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Vertreibung in der Geschichte
16.10.2012, 20:14
Beitrag: #1
Vertreibung in der Geschichte
In dem geschlossenen Thread zum Tag der Deutschen Einheit,
hatte ich dies geschrieben:

"Die Vertreibung ist eine "Erfindung" des 20. Jahrhunderts."

dies hat bei Viriathus erheblichen Widerspruch ausgelöst, und er bat mich per PN dies, sobald der 3nd s.o. wieder geöffnet wäre, klarzustellen.
Da ich nicht weiß, ob und wann er wieder geöffnet wird, dies hier.

Es hat mich natürlich umgetrieben, und ich habe dies gefunden:

Globale Geschichte des 20. Jahrhunderts
von Edgar Wolfrum,Cord Arendes W. Kohlhammer Verlag

"Seite 24
Natürlich sind Vertreibungen keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Wellen von erzwungenen Völkerwanderungen gab es auch vorher"
man gibt also grundsätzlich virithiatus recht.

ein paar Zeile weiter unten.
"Doch Massenvertreibungen als systematisch angewandtes Mittel von Politik und Kriegszielplanungen wurden erst in diesem Jahrhundert erfunden, und mit nationalistischem Wahn, rassistischer Ideologie, bürokratischem Vernichtungsterror, und verbrecherischer Energie verfolgt"

und eigentlich meinte ich genau das.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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16.10.2012, 20:36
Beitrag: #2
RE: Vertreibung in der Geschichte
Besonders in der Völkerwanderung wurden immer wieder Völker von anderen vertrieben, sonst hätte sie gar nicht solche Ausmaße angenommen,
Sehr selten geschah das aber vor dem 20. Jahrhundert unter rassistischem Hintergrund.

Obwohl?
Kann es sein dass Griechen oder Römer planmäßig Völker vertrieben, weil es "Barbaren" waren?
Kann ich nicht nachweisen, wäre aber ein Gedanke.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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16.10.2012, 21:34
Beitrag: #3
RE: Vertreibung in der Geschichte
(16.10.2012 20:14)Suebe schrieb:  Globale Geschichte des 20. Jahrhunderts
von Edgar Wolfrum,Cord Arendes W. Kohlhammer Verlag

"Doch Massenvertreibungen als systematisch angewandtes Mittel von Politik und Kriegszielplanungen wurden erst in diesem Jahrhundert erfunden, und mit nationalistischem Wahn, rassistischer Ideologie, bürokratischem Vernichtungsterror, und verbrecherischer Energie verfolgt"

und eigentlich meinte ich genau das.

Wenn man es genauer betrachtet, stimmt obige Beschreibung schon für die Massenvertreibungen, die im 19. Jahrhundert stattfanden. Ich denke da vor allem an die nordamerikanischen Indianer, an die Buren oder an die Armenier im Osmanischen Reich.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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17.10.2012, 11:34
Beitrag: #4
RE: Vertreibung in der Geschichte
(16.10.2012 21:34)Sansavoir schrieb:  
(16.10.2012 20:14)Suebe schrieb:  Globale Geschichte des 20. Jahrhunderts
von Edgar Wolfrum,Cord Arendes W. Kohlhammer Verlag

"Doch Massenvertreibungen als systematisch angewandtes Mittel von Politik und Kriegszielplanungen wurden erst in diesem Jahrhundert erfunden, und mit nationalistischem Wahn, rassistischer Ideologie, bürokratischem Vernichtungsterror, und verbrecherischer Energie verfolgt"

und eigentlich meinte ich genau das.

Wenn man es genauer betrachtet, stimmt obige Beschreibung schon für die Massenvertreibungen, die im 19. Jahrhundert stattfanden. Ich denke da vor allem an die nordamerikanischen Indianer, an die Buren oder an die Armenier im Osmanischen Reich.

Bei den Indianern und den Buren sind meine Kenntnisse sehr rudimentär, trau ich mir keine Einschätzung zu.

