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Großstadt vs Dorf - Unterschiede
26.06.2013, 10:23
Beitrag: #1
Großstadt vs Dorf - Unterschiede
In der aktuellen Türkeidiskussion ist es mir einige Male aufgefallen, da werden sogar Kontinente bemüht.
Soweit muß man gar nicht gehen, Uta hat es zuletzt zusammengefaßt:
(26.06.2013 08:55)Uta schrieb:  Du hast insofern Recht, dass die Vorgänge in BW pauschal betrachtet für Außenstehende kaum nachvollziehbar sind und somit Ähnlichkeiten zu den Vorgängen in der Türkei aufweisen, die für Außenstehende ebenfalls kaum oder nur schlecht nachzuvollziehen sind. Aber das ist ja das, was hier schon mehrfach angeklungen ist, man muss die Türkei zwischen europäischem und asiatischen Teil gesondert betrachten. In BW ist es eben die Diskrepanz zwischen städtischem und ländlichem Raum.

Mich interessiert das Thema aktuell und geschichtlich.
Woher kommt diese Diskrepanz?
Sind die Gründe für die heutigen Unterschiede noch dieselben wie im Mittelalter?
Ist das überall so oder gibt es irgendwo ländliche Regionen die Entwicklungstreiber sind?
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26.06.2013, 16:07
Beitrag: #2
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
Die Unterschiede werden momentan geringer, sind aber immernoch da. Ich selbst komme aus einer ländlichen Region und wohne dort mein ganzes Leben. Was ich immer höre Dörfler wären Primitiv kann ich daher zurückweisen.
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26.06.2013, 17:15
Beitrag: #3
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
(26.06.2013 10:23)Renegat schrieb:  Mich interessiert das Thema aktuell und geschichtlich.
Woher kommt diese Diskrepanz?
Sind die Gründe für die heutigen Unterschiede noch dieselben wie im Mittelalter?
Ist das überall so oder gibt es irgendwo ländliche Regionen die Entwicklungstreiber sind?

Ich denke, daß es ein prinzipielles Problem Dorf- Stadt ist. Ich habe mit mehreren Kulturen sowohl im ländlichen als auch im städtischen bereich meine Erfahrungen gemacht und habe einfach festgestellt, daß die Unterschiede zwischen Dörfern unterschiedlicher Kulturkreise gar nicht so groß sind.
Zwar hat jeder Kulturkreis seine eigenen Regeln, und die weichen im einzelnen stark voneinanander ab, aber die "Dorfregeln", die mehr oder weniger überall gelten, sind stärker als die kulturspezifischen. Gemeinsam ist Dorfbewohnern, daß sie sehr konservativ und wenig tolerant sind, sich streng an die Regeln des Dorfes halten und "die Welt da draußen" möglichst wenig an sich heranlassen wollen, weil es die Abläufe des Dorfes stören könnte. Sie stehen Veränderungen ablehnend gegenüber und neigen nicht dazu, Dinge zu hinterfragen, sondern tun das, was halt schon immer so gemacht wurde.
Ich denke, das liegt daran, daß ein Dorf eigentlich eine in sich geschlossene Gemeinschaft ist, die nur deswegen funktioniert, weil sich alle an die gemeinsamen Regeln halten und der einzelne durch den Zusammenhalt besser lebt. Wenn jeder tut, was er will oder was er für richtig hält, funktioniert das Zusammenspiel nicht mehr. Deswegen ist Individualität nicht gewünscht, sondern eher eine Bedrohung.
Je kleiner das Dorf ist, um so strenger sind die Regeln, die es zusammenhalten...

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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26.06.2013, 17:44
Beitrag: #4
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
Hallo Renegat,

das ist ein ungeheuer komplexes Thema. Ich habe es heute vormittag gelesen und denke seither ständig darüber nach, ohne wirklich auf einen klaren Nenner zu kommen. Ein paar Gedanken - noch reichlich unstrukturiert - versuche ich mal zu formulieren:

Der einfachheithalber möchte ich den enormen Zeitrahmen (Mittelalter bis heute) zunächst mal auf zwei Zeitpunkte eingrenzen. 1. Spätmittelalter (Zeit der Städtebildung) und 2. heute.

Wenn ich von "Diskrepanz" zwischen städtischem und ländlichem Raum rede, meine ich damit, dass die Menschen jeweils in völlig unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten mit unterschiedlichen Anforderungen und Gegebenheiten leben. Das möchte ich für das Mittelalter mit ein paar Beispielen verdeutlichen:

Stadtrecht: Gerade im späten Mittelalter erhalten viele größere Siedlungen das Stadtrecht, was sich wiederum auch auf die rechtliche Stellung der Bürger im Vergleich zur Landbevölkerung auswirkt. So haben Stadtleute einerseits das Recht auf Schutz durch den Vogt und Schutzkräfte sowie die Gerichtsbarkeit vor Ort, andererseits unterliegen sie dann im Zweifel auch mal einer "Ausgangssperre" und Beschränkungen aus dem örtlichen Polizeirecht resultierend.
Die Leute auf dem Land sind dagegen schutzlos, bzw. auf sich selbst und ihre Nachbarn gestellt, haben aber deutlich weniger Beschränkungen, z.B. auch keine Polizeistunde.

