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Reichsfürsten und die Gerichtsbarkeit
04.08.2015, 12:39
Beitrag: #1
Reichsfürsten und die Gerichtsbarkeit
Hallo, liebe Forumsmitglieder!

Ich komme hier unter Umständen mit einer etwas ungewöhnlichen Frage an, stecke jedoch vollkommen fest und brauche Hilfe bei den Details.

Ich schreibe gerade einen Contemporary-Fantasy-Roman, der themenbedingt zu einem erheblichen Teil auf Rückblicken in diverse Epochen basiert. Natürlich sollten diese so gut es geht wahrheitsgemäß od. zumindest realistisch sein.
Kleine Info zur Rahmenhandlung: eine Hexe, 1500 Jahre alt, wurde um 1300 herum gefürstet, regierte ein fiktives kleines Fürstentum im HRR. Um 1600 herum wird sie der Hexerei und Ketzerei angeklagt, wodurch sie wahnsinnig wird. Dass sie eine Frau an der Macht ist, hilft natürlich quer durch die Geschichte nicht sonderlich, ist aber wichtig für die Story (ist ja auch Fantasy).

Nun zu meinen Fragen:
- Ist es unter Kaiser Rudolf II., der ja kurz darauf für regierungsfähig erklärt wurde und sich außerdem vor Hexen fürchtete, möglich, dass im Zuge des Hexenwahns eine Reichsfürstin bei ihm von niedrigeren sozialen Schichten angeklagt und das ernstgenommen wird?
- Kann überhaupt jemand über sie richten, obwohl sie in ihrem eigenen Land die höchste Instanz ist?
- Ist der Kaiser dazu imstande, da ihr Land Teil des HRR ist und er als Herrscher über dieses - trotz ähnlicher Stellung in Österreich - über ihr steht?
- Würde sie als Fürstin einer Folter durch die kaiserlichen Zuständigen entgehen? Oder kann der Kaiser durch seine Hexenangst auch willkürlich eine Folter mit optionaler Hinrichtung anordnen?
- Oder würden im Falle einer Verurteilung statt Hinrichtung Strafen wie Entmachtung, Verbannung, Klosteraufenthalt am Plan stehen?
- Kann der Nachfolger des Kaisers nach dessen Absetzung die Fürstin begnadigen (immerhin war der Vorgänger wahnsinnig, sonst hätten sie ihn nicht abgesetzt) und kann sie dann wieder als solche herrschen (oder ihre Nachkommen)?
- Hat in dem Fall der Papst auch etwas damit zu tun?
- Oder würde sie sowieso nie angeklagt werden, weil sie unantastbar ist und sämtliche Anklagen vom Kaiser ignoriert werden würden (was die Geschichte meines Romans zunichte machen würde)?

Würde mich freuen, wenn ihr ein paar Antworten oder Anhaltspunkte für mich hättet! Smile

Danke schon mal und liebe Grüße
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04.08.2015, 15:54
Beitrag: #2
RE: Reichsfürsten und die Gerichtsbarkeit
Ein Reichsfürst vor einem "Strafgericht" ???

Völlig undenkbar.

Die Gerichte bei denen ein Prozess gegen einen Fürsten geführt werden konnten, hatten ganz andere Aufgaben.
Das waren Verwaltungsgerichte. Um eine heutige Bezeichnung zu benutzen.

Wenn du aber die Sache ein paar Etagen tiefer verorten würdest, irgendwelche Ritter, Freiherren, Edelleute, die ja durchaus eigene Territorien hatten, muss ja nicht unbedingt "reichsunmittelbar" sein, da ist dies sehr wohl denkbar.
Wegen zB Räuberei" oder "Landfriedensbruch" hat man da schon dem einen oder anderen den Kopf abgeschlagen.
Warum bei der "Edelfrau" in deinem Fall nicht bei Hexerei.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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04.08.2015, 17:12
Beitrag: #3
RE: Reichsfürsten und die Gerichtsbarkeit
Hallo Histomaniac,
die eigentliche Intention zu deiner Fragestellung gefällt mir noch mehr, als das, was sie an der Stelle zum Topic macht.
Was die damaligen und historisch verbürgten Gepflogenheiten und Abläufe betrifft, möchte ich @Suebe ausdrücklich beipflichten. Sicher werden sich der/die eine oder andere Bewanderte bezüglich dieses Zeitalters zu diesem interessanten Thema noch äußern.
Mich interessiert aber auch, warum und wieso man von interessanten Dingen über Fellnasen, zu gerade diesem, doch etwas entfernteren Thema kommt...

ich hoffe, dir jetzt nicht zu nahe getreten zu sein...WinkSmile


Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon, wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen!

Eduard F. Mörike (1804-1875)
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05.08.2015, 08:17
Beitrag: #4
RE: Reichsfürsten und die Gerichtsbarkeit
@Avicenna: Du bist mir keinesfalls zu nahe getreten. Ich empfand nur, dass sich hier Menschen austauschen, die mehr Ahnung von einem Thema haben, in dem ich mich verlaufen habe. Alles, das neuer als 500 n. Chr. ist nicht meine Spezialgebiet. Wink Und mit welchem Hintergrund ich eine Frage stelle, sollte ja letztendlich egal sein, wenn es doch um historische Fakten geht und darum, diese richtig zu bekommen und die rechtlichen, aber auch willkürlichen Möglichkeiten div. Adelsstände aufzuklären.