Bei den Armeniern im Osmanischen Reich, ebenso bei den Juden im Russischen Reich würde ich die Vorkommnisse jedoch als Pogrom bezeichnen. Den Juden war die Auswanderung aus dem Zarenreich sogar verboten, die (illegalen) Auswanderungszahlen des 19. Jahrhunderts lassen sich lediglich über die Aufnahmeländer so ca. erfassen.
Auch bei den Armeniern handelt es sich mW um Pogrome, nicht vergleichbar mit dem, was sich ab 1915 abspielte. (Gulbenkian, der vom RedLine-Abkommen, und Sachverständiger des Sultans für Bodenschätze in Mesopotamien, musste bei einem dieser Pogrome aus Istanbul flüchten)

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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17.10.2012, 23:44
Beitrag: #5
RE: Vertreibung in der Geschichte
(17.10.2012 11:34)Suebe schrieb:  Bei den Indianern und den Buren sind meine Kenntnisse sehr rudimentär, trau ich mir keine Einschätzung zu.

Bei den Indianern dachte ich vor allem an die fünf zivilisierten Stämme, von denen am bekanntesten die Cherokee und die Seminolen waren. Sie wurden trotz Friedfertigkeit in den 1830-er Jahre aus ihrer Heimat vertrieben. Viele Menschen überlebten diese Vertreibung nicht. Ursache der Vertreibung war die Politik des Präsidenten Andrew Jackson, der das Indianerland für Neusiedler benötigte. Diese Neusiedler waren zum Teil "kleine" Handwerker, Kaufleute usw. aus dem Osten der USA oder Einwanderer aus Europa. Diese Bevölkerungsschichten waren die Wähler Jacksons, der selbst dieser Schicht entstammte und sich mit Hilfe der Neusiedler gegen die herrschende großen Grundbesitzer behauptete, die bis 1829 alle sechs Präsidenten stellte.

1886 wurden die kriegerischen Apachen umgesiedelt.

Nachdem die Kapkolonie 1806 unter britischer Herrschaft kam, war der Großteil der Buren nicht bereit, die britischen (modernen) Gesetze anzuerkennen. Dies verschärfte die Konflikte, vor allem nachdem 1836 die Sklaverei verboten wurde. Dies entsprach den Interessen der englischen Neusiedlern, die nicht von der Arbeit von Sklaven lebten und damit höhere Kosten auf ihren Farmen hatten. Das Verbot der Sklaverei entzog den eher klein- und mittelbäuerlichen Buren ihre wirtschaftliche Grundlage. Dies führte dazu, dass seit Ende der 1830-er Jahren die Buren ihre Heimat verließen. Die verschiedenen Trecks hatten große Opfer, sowohl in den Kämpfen gegen die nachrückenden Engländer als auch gegen die Zulus zu beklagen. 1880/81 führten die Konflikte zum 1. Burenkrieg, 1899 bis 1902 zum 2. Burenkrieg. Während des 2. Burenkriegs wurden erstmals Menschen in Konzentrationslagern interniert. Aber das ist nun schon Geschichte des 20. Jahrhunderts.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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18.10.2012, 14:52
Beitrag: #6
RE: Vertreibung in der Geschichte
Vertreibungen gab es auch aus religiösen Gründen.
Ob Indianer in Mittel-und Südamerika, Hugenotten aus Frankreich etc.pp. .
Römer und Griechen vertrieben selten, sondern unterwarfen und versklavten die Völker, wenn sie sich nicht dem geltenden Recht (Römisches z.B.) unterwerfen wollten.
solon
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18.10.2012, 20:08
Beitrag: #7
RE: Vertreibung in der Geschichte
(17.10.2012 23:44)Sansavoir schrieb:  
(17.10.2012 11:34)Suebe schrieb:  Bei den Indianern und den Buren sind meine Kenntnisse sehr rudimentär, trau ich mir keine Einschätzung zu.

