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Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - Druckversion

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Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - Luki - 16.06.2012 09:11

.

Servus .

Für die Jüngeren ; was wisst ihr noch über diese Zeit oder habt ihr persöhnlich Erlebtes aus Eurem Verwandten - Bekanntenkreis zu erzählen .

Und bei uns schon etwas Überreifen , Was waren unsere Erlebnisse und Eskapaden
hinter dem Vorhang .

Natürlich passen hierher auch Geschichten über die wirtschaftlichen Auswirkungen jener Zeit .

Im vorigen Forum war dieses Thema sehr gut besucht und daher erhoffe ich auch in diesem Thema genügend Ernstes und Heiteres zu lesen .

G.v.luki


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - zaphodB. - 16.06.2012 11:16

Na,ja, mein erster direkter Eindruck war die obligatorische Berlin-Klassenfahrt in den siebzigern.
Da erlebte man einen ungeheuren Popanz von Grenzapparat, den man so aus Westeuropa nicht (mehr) kannte. Das ganze Brimborium,daß bei der Durchreise von den Grenzorganen des Arbeiter- und Mauernstaates abgezogen wurde, entlarvte diesen Staat als wenig souverän bis lächerlich.
Ich erinner mich ,daß die damals beim Transit nach Berlin unseren Bus gefilzt hatten (während zwei Klassen Oberstufenschüler gröhlend drum rum standen) nur um dann drei Playboyhefte zu beschlagnahmen.

Und ich erinner mich bei unserem Ausflug nach Ostberlin,daß wir das Eintrittsgeld (Zwangsumtausch) von 5,- Ostmark nicht los wurden,weil es schlicht,außer sehr billigem Bier an einem Stand auf dem Alex, nichts gab,für was man es hätte ausgeben können und wollen.-
Ostberlin war damals sehr verkehrsarm,weil es gab kaum Autos und im wesentlichen grau und düster.

Was ich schlimm fand war der Grenzstreifen mit den Mauern, Minen, Selbstschussanlagen ,Wachtürmen.
So war bei uns nicht mal ein Knast abgesichert. Und man fragte sich schon wie erbärmlich ein Regime sein mußte,das sein Volk so einsperren mußte,damit es nicht davon lief. Der Eindruck verstärkte sich noch durch die hohlen Phrasen und Parolen, die die so absonderten und die in augenfälligem Gegensatz zur Realität standen.


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - dieter - 18.06.2012 13:36

Ihr Lieben,
die Hälfte meiner Verwandtschaft wohnt in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Anlässlich eines Besuches meiner Verwandtschaft in Neundorf Krs. Staßfurt, heute ein Stadtteil von Staßfurt, bin ich in Marienborn über die grenze gekommen. Die Grenzbehörden hatten sich in den Kopf gesetzt, dass ich Ostmark dabei hätte, was aber nicht der Fall war, weil man mir eine Unregelmäßigkeit schon an der Nasenspitze ansehen kann und ich es deshalb gelassen habe.Rolleyes Es wurde eine Leibevisitation vorgenommen, ich beschwerte mich und sagt ihnen, dass ich schon in Österreich und Dänemark gewesen bin, aber eine Solche Behandlung sonst nigends erlebt hätte. Ein Wort gab das andere und man drohte mir an, mich an der Grenze zurückzuschicken. Nachdem sie meinen Koffer zur Hälfte durchwühlt hatten, sollte ich den wieder zusammenpacken. Ich erklärte ihnen, dass ich das nicht könnte, weil ich ihn nicht gepackt hatte, um nicht den Verkehr weiter aufzuhalten, hat dann ein Grenzer meinen Koffer gepackt.Wink
Ich lernte dort ein Mädchen kennen und lieben, schickte ihr aus dem Westen ein Lebensmittelpacket, wir schrieben uns, bis sie mir mitteilte einen Anderen kennengelernt zu haben.Sad


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - Sansavoir - 19.06.2012 22:47

Ich wuchs östlich des „Eisernen Vorhangs“ auf, als die Mauer gebaut wurde, war ich noch kein Jahr, als sie fiel war ich bereits 29 Jahre alt.

Kindheit und Jugend

Als Kind nahm ich die Teilung nicht sonderlich wahr. Das lag wohl darin begründet, dass meine Eltern durch den Mauerbau nicht ihre Geschwister oder ihre Freunde verloren hatten und infolgedessen keine nahe Verwandtschaft im Westen lebte. Da wir eine kinderreiche Familie waren, konnten wir schon aus finanziellen Gründen wenig reisen. Und bei den damaligen Bummelzügen war eine Reise von Leipzig nach Thüringen schon fast eine kleine Weltreise, zumindest wenn man die Reisedauer betrachtet. So erschien einen die DDR noch nicht zu klein.

