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Hat das Deutsche Reich den 1. WK bewusst herbeigeführt.
08.03.2014, 07:31
Beitrag: #20
RE: Hat das Deutsche Reich den 1. WK bewusst herbeigeführt.
(07.03.2014 19:59)Marek1964 schrieb:  Was aber wollte das die K.u.K. DonaumonarchIe?

Die k.u.k. Monarchie bzw. das k.u.k. Österreich-Ungarn wollte weiterhin in seinen Grenzen und mit all seinen Völkern bestehen bleiben. Sie hatte eine jahrhundertlange Traditionslinie, die anders verlief, als in Nationalstaaten wie Frankreich, aber für die Menschen genauso gut bzw. schlecht war. Die Donaumonarchie sicherte Mitteleuropa vor möglichen Invasionen des Osmanische Reiches oder Russlands ab und hätte bei kluger Führung ein wichtiger Baustein in einem europäischen Sicherheitskonzept sein können. Ebenso hätte sie kleineren Völkern Schutz gegen Ambitionen von Großmächten geben können. 1914 dachte man leider in anderen Kategorien. Das viel zitierte Völkergefängnis ist jedoch Propaganda, Afroamerikaner, Indianer, Iren, Polen, Italiener hatten in den USA nicht bessere Chancen als z.B. Kroaten, Rumänen, Slowaken, Polen oder Italiener in der Donaumonarchie. Es gab überall in Europa und Nordamerika bevorzugte und benachteiligte Völker und Klassen, das ist keine Besonderheit Österreich-Ungarns.

1. Abschnitt

Die k.u.k Monarchie sollte man nicht nur mit den Habsburgern gleichsetzen. Sie war das Ergebnis mitteleuropäischer Diplomatie, basierend auf politische Ideen bzw. Konzepte von Kaiser Karl IV., der zugleich auch König von Böhmen war. Ein Ziel seiner Vorhaben war es, den mittel-/mittelsüdeuropäischen Raum zu einen. Dies war vor allem aus wirtschafts- und verteidigungspolitischen Gründen notwendig. Nach Karls Politikverständnis konnte dieses Ziel nur auf dem dynastischen Weg erreicht werden. Aus diesem Grund schloss er Erbverträge sowohl mit seinem Schwiegersohn Rudolf IV., (erster) Erzherzog von Österreich (1364) und mit dem vor 1370 noch kinderlosen König Ludwig der Große von Ungarn, der von 1370 bis 1382 auch König von Polen wurde. Nachdem Ludwig nach 1370 drei Töchter geboren wurden sind, von denen eine bereits als Kind starb, erreichte Karl die Verheiratung seines Sohnes Sigismund von Luxemburg mit Maria von Ungarn, der älteren überlebenden Tochter, während die jüngere Tochter Hedwig (Jadwiga) mit Wladyslaw II. Jagiello verheiratet wurde. Dies war der neuen außenpolitischen Situation Polens geschuldet.

Da Sigismund nur eine Tochter hatte, die er mit Albrecht V. von Österreich (König Albrecht II.) verheiratete, trat 1438 erstmalig der Fall ein, dass Böhmen, Ungarn und Teile Österreichs unter einem Habsburger Herrscher vereinigt wurden. Albrecht V. (II.) beabsichtigte dann auch die Osmanen zurück zu drängen, aber sein Tod 1439 beendete dieses Vorhaben. Albrechts Sohn Ladislaus Posthumus war ein schwacher Kindkönig, so dass die von Karl IV. konzipierte Politik vorerst gescheitert schien. In Böhmen setzte sich Georg Podiebrad – erst als Gobernator, nach Ladislaus’ Tod als König durch. In Ungarn setzte sich der Jagiellone König Wladyslaw III. von Polen durch, der allerdings 1444 in der Schlacht bei Varna gegen die Osmanen fiel. Danach kämpften die Adelsparteien der Cillis und Hunyadis um die Macht, aus diesem Machtkampf gingen die Hunyadis schließlich als Sieger hervor. Matthias Corvinus orientierte sich ebenfalls an Karl IV. bzw. Albrecht II., er musste sich aber der Konkurrenz Georg Podiebrads und seit 1471 der Jagiellonen stellen. Die Eroberung der Lausitzen oder Wiens durch Matthias kann man durchaus dem Politikverständnis Karls IV. zuordnen. Da Matthias Corvinus 1490 ohne ehelichen Nachkommen starb, bestieg Vladyslav II. von Böhmen den ungarischen Thron. Zwischen ihm und Matthias bestanden zwar keine Erbabkommen, aber Vladyslav II. war bereit, die Witwe Matthias’ Beatrix von Aragon-Neapel zu heiraten.