Bei den Indianern dachte ich vor allem an die fünf zivilisierten Stämme, von denen am bekanntesten die Cherokee und die Seminolen waren. Sie wurden trotz Friedfertigkeit in den 1830-er Jahre aus ihrer Heimat vertrieben. Viele Menschen überlebten diese Vertreibung nicht. Ursache der Vertreibung war die Politik des Präsidenten Andrew Jackson, der das Indianerland für Neusiedler benötigte. Diese Neusiedler waren zum Teil "kleine" Handwerker, Kaufleute usw. aus dem Osten der USA oder Einwanderer aus Europa. Diese Bevölkerungsschichten waren die Wähler Jacksons, der selbst dieser Schicht entstammte und sich mit Hilfe der Neusiedler gegen die herrschende großen Grundbesitzer behauptete, die bis 1829 alle sechs Präsidenten stellte.

1886 wurden die kriegerischen Apachen umgesiedelt.

./.

Die Cherokee hatten doch sogar eine eigene Universität.

Ich habe vor Jahren auf den mMn kausalen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen und politischen Lage in Europa und den folgenden ansteigenen oder absinkenden Auswandererzahlen mit der US-Amerikanischen Indianerpolitik hingewiesen.
Bin da allerdings bei der "Indianer-Spezialistin" nicht gut angekommen.
Du bestätigst jetzt aber doch mehr oder weniger meine damalige Vermutung.
Da müssen wir uns mal gelegentlich austauschen.

In Russland gab es mit zeitlicher Verzögerung übrigens eine sehr ähnliche Entwicklung. Mit der Bauernbefreiung begann eine massive Wanderung nach Sibirien die 1908 mit rund 750.000 Menschen/p.a. ihren Höhepunkt erreichte. Die "Eingeborenen-Stämme" Sibiriens mussten in unwirtlichere Gegenden ausweichen und gingen überwiegend unter, da es auch nichts ähnliches wie die US-Reservate gab. Andererseits haben sich einige dieser Stämme in ökonomischen Nischen recht gut gehalten, und prosperieren bis heute.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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18.10.2012, 22:00
Beitrag: #8
RE: Vertreibung in der Geschichte
(18.10.2012 20:08)Suebe schrieb:  Die Cherokee hatten doch sogar eine eigene Universität.

Ich habe vor Jahren auf den mMn kausalen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen und politischen Lage in Europa und den folgenden ansteigenen oder absinkenden Auswandererzahlen mit der US-Amerikanischen Indianerpolitik hingewiesen.
Bin da allerdings bei der "Indianer-Spezialistin" nicht gut angekommen.
Du bestätigst jetzt aber doch mehr oder weniger meine damalige Vermutung. Da müssen wir uns mal gelegentlich austauschen.
Das stimmt, die Cherokee hatten eine eigene Universität.

Ich denke auch, dass es einen Zusammenhang zwischen der aus Europa erfolgten Auswanderung und der US-amerikanischen Indianerpolitik besteht. Andrew Jackson, der ein Interessenvertreter der "kleinen Leute" war, betrieb eine rigorose Indianerpolitik. Abraham Lincoln war ebenso kein Indianerfreund, während seiner Regierung fanden z.B. Feldzüge gegen die Navajos und Sioux statt. Es ist schon so, dass im 19. Jahrhundert die Indianer zugunsten der Neusiedler aus Europa oder dem Osten der USA in unwirtliche Resevate abgedrängt wurden.

(18.10.2012 20:08)Suebe schrieb:  In Russland gab es mit zeitlicher Verzögerung übrigens eine sehr ähnliche Entwicklung. Mit der Bauernbefreiung begann eine massive Wanderung nach Sibirien die 1908 mit rund 750.000 Menschen/p.a. ihren Höhepunkt erreichte. Die "Eingeborenen-Stämme" Sibiriens mussten in unwirtlichere Gegenden ausweichen und gingen überwiegend unter, da es auch nichts ähnliches wie die US-Reservate gab. Andererseits haben sich einige dieser Stämme in ökonomischen Nischen recht gut gehalten, und prosperieren bis heute.