Marktrecht: Städte, die früh ein Marktrecht bekamen, hatten es gut. Waren wurden in die Stadt gebracht und die Stadt profitierte auch noch davon, denn die Bauern bezahlten quasi eine Einfuhrumsatzsteuer am Stadttor, alleine dafür, dass sie ihre Waren auf den Markt bringen durften. Die Beschaffung von Ver- / Gebrauchsgütern und die Deckung der Grundversorgung wurden erheblich vereinfacht. Städte ohne Marktrecht hatten dagegen oft Schwierigkeiten bei der Bedarfsdeckung und bezahlten nicht selten überhöhte Preise (da sie nicht beim Bauern direkt sondern in der nächsten Stadt mit Marktrecht kauften (!) )
Die Landbevölkerung als Produzent eines großen Anteils der Waren wiederum, war einerseits froh, Abnehmer für die Produkte zu finden, andererseits mussten sie sich den Bestimmungen ihrer Marktstadt unterordnen und durften beispielsweise nicht alle Waren anbieten, oder aber ihnen wurde die Selbstvermarktung plötzlich untersagt.

Gewerberecht: Die allermeisten Handwerke sind ursprünglich im ländlichen Raum entstanden, einfach aus der Notwendigkeit heraus, bestimmte Gerätschaften, Hilfsmittel, Bekleidung, Geschirr etc. zu haben. Noch dazu waren notwendige Rohstoffe häufig direkt vor Ort (eigener Anbau, Ressourcen etc.) Um aber eine bessere Infrastruktur zu finden sowie einen größeren Absatzmarkt, wanderten viele Handwerker in die Städte (ein Dorf braucht nunmal nur einen Schmied...) Dort wiederum sahen sie sich irgendwann in der Situation, sich gegen Konkurrenten durchsetzen zu müssen und das Zunftrecht entwickelte sich. Die Landhandwerker ihrerseits sahen sich nun plötzlich mit Berufsverboten, Verkaufsverboten usw. konfrontiert. Landhandwerker ohne Zunftbrief konnten ihre Waren nur innerhalb der Landbevölkerung verkaufen - auf keinen Fall in der Stadt und sie wurden als "Pfuscher" bezeichnet.

Diese Aufzählung ist natürlich keineswegs vollständig.

edit: leider geht mir gerade die Zeit aus....

nicht ärgern, nur wundern...
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26.06.2013, 20:09
Beitrag: #5
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
(26.06.2013 10:23)Renegat schrieb:  In der aktuellen Türkeidiskussion ist es mir einige Male aufgefallen, da werden sogar Kontinente bemüht.
Soweit muß man gar nicht gehen, Uta hat es zuletzt zusammengefaßt:
(26.06.2013 08:55)Uta schrieb:  Du hast insofern Recht, dass die Vorgänge in BW pauschal betrachtet für Außenstehende kaum nachvollziehbar sind und somit Ähnlichkeiten zu den Vorgängen in der Türkei aufweisen, die für Außenstehende ebenfalls kaum oder nur schlecht nachzuvollziehen sind. Aber das ist ja das, was hier schon mehrfach angeklungen ist, man muss die Türkei zwischen europäischem und asiatischen Teil gesondert betrachten. In BW ist es eben die Diskrepanz zwischen städtischem und ländlichem Raum.

Mich interessiert das Thema aktuell und geschichtlich.
Woher kommt diese Diskrepanz?
Sind die Gründe für die heutigen Unterschiede noch dieselben wie im Mittelalter?
Ist das überall so oder gibt es irgendwo ländliche Regionen die Entwicklungstreiber sind?

Zuerstmal geschichtlich.
Städte sind Gründungen, gezielte der Territorialherren.
Die Stadtgründungen des Hochmittelalters geschahen allüberall auf Kosten der Dörfer, die Wüstungen in der Zeit sind dem geschuldet.
Gegründet als Zentralorte die Handel und Gewerbe an sich ziehen sollten.

Aber auch hier gilt es wohl zu differenzieren.
Vor kurzem las ich bei Osterhammel, dass noch weit ins 19. Jahrhundert hinein die Hafenstädte deutlich engere Beziehungen zu anderen Hafenstädten jenseits der Ozeane hatten, als zu ihrem Umland ein paar Kilometer entfernt. Osterhammel weist dabei auf den Fakt hin, dass die Hansestädte erst in den 1880ern dem deutschen Zollverein beitraten.
Dies aber letztlich auch in China so festzuhalten wäre, lediglich für die USA geringe Abstriche zu machen wären.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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26.06.2013, 20:30
Beitrag: #6
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
Interessant. Wismar war als Stadt jahrhundertelang schwedisch (genaugenommen bis 1903), aber lebte immer vom Zuzug aus dem Umland. Deshalb blieb sie immer deutschgeprägt, nur die hohen Beamten und Offiziere waren "echte Schweden".

