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Warum eroberten die Römer nicht Schottland?
13.07.2015, 16:29
Beitrag: #102
RE: Warum eroberten die Römer nicht Schottland?
(14.08.2013 18:57)Maxdorfer schrieb:  
(30.07.2013 20:34)Bunbury schrieb:  Der Nebel, die ständigen Niederschläge, die Winde, der Morast und die Kälte spielen natürlich überhaupt keine Rolle. Soweit ich weiß, waren es genau diese Faktoren, die dazu führten, daß der Antoninus- Wall aufgegeben wurde. Die römischen Soldaten wurden von dem Wall, der an der Grenze zu den Highlands im noch leicht zu befriedenden Flachland lag, immer wieder ins Gebirgige und neblige Hinterland gelockt, aus dem sie in der Regel nicht zurückkehrten. Die Caledonier- denn so muss man die Einwohner der Highlands bis 297 n.Chr. nennen- waren mit der Witterung vertraut, sie waren an sie angepaßt und sie wußten sie zu nutzen. Die Römer nicht.

Der Antoninus-Wall war immer hart umkämpft und wurde immer wieder aufgegeben und erneut erobert (dazu habe ich mal im G/Geschichte-Forum einen Text im Forumtreffen "Verteidigungsanlagen" geschrieben, mal sehen, wo ich den abgespeichert habe).
Durch die ständigen Kämpfe mit caledonischen Stämmen, die darüber hinaus mit den örtlichen Begebenheiten besser vertraut waren und auch besser damit umzugehen wussten, war der Antoninuswall eine gefährliche und mühsam aufrecht zu erhaltene Grenze. Sie wurde zwar immer wieder zurückerobert, aber nie auf lange Zeit.
Dazu hier der erwähnte alte Text aus dem alten Forum:

Warum, wie und wann erbaute man den Antoninuswall?
Unter Kaiser Claudius wurde um 50 nach Christus Südbritannien erobert, diesen Feldzug möchte ich hier nicht weiter erläutern. Statthalter Gnaeus Iulius Agricola war dann um 81 nach Beginn unserer Zeitrechnung nach Norden vorgestoßen und hatte einige Kastelle errichtet, die jedoch nicht auf Dauer zu halten waren, da Agricola nach Rom zurückberufen wurde. Kaiser Hadrian erbaute schließlich im Zuge seiner Friedens- und Entspannungspolitik den Hadrianswall zum Schutz vor den schottischen Stämmen. Doch sein Nachfolger, Kaiser Antoninus Pius, beschloss einen Fortstoß gen Norden, wahrscheinlich, um durch einen militärischen Erfolg Popularität und Legitimation zu bekommen. Eine Niederlage wäre nur von regionaler Bedeutung und auf Feldherren abzuschieben gewesen.
Die Tore des Hadrianswalls wurden entfernt und die meisten Soldaten in Kastelle weiter im Norden verlegt. Über den Vorstoß und den folgenden Sieg wissen wir nur von Münzen, die letzteren feiern. Wie bei anderen römischen Provinzen wurde das Land befriedigt, Straßen gebaut und die Landschaft romanisiert und urbanisiert. Antoninus konnte sich den Siegesnamen „Imperator“ zulegen. Der Wall wurde in den Jahren zwischen 142 und 144 nach Christus unter der Leitung des Statthalters Quintus Lollius Urbicus von den Legionen II, VI und XX errichtet. Zweitere sollte dann auch später die Besatzung der Lager darstellen. Die Arbeitsleistung ist beeindruckend; man bedenke, dass die Errichtung, obwohl in feindlichem Gebiet, nur zwei Jahre dauerte.