@ Suebe: Danke für deine Antwort. Das leuchtet mir ein. Also könnte ich sie entweder zu einer niedrigeren Adeligen umschreiben, damit sie dem Gericht des österr. Erzherzogs untersteht, oder: ich habe gelesen, dass im Fall des Markgrafen Friedrich V. v. Brandenburg dieser von seinen Söhnen abgesetzt und eingesperrt wurde. Gehe ich also richtig in der Annahme, dass innerfamiliäre Streitigkeiten durchaus auch zum gewünschten Ergebnis führen könnten? Diese sie z.B. selbst bezichtigen, absetzen und einkerkern (soll ja in den besten Häusern vorgekommen sein Wink )
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05.08.2015, 12:54
Beitrag: #5
RE: Reichsfürsten und die Gerichtsbarkeit
(05.08.2015 08:17)Histomaniac schrieb:  ./.

@ Suebe: Danke für deine Antwort. Das leuchtet mir ein. Also könnte ich sie entweder zu einer niedrigeren Adeligen umschreiben, damit sie dem Gericht des österr. Erzherzogs untersteht, oder: ich habe gelesen, dass im Fall des Markgrafen Friedrich V. v. Brandenburg dieser von seinen Söhnen abgesetzt und eingesperrt wurde. Gehe ich also richtig in der Annahme, dass innerfamiliäre Streitigkeiten durchaus auch zum gewünschten Ergebnis führen könnten? Diese sie z.B. selbst bezichtigen, absetzen und einkerkern (soll ja in den besten Häusern vorgekommen sein Wink )

Wobei es in den Fällen um Geisteskranheiten ging, siehe auch Kaiser Rudolf. Nix mit Hinrichtungen, und auch in den Fällen brauchten die Familienangehörigen gute Argumente.

Den "Fall" Agnes Bernauer kennst du?
https://de.wikipedia.org/wiki/Agnes_Bernauer
da wird ja auch von Hexenkünsten berichtet. Mit der die Ermordung gerechtfertigt werden sollte.

ein Bayernherzog hat wohl auch seine Frau bei Nacht und Nebel hinrichten lassen, "sie wäre fremd gegangen" um im Nachhinein die Sache zu vertuschen.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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05.08.2015, 15:43
Beitrag: #6
RE: Reichsfürsten und die Gerichtsbarkeit
Herzog (!) Ludwig II. ("der Strenge") hat seine Frau wutentbrannt mit dem Schwert umgebracht, auf den Verdacht hin, dass sie fremdgegangen sei. Sie ist nicht fremdgegangen, der Herzog - seinen Beinamen hat er wegen dieses Mordes bekommen - hat´s bitter bereut und das Kloster Fürstenfeld gestiftet.

Also wenn deine Hexe einen Mann hat, dann könnte der schon so eine Tat begehen (und würde dafür wegen der damals herrschenden Ehegesetze wahrscheinlich nicht einmal belangt werden - die Hexe könnte, da sie eine "echte" Hexe ist, die Tat sogar überleben und darüber dann wahnsinnig werden).

Aber weil du nach dem Papst gefragt hast: Der könnte die Hexe schon exkommunizieren, wodurch sie im legalen Sinn herrschaftsunfähig wird und ihr Fürstentum verlieren würde, zumindest gegen (nicht exkommunizierte) Konkurrenten verteidigen müsste.

So weit ich das sehe, wurden herrschende Fürsten seit den Merowingern nicht mehr umgebracht, sondern eben herrschaftsunfähig gemacht (es sei denn, sie wurden bei einem Familienzwist getötet). Das geschah üblicherweise, indem sie in ein Kloster gesteckt wurden, denn ein Mönch konnte nicht Herrscher sein, so erzwungen sein Gelübde auch war. Wenn du´s also schaffst, dass die Hexe dazu gezwungen werden kann, eine Nonne zu werden, hat sie ihr Fürstentum auch verloren. Wobei ich´s deiner Phantasie überlasse, dir zu überlegen, wie man eine derart mächtige Hexe zu etwas zwingen kann...aber den mittelalterlichen Legalismus kannst du dir glaube ich schon zunutze machen.

VG
Christian
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05.08.2015, 20:40
Beitrag: #7
RE: Reichsfürsten und die Gerichtsbarkeit
Wenn Du Dir Wissen über die Zeit um 1600 bzw. über die Zeit Anfang des 17. Jahrhundert aneignen möchte, würde ich Dir z.B. raten, sich mit dem Schicksal von Johannes Keplers Mutter beschäftigen, die sich einen Hexenprozess unterziehen musste. Kepler war immerhin Hofastronom und Hofastrologe, der hohes Ansehen genoss.

Eine Adlige habe ich auch noch zu bieten: Elisabeth Bathory. Versuche diese Frau nicht nur als Mörderin zu sehen. (Was ist Dichtung, was ist Wahrheit - hier gibt es sehr unterschiedliche Ansichten). Für Dein Fantasy-Projekt ist diese Figur vielleicht interessant, wenn Du sie als Vertreterin einer einst mächtigen Adelsfamilie, doch zum Anfang des 17. Jahrhundert politisch entmachteten Familie betrachtest.

Wie es einer Adligen im 16. Jh. ergehen kann, die sich nicht an ihre gesellschaftliche Rolle halten, zeigt das Schicksal der Anna von Sachsen (1544-1577).

http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...02#pid4002

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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