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Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
15.09.2014, 11:42
Beitrag: #1
Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
Es gibt in D strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete. Mich interessiert
1. Wo sind die?
2. Warum sind sie so dünn besiedelt, war das schon immer so oder ist das ein aktueller Trend?
3. Wie gehen wir damit um? Kämpfen wir dagegen an mit Fördermitteln z.B. oder lassen wir bestimmte Gebiete wüst fallen, sekundäre Urwälder entstehen?

Dabei finde ich den geschichtlichen Bezug bes. spannend, denn Wüstungen oder Geisterstädte hat es schon immer gegeben. Besiedlung ändert sich ständig, aus den verschiedensten Gründen.



Im Thread http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...0#pid38620 wurde ein Thema gestreift, das mich schon länger beschäftigt.
(12.09.2014 23:49)Sansavoir schrieb:  Ich kann dazu nur schreiben, dass es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen viele Schlösser, Herrenhäuser, Villen usw., aber auch Dreiseitenhöfe, Mühlen, Fabriken und Bahnhöfe gibt, die dem Verfall preis gegeben sind. Momentan haben diese verlassenen Orte noch einen "morbiden Charme", an manchen dieser verlassenen Orte sieht man an den Wochenenden noch Fotografen (mit und ohne Models). In ein paar Jahren ist das vorbei, die Gebäude werden wohl abgesperrt werden. Diese alten historischen Gebäude wurden in den 1990er Jahren oft an dubiose Geschäftsleute verscherbelt, die Gebäude werden oft nur als Abschreibungsobjekte genutzt. Investiert wurde gar nicht oder wenig, meistens nur in Absperrzäune. Dass diese historischen Gebäude nicht nur Privateigentum sind, sondern auch Kulturgüter sind, ist bisher wenig beachtet worden. Mit jedem zerfallenen Gebäude geht kommenden Generationen ein Stück kulturelles Erbe verloren.

(13.09.2014 13:56)Renegat schrieb:  Du sprichst ein Thema an, dass mich schon länger umtreibt. Aktuell nach meiner letzten Reise in eine sog. strukturschwache Region.
Dieses Nebeneinander von mit Fördermitteln oder auch privaten Investitionen wunderbar instandgesetzten, alten Gebäuden und dem Verfall macht für mich eine Diskussion zwingend, wo, wie und warum, man alte Gebäude erhalten möchte.
Es gibt in D, wahrscheinlich wie überall, Gebiete, die von einem Bevölkerungsrückgang betroffen sind. Manches läßt sich eine Zeitlang touristisch nutzen, doch auch die Touristenströme unterliegen Moden und dem demographischen Wandel.

(12.09.2014 23:49)Sansavoir schrieb:  Die Ministerpräsidentin von Thüringen, Christine Lieberknecht (CDU), äußerte den Vorschlag, Eigentümer heruntergekommener Schlösser usw. zu enteignen und dann mit Hilfe staatlicher Mittel zu restaurieren. Ob diese restaurierten Gebäude dann verkauft werden sollen oder vom öffentlich-rechtlichen Sektor, von Privatpersonen, Vereinen, Stiftungen usw. genutzt werden sollen ist mir nicht bekannt. Ich sehe als erstes Hindernis die staatliche Enteignung, allein dieser Absicht bzw. diesem Vollzug werden jahrelange Rechtsprozesse folgen. Aber der Erhalt dieser alten, historischen Gebäude wird immer dringlicher, die Zeit drängt. Schließlich wurde in den letzten 25 Jahren, aber auch in den 45 Jahren davor, wenig bis nichts getan.

Die Landwirtschaft befindet sich mitten in einem Strukturwandel. Die Industriealisierung ist ziemlich flächendeckend auch bei den Bauern angekommen, d.h. es gibt fast nur noch Bedarf an Flächen aber kaum Bedarf an Arbeitskräften, von saisonalen Erntehelfern in Spezialkulturen mal abgesehen.
Das und die Demographie führt bereits in einigen Gebieten zu einer sichtbaren Verödung, die in den nächsten 20-30 Jahren zunehmen wird.

Wie sehen die Folgen aus?
Wüstungen durch Bevölkerungsrückgänge gab es bes. im Mittelalter und der frühen Neuzeit, nach dem 30-j. Krieg. http://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%BCstung

Strukturwandel ist schwer aufzuhalten, wie gehen wir damit um, erhalten wir die teure Infrastruktur für immer wenigere Menschen oder geben wir z.B. die Orte um den Reinhardswald auf?
http://www.berlin-institut.org/publikati...gkeit.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Reinhardswald
Dort wurden die Sababurg und die Trendelburg bereits saniert, bei den Dörfern rundum ist der Zustand gemischt, manches wird liebevoll von den Bewohnern instandgehalten. Sterben diese oder müssen wegziehen, findet sich kein Käufer für die Immobilien und sie verfallen schnell.
Wie das Umfeld in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt aussieht, würde mich interessieren. In MV hatte fast jedes Städtchen ein Schlösschen, jedenfalls war das mein Eindruck letztes Jahr. Soviele Museen, Tagungszentren, Hotels, Einkaufszentren kann man gar nicht brauchen, auch wenn der Tourismus an der Ostsee und der Seenplatte wächst.
(12.09.2014 23:49)Sansavoir schrieb:  Ich kann dazu nur schreiben, dass es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen viele Schlösser, Herrenhäuser, Villen usw., aber auch Dreiseitenhöfe, Mühlen, Fabriken und Bahnhöfe gibt, die dem Verfall preis gegeben sind.
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15.09.2014, 12:51
Beitrag: #2
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
Renegat, es wäre hilfreich, eine These oder Frage an den Anfang zu stellen. Möchtest du einfach ein paar Beispeile hören, oder Vergleiche mit anderen Ländern, oder Zukunftsprognosen oder die dadurch verursachten Probleme diskutieren?