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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26.06.2013, 21:42
Beitrag: #7
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
Bei den Verhandlungen wurde dann 1903 die kleine Insel Walfisch vergessen, das korrigierte man 2 Jahre später. Damals bildete sich dort eine Kommune aus Wehrdienst-Drückern, denen man auf Schwedenland nix anhaben konnte. Heute ist das eine Vogelschutzinsel.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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27.06.2013, 10:30
Beitrag: #8
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
(26.06.2013 20:09)Suebe schrieb:  
(26.06.2013 10:23)Renegat schrieb:  In der aktuellen Türkeidiskussion ist es mir einige Male aufgefallen, da werden sogar Kontinente bemüht.
Soweit muß man gar nicht gehen, Uta hat es zuletzt zusammengefaßt:

Mich interessiert das Thema aktuell und geschichtlich.
Woher kommt diese Diskrepanz?
Sind die Gründe für die heutigen Unterschiede noch dieselben wie im Mittelalter?
Ist das überall so oder gibt es irgendwo ländliche Regionen die Entwicklungstreiber sind?

Zuerstmal geschichtlich.
Städte sind Gründungen, gezielte der Territorialherren.
Die Stadtgründungen des Hochmittelalters geschahen allüberall auf Kosten der Dörfer, die Wüstungen in der Zeit sind dem geschuldet.
Gegründet als Zentralorte die Handel und Gewerbe an sich ziehen sollten.

Aber auch hier gilt es wohl zu differenzieren.
Vor kurzem las ich bei Osterhammel, dass noch weit ins 19. Jahrhundert hinein die Hafenstädte deutlich engere Beziehungen zu anderen Hafenstädten jenseits der Ozeane hatten, als zu ihrem Umland ein paar Kilometer entfernt. Osterhammel weist dabei auf den Fakt hin, dass die Hansestädte erst in den 1880ern dem deutschen Zollverein beitraten.
Dies aber letztlich auch in China so festzuhalten wäre, lediglich für die USA geringe Abstriche zu machen wären.

Gehört auch ins Thema:
Das Dorf, wie wir das kennen, ist zumindest in Südwestdeutschland ca. 150 Jahre vor den mittelalterlichen Städtegründungen entstanden. Die Besiedelung zuvor bestand aus großen Lehnhöfen mit umgebenden einigen kleineren Gehöften. (1)

Die Städte waren eigentlich immer "Schmelztiegel" während die Dörfer, laut Osterhammel rund um den Planeten, deutlich "beharrlicher" sind.
Wobei einen die "Wanderungen" festzumachen an den über die Jahrhunderte deutlich wechselnden Familiennamen, dann wieder verwundern.(2)
Relativ aktuell ist aber die Integrationskraft auch der Dörfer an den Heimatvertriebenen nachzuweisen. Die "Kinder-Generation" ist voll und ganz integriert.
Vor kurzem erzählte mir einer, so ca. 15 Jahre jünger als ich, er wäre Dreisprachig aufgewachsen. Den örtlichen Dialekt, den städischen, und das Standartdeutsch. Er nimmt also meinen Dialekt bereits als "anders" wahr. Es sind schon Mikrokosmen, die Dörfer.
Meine bevorzugte Probefahrtstrecke (leider zeitlich meist zu lange) geht über ein kleines Dorf, da wartet doch keiner auf den Bus, der geht die Straße entlang, da kommt umgehend einer der ihn mitnimmt. (Im Zweifel ich)

Osterhammel schreibt, dass die Landbevölkerung bei keiner der Revolutionen des 19. Jahrhunderts beteiligt gewesen wäre, (2)was mir mit Blick auf 1848 nicht einleuchtet, und siehe da. auch Treue kommt da schon 1961 zu anderen Schlüssen: Die Landbevölkerung Südwestdeuschlands war 48 überaus erfolgreich, ihre Forderungen haben sie weitgehend durchgesetzt, Verlierer war neben dem "Proletariert", die Landarbeiterschaft Ostdeutschlands. (3)
In Ostdeutschland hat sich dann im Zuge der Industrialisierung durch die zdZ immense Binnenwanderung der soziale Druck vom Land in die Städte verlagert.(4)
In Südwestdeutschland entstand, begünstigt durch die hier übliche Realteilung, der Typus des Arbeiterbauerndorfes, Industriearbeiter die ihre Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieben, die sich zB durch ein politisch sehr stabiles Verhalten auszeichneten. (3)
Eine Form des Dorfes, die aber seit den 70-80er Jahren des 20. Jahrhunderts schon im schwinden ist, heute höchstens noch rudimentär vorhanden ist.

(1) 750 Jahre Stadt Balingen, Balingen 2005
(2) Osterhammel, Die Veränderung der Welt, Beck 2011
(3) Treue, Wilhelm, Kulturgeschichte der Neuzeit 1961
(4) Ritter, Tenfelde, Der Arbeiter im Kaiserreich, Dietz 1992

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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27.06.2013, 12:41
Beitrag: #9
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
Nochmals zum Dorf, als Ausblick.

In meiner Jugend hieß es, "überall wo der liebe Gott eine Kirche hingebaut hat, hat der Teufel ein Wirtshaus daneben gesetzt."

Die Wirtshäuser in den Dörfern verschwinden, die Gastronomie hat sich dort überwiegend verabschiedet.
Bei den Kirchen deutet alles in die gleiche Richtung.
Die Schulen, zumindet in BW, sind seit etwa 4 Jahren ebenfalls endgültig am wegfallen.
Was verbleibt als Idenditätsstiftend?
Sportverein und Feuerwehr.