Vladyslav II. war ein Sohn von Kasimir IV. von Polen und der Elisabeth von Habsburg, die wiederum eine Tochter von Albrecht V. (II.) von Österreich und dessen Ehefrau Elisabeth von Luxemburg, der Tochter von Sigismund von Luxemburg und der Barbara von Cilli war. D.h. Vladislav war ein Nachkomme der Jagiellonen, Habsburger, Luxemburger und Cilli sowie der Anjou-Neapel, die alle eine gewisse Bedeutung im südöstlichen Mitteleuropa hatten. Nach dem Untergang der Dynastie Aragon in Neapel konnte Vladislav II. die ihm unangenehme (und für Nachkommen schon unbrauchbare) Beatrix nach Italien zurückschicken. Er heiratete erneut, aus dieser Ehe entstammen Anna und Ludwig. Beide Kinder wurden mit Habsburger Sprösslingen verheiratet, Anna mit dem späteren König und Kaiser Ferdinand I. und Ludwig II. mit Maria, der späteren Statthalterin der Niederlande. Da Ludwig II. von Ungarn 1526 in der Schlacht von Mohacs gegen die Osmanen fiel, wurde Ferdinand I. König von Böhmen und König von Ungarn.

Das Jahr 1526 wird oft als Geburtsjahr der Donaumonarchie betrachtet. Oft wird das Zustandekommen der Donaumonarchie (also die Personalunion Böhmen, Ungarn und Österreich) als Produkt des dynastischen Zufalls betrachtet. Zufall ist, dass ein Habsburger die drei Länder vereinigen konnte, aber seit dem 14. Jahrhundert wurde auf dieses Ereignis hingearbeitet. Interessant ist auch die weitere habsburgisch-jagiellonische (bzw. polnische) Politik, das würde aber hier nicht weiterführen.

2. Abschnitt

Es ist aus heutiger Sicht einfach, Schuldzuweisungen über die Ereignisse im Juni/Juli 1914 aufzuzählen. Dazu war die Situation auf dem Balkan viel zu kompliziert und aus diesem Grund entzündeten sich Konflikte schnell. Deshalb hätte man sehr vorsichtig agieren müssen. Ein Manöver der k.u.k. Armee im erst 1908 okkupierten Bosnien-Herzegowina auszuführen, war dreist. Ebenso provokant war es, den Thronfolger eines anderen Staates zu ermorden.

Die komplizierte Situation lag vor allem an den jahrhundertlangen Machtkampf bzw. Machtkämpfen um die Vorherrschaft auf den Balkan. Wenn man will, kann man schon mit den Konflikten zwischen dem katholischen Ungarn und dem orthodoxen Byzantinischen Reich beginnen, die nicht einfacher wurden beim zeitweiligen Erstarken Bulgariens oder Serbiens.

Mit dem Niedergang des Byzantinischen Reiches erschienen die Osmanen auf dem Balkan. De facto übernahmen sie die Rolle von Byzanz auf dem Balkan. Es gab da aber zwei "Punkte", welche die bereits komplizierte Lage auf dem Balkan noch verschärften. Erstens: Die Osmanen waren islamisch, im Gegensatz zu den katholischen und orthodoxen (und häretischen) Christen. Zweitens: Das Großfürstentum Moskau sah sich als Drittes Rom in der Nachfolge von Byzanz. Einen dritten Punkt sollte man auch nicht vernachlässigen, viele Serben, Albaner, Bulgaren, Griechen usw. konnten im Osmanischen Reich sozial aufsteigen und bildeten eine Elite, die bis Mitte/Ende des 18. Jahrhunderts unter dem Schutz der Osmanen ihre eigenen oder fremde Völker verwalteten.

Hinzu kommt das Wirken historischer Persönlichkeiten, die seit dem 19. Jahrhundert von den jeweiligen Nationalismen überhöht wurden. Oder unterschiedlich vereinnahmt wurden, so dass man denken könnte, es handele sich um verschiedene Personen. Seit Ende des 17. / Anfang des 18. Jahrhundert bestand de facto ein Dreikampf zwischen Österreich, Russland und den Osmanen bei wechselnden Bündnissen. Wichtige Ereignisse waren auch der Exodus der Serben aus ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten in Gebiete nördlich der Donau, das Errichten der Militärgrenze und das Einwandern deutscher Siedler.