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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15.09.2014, 13:05
Beitrag: #3
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
(15.09.2014 12:51)Bunbury schrieb:  Renegat, es wäre hilfreich, eine These oder Frage an den Anfang zu stellen. Möchtest du einfach ein paar Beispeile hören, oder Vergleiche mit anderen Ländern, oder Zukunftsprognosen oder die dadurch verursachten Probleme diskutieren?
Stimmt, habe eben Fragen voran gestellt. Das Thema ist ziemlich vielschichtig, vielleicht muß man es später teilen, erstmal gucken, ob es überhaupt auf Interesse stößt.
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15.09.2014, 17:40
Beitrag: #4
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
Grundsätzlich muss man sagen, dass die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wüstungen völlig andere Hintergründe haben wie moderne Wüstungen.

Im Mittelalter entstanden überall in Europa Wüstungen, weil entweder der Boden erschöpft war oder Seuchen bzw. Kriege die Bevölkerung vernichteten.
In der frühen Neuzeit waren in erster Linie Kriege dafür verantwortlich, dass Dörfer verfielen und nicht wieder aufgebaut wurden.

Heute wandert die Bevölkerung aus wirtschaftlichen Gründen ab. Ausnahmen sind Siedlungen, die aus strategischen Gründen zwangsweise geräumt werden, z.B. am ehemaligen "Eisernen Vorhang".
VG
Christian
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15.09.2014, 18:08
Beitrag: #5
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
Interessantes Thema @Renegat,

leider kann ich nicht viel fachliches dazu beitragen.

Habe aber neulich einen Roman gelesen, der im Brandenburgischen spielt und u.a. von solchen sterbenden Dörfern handelt. In einem Dorf waren beispielsweise nur noch eine handvoll alter Menschen nach der Wende zurückgeblieben, für die Jungen gab es keine Arbeit und keine Perspektive.

Ich weiß, es war eine reine Fiktion - ein Roman eben, aber dieser Gedanke an einst betriebsame Gemeinden - Dörfer oder Städte - in denen niemand mehr leben will oder kann, beschäftigt tatsächlich sehr.

Wie sieht es denn z.B. in solch ländlichen Gebieten rings um Berlin aus, wo es Arbeit nur in der Stadt gibt? Existieren dort solche Wüstungen?

nicht ärgern, nur wundern...
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15.09.2014, 18:24
Beitrag: #6
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
Ich habe mich jetzt noch nicht näher damit beschäftigt, aber wie ich den Hessen Nachrichten entnehmen kann, ist Nordhessen auch von massiver Landflucht betroffen. Auch Kassel als dortite "Großstadt" verzeichnet einen Bevölkerungsrückgang. Allgemein gilt der Norden Hessens als strukturschwach, im Zuge der zunehmenden Bedeutung des Dienstleistungssektors haben sich dort oben auch viele industrielle Firmen zurückgezogen.
Und- ich weiß nicht, ob es stimmt, aber ich habe das mal gelesen- durch die relative Nähe zum Frankfurter Flughafen wurde die Produktion im Ausland billiger, so daß gerade mittelhessische Industriebetriebe einen Teil oder die komplette Fertigung ins AUsland verlagerten. Müßte ich aber noch mal näher nachlesen....

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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17.09.2014, 09:16
Beitrag: #7
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
(15.09.2014 17:40)913Chris schrieb:  Grundsätzlich muss man sagen, dass die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wüstungen völlig andere Hintergründe haben wie moderne Wüstungen.
Die Gründe mögen andere sein. Möglicherweise können aber aus geschichtlichen Vorgängen, Rückschlüsse gezogen werden.

(15.09.2014 17:40)913Chris schrieb:  Im Mittelalter entstanden überall in Europa Wüstungen, weil entweder der Boden erschöpft war...
Nicht nur im Mittelalter. Bodenmüdigkeit ist der älteste Grund, woanders hinzuziehen. Schon als die Bandkeramiker durch Bevölkerungswachstum ihre Siedlungsgebiete auf Flächen außerhalb der fruchtbaren Flusstäler ausweiteten, hatten sie schnell Probleme mit nachlassender Bodenfruchtbarkeit. Außer Felderwechsel um das Dorf, kam es partiell immer wieder zu Wanderfeldbau und halbnomadischer Lebensweise. Vormals landwirtschaftlich genutzte Flächen wurden wieder zu Wald und die Böden konnten sich erholen.


(15.09.2014 17:40)913Chris schrieb:  ... oder Seuchen bzw. Kriege die Bevölkerung vernichteten.
In der frühen Neuzeit waren in erster Linie Kriege dafür verantwortlich, dass Dörfer verfielen und nicht wieder aufgebaut wurden.
In den Fällen war der Grund der Bevölkerungsrückgang. Dabei würde ich gern den Ablauf vergleichen. Wurden die Dörfer komplett geräumt oder blieben einige zurück und das Dorf wurde erst dann zur Wüstung, als die letzten Bewohner gestorben waren.

(15.09.2014 17:40)913Chris schrieb:  Heute wandert die Bevölkerung aus wirtschaftlichen Gründen ab. Ausnahmen sind Siedlungen, die aus strategischen Gründen zwangsweise geräumt werden, z.B. am ehemaligen "Eisernen Vorhang".
Ja, den Strukturwandel in der Landwirtschaft hatte ich eingangs erwähnt. Interessant fände ich die Frage, ob man die Abläufe trotzdem vergleichen bzw. daraus lernen kann.
Wanderungsbewegungen aufgrund von Strukturwandel gibt es ja mind. seit Beginn der Industriealisierung, also auch schon einige Generationen lang.
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17.09.2014, 15:47
Beitrag: #8
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
(17.09.2014 09:16)Renegat schrieb:  
(15.09.2014 17:40)913Chris schrieb:  Grundsätzlich muss man sagen, dass die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wüstungen völlig andere Hintergründe haben wie moderne Wüstungen.
Die Gründe mögen andere sein. Möglicherweise können aber aus geschichtlichen Vorgängen, Rückschlüsse gezogen werden.