Wie sah der Antoninuswall aus, wie verlief er?
Der Wall bestand aus einem Steinfundament und einem darauf erbauten Erddamm (drei bis vier Meter hoch, fast fünf Meter breit), der mit Grassoden verkleidet war und auf dessen Oberspitze ein Weg für Legionäre war. Einige Stellen wurden jedoch auch aus Lehm, Lehmziegeln, Kieseln und Steinen erbaut. Nördlich des Walles, im Abstand von sechs bis neun Metern war befand sich ein breiter Graben, der 12,2 Meter breit und fast 4 Meter tief war. Die ausgegrabene Erde war zu einem Wall aufgeschüttet, der sich nördlich des Grabens befand. Weitere kleinere Wälle und Gräben bildeten die nördliche Umgebung der Befestigungsanlagen. Südlich des Antoninuswalles befand sich eine Militärstraße, um die Erreichbarkeit jedes Abschnitts der Grenzanlage für die Legionen zu sichern.
Der Antoninuswall war im Allgemeinen weniger befestigt als der Hadrianswall und weniger hoch. Jedoch war er durch seine geringere Länge und sein dichtes Kastellnetz besser verteidigbar. Er ist mit 60 Kilometern etwas mehr als halb so lang wie der Hadrianswall. Die Festungsanlage erstreckt sich von Carriden am Firth of Forth bis Old Kilpatrick am Firth of Clyde (das ist die schmalste Stelle Schottlands, die „Central Lowlands“), verlaufend am Kelvin River und am Bonny Water. Die Kastelle, 27 an der Zahl, waren im Laufe der Zeit im Abstand von je zwei römischen Meilen (ca. 3 km) errichtet – ursprünglich waren nur 6 im Abstand von 12 km vorgesehen gewesen, bei einem späteren Plan 19. In den Lagern war Ende die Legion VI stationiert.
Hier eine Liste nachgewiesener Kastelle: http://www.roman-britain.org/frontiers/antonine.htm
Das Land nördlich des Antoninuswalles wurde Caledonia genannt. Der Wall diente auch der Abgrenzung zwischen Barbaren und Römern, sowie dem Handel und der Kontrolle der Grenzüberschreitungen.

Wie verlief die weitere Geschichte des Antoninuswalls?
Über die Geschichte des Walles sind wir fast gar nicht unterrichtet, das meiste musste durch Ausgrabungen erforscht werden. Um 145 tauchten literarischen Quellen zufolge die „numeri Brittonum“ (schottische Stämme), wahrscheinlich im Zuge der schottischen Feldzüge, am Wall auf.
Um 155 geschah irgendetwas in Caledonia, weshalb sich die Römer auf die Hadriansmauer zurückziehen mussten. Einige Jahre später zog man wieder in den Norden, jedoch ohne derart großen Aufwand wie beim ersten Mal. Von der kurzzeitigen Aufgabe des Antoninuswalls wissen wir, da Bauinschriften bei der Aufgabe um 155 sorgfältig vergraben, bei der Wiederbesetzung jedoch nicht wieder ausgegraben wurden. Diese Steininschriften sind perfekt erhalten und ein Glückstreffer für die Archäologen. Auch wissen wir durch Pausanias (8.43.3f.), dass Antoninus Pius gegen Mitte der Fünfziger Jahre des zweiten Jahrhunderts nach Christi Geburt Krieg gegen die Briganten führen musste, die in einem Aufstand den Bezirk Genunia angegriffen hatten. 157 bis 158 wurden erwiesenermaßen Erneuerungsarbeiten durchgeführt, was man mit der Wiederbesetzung in Verbindung bringen kann.

