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Wittelsbacher als Fast-Großmacht
28.12.2013, 12:28
Beitrag: #2
RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Zu mehreren Zeitpunkten standen die Wittelsbacher kurz davor, zu einer der wirklich mächtigen europäischen Dynastien zu werden.
Im Mittelalter: Gleich der zweite bayerische Herzog aus der Familie der Wittelsbacher, Ludwig I. und auch noch seine Nachfolger Otto II. und Ludwig II. spielten während der Regierungszeit von Kaiser Friedrich II. und danach im Konzert der europäischen Mächte in vorderster Linie mit.
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Ludwig..._Kelheimer
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Otto_I..._Bayern%29
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Ludwig...i_Rhein%29

Ludwig IV., Nachfolger Ludwigs II. in der Pfalz und in Oberbayern, erreichte dann einen ersten Machthöhepunkt der Wittelsbacher, als er der erste von nur drei Kaisern aus dem Haus Wittelsbach wurde. Da er viele Söhne hatte und sich gegen die versammelte Konkurrenz der Luxemburger, Habsburger und des Papstes kaum durchsetzen konnte, stattdessen die Sammlung von Territorien für seine Söhne als oberstes Ziel seiner Herrschaft hatte, diese Söhne ihm aber als Politiker nicht das Wasser reichen konnten, versank Wittelsbach erst mal wieder in der Mittelmäßigkeit, auch wenn Otto III. von Niederbayern in der ungarischen Reichspolitik ein gehöriges Wort mitzureden hatte; die ungarische Königin Gisela war Ottos Schwester, Ottos Mutter war ebenfalls Königin von Ungarn gewesen, Otto selber wurde als Bela IV. König von Ungarn, allerdings nur für zwei Jahre, bevor er Karl-Robert von Anjou unterlag, der daraufhin Ungarn beherrschte.
http://www.monacensis.de/tipps/mensch/Ka..._der_Bayer
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Otto_I...rbayern%29

Seit dieser Zeit aber gehörten die Wittelsbacher endgültig zum Kreis der anerkannt bedeutenden Dynastien. Neben den Habsburgern (deren Hausmacht den Wittelsbachern aber fehlte) waren die Wittelsbacher immer diejenige deutsche Dynastie, die als für die bedeutendste angesehen wurde. Heiraten mit anderen europäischen Königsdynastien zeigten dies auch deutlich.

In der frühen Neuzeit: Herzog und später Kurfürst Maximilian I. hatte von seinem Vater ein völlig verschuldetes Herzogtum übernommen. Er war ein Finanzgenie und ein fast schon fanatischer Katholik. Es gelang ihm , die Finanzmittel zu beschaffen (unter anderem durch ein Monopol auf das Weißbierbrauen in Bayern; die Einnahmen aus diesem Monopol überstiegen schon bald die Einnahmen aus der bisherigen Hautpeinnahmequelle, der Salzsteuer, und flossen komplett in Maximilians Privatschatulle (!)), um als einziger Fürst den 30jährigen Krieg von Anfang bis Ende nicht nur mitzukämpfen, sondern auch noch die ganze Zeit ein eigenes Heer zu unterhalten. Als Maximilian drei Jahre nach Ende des Krieges starb, war Bayern nicht nur nicht mehr pleite, sondern sogar schon wieder derart auf dem Weg zur Erholung und zum Aufbau einer erneuten Großmachtrolle, dass sein Enkel Max Emanuel schon wieder in ganz Europa auf Territorienjagd gehen konnte und kurz davor stand, den spanischen (!) Thron zu erwerben. Das scheiterte nur daran, dass der Sohn von Max Emanuel, der spanischer König werden sollte, zu früh starb. Allerdings hatten sich die europäischen Dynasten nur deswegen auf den Bayern geeinigt, weil er nicht mächtig genug war, Frankreich, Habsburg oder England gefährlich zu werden...
http://www.deutsche-biographie.de/sfz70660.html
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Maximi...I._Emanuel

Karl Albrecht, ein weiterer Sohn von Max Emanuel, schaffte es dann als dritter Wittelsbacher nach Ludwig IV. und Ruprecht von der Pfalz auf den römisch-deutschen Kaiserthron, allerdings wurde er da nicht glücklich, musste vielmehr mit der Gegnerschaft der Habsburger kämpfen, denen er letztendlich unterlag; Bayern litt in dieser Zeit unter der Besetzung durch die Österreicher, Karl Albrecht saß krank und gebrochen in Frankfurt und verlieh in dieser Zeit z.B. einem gewissen Johann Caspar Goethe den Titel eines Kaiserlichen Rates. Besagter Goethe war Vater von Johann Wolfgang (von) Goethe...
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Karl_VII.

In der Neuzeit: Keine Großmachtambitionen Bayerns mehr möglich, Habsburg, Preußen und Frankreich hatten Bayern bei weitem überholt, aber als Mittelmacht spielte Bayern nach wie vor eine europäische Rolle.

Nach Karl Albrechts Kaiserabenteuer war Bayern mal wieder ziemlich pleite. Max III. Joseph hatte damit zu tun, die zerrütteten Finanzen seines Vaters wieder in Ordnung zu bringe, dessen Nachfolger Karl Theodor und Max IV Joseph taten desgleichen, wobei hier zu beachten ist, dass die drei Letztgenannten drei verschiedenen Zweigen des Hauses Witteslbach entstammten. Das alte Münchner Haus war mit Max III. Joseph ausgestorben, aber auch Karl Theodor hatte keine männlichen Nachkommen, sodass die kleine Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken Bayern und die Pfalz übernahm. Und erst einmal - wieder mal - finanzielle Probleme hatte. Immerhin schaffte es Max IV. Joseph, in den napoleonischen Wirren die Königswürde für Bayern zu erlangen.
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Maximi...II._Joseph
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Maximi..._Bayern%29

Unter Ludwig I. schaffte Bayern so etwas wie einen Wiederaufstieg. Kulturell wurde München so etwas wie eine heimliche Hauptstadt Deutschlands, Ludwigs Sohn Otto kam auf den neugeschaffenen griechischen Königsthron.
http://www.deutsche-biographie.de/sfz70572.html

Max II. und Ludwig II. mischten sich nicht mehr groß in die europäische Politik ein, nach dem Ende der wittelsbachischen Herrschaft in Bayern war das Land zwar innerhalb der Weimarer Republik eine Art zweiter Führungsstaat nach Preußen, v.a. in der Anfangszeit mit Räterepublik etc., aber fest in den deutschen Staat eingebunden. Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde in Bayern zwar das Grundgesetz erarbeitet und kamen aus Bayern immer wieder wichtige Bundespolitiker, aber Bayern war im Laufe des 19.Jhs. in derart hohem Maße ein deutscher Teilstaat geworden, dass Ambitionen etwa auf ein unabhängiges Bayern zwischen einer deutschen und einer österreichischen Republik zwar theoretisch möglich waren, aber praktisch undurchführbar.


So, eine erste Faktengrundlage hoffe ich hiermit geschaffen zu haben. Auf dieser Grundlage müssten wir eigentlich diskutieren können, wie kurz Bayern bzw. Wittelsbach zu bestimmten Zeitpunkten davor stand, zur europäischen Großmacht aufzusteigen und was das jeweils verhindert hat.

Wohlan denn: Lasset uns diskutieren! Wink

VG
Christian
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht - 913Chris - 28.12.2013 12:28

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