(15.09.2014 17:40)913Chris schrieb:  Im Mittelalter entstanden überall in Europa Wüstungen, weil entweder der Boden erschöpft war...
Nicht nur im Mittelalter. Bodenmüdigkeit ist der älteste Grund, woanders hinzuziehen. Schon als die Bandkeramiker durch Bevölkerungswachstum ihre Siedlungsgebiete auf Flächen außerhalb der fruchtbaren Flusstäler ausweiteten, hatten sie schnell Probleme mit nachlassender Bodenfruchtbarkeit. Außer Felderwechsel um das Dorf, kam es partiell immer wieder zu Wanderfeldbau und halbnomadischer Lebensweise. Vormals landwirtschaftlich genutzte Flächen wurden wieder zu Wald und die Böden konnten sich erholen.


(15.09.2014 17:40)913Chris schrieb:  ... oder Seuchen bzw. Kriege die Bevölkerung vernichteten.
In der frühen Neuzeit waren in erster Linie Kriege dafür verantwortlich, dass Dörfer verfielen und nicht wieder aufgebaut wurden.
In den Fällen war der Grund der Bevölkerungsrückgang. Dabei würde ich gern den Ablauf vergleichen. Wurden die Dörfer komplett geräumt oder blieben einige zurück und das Dorf wurde erst dann zur Wüstung, als die letzten Bewohner gestorben waren.

(15.09.2014 17:40)913Chris schrieb:  Heute wandert die Bevölkerung aus wirtschaftlichen Gründen ab. Ausnahmen sind Siedlungen, die aus strategischen Gründen zwangsweise geräumt werden, z.B. am ehemaligen "Eisernen Vorhang".
Ja, den Strukturwandel in der Landwirtschaft hatte ich eingangs erwähnt. Interessant fände ich die Frage, ob man die Abläufe trotzdem vergleichen bzw. daraus lernen kann.
Wanderungsbewegungen aufgrund von Strukturwandel gibt es ja mind. seit Beginn der Industriealisierung, also auch schon einige Generationen lang.



Der Hauptgrund für die Wüstungen des Hochmittelalters waren Städtegründugen.
Da sind die Leute aus den Dörfern in die ökonomisch anziehenden neuen Zentren gezogen.
Es waren also, zumindest prinzipiell sehr ähnliche Gründe wie heute.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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17.09.2014, 19:05
Beitrag: #9
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
Das kann man schön in Brandenburg beobachten. Berlin saugt das Umfeld leer, auf dem platten Land streunen inzwischen die Wölfe (sic!).

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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17.09.2014, 19:54
Beitrag: #10
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
(17.09.2014 09:16)Renegat schrieb:  Nicht nur im Mittelalter. Bodenmüdigkeit ist der älteste Grund, woanders hinzuziehen. Schon als die Bandkeramiker

Stopp. die Bandkeramiker betrieben eine Art Wanderfeldbau, kamen also nach gewisser Zeit manchmal wieder an einen alten Siedlungsplatz zurück und erbauten das Dorf neu, bis nach ca. 30 Jahren der Boden wieder erschöpft war (und die Holzhäuser baufällig) und sie erneut weiterzogen.
Im Unterschied dazu wurden viele Dörfer, die im 10.-12.Jh. gegründet worden sind, im 13./14.Jh. wieder komplett verlassen und nie wieder neu besiedelt. Das ist was anderes.
Möglich, dass die Bewohner bei tatsächlicher Bodenermüdung in Städte abgezogen sind, quasi in die Städte geflüchtet sind (ein frühes Beispiel von Landflucht, die ein Prekariat hervorbrachte) und nicht nur ihres Vorteils wegen in die Städte gegangen sind (Stichwort "Stadtluft macht frei").
Die vielen Wüstungen Mitte des 14.Jhs. sind aber wohl primär darauf zurückzuführen, dass ale Bewohner der Pest erlegen sind.

So manche Wüstung hat aber auch noch einen anderen Hintergrund. Da wurden vom Grundherrn kleinere Dörfer bzw. Weiler zu einem größeren Dorf zusammengelegt. Die alten Siedlungsplätze wurden dann zu Wüstungen, die Bewohner lebten aber noch ganz in der Nähe auf neuen Höfen.
Kenn ich z.B. von Rügen.

VG
Christian
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17.09.2014, 20:58
Beitrag: #11
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
(15.09.2014 18:08)Uta schrieb:  Interessantes Thema @Renegat,

leider kann ich nicht viel fachliches dazu beitragen.

Habe aber neulich einen Roman gelesen, der im Brandenburgischen spielt und u.a. von solchen sterbenden Dörfern handelt. In einem Dorf waren beispielsweise nur noch eine handvoll alter Menschen nach der Wende zurückgeblieben, für die Jungen gab es keine Arbeit und keine Perspektive.

Ich weiß, es war eine reine Fiktion - ein Roman eben, aber dieser Gedanke an einst betriebsame Gemeinden - Dörfer oder Städte - in denen niemand mehr leben will oder kann, beschäftigt tatsächlich sehr.

Wie sieht es denn z.B. in solch ländlichen Gebieten rings um Berlin aus, wo es Arbeit nur in der Stadt gibt? Existieren dort solche Wüstungen?