Bei meiner in der Magdeburger Börde lebenden Oma sah dies natürlich anders aus, sie hatte einen Teil im Westen Deutschlands lebende Geschwister, Cousinen oder Nichten, die sie selbst als Rentnerin auch besuchen konnte. War ich bei meiner Oma zu Besuch, war es eigentlich egal, ob die alten Damen oder Herren aus dem Westen oder Osten kamen, spätestens nach einer Viertelstunde redeten sie über ihre Vertreibung aus Westpreußen oder Pommern. Gut, die Westtanten brachten Schokolade für uns Kinder und Kaffee für die Erwachsenen mit. Aber über den jeweiligen Alltag wurde bei solchen Treffen nicht geredet.

Wie wohl die meisten meiner Generation erwarb ich die ersten Kenntnisse über das Leben im damaligen Westen durch das Westfernsehen und durch das Kino. In der Schule lernten wir zwar ausführlich über die Geografie des Rheinischen Schiefergebirge, der Alpen oder der Rocky Mountains; über die politischen und wirtschaftlichen Systeme wurden wir nur unzureichend und vor allem ideologisch eingefärbt informiert. Wenn man es so will, bestanden meine Vorstellungen über den Westen einerseits aus dem vermittelten Bild von ARD und ZDF, andererseits aus den in der DDR gezeigten französischen, italienischen und US-amerikanischen Filmen.

1970 oder 1971 war mein Vater in Jugoslawien auf Montage. Dorthin konnte er eigentlich nur reisen, weil zu Hause eine Frau und vier Kinder auf ihn warten würden und somit seine Rückkehr in die DDR als sehr wahrscheinlich galt. Für mich bedeutend waren, neben einer tollen Jacke, vor allem unzählige Dias über Städte und Landschaften eines faszinierenden Landes, das ich nach der damaligen politischen Lage frühestens mit Renteneintritt (also im Jahr 2025) besuchen konnte. Das empfand ich damals als ungerecht, ich verstand auch nicht, warum man dieses schöne, aber „nur dem Namen nach sozialistische Land“ (Erklärung eines Lehrers) nicht besuchen konnte. Diskussionen zu diesem Thema wurden in der Schule nur halbherzig geführt oder von vornherein abgeblockt. Außerdem gab es viel Neid unter den Nachbarn, die meinem Vater bzw. meinen Eltern so einiges an Gehässigkeiten unterstellten. 1996, 1997 und 2001 konnte ich zumindest Slowenien und Kroatien bereisen.

Um 1973 erfolgte ein zweiter Blick auf die große, weite Welt. Ein „Westonkel“, er galt als das „schwarzes Schaf“ der jenseitigen Verwandtschaft, kreuzte von meiner Oma kommend ohne Ankündigung mit seiner Tochter bei meinen Eltern auf. Er wollte unbedingt Leipzig kennen lernen und vom Leben in der DDR wissen. Beeindruckt war ich vor allem auch, dass er von seinem Arbeitstag erzählte, von seinen politischen und gewerkschaftlichen Tätigkeiten oder vom Austausch zwischen westdeutschen und ausländischen Schülern. Zu diesem Onkel, einen entfernten Cousin meines Vaters hatten dann meine Eltern, Brüder und ich bis zu seinem Tod vor ca. zehn Jahren regelmäßig Kontakt.

Des Weiteren begann ich mich in dieser Zeit auch mehr für die zweimal im Jahr stattfindende Leipziger Messe zu interessieren. Eigentlich musste man einen Personalausweis vorlegen, wollte man die Messe (heute „Alte Messe“) besuchen. Als Dreizehnjähriger hatte ich natürlich keinen Ausweis, den gab es erst ab 14, und Taschengeld hatte ich stets zu wenig. So entschlossen sich einer meiner Brüder und ich die Messe „schwarz“ zu besuchen. Eine Zaunlücke wurde schnell gefunden und schon waren wir drin. Das war schon eine fantastische Welt, Aussteller aus allen Herren Länder. Besonders Auto- und Motorradhersteller konnten sich kaum den Andrang der Besucher erwehren. Aber ich kann mich auch noch erinnern, dass Brasilien das Publikum mit heißen Samba-Tänzerinnen erfreute. Krönender Abschluss eines Messebesuchs waren die „Trophäen“, bestehend aus Prospekten, Kulis oder anderen Werbematerial. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ein Holländer uns mit Füllfederhaltern beschenkte. Später, als Student in den 80-er Jahren, arbeitete ich mehrmals als Küchenhilfe im Restaurant eines großen Unternehmens. Als Franz Joseph Strauß mit diesem Unternehmen Geschäfte abschloss, hatte ich plötzlich und unerwartet frei. Da musste wohl jemand anderes Brot, Käse und Wurst schneiden …

1976 fuhren wir mit der Klasse nach Ostberlin. Für mich war es der erste Aufenthalt in der DDR-Hauptstadt. Unter anderen besichtigten wir den Fernsehturm, den Palast der Republik und das Brandenburger Tor. Aber besondere Emotionen hat das Besichtigen der Mauer bei mir nicht ausgelöst, sie stand halt da und das Brimborium der Wachablösung fand ich albern. Allerdings muss ich gestehen, dass ich Berlin erst nach dem Fall der Mauer richtig kennen gelernt habe, da ein Teil meiner Bekannten 1983/84 ein Berlin-Verbot ausgesprochen bekamen.