Das stimmt. Die Entwicklung in Russland war ähnlich, wobei es interessant ist, dass sich die zaristische und sowjetische Politik gegenüber den sibirischen Völker nicht wesentlich unterschied. Die sibirischen Völker wurden entmündigt, sie mussten in zugewiesenen Orte leben und der Alkoholismus war weit verbreitet. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion versuchen Jakuten, Tschutschen, Nenzen usw. wieder an ihre alte Lebensweise anzuknüpfen und dies zum Teil erfolgreich. Es ist richtig, dass die Auswanderung nach der Bauerbefreiung zuungusten der sibirischen Urbevölkerung verlief, deren Kultur und Lebensgrundlage zerstört wurde.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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19.10.2012, 18:40
Beitrag: #9
RE: Vertreibung in der Geschichte
(18.10.2012 14:52)solon schrieb:  Vertreibungen gab es auch aus religiösen Gründen.
Ob Indianer in Mittel-und Südamerika, Hugenotten aus Frankreich etc.pp. .
Römer und Griechen vertrieben selten, sondern unterwarfen und versklavten die Völker, wenn sie sich nicht dem geltenden Recht (Römisches z.B.) unterwerfen wollten.
solon

Nun wäre zu klären, inwiefern die Sklaverei angetan ist nicht mehr von Vertreibung zu sprechen. Es ist eine andere Form, aber ob ein Gallier nach Rom verschleppt sich weniger vertrieben vorkommt?
Zudem: Was ist mit den Juden in Babylon? Daraus erwuchs sogar ein Gründungsmythos, denn wir noch heute in unseren Kirchen Ostern hören.

Es ist doch offensichtlich, dass Vertreibungen niemals allein das 20. Jh. betrafen. Auch halte ich es für naiv zu glauben, dass damals zwar vertrieben wurde, aber mit weniger Toten. Und wenn, dann ist das sicherlich den weniger "effizienten" Mitteln geschuldet, kaum lebten damals andere Menschen als heute.

Der vernetzte Mensch von heute gerät in Gefahr,
die globalisierte Welt als eine Ansammlung von Zitaten zu erleben.

Doug Mack
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19.10.2012, 20:12
Beitrag: #10
RE: Vertreibung in der Geschichte
(19.10.2012 18:40)Viriathus schrieb:  
(18.10.2012 14:52)solon schrieb:  Vertreibungen gab es auch aus religiösen Gründen.
Ob Indianer in Mittel-und Südamerika, Hugenotten aus Frankreich etc.pp. .
Römer und Griechen vertrieben selten, sondern unterwarfen und versklavten die Völker, wenn sie sich nicht dem geltenden Recht (Römisches z.B.) unterwerfen wollten.
solon

Nun wäre zu klären, inwiefern die Sklaverei angetan ist nicht mehr von Vertreibung zu sprechen. Es ist eine andere Form, aber ob ein Gallier nach Rom verschleppt sich weniger vertrieben vorkommt?
Zudem: Was ist mit den Juden in Babylon? Daraus erwuchs sogar ein Gründungsmythos, denn wir noch heute in unseren Kirchen Ostern hören.

Es ist doch offensichtlich, dass Vertreibungen niemals allein das 20. Jh. betrafen. Auch halte ich es für naiv zu glauben, dass damals zwar vertrieben wurde, aber mit weniger Toten. Und wenn, dann ist das sicherlich den weniger "effizienten" Mitteln geschuldet, kaum lebten damals andere Menschen als heute.

Unter Sklaverei versteht man aber doch etwas anderes, versklavt werden wie ich das sehe doch eher Gruppen und nicht ganze Ethnien.