(17.09.2014 19:05)Arkona schrieb:  Das kann man schön in Brandenburg beobachten. Berlin saugt das Umfeld leer, auf dem platten Land streunen inzwischen die Wölfe (sic!).

Brandenburg kenne ich nicht so genau. Es kommt wahrscheinlich darauf an, wo, und wie die Verkehrsanbindung nach Berlin ist. Heute werden Arbeitswege von über einer Stunde/Weg durchaus in Kauf genommen, wenn man während der Fahrt schon arbeiten oder lesen kann.
Kommt auch darauf an, wie die Miet- und Immobilienpreise direkt in Berlin und im Speckgürtel drumrum ist. Entwickelt sich da einer, der konnte ja nicht allmählich wachsen wie in den BRD-Großstädten?
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17.09.2014, 22:33
Beitrag: #12
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
(15.09.2014 18:24)Bunbury schrieb:  Ich habe mich jetzt noch nicht näher damit beschäftigt, aber wie ich den Hessen Nachrichten entnehmen kann, ist Nordhessen auch von massiver Landflucht betroffen. Auch Kassel als dortite "Großstadt" verzeichnet einen Bevölkerungsrückgang. Allgemein gilt der Norden Hessens als strukturschwach, im Zuge der zunehmenden Bedeutung des Dienstleistungssektors haben sich dort oben auch viele industrielle Firmen zurückgezogen.

Der im 1. Beitrag verlinkte Reinhardswald liegt ja in Nordhessen. Die Gegend an der Oberweser muß schwierig sein. Vor 10 Jahren war ich schon mal dort und fand dieses Jahr, dass der Niedergang dort spürbar und sichtbar ist.
Strukturschwach war die Region mit den Bergen rechts und links der Weser wohl schon immer. Landwirtschaft und Tourismus waren die wirtschaftlichen Grundlagen und beidem gehen die Menschen aus. Fährt man abseits der Bundesstraßen auf den Landstraßen über die Dörfer und durch die Wälder, ist das schon ein ungewohntes Gefühl, so ganz allein auf der Straße zu sein.
In den kleineren Dörfern fehlt es an Supermärkten, Ärzten etc, da fragt man sich schon, wie lange können die Älteren dort ausharren. Ohne Auto ist man auf nachbarschaftliche Netzwerke angewiesen.


(15.09.2014 18:24)Bunbury schrieb:  Und- ich weiß nicht, ob es stimmt, aber ich habe das mal gelesen- durch die relative Nähe zum Frankfurter Flughafen wurde die Produktion im Ausland billiger, so daß gerade mittelhessische Industriebetriebe einen Teil oder die komplette Fertigung ins AUsland verlagerten. Müßte ich aber noch mal näher nachlesen....
Ob es daran liegt? Kassel kenne ich nicht, Mittelhessen ist sehr bergig, also vom Landschaftsbild ähnlich wie Oberweser oder der Harz.
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18.09.2014, 03:12
Beitrag: #13
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
Vor ein paar Wochen war ich mal in Zeitz, das liegt ca. 40 km von Leipzig entfernt, gehört aber zum Bundesland Sachsen-Anhalt. Die Stadt ist verkehrsmäßig günstig gelegen, Autobahnnähe (A9 Berlin-München), gut ausgebaute Zufahrten der Bundesstraßen B 2 nach Leipzig oder der B 91 (?) nach Merseburg und Halle. Flughäfen (Leipzig/Halle und Altenburg) sind auch in der Nähe. Zeitz hat also einige Standortvorteile zu bieten. Als nicht so günstig für die Entwicklung der Stadt und vieler andere Städte und Gemeinden sehe ich die politische Struktur, Zeitz liegt am Länderdreieck Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und alle drei Landeshauptstädte sind weit weg. Eine weitere Meinung, die ich jedoch nicht teile, ist, dass infolge der „falschen“ Parteizugehörigkeit des früheren, langjährigen Bürgermeisters die Stadt von der Wirtschaft abgehängt wurde. (Der Mann war zuerst Grüner und dann parteilos.)

Zeitz kann auf eine lange Geschichte zurückgreifen, teilweise kann ihre Geschichte als exemplarisch für die Region gelten. Unter den Ottonen im 10. Jh. gegründet, zeitweise eigenständiges Bistum und ein Ausgangspunkt der Ostkolonisation, behauptete sich die Stadt in unmittelbarer Konkurrenz zu Naumburg, Merseburg und Weißenfels als ein regionales Zentrum. Von 1656 bis 1718 war Zeitz die Hauptstadt des Herzogtums Sachsen-Zeitz, das neben den etwa zeitgleichen bestehenden Herzogtümern Sachsen-Weißenfels und Sachsen-Merseburg ein Ableger des Kurfürstentums war. Aus dieser Zeit entstammt das Barockschloss Moritzburg. Während des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Zeitz zu einer Industriestadt. Die Industrie beschränkte sich jedoch nicht nur auf eine Branche, es existierten unterschiedliche Zweige wie Stahl- und Eisengießereien, Maschinenbau, Kinderwagen, Klavierbau, Schokoladenindustrie, Zuckerraffinerien, Holz und Lacke usw. Die Industriellen ließen sich prächtige Villen, aber auch für die Bevölkerung zugängige Parkanlagen errichten. Heute noch ist ein Teil der Stadt von Gründerzeithäusern geprägt. In der DDR-Zeit entstand ein (für unsere Region) typisches Neubauviertel, nach der Wende kamen Aldi, Lidl und McDonald…

