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4. Kreuzzug scheitert vor Konstantinopel:
18.11.2013, 15:09
Beitrag: #19
Wer war Schuld am 4. Kreuzzug - Eine Analyse:
Möchte mich hier mal mit der Frage: Wer war schuld am 4. Kreuzzug bzw. an dessen Verlauf beschäftigen:

-Venedig: Das wäre die einfachste Antwort „das geldgierige Venedig“ natürlich. Doch das ganze war mehr eine Entwicklung aus der, der Doge verzweifelt einen lukrativen Ausweg gesucht (und gefunden) hatte. Der geplante Kreuzzug stellte für die Seefahrerer-Republik ein enormes finanzielles Risiko da. Um eine dermaßen große Flotte zu bauen brauchte man jeden verfügbaren Mann, aus diesem Grund musste man den Handel sogar teilweise einstellen. Die Führer des Kreuzzugs mussten das ganze natürlich bezahlen – wohl so das sich für Venedig noch ein Gewinn ausgegangen wäre. Ein weiterer Grund warum Venedig dem Kreuzzug anfangs nicht abgeneigt war, war dessen Zielort, Ägypten. Hätte man sich dort eine bessere Stellung geholt hätte das für die (bessere) Anbindung an zahlreiche Handelsrouten gesorgt, etwas woran man natürlich interessiert war.
Ein reizvolles Angebot also, aber auch ein hohes Risiko, die Kosten waren so hoch das bei „nicht-bezahlen“ der Staatsbankrott gedroht hätte, außerdem hätte man wohl durch das ganze an zahlreichen Handelsorten die bisher aufgebaute Stellung eingebüßt. Doch was machten die Kreuzritter, sie enttäuschten und konnten die Kosten gar nicht tragen (waren an Anzahl zu gering).
Für Venedig also eine schwierige Lage, aus der man irgendwie dann doch mit einem Gewinn herauskommen musste.

-Wo waren eigentlich die anderen Seemächte: Diese Frage stellte ich mir lange, deshalb möchte ich mal kurz darauf eingehen. Nun so viele Seemächte die eine derart große Flotte hätten aufstellen können gab es nicht. Die großen Länder jener Zeit waren (meist aufgrund von inneren Konstellationen) beim Kreuzzug nicht dabei, blieben nur noch Genua, Pisa und Venedig. Genua und Pisa dürften in dieser Zeit gerade einen Konflikt untereinander ausgetragen haben, blieb also nur noch Venedig.

-Die Kreuzritter selbst: Man darf sich das ganze nicht als besonders demokratisches Unternehmen vorstellen. Die Kreuzritter reisten wohl mit den gleichen Motiven wie bei den ersten 3 Kreuzzügen auch. Das Ziel des „kleinen Ritters“ war es Jerusalem zu befreien, die meisten wussten nicht einmal das die Kreuzzugsführer nach Ägypten statt ins „Heilige Land“ wollten. Später erreichte das ganze eine eigene Dynamik, immer wieder sprangen Kreuzritter vom Unternehmen ab, immer wieder protestierte man gegen die Richtung in die sich das ganze Entwickelte, doch man konnte sie nicht wirklich ändern.

-Die Führung des Kreuzzugs: Ging vom Anfang an zu naiv in den Kreuzzug. Man rechnete z.B. mit viel höherer Beteiligung und agierte oft unüberlegt (worüber sich die Venezianer scheinbar sogar oft wunderten). Das Ziel der Kreuzzugsführung war keineswegs vom Anfang an Konstantinopel, es war Ägypten. Von hier aus wollte man wohl die Abtretung der Städte die einst zum Königreich Jerusalem gehörten erreichen, wenn für den einen oder anderen mehr rausschauen würde wars wohl auch recht. Nun stand man da viel zu unüberlegt hatte man den gigantischen Vertrag mit Venedig geschlossen, Venedig verlangt dessen Erfüllung. Doch die Summe (ursprünglich ca. Jahresbudget des Königreich Frankreich, später nicht ganz 2/3 davon) die man stämmen musste war gigantisch – zu gigantisch und so schleppte man sich von Krise zu Krise, moralische Bedenken der „kleinen Ritter“ auf der einen Seite und auf der anderen Seite Venedig das sein Geld zurückverlangt (zurückverlangen musste). Kein Wunder also das man sich dann darauf einließ die Richtung zu Wechseln.

-Der Doge: Oft wird gesagt das Dandolo der scheinbar früher schon mal (als Händler oder Politiker für Venedig) in Konstantinopel war dort sein Augenlicht verlor. Kann sein gesichert ist es nicht – manchmal leitete man daraus die Theorie das er Byzanz deshalb hasste und das ganze als Rache sah. Schwer zu sagen, ich glaube das eher nicht – dafür handelte er zeitweise viel zu Umsichtig und Nachdenklich. Es dürfte nicht er sondern die Kreuzzugsführung gewesen sein, die sehr schnell dafür zu begeistern war Alexios IV Angelos zu unterstützen. Kein Wunder, Dandolo war gut informiert und wusste das der neue Kaiser keineswegs so widerstandslos anerkannt werden würde und manches wohl nicht realistisch war, aber für ihn war es sicherlich dieser lukrative Ausweg, der sich schließlich bot.