Die Babylonische Gefangenschaft. Hat die was mit Ostern zu tun?
Wenn ich das richtig sehe wurde auch nur die absolute Oberschicht nach Babylon verbracht. Keineswegs "alle" Juden.

Wiki schreibt dies:
"In Deutschland und Österreich verbindet man den Begriff „Vertreibung“ im Alltagsverständnis vor allem mit der Flucht, Ausweisung und Zwangsumsiedlung von Deutschen aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches sowie aus dem Sudetenland, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Ergebnis alliierter Übereinkunft unter die Verwaltung der Volksrepublik Polen und der Sowjetunion gefallen waren beziehungsweise wieder Teil der Tschechoslowakei wurden."
und hat diverse Begriffs-Definitionen zu bieten:
"

Vertreibung beinhaltet erzwungenes Verlassen eines Ortes oder Gebiets aufgrund von Ausweisung oder (staatlicher) Verfolgung. Da es neben massiver Verfolgung politische und gesellschaftliche Diskriminierungen oder rein ökonomisch begründeten Druck unterschiedlichsten Grades gegeben hat und gibt, ist es ohne Nachweis einer Ausweisung oder Gewaltandrohung oft schwer, Vertreibung gegenüber freiwilliger Auswanderung oder auch freiwilligem großräumigem Ortswechsel innerhalb eines Staates abzugrenzen.
Deportation (lat. deportare „wegbringen“, „fortschaffen“): Ein Staat transportiert Menschen zwangsweise in andere Gebiete. Die Deportierten sind oft politische Gegner oder ethnische Minderheitn. Die Deportation ist somit die staatliche Verbringung von Menschen in andere Gebiete, die in der Regel aufgrund eines Gesetzes oder Erlasses, mitunter auch willkürlich zum Zwecke kollektiver Strafmaßnahmen, zwangsweiser Unterdrückung oder Isolation ausgesprochen wird.
Ausweisung ist ein Verwaltungsakt mit dem Ziel, die Anwesenheit des Betroffenen in einem Land zu beenden und ihm Wiedereinreise und weiteren Aufenthalt zu verwehren. Ausweisungen stellen grundsätzlich Interessen eines Staates oder einer Gemeinschaft über das Wohl des Ausgewiesenen.
Abschiebung ist der behördliche Vollzug einer in einem rechtsstaatlichen Verfahren festgestellten Ausreisepflicht (Ausweisung).
Flüchtlinge verlassen ihre Heimat nicht auf behördliche Anordnung, sondern um einer – möglicherweise lebensbedrohenden – Gefahr zu entgehen. Im Unterschied zu Vertriebenen werden sie nicht unmittelbar zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen. Falls Flüchtlingen oder Ausgewiesenen die Rückkehr in ihre Heimat verwehrt wird, unterscheidet sich ihre Lage nicht mehr von der Lage von Vertriebenen.
Ethnische Säuberung etablierte sich mit der Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts bei Juristen und Historikern (und später auch in Medien und der Öffentlichkeit) als Begriff für Maßnahmen, die das Ziel haben, Bevölkerungsgruppen zu entfernen, die der Vorstellung der Behörden oder einer mächtigen Bevölkerungsgruppe von der sprachlichen oder kulturellen Zusammensetzung ihres Gemeinwesens widersprechen. Von den Methoden ist der Genozid mit Abstand die verbrecherischste, die Vertreibung aber auch hochgradig inhuman.
Staatlich erzwungene Umsiedlung hat in Imperien auch häufig dem Zweck gedient, verschiedene Bevölkerungsgruppen zu mischen, um dadurch separatistischen Aktivitäten vorzubeugen.
Neben vorrangig staatspolitisch motivierten Vertreibungen gab und gibt es auch immer wieder vorrangig wirtschaftlich motivierte im Rahmen großräumiger Änderungen der Flächennutzung. Beispiele sind große Staudammprojekte, in jüngerer Zeit etwa in der Volksrepublik China und in der Türkei, Tagebaue (etwa Ostdeutschland oder die Ville) sowie die Anlage von Großfarmen in Gebieten mit bisher traditionellen Wirtschaftsformen, etwa in Indonesien. Längst nicht immer sind die Behörden willens und in der Lage, Einwohnern, die diesen Projekten weichen müssen, angemessene Entschädigungen und attraktive neue Siedlungsgebiete zur Verfügung zu stellen."
Zitatende