Ich habe Zeitz zwar nicht 1989 gesehen, denke aber, es wird nicht anders ausgesehen haben, als in den meisten Groß- und Kleinstädten der damaligen Bezirke Leipzig und Halle, die Altbausubstanz war zerfallen, vieles war infolge der umliegenden Braunkohle- und Chemieindustrie schmutzig und grau. Die Volkseigene Industrie brach zusammen, ein Teil der Bevölkerung zog weg, ein Teil fand in der Region Arbeit, ein Teil wurde arbeitslos oder in die Rente geschickt. Der hohe Anteil an Arbeitslosen bzw. Nichtbeschäftigten prägte natürlich das Image der Stadt im negativen Sinn. Trotzdem wurden viele Probleme seit der Wende bewältigt. Die Stadt ist sauber, das Schloss ist schön restauriert, die meisten Wohnhäuser aus der Gründer- oder der DDR-Zeit wurden saniert und es konnten sogar neue Arbeitgeber angesiedelt werden. Es ist wirklich sehr viel gemacht worden, u.a. auch dank der Landesgartenschau 2004, aber es stehen noch viele marode Wohn- und Industriegebäude in der Stadt, zum Teil neben den sanierten Häusern. Touristen oder Besucher der Stadt sehen eben nicht, was bisher geleistet wurde, sondern nur, was noch nicht geschafft wurde. Und so wird Zeitz noch eine ganze Weile mit dem Image einer niedergehenden Stadt leben müssen. Einige Kilometer von Zeitz liegen Naumburg und Freyburg an der Unstrut. In diesen Städten hat man den Eindruck, dass deren Entwicklung seit der Wende besser verlaufen ist. Dagegen scheint die Stadt Weißenfels mit ähnlichen Problemen wie Zeitz zu kämpfen. Die Frage ist nun, welche Chancen (mitteldeutsche) Kleinstädte wie Zeitz (ca. 30.000 Einwohner) in Zukunft haben werden?

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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18.09.2014, 12:11
Beitrag: #14
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
(17.09.2014 19:54)913Chris schrieb:  ./.

Möglich, dass die Bewohner bei tatsächlicher Bodenermüdung in Städte abgezogen sind, quasi in die Städte geflüchtet sind (ein frühes Beispiel von Landflucht, die ein Prekariat hervorbrachte) und nicht nur ihres Vorteils wegen in die Städte gegangen sind (Stichwort "Stadtluft macht frei").
Die vielen Wüstungen Mitte des 14.Jhs. sind aber wohl primär darauf zurückzuführen, dass ale Bewohner der Pest erlegen sind.

So manche Wüstung hat aber auch noch einen anderen Hintergrund. Da wurden vom Grundherrn kleinere Dörfer bzw. Weiler zu einem größeren Dorf zusammengelegt. Die alten Siedlungsplätze wurden dann zu Wüstungen, die Bewohner lebten aber noch ganz in der Nähe auf neuen Höfen.
Kenn ich z.B. von Rügen.

VG
Christian


Vorab: Ich verstehe vom Mittelalter soviel wie "eine Sau vom Krebseln" (Ein Schwein vom Klettern)

Regionalgeschichtlich kann ich zu den Wüstungen allerdings das eine oder andere beitragen.

Die Territorialherren haben Städte gegründet, an Stellen die ihnen günstig erschienen, mit durchaus nennenswerten Kosten.

Soweit es ihnen möglich war, haben sie die Bewohner naheliegender Dörfer mit mehr oder weniger sanftem Druck in diese neuen Städte genötigt. Oftmals war ein nahegelegenes Dorf "namensgleich" der Hauptlieferant der ersten Bewohner. Dies ist machmal ablesbar an den Pfarrkirchen die jahrhundertelang außerhalb dieser neuen Städte lagen, während in der Stadt die Kirchen lediglich den Status einer Kapelle hatten.

Aber es sind auch Dörfer, die etwas weiter weg lagen, durch diese Stadtgründungen zur "Wüste" geworden. Wobei hierüber meist sehr wenig bekannt ist, diese Wüstungen müssen oft aus Flurnamen usw. erschlossen werden.
Es ist auf jeden fall so, dass dies mehr oder weniger ähnlich gelagerte Fälle wie heute sind.

Es gab auch Wüstungen durch Territorialherren oder Klöster, die aus einem Dorf eine Domäne machten. Hier wurden die Bewohner "vertrieben" wenn man so will.

Endgültige Wüstungen durch die Pest sind eher selten.

Wie geschrieben, ich halte die hochmittelalterlichen Wüstungen von den Ursachen her, für mit den heutigen weitgehend vergleichbar.


OT: Die vielgerühmte Villa Rustica in Stein bei Hechingen verdankt ihre Entdeckung dem damaligen Bürgermeister, der ein aus Urkunden belegtes abgegangenes mittelalterliches Dorf suchte.
Und einen römischen Gutshof fand.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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19.09.2014, 11:19
Beitrag: #15
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
(18.09.2014 03:12)Sansavoir schrieb:  Vor ein paar Wochen war ich mal in Zeitz, das liegt ca. 40 km von Leipzig entfernt, gehört aber zum Bundesland Sachsen-Anhalt. Die Stadt ist verkehrsmäßig günstig gelegen, Autobahnnähe (A9 Berlin-München), gut ausgebaute Zufahrten der Bundesstraßen B 2 nach Leipzig oder der B 91 (?) nach Merseburg und Halle. Flughäfen (Leipzig/Halle und Altenburg) sind auch in der Nähe. Zeitz hat also einige Standortvorteile zu bieten. Als nicht so günstig für die Entwicklung der Stadt und vieler andere Städte und Gemeinden sehe ich die politische Struktur, Zeitz liegt am Länderdreieck Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und alle drei Landeshauptstädte sind weit weg.

