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Wer war der Schrecklichste Tyrann im Römischen Reich?
29.07.2016, 09:36
Beitrag: #26
RE: Wer war der Schrecklichste Tyrann im Römischen Reich?
(28.07.2016 20:12)WDPG schrieb:  Das er Westrom nicht Retten konnte, werfe ich ihm nicht vor. Aber erstens finde ich das er den Untergang mit der Ermordung von fähigen Kaisern wie Maiorian oder Anthemius sogar noch beschleunigte und zweitens war die Frage ob er ob er ein Tyrann war und hier würde ich schon sagen ja. Denn beim Halten seiner Macht war ihm jedes Mittel recht, auch wenn er dem Reich damit erheblichen Schaden zufügte. So manch einem der Westrom zu Hilfe kam, wurde von ihm gleich als potentieller Feind gesehen und wie gesagt seine Truppen eroberten Rom.

Ich sehe Ricimer nicht so negativ. Zumindest finde ich, dass er kein schlimmerer Tyrann als z.B. Aetius vor ihm oder Odoaker nach ihm war. Ricimer ist sehr schwer zu beurteilen, einerseits wäre ohne seine Herrschaft das Weströmische Reich schon ca. 15 bis 20 Jahre eher untergangen, andererseits war es nach seiner Herrschaft wohl nicht mehr zu retten. Im 5. Jahrhundert erforderte die politische Lage, dass die Herrscher in Rom und Konstantinopel, aber auch die Statthalter in den Provinzen über militärische Fähigkeiten verfügen. Die römische Bevölkerung brachte die erforderliche Anzahl fähiger Militärs nicht mehr hervor, so dass man auf die Dienste von Germanen angewiesen war. Im 5. Jahrhundert waren die Germanen Arianer, dies versperrte ihm den Weg in die höchsten Ämter. Ein Germane konnte somit nicht Kaiser werden. Er konnte als faktischer Herrscher nur Heermeister werden. Um seine Macht abzusichern, benötigte er einen ihm ergebenen Kaiser. Der Kaiser musste einerseits stark genug sein, seinen Heermeister vor Anfeindungen und Intrigen zu schützen, andererseits durfte er sich nicht als eigenständiger Politiker profilieren. Dies war langfristig nicht zu vereinbaren, es führte zu Konflikten zwischen Kaiser/Statthalter und Heermeister und zum häufigen Wechsel des Personals. Unter diesem Gesichtspunkt muss man Ricimer und „seine“ Kaiser sehen.

Maiorarian und Anthemius waren sicher fähige Kaiser. Beide hatten jedoch einen wesentlichen Makel. Sie galten als Marionetten des oströmischen Kaisers Leo I. und mussten sich in Westrom erst einmal behaupten. Ricimer selbst wurde zwar auch von Leo I. als Heermeister ernannt, aber eben als Heermeister des weströmischen Kaisers Avitus, der sich gegen Leos Personalpolitik nicht wehren konnte und nach dem Wegzug seiner westgotischen Verbündeten politisch isoliert und erledigt war. Ihm zu beseitigen war dann nicht schwer und dies sicherte Ricimer vorerst das Wohlwollen der Senatsaristokratie. Leo I. benötigte in Westrom keinen eigenständigen Kaiser, sondern einen Statthalter, der seine Interessen loyal wahrnahm und die Senatsaristokratie und das Militär kontrollierte. Das war sicher die richtige Politik und im Sinne einer von Konstantinopel ausgehenden Restaurationspolitik, deren Scheitern im 6. Jahrhundert noch nicht abzusehen war. Das bedeutete aber auch, dass die politische Stellung des weströmischen Kaisers schwach war und dies auch so bleiben sollte.

Seit Konstantins Verlegung der Hauptstadt von Rom nach Konstantinopel widersetzte sich ein Teil der weströmischen Senatsaristokratie der oströmischen Politik, was schließlich zur endgültigen Teilung von 395 führte. Westrom lavierte seitdem zwischen den verschiedenen Machtfaktoren in häufig wechselnden Allianzen. Nach 450 setzten folgende Ereignisse neue Bedingungen:
1. Die Schwächung der Hunnen nach der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern 451 und der Tod Attilas 453, der zum Zerfall des Reichs der Hunnen führte. Als Folge dieser Ereignisse konnte Ostrom unter Marcian wieder erstarken. Einige Völker und Verbände gingen auf Wanderschaft in Richtung Westrom. Die Ostgoten siedelten in Dalmatien, also in der unmittelbaren Nähe Italiens.
2. Die Ermordung von Aetius 453 und von Kaiser Valentinian III. bedeutete, dass einerseits Westrom einen fähigen Politiker und Militär verlor, andererseits der letzte Vertreter der theodosianischen Dynastie starb. Alle nachfolgenden Kaiser hatten Legitimationsprobleme, d.h. ihre Stellung war schwach. In Ostrom starb zwar bereits 450 der letzte männliche Vertreter der theodosianischen Dynastie, doch durch seine Heirat mit Pulcheria, der Schwester seines verstorbenen Vorgängers Theodosius II., konnte der neue oströmische Kaiser Marcian seine Legitimitätsprobleme lösen. Dass nicht Valentinian III., als letzter Vertreter seiner Dynastie, oströmischer Kaiser wurde, ist auch ein Indiz der weströmischen Schwäche.
3. Die Eroberung Roms durch die Vandalen 455 war eine erhebliche Schwächung des weströmischen Reiches. Sie zeigte aber auch, dass das Vandalenreich der wichtigste Machtfaktor in Nordafrika und auf dem westlichen Mittelmeer war. Das weströmische Reich war auf Getreidelieferungen der Vandalen angewiesen. D.h. trotz der Plünderung Roms musste man sich mit König Geiserich verständigen.

Weiterhin erstarkte das Westgotenreich. 456 unterstützte Theoderich II. Kaiser Avitus militärisch, er ließ ihn jedoch fallen, als er in Konflikt mit den Sueben in Hispanien geriet. Der häufige Wechsel der westgotischen Außenpolitik zwischen pro und contra Westrom hätte viel Fingerspitzengefühl vom Kaiser, Senat und Heermeister verlangt. Dies hatte man nicht und vor allem war man sich nicht einig, so dass Westrom ein Spielball der Westgoten wurde. Ricimer versuchte ab 466 den neuen Westgotenkönig Eurich II. an Westrom zu binden, da er offensichtlich das Vandalenreich als gefährlichsten Gegner einschätzte. Weniger erfolgreich war Ricimer in Gallien, er konnte das Streben des gallischen Heermeister Aegidius nach Unabhängigkeit nicht verhindern. Dessen Sohn Syagrius war ab 466 ein de facto unabhängiger Herrscher. D.h. Ricimer herrschte praktisch nur noch in Italien.

Ich halte Ricimer nicht für einen Tyrannen, den man hervorheben muss. Wenn er ein Tyrann war, dann im gleichen Maß, aber nicht grausamer, als seine germanischen Zeitgenossen Geiserich, Theodorich II., Eurich II., Odoaker u.a. oder seine römischen Zeitgenossen wie Valentinian III., Aetius, Leo I. oder Orestes u.a. Sein Tod hinterließ – ein auch durch ihn verschuldetes Machtvakuum, das schließlich vier Jahre später zum Untergang des Weströmischen Reichs führte.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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Kaiser Phokas: - WDPG - 04.02.2016, 13:22
RE: Wer war der Schrecklichste Tyrann im Römischen Reich? - Sansavoir - 29.07.2016 09:36

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