noch der Link zu og Quelle
http://books.google.de/books?id=KLwY_1u9...ts&f=false

Bis 1964 hat die Bundesrepublik übrigens zwischen Flüchtlingen und Vertriebenen unterschieden.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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20.10.2012, 09:50
Beitrag: #11
RE: Vertreibung in der Geschichte
Die Befriedung von Dakien wurde von den Römern mit Hilfe von Umsiedlungen forciert. Das ist zwar keine Vertreibung wie bei einem Bevölkerungsaustausch, aber es wurden doch ganze Völkerschaften angesiedelt.

Die Assyrer hatten es sich zum Prinzip gemacht, aufständische Provinzen durch Bevölkerungsaustausch zu befrieden. Das waren dann echte Vertreibungen.

VG
Christian
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20.10.2012, 12:02
Beitrag: #12
RE: Vertreibung in der Geschichte
(20.10.2012 09:50)913Chris schrieb:  Die Befriedung von Dakien wurde von den Römern mit Hilfe von Umsiedlungen forciert. Das ist zwar keine Vertreibung wie bei einem Bevölkerungsaustausch, aber es wurden doch ganze Völkerschaften angesiedelt.

Die Assyrer hatten es sich zum Prinzip gemacht, aufständische Provinzen durch Bevölkerungsaustausch zu befrieden. Das waren dann echte Vertreibungen.

VG
Christian




Von den Karpaten habe ich wenig Ahnung.


Den Römern wird ähnliches Verhalten auch am Niederrhein vorgeworfen.
Wobei, was an römischen Quellen auf uns gekommen ist, ist doch sehr selektiert, und mW oft durch die Spatenforschung nicht nachvollziehbar.

Mein Beispiel wären in dem Fall die Burgunder, von der "Aktenlage" her ein klarer Fall von Vertreibung resp. Umsiedlung. Die Forschung weiß inzwischen aber, dass noch 50 Jahre später Nachzügler vom Mittelrhein in die Sabaudia gezogen sind. Und dass so mancher "Burgunder" rein äußerlich verm. eher als Hunne anzusprechen war.



OT: Ich kenne einen, der derzeit damit beschäftigt ist, den Beweis zu erbringen, dass die Römer die Gegend zwischen Limes, Rhein und Bodensee erst 100 Jahre später aufgegeben haben, als bisher angenommen. Man wäre allgemein im römischen Machtbereich, auch in Gallien, in der Zeit zum Holzbau und anderen Wirtschaftsweisen übergegangen,
"nichts ist so dauerhaft wie ein solides Loch" Angel
aber ob in dem Loch ein römischer oder germanischer Pfosten steckte, ist so einfach halt nicht zu beantworten.
Der ist jedenfalls der Meinung, dass die Römer lediglich die genannten Punkte und das Grenzregime geändert hätten

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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21.10.2012, 20:17
Beitrag: #13
RE: Vertreibung in der Geschichte
Man muss bei dem Thema unterscheiden zwischen

1) Vertreibung

2) Genozid

3) Zwangsassimilation

4) Versklavung

Oft treffen auch mehrere der Punkte auf einmal zu.

Beispiele:

1) Die belgischen Kongogräuel unter Leopold II, die rund 10 Mio das Leben kosteten. Leopold ließ die Kongolesen schuften, um seinen eigenen unermesslichen Reichtum weiter zu steigern. Es ging v.a. um Kautschuk, den er so "gratis" bekam un mit horrenden Margen weiterveräußerte. Die Kongolesen wurden aber nicht vertrieben.