Ich wage die Prognose, dass vom "Mikrokosmos Dorf" in ein paar Jahren nicht mehr viel übrig sein wird.
Lediglich Wohn- und Schlaforte verbleiben.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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27.06.2013, 22:57
Beitrag: #10
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
Bei uns ist es so: Entweder werden mehrere Dörfer zu einer Großgemeinde zusammengefasst oder sie werden Ortsteile einer (Klein-)Stadt. Diese Dörfer sind oft geteilt, einerseits in das alte Dorf mit seinen zum Teil noch Landwirtschaft betreibenden Bewohnern, andererseits in einer (oft erst nach 1990 entstandener) neuen, nur aus Fertigteilhäusern bestehenden Siedlung. Das sind regelrechte Schlaforte, in denen praktisch nur (junge) Familien leben. Die Eltern sind meist beide berufstätig, so dass zwei Autos benötigt werden und wenn die Sprösslinge alt genug sind, stehen noch die Mopeds oder Drittwagen vor der Tür. Wie das mal organisiert wird, wenn die heutige Elterngeneration nicht mehr mobil ist, ist fraglich. Der nächste Facharzt praktiziert ja nur noch in Leipzig, um nur ein Beispiel zu nennen.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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28.06.2013, 11:43
Beitrag: #11
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
(27.06.2013 22:57)Sansavoir schrieb:  Bei uns ist es so: Entweder werden mehrere Dörfer zu einer Großgemeinde zusammengefasst oder sie werden Ortsteile einer (Klein-)Stadt. Diese Dörfer sind oft geteilt, einerseits in das alte Dorf mit seinen zum Teil noch Landwirtschaft betreibenden Bewohnern, andererseits in einer (oft erst nach 1990 entstandener) neuen, nur aus Fertigteilhäusern bestehenden Siedlung. Das sind regelrechte Schlaforte, in denen praktisch nur (junge) Familien leben. Die Eltern sind meist beide berufstätig, so dass zwei Autos benötigt werden und wenn die Sprösslinge alt genug sind, stehen noch die Mopeds oder Drittwagen vor der Tür. Wie das mal organisiert wird, wenn die heutige Elterngeneration nicht mehr mobil ist, ist fraglich. Der nächste Facharzt praktiziert ja nur noch in Leipzig, um nur ein Beispiel zu nennen.


Das ist vermutlich quer durch die Republik so. Je kleiner ein Ort oder Weiler, desto höher die Fahrzeugdichte. Ich kenne einen Weiler, Wohnplatz nennt man das hier, da gibt es tatsächlich mehr zugelassene! Straßenfahrzeuge als Einwohner.

Der weitgehende "Wegfall" der Arbeiterbauern wurde von folgenden erheblich beschleunigt:
In den 80er Jahren wurde von der EG das "Milchkontingent" eingeführt. Jeder Bauer kann jährlich die Milch zu festen Preisen abliefern, die er im Jahr 83 abgeliefert hat.
Diese Menge kann aber einem anderen Landwirt verkauft werden, der dann entsprechend mehr anliefern kann.
Oftmals ist es inzwischen so, dass es pro Dorf nur noch ein-zwei Vollerwerbsbauern gibt, die gigantische Ställe hingestellt haben, mitten in der Landschaft, Fabrikhallen sind eher kleiner.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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30.06.2013, 02:03
Beitrag: #12
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
Zitat:In Südwestdeutschland entstand, begünstigt durch die hier übliche Realteilung, der Typus des Arbeiterbauerndorfes, Industriearbeiter die ihre Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieben, die sich zB durch ein politisch sehr stabiles Verhalten auszeichneten.

In meinem Heimatort ist diese entwicklung ganz deutlich...früher war das ein reines Bauerndorf mit einer beträchtlichen Anzahl von Vollerwerbsbauern. Mit demBeginn der industriellen Revolution wuren daraus immer mehr Nebenerwerbslandwirte, die sich auf Sonderkulturen,speziell Spargel und Tabak , spezialisierten und hauptberuflich in den Mannheimer Fabriken arbeiteten.
Das ganze zog sich bis Mitte der sechziger jahre. Dann wurden mit steigenden Löhnen die Nebenerwerbslandwirtschaften mehr und mehr aufgegeben Gleiczeitigwurden erhebliche Ackerflächenn Bauland umgewandelt ,die Einwohnerzahl verdreifachte sich und der zwischenzeizlich kleinstädtische Ort .bekam Schlafstattcharakter
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15.07.2013, 20:32
Beitrag: #13
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
Um mal zur Stadt zu kommen.

Städte sind grundsätzlich Gründungen, gezielte durch örtliche oder auch überörtliche Machthaber. (Wink von Balingen ist sogar das Gründungsdatum urkundlich überliefert, Pfingsten 1255 durch den Zollerngrafen)
Auf allen Kontinenten außer Australien sind Städte entstanden.
Man kann also davon ausgehen, dass es sich um ein Grundbedürfnis in allen Kulturen handelt.
Die Stadt als Dienstleistungs-, Verwaltungs- und Handeslzentrum für das umliegende Land.
Uta hat weiter oben verdeutlicht, dass eine Stadt die keine Marktgerechtigkeit hatte, von vorneherein zum Scheitern verurteilt war.

