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Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ?
26.06.2012, 18:28
Beitrag: #10
RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ?
(16.06.2012 11:16)zaphodB. schrieb:  Na,ja, mein erster direkter Eindruck war die obligatorische Berlin-Klassenfahrt in den siebzigern.
Da erlebte man einen ungeheuren Popanz von Grenzapparat, den man so aus Westeuropa nicht (mehr) kannte. Das ganze Brimborium,daß bei der Durchreise von den Grenzorganen des Arbeiter- und Mauernstaates abgezogen wurde, entlarvte diesen Staat als wenig souverän bis lächerlich.
Ich erinner mich ,daß die damals beim Transit nach Berlin unseren Bus gefilzt hatten (während zwei Klassen Oberstufenschüler gröhlend drum rum standen) nur um dann drei Playboyhefte zu beschlagnahmen.

Und ich erinner mich bei unserem Ausflug nach Ostberlin,daß wir das Eintrittsgeld (Zwangsumtausch) von 5,- Ostmark nicht los wurden,weil es schlicht,außer sehr billigem Bier an einem Stand auf dem Alex, nichts gab,für was man es hätte ausgeben können und wollen.-
Ostberlin war damals sehr verkehrsarm,weil es gab kaum Autos und im wesentlichen grau und düster.

Was ich schlimm fand war der Grenzstreifen mit den Mauern, Minen, Selbstschussanlagen ,Wachtürmen.
So war bei uns nicht mal ein Knast abgesichert. Und man fragte sich schon wie erbärmlich ein Regime sein mußte,das sein Volk so einsperren mußte,damit es nicht davon lief. Der Eindruck verstärkte sich noch durch die hohlen Phrasen und Parolen, die die so absonderten und die in augenfälligem Gegensatz zur Realität standen.

Als ich nach unserer obligatorischen Klassenfahrt Berlin 1960 die für das Reifezeugnis mitzuzählende Arbeit ablieferte, und eine ähnliche Deiner Schulderung gemachte Angaben schrieb (Selbstschussanlagen, Zwangsumtausuch, Popanz des Grenzappaates usw) erhielt ich eine Benotung von ungenügend, 5.
Begründung: Jargon der Bildzeitung in der "Frontstadt Berlin"
Im Umgang mit der DDR zeigte sich ein unbeschreiblicher Hochmut der Westdeutschen, eine unbeschreibliche Arroganz, die offensichtlich auch heute nach 20 jahren immer noch nicht abgebaut ist.

Wo hat jemals ein Westdeutsche Reisender eine Selbstschussanlage im Grenzzaun gesehen ? Wer so etwas schreibt, schreibt Quark.
Hat jemals ein Westdeutscher Reisender Minen im Grenzgebiet gesehen ?
Wenn Zaphod das schreibt, dann schreibt er Quark.

Zu kaufen soll es in Ostberlin nichts gegeben haben ? Quark, es gab in Ostberlin sehr viel: Buchklassiker, Tonträger klassischer Musik, Volkskunst aus den RGW-Staaten.
Mindestumtausch: doch nur, um das Preisgefälle zur DM etwas auszugleichen: wo konnte in Westberlin für 1,70 bis 3,00 Mark gegesen werden ?

Bei unserer Klassenreise arrantierte unser Lehrer eine Kabarett-Vorstellung in der Distel an der Friedrichstraße und eine Theatervorstellung im Maxi-Gorki-Theater ( statt Nachtasyl wie angekündigt, gab es die Lysistrata von Aristophanes, spätere Diskussionen mit unseren Damen nachhaltig)

In den rd. 29 Jahren später bin ich 200 x in Ostberlin gewesen, als Westdeutscher war mir der Weg außerhalb Berlins versperrt.

Westberlin war mir immer zu reißerisch, zu aufgemotzt, zu aufgeblasen.
Ich sah in Ostberlin eigentlich immer nur das eigentliche Berlin, auch wenn es provokant als Hauptstadt der DDR bezeichnet wurde.

Welche architektonische Pracht, wenn ich die Champs Ellysee in Paris bewundere, dann doch auch die Linden in Berlin, kleiner, aber nicht minder feiner, die Museums-Insel:
Gab es etwas vergleichbares in Westberlin - gut die hatten die Dahlemer Gemädegalerie mit Rembrands Mann mit dem Goldhelm und später im Ägyptischen Museum gegenüber dem Charlottenburger Schloss die Norfretete.
In Ostberlin das Bodemuseum mit seiner Sammlung ägyptischer Altertümer, das Vorderasiatische Museum mit dem Pergamon-Alter, dem Markttor von Milet, dem Ischtar-Tor aus Babylon uvm, Das alte Museum mit der Gemädegalerie.
Schon alleine für diese Museen lohnte sich eine Reise nach Berlin

2 persönliche Erlebnisse: 1964 mit dem Fahrrad von Hamburg nach Berlin auf der B 5, Rückenwind, goßer Gang 52 : 14 durchgetreten, Rast in Quitzow, dem "Westgasthof" als es die BAB nach Berlin noch nicht gab. Lehne eine Einladung zu einem Bier ab, damit die Beine nicht schwer werden. Mehrfacher Regen, Bei Wusterhausen habe ich keine Lust mehr, Frage am dortigen Bahnhof nach einer Fahrkarte nach Berlin, von dort kein Zugverkehr nur Bussverkehr zum Bahnhof nach Neustadt an der Dosse, habe kein Ostgeld, "dann holen sie die VP" damit ich wechseln kann. Bekommt Busskarte Bahnkarte geschenkt, verlasse widrig die Transitstrecke, in Neustadt steht schon der Zug, über Paulinaue nach Nauen, mein Rad wird bewundert, Champagnolo-Schaltung, Tretlager und Naben. Umsteigen in Nauen, Zug ist gerammelt voll. warum soll ich auffallen, Austeigen in Falkensee, erreiche die B 5 kurz in Dallgow, 10 km bis Staaken, 1 km hinter der Grenze kontrolliert die Westberliner Polizei die mitlerweise ausgefallene Beleuchtung meines Rades: Strafzettel.

1984, Rückfahrt aus der CSSR (Hintergrund: Vorbereitungen § 213 STGB DDR ) scon BAB , defekter Citroen an der Seite, mit Familie, Fahrer stellt sich als Direktor des o.. ägyptischen Museums in Westberlin raus.
Nehme den Wagen auf den Hacken und ziehe ihn, oftmals überholt und flankiert von Vopo-Krädern und PKW bis zur Grenze nach Gudow.
Sicher unzulässig aber geduldet.
Als ich durch die Kontrolle mit meinem Anhängsel fahre, meinen Pass schon zurück rufe ich dem Major zu: Da kommt noch einer hinter mir, den habe ich im Schlepp. Antwort: das wissen wir.

Hat man sich in der DDR korrekt verhalten, wurde man auch korrekt behandelt.
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