Das Länderdreieck hat Zeitz mit der Oberweserregion gemeinsam. Das Gebiet liegt teilweise in Hessen (links der Weser, der Reinhardswald und Karlshafen) Niedersachsen (rechts der Weser, Solling , Bramwald) und NRW (links weiter nördlich um Höxter). Die geschichtsträchtigen Orte hatten wir schon in http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...6#pid11206

Heute ist die Weser als Verkehrsweg nicht mehr relevant und auch die alten Wege und Kreuzungen nicht mehr. Heute zählt nur noch, die Anbindung ans Autobahnnetz und die ICE-Strecken.
Die A 7 ist ein gutes Stück entfernt, erschließt eher Hann.Münden, Göttingen und Kassel. An der Oberweser gibt es nur einseitig Bundesstraßen, die sind belebt. Die Landstraßen dagegen verbinden abgelegene Orte und sind entsprechend leer, obwohl in gutem Zustand.

Abseits der Landeshauptstadt zu liegen muß aber nicht immer Niedergang bedeuten. Kurz nach der Oberweser habe ich Detmold besucht und ähnliche Zeichen für Niedergang erwartet. Das Lipperland lag schon immer ziemlich abseits und trotzdem scheint es Detmold und Umgebung gut zu gehen. Detmold ist eine gepflegte Stadt, ich konnte keine Spuren von Verfall, leerstehende Geschäfte usw entdecken. Liegt vielleicht daran, dass es sehr lange Hauptstadt der lippischen Fürsten und selbständig war.


(18.09.2014 03:12)Sansavoir schrieb:  Eine weitere Meinung, die ich jedoch nicht teile, ist, dass infolge der „falschen“ Parteizugehörigkeit des früheren, langjährigen Bürgermeisters die Stadt von der Wirtschaft abgehängt wurde. (Der Mann war zuerst Grüner und dann parteilos.)

Zeitz kann auf eine lange Geschichte zurückgreifen, teilweise kann ihre Geschichte als exemplarisch für die Region gelten. Unter den Ottonen im 10. Jh. gegründet, zeitweise eigenständiges Bistum und ein Ausgangspunkt der Ostkolonisation, behauptete sich die Stadt in unmittelbarer Konkurrenz zu Naumburg, Merseburg und Weißenfels als ein regionales Zentrum. Von 1656 bis 1718 war Zeitz die Hauptstadt des Herzogtums Sachsen-Zeitz, das neben den etwa zeitgleichen bestehenden Herzogtümern Sachsen-Weißenfels und Sachsen-Merseburg ein Ableger des Kurfürstentums war. Aus dieser Zeit entstammt das Barockschloss Moritzburg. Während des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Zeitz zu einer Industriestadt. Die Industrie beschränkte sich jedoch nicht nur auf eine Branche, es existierten unterschiedliche Zweige wie Stahl- und Eisengießereien, Maschinenbau, Kinderwagen, Klavierbau, Schokoladenindustrie, Zuckerraffinerien, Holz und Lacke usw. Die Industriellen ließen sich prächtige Villen, aber auch für die Bevölkerung zugängige Parkanlagen errichten. Heute noch ist ein Teil der Stadt von Gründerzeithäusern geprägt. In der DDR-Zeit entstand ein (für unsere Region) typisches Neubauviertel, nach der Wende kamen Aldi, Lidl und McDonald…

Ich habe Zeitz zwar nicht 1989 gesehen, denke aber, es wird nicht anders ausgesehen haben, als in den meisten Groß- und Kleinstädten der damaligen Bezirke Leipzig und Halle, die Altbausubstanz war zerfallen, vieles war infolge der umliegenden Braunkohle- und Chemieindustrie schmutzig und grau. Die Volkseigene Industrie brach zusammen, ein Teil der Bevölkerung zog weg, ein Teil fand in der Region Arbeit, ein Teil wurde arbeitslos oder in die Rente geschickt. Der hohe Anteil an Arbeitslosen bzw. Nichtbeschäftigten prägte natürlich das Image der Stadt im negativen Sinn. Trotzdem wurden viele Probleme seit der Wende bewältigt. Die Stadt ist sauber, das Schloss ist schön restauriert, die meisten Wohnhäuser aus der Gründer- oder der DDR-Zeit wurden saniert und es konnten sogar neue Arbeitgeber angesiedelt werden. Es ist wirklich sehr viel gemacht worden, u.a. auch dank der Landesgartenschau 2004, aber es stehen noch viele marode Wohn- und Industriegebäude in der Stadt, zum Teil neben den sanierten Häusern. Touristen oder Besucher der Stadt sehen eben nicht, was bisher geleistet wurde, sondern nur, was noch nicht geschafft wurde. Und so wird Zeitz noch eine ganze Weile mit dem Image einer niedergehenden Stadt leben müssen. Einige Kilometer von Zeitz liegen Naumburg und Freyburg an der Unstrut. In diesen Städten hat man den Eindruck, dass deren Entwicklung seit der Wende besser verlaufen ist. Dagegen scheint die Stadt Weißenfels mit ähnlichen Problemen wie Zeitz zu kämpfen. Die Frage ist nun, welche Chancen (mitteldeutsche) Kleinstädte wie Zeitz (ca. 30.000 Einwohner) in Zukunft haben werden?