Nun gibt es bei den Städten von Anfang an auch Sonderentwicklungen, die Hafenstadt soll erwähnt werden, die mit anderen Hafenstädten auf anderen Kontinenten mehr zu tun hat, als mit dem Fischerdorf in ihrer Nähe.
Oder reine Industriestädte wie sie speziell im 19. Jahrhundert entstanden sind. Die nie ein Zentrum für das umliegende Land waren.

Großstädte wie wir sie heute kennen, wurden erst so richtig im 19. Jahrhundert möglich, als mehrere Voraussetzungen zu ihrer Entstehung gegeben waren,
1. für die Masse bezahlbare innerstädtische Verkehrsmittel, zuvor war innerstädtischer Verkehr lediglich zu Fuss möglich, was jedem Wachstum natürliche Grenzen setzte.
2. Versorgungs- (Wasser zB) und Entsorgungs-Einrichtungen (Kanalisation)
mit den entsprechenden Kapazitäten.
Das moderne Paris ist nicht zufällig, oder eben auf Napoleons III Intention Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, sondern weil die beiden Punkte zuvor nicht gelöst waren.

OT: Die Planung des modernen Jerusalems (insbesondere auch dort Entsorgung) geht auf den aus Bitz auf der Schwäbischen Alb gebürtigen Konrad Schick zurück.
http://en.wikipedia.org/wiki/Conrad_Schick
gelernter Mechaniker, alles andere Autodidakt.
Man beachte, er ist lediglich in der englischen Wiki zu finden.
Die Leistungen Deutscher des 19. Jahrhunderts im "Heiligen Land" wurden nach 45 aus nachvollziehbaren Gründen mehr oder weniger vergessen.
Es wird hier keinen groß interessieren, aber ich finde es erwähnenswert.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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16.07.2013, 15:20
Beitrag: #14
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
Die Geographen sprechen von räumlichen Disparitäten, im hier angesprochenen Bereich speziell vom Gegensatz zwischen Peripherie und Zentrum. Wer´s nachlesen will, gerne, hier nur in Kürze: Die Unterschiede zwischen Dorf und Stadt erklären sich für die Geographen primär daraus, dass ein Dorf wenige zentrale Funktionen hat und eine Stadt mehr, eine Großstadt gar alle denkbaren zentralen Funktionen. Großstädte sind also Zentren für Industrie, Handel, Dienstleistungen, Medizinversorgung und Regierung (allerdings in wechselnder Intensität; nur wenige Großstädte sind Regierungssitze, aber alle haben sie regierungsmäßige Funktionen, und sei es nur als Bezirkshauptstadt oder ähnliches).
Ein Dorf dagegen hat nur untergeordnete zentrale Funktionen, heutzutage oft nicht mal mehr einen Arzt oder eine Apotheke, wenn´s gut geht einen Supermarkt. Das erklärt die Unterschiede, das prägt nämlich auch die Mentalität der Leute.

In der Türkei haben wir´s auch mit einem Zentrum-Peripherie-Gegensatz zu tun, aber außerdem auch noch mit einem kulturellen Gegensatz. Die europäische Türkei war nämlich sehr lange auf Europa bzw. den Balkan ausgerichtet, die asiatische Türkei war im Grunde nur das Hinterland bzw. der Hinterhof Konstantinopels.

Die europäische Türkei war aber gleichzeitig - v.a. in wirtschaftlicher Hinsicht - zusammen mit der Westtürkei so etwas wie das Zentrum des Osmanischen Reichs. Hier wurden die Einnahmen erwirtschaftet. Südlich der Schwarzmeerküste und östlich von Ankara war Ödnis, zumindest in den Augen der Sultane. Ein gutes Beispiel ist der letzte Zensus des Osmanischen Reichs, der zeigt, wie intensiv das Land herrschaftlich durchdrungen war:
Auf dem Balkan und in der Westtürkei wurde jeder Einzelen genau in Listen aufgenommen. In Zentralanatolien (und ich glaube, auch in Mesopoatmien und Palästina) wurden nur die Dorfvorsteher befragt und deren Angaben zu jedem Einzelnen in die Listen aufgenommen, und in Ostanatolien, also im Kurdengebiet, sowie in Arabien wurde von Konstantinopel bzw. den Provinzhauptstädten aus geschätzt, ohne dass vor Ort befragt wurde!

Heute ist der europäische Rest des osmanischen Balkanreichs dagegen zur Peripherie geworden, während die Westtürkei und Zentralanatolien zum Zentrum geworden sind. Einzig Ostanatolien ist nach wie vor teils extreme Peripherie.
Auch das prägt natürlich die Mentalität...

VG
Christian
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16.07.2013, 16:09
Beitrag: #15
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
(16.07.2013 15:20)913Chris schrieb:  Die Geographen sprechen von räumlichen Disparitäten, im hier angesprochenen Bereich speziell vom Gegensatz zwischen Peripherie und Zentrum. Wer´s nachlesen will, gerne, hier nur in Kürze: Die Unterschiede zwischen Dorf und Stadt erklären sich für die Geographen primär daraus, dass ein Dorf wenige zentrale Funktionen hat und eine Stadt mehr, eine Großstadt gar alle denkbaren zentralen Funktionen. Großstädte sind also Zentren für Industrie, Handel, Dienstleistungen, Medizinversorgung und Regierung (allerdings in wechselnder Intensität; nur wenige Großstädte sind Regierungssitze, aber alle haben sie regierungsmäßige Funktionen, und sei es nur als Bezirkshauptstadt oder ähnliches).
Ein Dorf dagegen hat nur untergeordnete zentrale Funktionen, heutzutage oft nicht mal mehr einen Arzt oder eine Apotheke, wenn´s gut geht einen Supermarkt. Das erklärt die Unterschiede, das prägt nämlich auch die Mentalität der Leute.