-Alexios IV Angelos: Handelte total unvorsichtig mit seinen Versprechungen, aber was hätte er sonst machen sollen? Alexios IV war der Sohn des ehemaligen Kaiser Isaak II Angelos der von seinem Bruder abgesetzt worden war. Auch er wurde wohl im Zuge des Putsches eingesperrt, doch er entkam nach Westen. Das er dort aufgenommen wurde war klar, er war ein sehr gutes Druckmittel im Konflikt mit Byzanz, der immer wieder mal zu Ausbruch kam. Das ein solches irgendwann dann mal ausgespielt wird erscheint logisch. Und die Aussicht einen pro-westlichen Kaiser auf den Thron in Konstantinopel zu haben scheint für mehrere Seiten verlockend. Das Alexios IV seine zu großzügigen Versprechungen machte ist jedoch auch nicht ganz so unlogisch, es war wohl trotz allem nicht so einfach Leute die eigentlich nach Ägypten/Israel wollten in eine andere Richtung zu lenken. Ich vermute außerdem das er die Ressourcen auf die ein byzantinische Kaiser zurückgreifen konnte überschätzte, denn diese waren gewaltig im Schwinden.

-Alexios III Angelos: Wehrte sich viel zu wenig gegen die Gefahr die da aufzog, ein Geheimnis wird der 4. Kreuzzug und auch die Richtung in die er zunehmend ging für ihn wohl nicht gewesen sein. Der Kaiser von Byzanz war über solche Dinge in der Regel schon informiert, doch er bereitete sich kaum darauf vor, was wohl 2 Gründe hatte. Erstens: Alexios III handelte im Zuge seiner Herrschaft immer wieder so, im Gegensatz zu seinem Bruder versuchte er sich kaum gegen den Niedergang von Byzanz zu stellen (verwundernswert das er sich später so stark an den Thron klammerte). Zweitens fehlten ihm die Ressourcen eine starke Verteidigung aufzubauen. Seit Alexios I Komnenos war es enorm wichtig das der Kaiser der starke Mann im Reich war, einer der überall anerkannt wurde, doch das gelang den Angeloi-Kaisern nie wirklich. Seit Manuel I Komnenos verfügte man kaum noch über genügend Geldmitteln, etwas was auch deshalb eine große Gefahr darstellte weil Byzanz in dieser Zeit hauptsächlich auf Söldner baute und die mussten bezahlt werden – waren also nicht wirklich ausreichend vorhanden. Byzanz war insgesamt im Niedergang, seine Schwäche wurde von Gebieten am Balkan genutzt um Unabhängig zu werden (darunter Bulgarien) und praktisch überall lauerten Gegenkaiser. Alexios III wurde also oft nicht als der legitime Kaiser gesehen, wie sollte man in diesem Wirwarr eine effektive Verteidigung aufbauen, einer großen Persönlichkeit wäre das vielleicht gelungen, aber das war Alexios III nicht und so kam es schließlich zur ersten Eroberung von Konstantinopel.

Auf diese folgte schon bald die zweite, weil Alexios IV Angelos seine Versprechen nicht erfüllen konnte und auch im Volk sehr schnell verhasst war. Seine Absetzung bot bald wieder einen Kriegsgrund, der neuer Kaiser (Alexios V Dukas) konnte nicht schnell genug eine Verteidigung aufbauen – weshalb Konstantinopel ein zweite mal fiel, diesesmal mit noch verheerenderen Folgen.

Diese Folgen wirkten sich langfristig aus, Byzanz ging schließlich zwar nicht unter war aber doch geschwächt, als Konstantinopel wieder in den Händen byzantinsicher Kaiser war musste der Kaiser (Michael Palaiologos) immer wieder daran arbeiten potentielle Angriffe aus dem Westen abzuwehren, vor allem Karl von Anjou war in dieser Hinsicht sehr aktiv, das führte einerseits zu einer erneuten Ressourcenüberdehnung, andererseits dazu das man den Osten vernachlässige aus dem mit den Osmanen schließlich die Untergangsursache kam. Die Osmanen erlebten einen gigantischen Aufstieg und standen nur etwas mal als 2 Jahrhunderte nach ihren Anfängen als türkisches Kleinfürstentum zum ersten mal vor Wien.

Man sollte ihn also nicht unterschätzen den 4. Kreuzzug, was seine Verursacher betrifft würde ich sagen, den Verursacher gibt es nicht wirklich. Es war eher eine Dynamik die, die Akteure dazu brachten ihn nach Konstantinopel zu lenken und damit auch dem Kreuzzugsgedanken gigantischen Schaden zuzufügen.
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