Die Kleinstädte meine ich erst in 2. Linie. http://de.wikipedia.org/wiki/Hann._M%C3%...nternehmen Hann. Münden hat nur 23000 EW und wird sich noch ´ne ganze Weile halten. Es hat noch einiges an Industrie und ist außerdem durch seine schöne Fachwerkaltstadt Ziel von Ein-Tages-Bustouristen.
Beim Tourismus merkt man aber auch hier erste Anzeichen von Niedergang. Vor 10 Jahren hatte man abends noch viel mehr Auswahl, wenn man in schöner Umgebung essen gehen wollte. Heute ist das schon sehr eingeschränkt auf das übliche Angebot, man merkt die Orientierung auf die Tagesbustouristen. Beim Tourismus spielt der demographische Faktor eine große Rolle, denke ich.
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20.09.2014, 02:37
Beitrag: #16
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
Sicher gibt es für den Niedergang verschiedener Regionen auch unterschiedliche Gründe. Zwei Gründe sind aber, dass infolge der "Politik der Leuchttürme" weit entfernte Klein- und Mittelstädte das Nachsehen haben und dass eine Randlage in dem jeweiligen Bundesland nachteilig für die Entwicklung der Orte und Regionen sind.

Ein weiteres Problem ist auch das Image der Städte. Während in Jena die Immobilienpreise in für Thüringen unvorstellbare Höhe gestiegen sind und die Mieten sehr hoch sind, wollen offensichtlich viele Menschen mit niedrigen Einkommen in Jena bleiben bzw. zuziehen, obwohl in dem ca. 15 km entfernt liegenden Apolda genügend preiswerter Wohnraum vorhanden ist. Offensichtlich ist aber das Image von Jena, als Stadt der Wissenschaften und Universitäten und als Technologiezentrum so top, dass man einen hohen Anteil seines Einkommens für Miete ausgibt, als in einer preiswerteren, aber niedergehende Industriestadt zu leben. Man ist also bereit, mehr Kosten zutragen, um in einer Stadt des Aufschwungs zu leben.

Der innerdeutsche Tourismus wird sich wohl rückläufig entwickeln. Das liegt einerseits daran, dass die Zeiten wohlhabender Renter vorbei sind, kommende Rentnergenerationen müssen mit z.T. wesentlich weniger Rente auskommen. Andererseits wird das finanzielle Überleben für viele Menschen schwieriger, so dass Häufigkeit der Kurz-, aber auch Jahresurlaubsreisen weniger geworden sind.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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23.09.2014, 23:31
Beitrag: #17
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
(20.09.2014 02:37)Sansavoir schrieb:  Ein weiteres Problem ist auch das Image der Städte. Während in Jena die Immobilienpreise in für Thüringen unvorstellbare Höhe gestiegen sind und die Mieten sehr hoch sind, wollen offensichtlich viele Menschen mit niedrigen Einkommen in Jena bleiben bzw. zuziehen, obwohl in dem ca. 15 km entfernt liegenden Apolda genügend preiswerter Wohnraum vorhanden ist. Offensichtlich ist aber das Image von Jena, als Stadt der Wissenschaften und Universitäten und als Technologiezentrum so top, dass man einen hohen Anteil seines Einkommens für Miete ausgibt, als in einer preiswerteren, aber niedergehende Industriestadt zu leben. Man ist also bereit, mehr Kosten zutragen, um in einer Stadt des Aufschwungs zu leben.

Bin gar nicht sicher, ob der Aufschwung der Grund ist. Grundsätzlich hast du aber recht, Imageunterschiede gibt es nicht nur zwischen Städten sondern sogar zwischen Stadtteilen. Teilweise ist das schon irrational, denn objektive Unterschiede lassen sich manchmal gar nicht finden. Manche Stadtteile sind "angesagter" als andere, warum auch immer.
Die Unterschiede zwischen Jena und Apolda kenne ich nicht aus eigener Sicht, nach Wiki hat Jena über 100 000 EW und Apolda 20000, die sich auch noch auf mehrere Ortsteile/Dörfer verteilen. Das ist schon ein ziemlicher Unterschied. Wie sieht es denn in Apolda mit Infrastruktur aus, also Schulen, Ärzte, Einkaufsmöglichkeiten?
Man zieht ja nicht nur deshalb auf ein Dorf, weil man dort eine billigere Wohnung mieten oder ein Haus kaufen kann. Die Zeiten sind vorbei, denn was man an Wohnkosten spart, verliert man an Zeit und Transportkosten.
Das treibt natürlich die Preise in den Städten und vertreibt Menschen, die nicht soviel für´s Wohnen ausgeben können.



(20.09.2014 02:37)Sansavoir schrieb:  Der innerdeutsche Tourismus wird sich wohl rückläufig entwickeln. Das liegt einerseits daran, dass die Zeiten wohlhabender Renter vorbei sind, kommende Rentnergenerationen müssen mit z.T. wesentlich weniger Rente auskommen. Andererseits wird das finanzielle Überleben für viele Menschen schwieriger, so dass Häufigkeit der Kurz-, aber auch Jahresurlaubsreisen weniger geworden sind.

Dazu kommt ein anderes Urlaubsverhalten, günstige Flugreisen etc.
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26.09.2014, 00:52
Beitrag: #18
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
Heute (bzw. gestern) war ich mal in Brandis, einer kleinen Stadt mit fast 10.000. Ew. im "Speckgürtel" von Leipzig. Dort steht ein Schloss, das Anfang des 18. Jh. nach Plänen des Leipziger Architekten und Baumeisters David Schatz vollendet wurde. David Schatz (1668–1750) war ein bedeutender Architekt der Schlossbaukunst und des Gartenbaus, der in Leipzig lebte, aber dessen Schaffen sich über den gesamten mitteldeutschen Raum erstreckte. Ein Mann, der anderswo sicher nicht bekannt ist, aber dessen Wirken im heutigen Sachsen und Sachsen-Anhalt noch sichtbar ist und dessen noch erhaltene Bauwerke inzwischen hohe Wertschätzung genießen. So das Schloss in Brandis, eine lange nicht beachtete Sehenswürdigkeit, die um 2000 dem Zerfall nah war.