./.
Christian


Keine Regel ohne Ausnahme, es gibt durchaus die quasi aus dem Nichts entstandene Großstadt die sehr wenige bis gar keine zentrale Funktionen hat, Oberhausen zB.

Die Entwicklungen sind überhaupt recht differenziert, Osterhammel, dem ich auch hier folge, verweist zB auf St. Louis und Chicago, das etwas ältere St. Louis fast ohne Industrie mit großem Dienstleistungssektor, Chicago annähernd umgekehrt. Mit Vorteilen über die Jahrzehnte wechselnd mal bei St. Louis mal bei Chicago.


Um nochmals auf das Dorf aus heutiger Sicht AD 2013 zurückzukommen, und in der Vorausschau: hier spreche ich aus eigenem,
Irgendwelche zentrale Funktionen gehen da zunehmend ein.
die Verwaltung ist in BW längst in "Großgemeinden" aufgegangen, es gibt kaum mehr Läden, ja, wie geschrieben, nicht mal mehr Wirtshäuser.
Die Kirchen stehen noch, werden von einem Pfarrer im Rahmen einer Seelsorgeeinheit zusammen mit 6-7 weiteren betreut. Die Schulen sind, wenn es hochkommt noch einzügige Grundschulen.
Der Mikrokosmos ist, obwohl die Einwohnerzahlen durch Zuzug ständig steigt, am "abnippeln".
Die Idenditätsbildung geht lediglich noch über Sportverein oder Feuerwehr.


Es ist mir duchaus bekannt, dass das Thema Großstadt vs Dorf heißt, persönlich halte ich allerdings diesen Gegensatz für zu gewagt.
Die Masse der Menschen lebt auch in Klein- und Mittelstädten, weder in Dorf noch Großstadt.

Nochmals darauf zurück:
Die Großstadt als solche ist erst im 19. Jahrhundert entstanden, konnte erst da entstehen. Abseits von Zentralfunktionen waren die entscheidenden Voraussetzungen für das Größenwachstum (innerstädtischer verkehr, Versorgung und Entsorgung) erst da gegeben. Siehe mein obiger Beitrag. Hier folge ich der Prophyläen Technik Geschichte Band 4, ab Seite 277

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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16.07.2013, 17:55
Beitrag: #16
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
(16.07.2013 16:09)Suebe schrieb:  Keine Regel ohne Ausnahme, es gibt durchaus die quasi aus dem Nichts entstandene Großstadt die sehr wenige bis gar keine zentrale Funktionen hat, Oberhausen zB.

Oberhausen mag ein Sonderfall sein, da es in eine "Megacity" eingebunden ist, wo sich die zentralen Funktionen etwas mehr vertelen mögen. Düsseldorf, Dortmund, auch Essen hatten schon überregionale Funktionen, von Köln ganz zu schweigen (gehört zwar nicht zum Ruhrgebiet, is aber zu nahe dran um vernachlässigt zu werden). Städte wie Oberhausen stellen eventuell (aus dem hohlen Bauch gesprochen) eine Art zu groß geratener Arbeitersiedlung dar?

(16.07.2013 16:09)Suebe schrieb:  Die Entwicklungen sind überhaupt recht differenziert, Osterhammel, dem ich auch hier folge, verweist zB auf St. Louis und Chicago, das etwas ältere St. Louis fast ohne Industrie mit großem Dienstleistungssektor, Chicago annähernd umgekehrt. Mit Vorteilen über die Jahrzehnte wechselnd mal bei St. Louis mal bei Chicago.


Da sind wir aber in den USA, mit ihren ganz anderen Voraussetzungen für dei Stadtwerdung und Stadtfunktionen. Drei Häuser, schon hattest du da ne Stadt - bis heute teilweise! Sowas wie Dörfer im deutschen/europäischen Sinn gibt´s da gar nicht. Da gibt´s dann eher den Stadt-Land-Gegensatz oder den Stadt-Kleinstadt-Gegensatz als den Stadt-Dorf-Gegensatz.

(16.07.2013 16:09)Suebe schrieb:  Um nochmals auf das Dorf aus heutiger Sicht AD 2013 zurückzukommen, und in der Vorausschau: hier spreche ich aus eigenem,
Irgendwelche zentrale Funktionen gehen da zunehmend ein.


Kenn ich aus meinem Dorf auch. Darum eben hab ich Arzt, Zahnarzt, Apotheke erwähnt, auch Supermarkt. Seit kurzem haben wir wieder einen, aber am Rand. Ergo: Weite Wege zum Einkaufen! Nur Metzger, Versicherungsagenturen, sowas haben wir noch - bei immerhin 5000 Einwohnern! Hausarzt? Fehlanzeige. Nur eine Praxengemeinschaft, in der ein Therapeut, eine Homoöpatiker und noch jemand dabei sind.