2) Die Nazis planten z.B. für das "Protektorat Böhmen und Mähren" eine Kombination aller vier Punkte. Sie rechneten damit, dass sie damit Ende der 1960er ihr "Ziel" erreichen würden.

3) Die Entdeutschung der Ostgebiete ist eine Kombination aus Vertreibung, Genozid, Zwangsassimilation (für die wenigen, die bleiben durften) und Versklavung (Deportation und Zwangsarbeit in sowjetischen Gulags)

4) Bei den Indianern Amerikas muss man in erster Linie von einem schleichenden Genozid sprechen, aber auch die übrigen Punkte sind in der amerikanischen Geschichte manifest.

5) Auch die kommunistischen Regime kombinierten o.a. Punkte, wobei hier insbsondere der (Klassen)Genozid und die Versklavung eine Rolle spielten.

MfG, Titus Feuerfuchs
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21.10.2012, 20:19
Beitrag: #14
RE: Vertreibung in der Geschichte
(16.10.2012 20:36)Maxdorfer schrieb:  Besonders in der Völkerwanderung wurden immer wieder Völker von anderen vertrieben, sonst hätte sie gar nicht solche Ausmaße angenommen,
Sehr selten geschah das aber vor dem 20. Jahrhundert unter rassistischem Hintergrund.

Passt hier m.E. nur bedingt hinein, da die Völkerwnderung m.W. vorrangig durch eine extreme Mangelwirtschaft ausgelöst worden war, sprich es war die blanke Not, die jene Menschen antrieb.

MfG, Titus Feuerfuchs
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21.10.2012, 20:30
Beitrag: #15
RE: Vertreibung in der Geschichte
(17.10.2012 23:44)Sansavoir schrieb:  [...]1886 wurden die kriegerischen Apachen umgesiedelt.[...]

Aber zum wiederholten Male, von einem unwirtlichen Reservat ins nächste. Man gab den Indianern nur Land, das für die weißen Siedler keinerlei Wert hatte.

MfG, Titus Feuerfuchs
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21.10.2012, 20:37
Beitrag: #16
RE: Vertreibung in der Geschichte
(19.10.2012 20:12)Suebe schrieb:  [...]Unter Sklaverei versteht man aber doch etwas anderes, versklavt werden wie ich das sehe doch eher Gruppen und nicht ganze Ethnien.[...]

Würde ich so nicht sagen. Schwarzafrikaner (die sich jedoch aus vielen Ethnien zusammensetzen) z.B. wurden über Jahrhunderte hinweg versklavt. Ein Beispiel für die kollektive Versklavung einer ganzen Ethnie habe ich schon genannt - die Kogolesen im späten 19. und frühen 20. Jh.

MfG, Titus Feuerfuchs
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21.10.2012, 20:44
Beitrag: #17
RE: Vertreibung in der Geschichte
(16.10.2012 20:14)Suebe schrieb:  In dem geschlossenen Thread zum Tag der Deutschen Einheit,
hatte ich dies geschrieben:

"Die Vertreibung ist eine "Erfindung" des 20. Jahrhunderts."

dies hat bei Viriathus erheblichen Widerspruch ausgelöst, und er bat mich per PN dies, sobald der 3nd s.o. wieder geöffnet wäre, klarzustellen.
Da ich nicht weiß, ob und wann er wieder geöffnet wird, dies hier.