Nach 1945 war viele Jahre die Stadt Leipzig der Eigentümer des Schlosses. Sie betrieb dort bis ca. 2000 ein Alters- und Pflegeheim. Danach begannen umfangreiche Sanierungsarbeiten und seit einigen Teilen kann man in Teilen des ehemaligem Schloss wohnen. Wie die Wohnungen von innen aussehen, was sie kosten und inwieweit man Ruhe vor dem Nachbar hat, kann ich nicht sagen. Ich finde nur dieses Konzept der Nutzung sinnvoll, es wird Wohnraum geschaffen und Kulturgut erhalten, zwei Fliegen mit einem Schlag. Die Sanierung ist noch nicht vollendet, ich hoffe, dass dies in den nächsten Jahren gelingt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Br...Sachsen%29

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26.09.2014, 10:53
Beitrag: #19
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
(26.09.2014 00:52)Sansavoir schrieb:  Heute (bzw. gestern) war ich mal in Brandis, einer kleinen Stadt mit fast 10.000. Ew. im "Speckgürtel" von Leipzig. Dort steht ein Schloss, das Anfang des 18. Jh. nach Plänen des Leipziger Architekten und Baumeisters David Schatz vollendet wurde. David Schatz (1668–1750) war ein bedeutender Architekt der Schlossbaukunst und des Gartenbaus, der in Leipzig lebte, aber dessen Schaffen sich über den gesamten mitteldeutschen Raum erstreckte. Ein Mann, der anderswo sicher nicht bekannt ist, aber dessen Wirken im heutigen Sachsen und Sachsen-Anhalt noch sichtbar ist und dessen noch erhaltene Bauwerke inzwischen hohe Wertschätzung genießen. So das Schloss in Brandis, eine lange nicht beachtete Sehenswürdigkeit, die um 2000 dem Zerfall nah war.

Nach 1945 war viele Jahre die Stadt Leipzig der Eigentümer des Schlosses. Sie betrieb dort bis ca. 2000 ein Alters- und Pflegeheim. Danach begannen umfangreiche Sanierungsarbeiten und seit einigen Teilen kann man in Teilen des ehemaligem Schloss wohnen. Wie die Wohnungen von innen aussehen, was sie kosten und inwieweit man Ruhe vor dem Nachbar hat, kann ich nicht sagen. Ich finde nur dieses Konzept der Nutzung sinnvoll, es wird Wohnraum geschaffen und Kulturgut erhalten, zwei Fliegen mit einem Schlag. Die Sanierung ist noch nicht vollendet, ich hoffe, dass dies in den nächsten Jahren gelingt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Br...Sachsen%29

Das ist ein sehr schönes Beispiel, Sansavoir. Es ist geradezu ein Paradebeispiel, was man machen kann, wenn die Lage stimmt.

Du schreibst es ja, Speckgürtel Leipzig, gute Verkehrsanbindung und dann liegt das Schloß noch mitten im Städtchen am Marktplatz.
Die Infrastruktur im Ort selbst habe ich nicht gegoogelt, aber die Wohnungspreise und -schnitte. Die Preise für die Wohnungen haben Westniveau, ob sich das für Kapitalanleger rechnet, hängt von den Mieten in und um Leipzig ab. Ich könnte mir vorstellen, dass die Region um Leipzig insgesamt mit mittleren, westdeutschen Großstädten vergleichbar ist.
https://www.das-baudenkmal.de/denkmalsch...wohngefuhl
http://www.rendite-invest.de/wohnungen.h...1/g181.htm

Also kein Niedergang und abgelegen schon gar nicht. In solchen Lagen findet sich immer eine Nutzungsmöglichkeit für alte Gebäude. Kommt die Investition wieder rein, weil die Lage stimmt und es Nachfrage gibt, kann man sogar innen vollständig entkernen und im Neubaustandard erstellen.

Das ist aber keine Lösung für die vielen Schlösser, Gutshöfe, Klöster in abgelegenen Regionen. Denn was nützt die liebevollste und teuerste Sanierung, wenn das Gebäude nachher wieder leersteht oder nur sporadisch genutzt wird.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Amelungsborn Das gesamte Klosterensemble ist liebevoll saniert worden. Es liegt aber sehr sehr abgelegen im Bergland. Es gibt keine ständigen Bewohner sondern nur sporadische Nutzung als Tagungsstätte. Das ist schon traurig aber dauerhaft wohnen möchte ich da auch nicht.
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05.10.2014, 00:36
Beitrag: #20
RE: Wüstungen, Geisterstädte, strukturschwache, dünn besiedelte Gebiete
Deutschland ist heute so dicht besiedelt, das es wenige Stellen gibt, wo für Siedlungen geeignete Stellen nicht weiter für eine Siedlung verwendet wird. Während der Pest wurden viele kleine Siedlungen aufgegeben, die erst viel später wieder besiedelt werden. So wurde die Siedlung Bübelingshusen während der Pest aufgegeben. Dort entstand im 1. Weltkrieg ein Kriegsgefangenenlager. Nach dem 2. Weltkrieg entstand eine Siedlung für Vertriebene, als Stadtteil von Wetzlar.
Die ubische Siedlung auf dem Dünsberg zwischen Wetflaria(Wetzlar) und dem heutigen Gießen bestand ab der Bronzezeit als befestigte Bergsiedlung größeren Ausmaßes. Ökonomische Grundlage für diese Stadt waren neben Landwirtschaft und Handel die Metallverarbeitung von Kupfer, Bronze bis Eisen. Es war ein Zentrum für eine große dicht besiedelte Region. Die Besiedlung verlagerte sich dann stärker in die Flußtäler. Die Stadt selbst wurde durch die Römer zerstört und nicht wieder in gleicher Form genutzt.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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