaren profitierten vom Handel entlang der Seidenstraße, der Asien mit Europa verband. Itil an der unteren Wolga war der wichtigste Umschlagplatz für Waren aus dem Osten.

Ein Phänomen ist die Annahme des jüdischen Glaubens durch die Chasaren. Gegen Ende des 8. Jh. konvertierte Khan Bulan (reg. 786-909) zum Judentum. Der Überlieferung zufolge waren ein Vertreter der christlichen Kirche, ein Muslim und ein Rabbi nach Sarkel, der Hauptstadt, zu einem Streitgespräch über Religionsfragen eingeladen worden. Angeblich soll den Khan die Argumentation des Juden am meisten beeindruckt haben.

Eine erste Erwähnung der Chasaren als Anhänger des jüdischen Glaubens findet sich in den Schriften des Mönchs Druthmar von Aquitanien 864. Damals unterhielt das mächtige Chsaren-Khanat diplomatische Beziehungen zu vielen Staaten, u.a. zum Kalifat von al-Andalus im maurischen Spanien. Der in Toledo wirkende Historiograph Judah Halevi (1075-1141) feierte den Chasaren-Khan in sienem Traktat über das Judentum ("Sefer ha-Kuzari") als Helden des jüdischen Glaubens.

Die Annahme des jüdischen Glaubens blieb nicht auf die chasarische Elite beschränkt, sonden verbreitete sich auch bei der einfachen Bevölkerung. Was ich aber ebenso erstaunlich finde ist die Tatsache, dass sich beim Volk der Karaimen (auch Karäer) im Bergland der Krim die jüdische Religion bis in die heutige Zeit gehalten hat. Ob die 3400 Bergjuden des Kaukasus einst dazugehörten, ist ungewiss. http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...p?tid=7216

Die Karäer verließen im Spätmittelalter ihre Wohnsitze im Süden und migrierten in die westliche Ukraine, ins östliche Polen und nach Litauen, wo noch heute einige hundert Karäer als ethnisch-religiöse Minderheit leben.
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27.09.2016, 16:04
Beitrag: #2
RE: Chasaren - frühe Juden des Ostens
Danke für diese Auffrischung meiner Infos. Aber was ich mich in dem Zusammenhang immer gefragt habe - hatte Mitteleuropa - außerhalb der Kreise der Gelehrten und vielleicht des karolingischen Hofes - Kenntnis von den jüdischen Chasaren? Und hat diese Kenntnis eines mächtigen jüdischen Staates - sofern vorhanden - die Einstellung der mitteleuropäischen Christen zu den Juden irgendwie beeinflusst?
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28.09.2016, 15:49
Beitrag: #3
RE: Chasaren - frühe Juden des Ostens
(27.09.2016 16:04)913Chris schrieb:  Danke für diese Auffrischung meiner Infos. Aber was ich mich in dem Zusammenhang immer gefragt habe - hatte Mitteleuropa - außerhalb der Kreise der Gelehrten und vielleicht des karolingischen Hofes - Kenntnis von den jüdischen Chasaren? Und hat diese Kenntnis eines mächtigen jüdischen Staates - sofern vorhanden - die Einstellung der mitteleuropäischen Christen zu den Juden irgendwie beeinflusst?

Eine schwierige Frage.

Wie ich hier lese [1], war das Chasarenreich Angelpunkt für den Transithandel von Ost- und Nordeuropa über die Wolga und das Kaspische Meer sowie über den östlichen Kaukasus in das Kalifat. Die Chasaren schützten und kontrollierten diesen Transithandel. Aus Ost- und Nordeuropa kamen vor allem Pelzwaren, Waffen möglicherweise fränkischer Herkunft, Sklaven, Bernstein, Honig und Wachs. Aus dem Kalifat kamen Kleidung, Schmuck, Waffen und Gewürze.

Es ist anzunehmen, dass das Chasarenreich aufgrund dieser geografisch-wirschaftlichen Position in Westeuropa bekannt war und zwar nicht nur einigen Gelehrten.

[1] Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, Stuttgart 2002, Sp. 1785
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29.09.2016, 11:05
Beitrag: #4
RE: Chasaren - frühe Juden des Ostens
Und haben diese Kenntnisse jetzt die Einstellung der Mitteleuropäer den (hiesigen) Juden gegenüber irgendwie beeinflusst? Um 1000 herum gibt es im Zusammenhang mit den Kreuzzügen einige verheerende Judenpogrome...
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29.09.2016, 13:03
Beitrag: #5
RE: Chasaren - frühe Juden des Ostens
(29.09.2016 11:05)913Chris schrieb:  Und haben diese Kenntnisse jetzt die Einstellung der Mitteleuropäer den (hiesigen) Juden gegenüber irgendwie beeinflusst? Um 1000 herum gibt es im Zusammenhang mit den Kreuzzügen einige verheerende Judenpogrome...

Um das zu beantworten, müsste man Spezialliteratur heranziehen. Ich kann da nur Vermutungen anstellen.

Von den Kreuzzügen waren die Menschen in West- und Mitteleuropa direkt betroffen, die Aufrufe der katholischen Geistlichkeit zur Teilnahme erreichten auch die Mittel- und Unterschichten. Das Chasarenreich hingegen war weit entfernt und im Gedächtnis der Bevölkerung sicher nur rudimentär oder gar legendär verankert. Bei den Fernkaufleuten sah das allerdings anders aus.

Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass das Chasarenreich, dessen Bevölkerung erst spät zum Judentum konvertierte und das bereits um 960 unterging, namhaften Einfluss auf die Gedankenwelt Westeuropas ausübte.
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01.10.2016, 18:07
Beitrag: #6
RE: Chasaren - frühe Juden des Ostens
danke, das is ja nun auch schon mal ne info Wink
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