Die Nachbargemeinde, ein Markt mit ebenfalls um die 5000 Einwohner, hat neben KiK, Ledi, Roßmann, Spielzeugladen, mehreren Arztpraxen, zwei Apotheken, einem Schreibwarenhandel, einem Gemüsehandel, einer Tankstelle, einem Musikversand, mehreren metallverarbeitenden Betrieben - darunter einer von überregionaler Bedeutung - einem Altersheim, zwei Kindergärten und noch vielem anderen (z.B. Metzgern, Bäckern, Eisdielen, Restaurants) auch - lass mich mal nachzählen - sechs (!) Supermärkte, darunter allein zwei Edeka.

Beides Landgemeinden im Einzugsbereich einer - allerdings kleinen und sehr provinziellen - Großstadt.

(16.07.2013 16:09)Suebe schrieb:  Nochmals darauf zurück:
Die Großstadt als solche ist erst im 19. Jahrhundert entstanden, konnte erst da entstehen. Abseits von Zentralfunktionen waren die entscheidenden Voraussetzungen für das Größenwachstum (innerstädtischer verkehr, Versorgung und Entsorgung) erst da gegeben.
Die Großstadt im modernen Sinn, ja. Aber Städte wie Nürnberg, Frankfurt, Augsburg, Paris, London, Prag, Köln, Mailand, Florenz, auch Madrid, das arabische Toledo oder Sevilla, Barcelona, Rom - die waren schon im Mittelalter Zentren von überregionaler, wenn nicht internationlaer Bedeutung und den entsprechenden zentralen Funktionen: Messen (= Handel), Regierungssitz, Bankenstandort, Schreiber, Klöster (= Dienstleitungen), spezialisierte Handwerker (= "Industrie"), Schnittpunkt von Handelswegen (= Verkehr), eventuell auch schon Universitätsstandort (= Bildung/Dienstleistung), usw.usf.

Das waren eindeutig Großstädte, auch im Sinne moderner Geographen!

VG
Christian
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16.07.2013, 20:25
Beitrag: #17
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
(16.07.2013 17:55)913Chris schrieb:  
(16.07.2013 16:09)Suebe schrieb:  Nochmals darauf zurück:
Die Großstadt als solche ist erst im 19. Jahrhundert entstanden, konnte erst da entstehen. Abseits von Zentralfunktionen waren die entscheidenden Voraussetzungen für das Größenwachstum (innerstädtischer verkehr, Versorgung und Entsorgung) erst da gegeben.
Die Großstadt im modernen Sinn, ja. Aber Städte wie Nürnberg, Frankfurt, Augsburg, Paris, London, Prag, Köln, Mailand, Florenz, auch Madrid, das arabische Toledo oder Sevilla, Barcelona, Rom - die waren schon im Mittelalter Zentren von überregionaler, wenn nicht internationlaer Bedeutung und den entsprechenden zentralen Funktionen: Messen (= Handel), Regierungssitz, Bankenstandort, Schreiber, Klöster (= Dienstleitungen), spezialisierte Handwerker (= "Industrie"), Schnittpunkt von Handelswegen (= Verkehr), eventuell auch schon Universitätsstandort (= Bildung/Dienstleistung), usw.usf.

Das waren eindeutig Großstädte, auch im Sinne moderner Geographen!

VG
Christian


Dachte ich es wäre klar was ich schrieb. Blush
Bis in die Mitte des 19. Jahrhundert gab es einige Minimumfaktoren die das Wachstum der Städte einschränkten. siehe oben.
Da wir in einem Nirwana sind, und die Entwicklung bevorzugt aus historischer Sicht sehen, dachte ich, ist dies erwähnenswert.
Als die Minimumfaktoren (ca. 1860) wegfielen, war der Weg frei zu den Millionenstädten.
Die sich dann ganz schnell entwickelten.


(16.07.2013 16:09)Suebe schrieb:  Die Entwicklungen sind überhaupt recht differenziert, Osterhammel, dem ich auch hier folge, verweist zB auf St. Louis und Chicago, das etwas ältere St. Louis fast ohne Industrie mit großem Dienstleistungssektor, Chicago annähernd umgekehrt. Mit Vorteilen über die Jahrzehnte wechselnd mal bei St. Louis mal bei Chicago.

Zitat:Da sind wir aber in den USA, mit ihren ganz anderen Voraussetzungen für dei Stadtwerdung und Stadtfunktionen. Drei Häuser, schon hattest du da ne Stadt - bis heute teilweise! Sowas wie Dörfer im deutschen/europäischen Sinn gibt´s da gar nicht. Da gibt´s dann eher den Stadt-Land-Gegensatz oder den Stadt-Kleinstadt-Gegensatz als den Stadt-Dorf-Gegensatz.

gut, es gibt kein village, aber ig+g ist die Entwicklung =
und St. Louis oder Chigago spielen in einer anderen Liga als Evansville oder Altoona

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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17.07.2013, 11:37
Beitrag: #18
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
(16.07.2013 15:20)913Chris schrieb:  Die Geographen sprechen von räumlichen Disparitäten, im hier angesprochenen Bereich speziell vom Gegensatz zwischen Peripherie und Zentrum. Wer´s nachlesen will, gerne, hier nur in Kürze: Die Unterschiede zwischen Dorf und Stadt erklären sich für die Geographen primär daraus, dass ein Dorf wenige zentrale Funktionen hat und eine Stadt mehr, eine Großstadt gar alle denkbaren zentralen Funktionen. Großstädte sind also Zentren für Industrie, Handel, Dienstleistungen, Medizinversorgung und Regierung (allerdings in wechselnder Intensität; nur wenige Großstädte sind Regierungssitze, aber alle haben sie regierungsmäßige Funktionen, und sei es nur als Bezirkshauptstadt oder ähnliches).
./.