Wann und warum wurde der Antoninuswall aufgegeben?
Hierzu ist die Quellenlage sehr verzwickt und die Geschehnisse sind umständlich. Trotz der zahlreichen Kastelle und vieler temporärer Lager wurden die Keltenstämme nie wirklich besiegt, nur in Schach gehalten. Schon bald nach der Wiederbesetzung wurde der Antoninuswall erneut aufgegeben; die näheren Umstände sind auch hier nicht bekannt. Früher datierte man die zweite Aufgabe in die 180er Jahre, die Regierungszeit Kaiser Commodus’, heute wird sie eher in die 160er Jahre gesetzt. Wahrscheinlich brauchte der Nachfolger Antoninus Pius’, der Kaiser Mark Aurel erfahrene Kämpfer in seinen Markomannenkriegen. Kurz darauf musste Calpurnius Agricola erneut gegen die Britannier ziehen, jedoch eroberte er den Wall nicht zurück.
Laut Cassius Dio (72.8.2) überquerten keltische Stämme in den 180er Jahren „die Mauer […], die sie von den Römern trennte.“ Früher wurde diese Aufgabe der Mauer für die zweite gehalten, daher wahrscheinlich die oben genannte Falschdatierung der zweiten Aufgabe. Es könnte jedoch sein, dass eine dritte Aufgabe des Antoninuswalles gemeint ist. Der Statthalter Ulpius Marcellus errang nämlich einen Sieg in Britannien, worauf Commodus die imperatorische Akklamation „Brittanicus“ (seine siebte!) annahm. Da der Ort dieses Sieges unbekannt ist, könnte es sich durchaus um eine dritte Besetzung der südschottischen Gebiete handeln. Doch hielt auch diese Okkupation nicht lange, wie wir durch Cassius Dio wissen.
Eine Wiederbesetzung kam vorerst nicht in Frage, da zwei Kaiser des Zweiten Vierkaiserjahres 193 (namentlich Pertinax und der Usurpator Clodius Albinus) britische Statthalter gewesen waren und für die Bürgerkriege im Reich Truppen mitgenommen hatten. Als Kaiser Septimius Severus im Jahre 208 die nördlichen Grenzregionen des Reiches besuchte, wurde der Antoninuswall jedoch vielleicht in den folgenden Jahren durch Statthalter Alfenius Snecio ein viertes Mal kurzzeitig besetzt. Unter anderem sprechen spätrömische Historiker wie Eutropius und Orosius von einer „Mauer des Severus“, die wahrscheinlich mit dem Antoninuswall identisch ist. Doch lange kann auch diese Besetzung nicht gedauert haben, nach dem Tod von Septimius Severus wurde die Grenze 211 aufgegeben.
In den folgenden Jahrzehnten stießen einige Legionen, unter anderem die von den in der Soldatenkaiserzeit zahlreichen Gegenkaisern, nach Norden. Doch da diese entweder von anderen Gegenkaisern oder vom wirklichen Kaiser besiegt wurden oder die Truppen plötzlich für eine Usurpation in anderen Gebieten des Reiches benötigt wurden, gelang der Vorstoß kein einziges Mal.

Wann hat man den Antoninuswall wiederentdeckt?
Der Antoninuswall geriet nie ganz in Vergessenheit, im Mittelalter wurde er „Graham’s Dyke“ oder „Grim’s Dyke“ genannt. Im Laufe der Zeit wurde der Antoninuswall zwar größtenteils zerstört oder zur Wiederverwendung der Steine abgetragen, aber einzelne Teile sind noch heute zu besichtigen. Seitdem fanden viele Ausgrabungen statt, und seit 2008 sind die Überreste als Teil des „europäischen Limes“ zusammen mit dem Hadrianswall, römischen Grenzabschnitten in Afrika und dem obergermanisch-rätischen Limes UNESCO – Weltkulturerbe.

Kommentar zu dem Ganzen
Interessant finde ich den Unterschied zwischen dem Antoninuswall und dem germanischen Limes. Bei letzterem wird ja immer wieder betont, dass es zur friedlichen Koexistenz zwischen Römern und "Barbaren" kam, wenn ich mir aber Schottland anschaue, kann davon nicht wirklich die Rede sein. Liegt es am Unterschied zwischen Kelten und Germanen? Liegt es am unterschiedlichen Vorgehen der Römer?

Viele Grüße, der Maxdorfer

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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RE: Warum eroberten die Römer nicht Schottland? - Maxdorfer - 13.07.2015 16:29

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