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Neue Thesen zu Troja in der NZZ
16.05.2016, 15:55
Beitrag: #11
RE: Neue Thesen zu Troja in der NZZ
(15.05.2016 19:08)913Chris schrieb:  Dietrich - wie stellst du dir eine Migrantenflut in der Bronzezeit vor?!?! Mal ganz davon abgesehen, dass in den ägyptischen Nennungen von einzelnen Seevölkern mehrere auftauchen, bei denen es plausibel ist, an süd- udn westanatolischen Völkerschaften sowie an mykenisch-kretische Bevölkerung zu denken. Insofern wären die "Seevölker" tatsächlich ein Migrantenstrom.

Berichte aus zahlreichen Quellen weisen deutlich auf die Wanderung bzw. Expansion von Völksgruppen hin, die möglicherweise im Balkan/Donau-Raum ihren Ursprung hatten, und andere Völkergruppen wie Dominosteine vor sich herschoben. Hypothesen gehen von einem Dominoeffekt aus: Von der Donau aus schoben sich Völker über den Balkan und stießen damit eine Wanderung Richtung Süden an. Es ist bemerkenswert, dass das mykenische Griechenland vermutlich das erste Opfer dieser "ägäischen Wanderung" war, was zeigt, dass der Völkerstoß von Norden erfolgte. -

Dass es auch die Hypothese einer Implosion des mykenischen Staatensystems aufgrund von Bürgerkrieg und Unruhen gibt, steht auf einem anderen Blatt. Aber auch in diesem Fall zeigt die Entvölkerung ganzer griechischer Regionen, dass es zu einem teilweisen Exodus gekommen sein muss.

Die Seevölkerwanderung ging dann über die Ägäis hinaus und spaltete sich in zwei Zweige: einer verlief über Kreta und Zypern, die beide erobert wurden, nach Palästina und Vorderasien hinein. Der andere Zweig stieß nach Kleinasien hinein, wo das Hethiterreich unterging (vielleicht auch Troja?), und verlief von dort aus entlang der Mittelmeerküste über Syrien weiter nach Süden. Ferner wird aber auch berichtet, dass seefahrende Gruppen aus dem westlichen Mittelmeer an den Kämpfen reilnahmen. Für diese Wanderzüge gibt es archäologische Belege, wie z.B. im von Seevölkern zerstörten Ugarit.

"Zwischen 1194 und 1186 v. Chr. erfolgten die Angriffe der Seevölker auf Ugarit und die Zerstörung der Stadt. Keilschrifttafeln, die aus der Zeit kurz vor der Zerstörung stammen, beschreiben Angriffe auf die syrischen Gebiete von See. Ammurapi, dem noch jungen letzten Herrscher Ugarits, waren die Hände gebunden, denn die ugaritische Flotte wurde vom hethitischen Großkönig vor der Südküste Kleinasiens eingesetzt und Gardetruppen Hammurapis waren ins hethitische Kernland beordert worden. Ein Hilfegesuch an den hethitischen Vizekönig in Karkemisch wurde abgeschlagen. Ugarit war folglich den Feinden fast schutzlos ausgeliefert. Das Ende kam sehr schnell, da die letzten Korrespondenzen Ugarits noch in Bearbeitung waren. Einige von ihnen wurden im Brennofen gefunden, ohne versandt worden zu sein. Ugarit wurde von den Angreifern buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht. Erst im 5. Jahrhundert v. Chr. kam es wieder zu einer spärlichen Dorfbesiedlung in der Nähe."

https://de.wikipedia.org/wiki/Ugarit

Das Relief von Medinet Habu, das die Seeschlacht zwischen Seevölkern und Ägyptern darstellt und kommentiert, zeigt unter anderem zahlreiche Ochsenkarren, die sich im Gefolge der Angreifer befanden. Das belegt deutlich, dass diese Völkergruppen neben Kriegern von ihren Familien, Frauen und Kindern begleitet wurden. Es ist also davon auszugehen, dass größere Menschenmassen unterwegs waren, was ja auch die Philister beweisen, die ihren Staat mit seinem Bund von 5 Städten nicht nur mit wenigen tausend Individuen gegründet haben.

Hier ein hübscher Link dazu: http://www.salimbeti.com/micenei/sea.htm

(15.05.2016 19:08)913Chris schrieb:  Dass der hethitische Untergang von den Luwiern ausgegangen sein soll, ist interressant.

Das ist eine von mehreren akzeptablen Hypothesen. Der Zusammenbruch kann innenpolitische Ursachen wie Bürgerkrieg oder Thronstreitigkeiten haben, er kann ebenfalls auf einen Einbruch der Seevölker zurückzuführen sein. Die genauen Ursachen sind unbekannt, aber vermutlich war das Hethiterreich um 1200 v. Chr, ohnehin morsch geworden, sodass ein kleiner Anlass zum Untergang führen konnte.

(15.05.2016 19:08)913Chris schrieb:  Ich würde allerdings die wirtschaftlichen Hintergründe, die Bunbury erwähnt, nicht so vom Tisch wischen. Aus der Spätzeit des Hethiterreiches ist eine offenbar verheerende Hungersnot bekannt.

Das liegt allerdings nicht an einer ominösen "Endlichkeit spätbronzezeitlicher Wirtschaftssysteme", sondern an einer schlechten Regierung und innerer Zerrissenheit.
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RE: Neue Thesen zu Troja in der NZZ - Dietrich - 16.05.2016 15:55

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