Es hat mich natürlich umgetrieben, und ich habe dies gefunden:

Globale Geschichte des 20. Jahrhunderts
von Edgar Wolfrum,Cord Arendes W. Kohlhammer Verlag

"Seite 24
Natürlich sind Vertreibungen keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Wellen von erzwungenen Völkerwanderungen gab es auch vorher"
man gibt also grundsätzlich virithiatus recht.

ein paar Zeile weiter unten.
"Doch Massenvertreibungen als systematisch angewandtes Mittel von Politik und Kriegszielplanungen wurden erst in diesem Jahrhundert erfunden, und mit nationalistischem Wahn, rassistischer Ideologie, bürokratischem Vernichtungsterror, und verbrecherischer Energie verfolgt"

und eigentlich meinte ich genau das.

Ich würde es so formulieren: Massenvertreibungen (dh. über eine Mio Menschen), die innerhalb kürzerster Zeit aufgrund v. nationalistischen u. rassistischen Motiven stattfanden, sind nicht zuletzt aufgrund des nationalistischen Denkens u. den neuen technischen Möglichkeiten (Eisenbahn, Funk, Motorisierung,...) ein Spezifikum des 20. J.h.

MfG, Titus Feuerfuchs
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21.10.2012, 21:34
Beitrag: #18
RE: Vertreibung in der Geschichte
@Titus, wenn Nazideutschland Böhmen und Mähren versklaven wollte, hätten sie es von Anfang an getan oder zumindest im WKII vollzogen. Nur eins ist nachgewiesen, noch nie ging es der Industriearbeiterschaft in Böhmen und Mähren so gut wie zwischen 1939-1942, trotz dem Attentat, Zuckerbrot und Peitsche.
solon
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21.10.2012, 22:32
Beitrag: #19
RE: Vertreibung in der Geschichte
(21.10.2012 21:34)solon schrieb:  @Titus, wenn Nazideutschland Böhmen und Mähren versklaven wollte, hätten sie es von Anfang an getan oder zumindest im WKII vollzogen. Nur eins ist nachgewiesen, noch nie ging es der Industriearbeiterschaft in Böhmen und Mähren so gut wie zwischen 1939-1942, trotz dem Attentat, Zuckerbrot und Peitsche.
solon

Sehr zynischer Kommentar. Im November 1941 wurde das KZ Theresienstadt errichtet. Von dort aus wurden Zehntausende Juden in die Vernichtungslager in Polen deportiert.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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22.10.2012, 00:59
Beitrag: #20
RE: Vertreibung in der Geschichte
(21.10.2012 21:34)solon schrieb:  @Titus, wenn Nazideutschland Böhmen und Mähren versklaven wollte, hätten sie es von Anfang an getan oder zumindest im WKII vollzogen.

Den Plan gab es (habe die Quelle nicht mehr im Kopf, aber es war ein seriöse). Ein Teil (der als "arisch" genug galt) sollte zwangsassimliert werden, ein Teil sollte deportiert und ein anderer durch Zwangsarbeit aufgerieben werden. Ist ja auch anhand Hitlers sonstigen Plänen Osteuropa betreffend schlüssig, oder meinst du, er hätte den Tschechen spezielle Minderheitenrechte zugestanden, inklusive zweisprachiger Osrtsschilder und allem was dazu gehört?Rolleyes

(21.10.2012 21:34)solon schrieb:  Nur eins ist nachgewiesen, noch nie ging es der Industriearbeiterschaft in Böhmen und Mähren so gut wie zwischen 1939-1942, trotz dem Attentat, Zuckerbrot und Peitsche.
solon

Das ist ja auch nicht verwunderlich, lag doch der Großteil der tschechischen Industrie im deutschsprachigen Sudetenland, wo die "Deutsche Arbeiter Partei", die Vorgängerpartei der NSDAP, gegründet worden war


Zudem war Hitler auf die tschechische Indsustrie angewiesen, wie auf einen Bissen Brot, kein Wunder dass er sich die Arbeiterschaft warmhielt.

Weiters wurde das Protektorat erst kurz vor Kriegsbeginn annektiert, da hatte Hitler andere Interessen als die Germanisierung der sog. "Resttschechei".

MfG, Titus Feuerfuchs
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