Das 19. Jahrhundert brachte die Unabhängigkeit für Serbien (1804), Griechenland (1821), Rumänien (1859) und Bulgarien (1878). In allen Staaten hatte es sich bekämpfende Parteien oder Fraktionen gegeben, die entweder pro-/antirussisch bzw. pro-/antiösterreichisch ausgerichtet waren. Dies hängt u.a. mit den Ereignissen von 1849 zusammen, als russische Truppen die revolutionären Erhebungen niederschlugen und mit den Ereignissen von 1878, in dem Österreich-Ungarn Bosnien-Herzegowina okkupierte und Russland den bulgarischen Freiheitskampf nutzte, um auf den Balkan militärisch präsent zu sein. Die wechselnden außenpolitischen Ausrichtungen der jungen Nationalstaaten (nicht nur an ÖU oder Russland, sondern auch an England, Frankreich oder Deutschland) führten in allen Staaten zu Dynastiewechseln. Bereits in den 1880er Jahren hatte es Konflikte wie den Bulgarisch-serbischen Krieg oder die Battenberg-Affäre gegeben, die letztlich Ereignisse wie die beiden Balkankriege ankündigten.

Bis 1903 pflegte die Donaumonarchie ein gutes Verhältnis zu Serbien, besonders zu Milan I. Obrenovic. Das änderte sich erst, nachdem die pro-österreichische Dynastie Obrenovic gestürzt wurde und durch die pro-russische Dynastie Karadjordjevic ersetzt wurde. Eine wichtige Rolle während dieses Umsturzes spielte der serbische Geheimdienstler "Apis" (Dimitrijevic), der 1914 ebenfalls zu den Drahtziehern des Attentats auf Franz Ferdinand in Sarajevo gehörte.

Franz Ferdinand war kein Zufallsopfer, er plante den ungarischen Staatsteil zu reformieren, somit auch den ungarisch-kroatischen Ausgleich von 1868. Die so genannte "illyrische" Lösung der Südslawenfrage stand natürlich der serbischen Politik und ihrer "jugoslawischen" Lösung im Wege. Serbische Militärs und Geheimdienstler provozierten 1914 ganz bewusst ÖU zum Kriegseintritt, somit kann man Serbien nicht frei an Kriegsschuld sprechen. Wie ÖU mit der Provokation umging, ist natürlich ebenso unverantwortlich gewesen, vor allem nachdem die serbische Regierung um Pasic versucht hatte, einen Krieg mit ÖU zu verhindern. Also bildlich gesprochen: Das Feuer hat zwar Serbien gelegt, aber ÖU hat bewusst Öl hineingegossen, so dass aus einem Feuer ein Flächenbrand entstand.

Fazit:

Das k.u.k. Österreich-Ungarn hätte ein Staat aller in ihm lebenden Völker sein können. Das scheiterte am Nationalismus der verschiedenen Völker, auch weil in der Monarchie lebende Völker wie Deutsche, Italiener oder Rumänien in den neu entstandenen Nationalstaaten eine bessere Perspektive für sich sahen. Es scheiterte weiterhin an den Egoismus bestimmter Gruppen wie dem ungarischen Adel, dem österreichisch-deutsche Bürgertum, dem Militär und den Habsburgern selbst. Meiner Meinung nach blieb Franz Josef I. dem so genannten Neoabsolutismus seines Ministerpräsidenten Felix von Schwarzenberg aus den 1850er Jahren verhaftet, den er zwar als junger Kaiser nicht verstand und deswegen ablehnte, den er aber mit zunehmendem Alter immer mehr schätzte und ihm vielleicht auch nachzueifern versuchte.

Die Donaumonarchie war trotzdem wert, verteidigt zu werden. Wien, Budapest und Prag waren Metropolen, in den Kultur und Kunst einen fruchtbaren Boden hatten. Die Donaumonarchie bot allen Völkern Schutz gegen Ambitionen fremder Mächte. Die böhmische und österreichische Industrie hatte einen Binnenmarkt. Die „Mühlen der Gerechtigkeit“ mahlten zwar langsam in ÖU, aber sie mahlten wenigstens. Renten und Staatspensionen wurden pünktlich gezahlt usw.

Wenn man die Geschichte der Staaten nach dem Untergang der k.u.k. Monarchie untersucht, fragt man sich doch im Nachhinein, ob man doch bei Karl I. hätte bleiben sollen. Dafür stehen in den Nachfolgestaaten einheimische Namen wie z.B. Horthy, Szalasi oder Rakosi (Ungarn), Hlinka (Slowakei), Gottwald (Tschechoslowakei), Tito, Milosevic (Jugoslawien), Pavelic (Kroatien), Antonescu, Ceaucescu (Siebenbürgen / seit 1918 Rumänien), Dollfuß (Österreich) usw. Nicht vergessen sollte man die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs (z.B. Tschechien, Polen, Jugoslawien) oder die Kriege nach dem Zerfall Jugoslawiens in den 1990er. Es ist natürlich spekulativ, was wäre bzw. wäre nicht geschehen, wenn eine reformierte Donaumonarchie weiter bestanden hätte. Fakt ist, ihr Untergang hat den Völkern kein Glück gebracht.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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