Dagegen Osterhammel, 2009 978-3-8389-0044-5 C.H. Beck Verlag
Seite 356 Kapitel Stadtmodelle

Zitat:Dennoch sollte man sich auch schon für frühere Zeiten davor hüten, die Stadtmodelle wie sie Geographen und Soziologen aufgestellt haben, für bare Münze zu nehmen

weiter schreibt er, dass Stadt, wie das auch du machst, am ehesten im Gegensatz zum Dorf zu definieren ist.
Die Stadtmodelle wären überaus statisch, und ein Prozess wie die Urbanisierung des 19. Jahrhunderts damit überhaupt nicht zu erfassen.

Ein Beispiel (aus eigenem):
Bei den Geographen kannst du heute lesen, "dass der wirtschaftsstarke Mittlere Neckar bis in den Raum Heilbronn ausstrahlt"
der Historiker und historisch Interessierte dagegen weiß, dass bis ca. 1880 der Mittelpunkt der Industrie Württembergs in Heilbronn lag. Erst in den 1880ern hat der Großraum Stuttgart (nichts anderes ist der "Mittlere Neckar") aufgeholt und schließlich überholt.
Die Sichtweise der Geographen lässt also wesentliche Entwicklungslinien und Faktoren außen vor, bleibt statisch während der Historiker den Prozess sichtbar macht.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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22.07.2013, 22:11
Beitrag: #19
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
Das sah ich vorhin auf t-online.de

http://www.t-online.de/wirtschaft/immobi...inden.html

Zitat:Berichte über den Immobilienmarkt kennen in den vergangenen Monaten nur eine Stoßrichtung: Ob Miete oder Kauf, die Preise steigen schwindelerregend, sind für immer mehr Menschen nicht bezahlbar. Der Wohnraum wird knapp, gleichzeitig nimmt die Nachfrage zu - in der Folge werden Häuser und Wohnungen zu Luxusgütern. Alles richtig, trotzdem ist es nur eine Seite der Medaille. Denn auf dem Land sieht es in weiten Teilen Deutschlands ganz anders aus. Hier will keiner mehr wohnen, ist das Fazit von zwei Studien des Immobilienportals ImmobilienScout24. Ein Experte sagt gegenüber t-online.de: Es werden Dörfer von der Landkarte verschwinden.

hmmmm...........

also mir will das nicht einleuchten.
Bei uns denken sie darüber nach, wegen dem Flächenverbrauch den Eigenheimbau massiv einzuschränken. (das würde die Landesregierung aber nicht überstehen, mM)

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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23.07.2013, 17:27
Beitrag: #20
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
Also, die Dörfer die veröden, das muss woanders sein.

Von der Seite des Statistischen Landesamts BW:
Zitat:Aussage

Grund und Boden ist als knappes Gut nur begrenzt verfügbar. Die intensive Nutzung als Siedlungs- und Verkehrsfläche wird zunehmend kritisch hinterfragt. Mit den zumeist irreversiblen Nutzungsänderungen von zuvor fast ausschließlich landwirtschaftlich genutzten Flächen gehen erhebliche Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes einher. Der Indikator »Täglicher Flächenverbrauch« verdeutlicht Ausmaß und Tempo der Nutzungsänderungen. Dabei ist Flächenverbrauch und Versiegelung (teilweises oder vollständiges Abdichten offener Böden) keinesfalls gleich zu setzen.
Referenzwert

Im Entwurf des umweltpolitischen Schwerpunktprogramms der Bundesregierung (Berlin 2002) wurde das Ziel vorgegeben, den täglichen Flächenverbrauch bis zum Jahre 2020 bundesweit auf 30 Hektar (ha) zu beschränken. Im Vergleich zum Referenzzeitraum 1997/2000 bedeutet dies eine Reduktion auf ein Viertel des Ausgangsniveaus. Für Baden-Württemberg leitet sich daraus für 2020 ein Zielwert von 3 ha/Tag ab.

Ministerpräsident Oettinger hat seiner Regierungserklärung vom 21.6.2006 als Ziel den »Saldo Null« in 10 bis 15 Jahren (also bis 2016/2021) formuliert.
Ergebnisse

Im Jahr 2011, wurde täglich eine Fläche von 6,3 Hektar für Baumaßnahmen beansprucht. Das entspricht einem Jahreszuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche in der Größenordnung von rund 3 301 Fußballplätzen (70m x 100m). Die täglichen Zuwachsraten der Siedlungs- und Verkehrsfläche waren seit Ende der 90er-Jahre rückläufig. 2006 und 2007 steht dagegen wieder für einen leichten Anstieg des Flächenverbrauchs, der aber seit 2008 und 2009 deutlich zurückging.
https://www.statistik-bw.de/BevoelkGebie...brauch.asp

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