Im Frühjahr 1979, ich war achtzehn Jahre alt, schaffte ich es erstmalig die DDR zu verlassen. Gut, nicht für immer und es war auch nicht der „goldene“ Westen, es war nur das Nachbarland - die Tschechoslowakei. Ein paar Kumpels und ich besuchten Prag, wir schauten uns die wunderschöne Altstadt an und besuchten das U Fléku, eine von DDR-Bürgern „okkupierte“ Schwarzbierkneipe – damals ein „Muss“ für einen Prag-Touristen. Doch meine Reiselust wurde bald gebremst, ich musste im November 1979 zur Armee.

Wehrdienst an der innerdeutschen Grenze

Für 18 Monate wurde ich als Wehrpflichtiger zu den Grenztruppen der DDR eingezogen. Im Gegensatz zum Bundesgrenzschutz oder den Grenzpolizeien der Bundesländer waren die Grenztruppen eine Armee. Mit der Aufrüstung ihrer Grenztruppen umging die DDR Auflagen, die ihre Heerstärke einschränkten und so wurden Ende der 70-er / Anfang der 80-er Jahre viele Wehrpflichtigen zu den Grenztruppen gezogen. Ob sie wollten oder nicht, das stand nicht zur Debatte – die Alternative hieß Knast, vor allem wenn man keinen christlichen Hintergrund hatte. Ich selber stand ca. 9 Monate an der innerdeutschen Grenze bei Coburg, vorher waren 6 Monate Ausbildung, 1,5 Monate stationierte man mich an der tschechischen Grenze in Johanngeorgenstadt, der Rest (ca. 6 Wochen) war „Bau“.

Während meiner Zeit dort gab es keine versuchten oder vollendeten Grenzüberschreitungen. Da hatte ich Glück gehabt. Aber mehrere Dinge habe ich dort gelernt. Einerseits konnte ich praktisch am eigenen Leib die Brutalität des Regimes erleben. Die Offiziere waren Überzeugungstäter, Technokraten und vor allem rücksichtslose Karrieristen, denen die Würde eines Soldaten oder das Leben eines Flüchtigen nichts galten. Wer dort nicht zum Antikommunisten wurde, dem war nicht mehr zu helfen.

Andererseits habe ich auch die schöne fränkische Landschaft vom Beobachtungsturm (BT 11) betrachten können. Sonntags kamen oft Reisebusse zu Anfahrtsstellen, deswegen waren Dienste an so einer Anfahrtsstelle sehr beliebt. Das lag vor allem daran, dass bei schönem Wetter sich (nicht selten) junge Damen entkleideten, um sich zu sonnen oder einfach den armen Soldaten ihren Alltag zu verschönen. Weniger gern gesehene Besucher waren der Zoll (ein VW-Bus) und die bayrische Grenzpolizei, letztere fuhren im alten VW-Käfer mit dem leicht zu merkenden Kennzeichen CO 7799 herum. Seltener sah man den Bundesgrenzschutz oder die US-Army. Die Amerikaner mochten wir, sie waren meist schlampig angezogen und rauchten für jeden sichtbar ihre Joints. Wir zeigten ihnen dann unsere Bandmaße (wenn sie kurz genug waren). Bereitwillig zeigten uns die Amerikaner ihre Dienstränge oder die Kennzeichen ihrer Fahrzeuge. Und wir taten dies auch.
(Außer du hattest so ne rote Pfeife neben Dir – die Wahrscheinlichkeit lag bei 1:5)

Fazit: Man ist mit ein paar seelischen Schrammen davon gekommen. Vielleicht half mir das Befolgen des Slogans: „Wo viel Lärm und Licht, da ist der Grenzverletzer nicht.“ Mit der Bevölkerung im Grenzgebiet sind wir gut ausgekommen, nur während der Zugfahrten nach Hause hörte man ab und zu abfällige Bemerkungen, wie "grüne SS" oder "Mörder". Aber da ich in den anderthalb Jahren eh nur fünfmal zu Hause war, kann man dies inzwischen abhaken.

Meine Reisen in den 80-er Jahren

Im Sommer 1982 entschlossen sich ein Kumpel und ich nach Bulgarien zu trampen. Wir schafften das auch innerhalb von 16 Tagen, wobei wir etwas geschummelt haben und einen Teil der Strecke mit dem Zug oder einem Bus gefahren sind. Das erste Malheur passierte in Bad Elster an der Grenze zur CSSR. Ich musste meine Kraxe auspacken, es war ziemlich peinlich, als meine Klamotten, das Waschzeug und der Schlafsack im Zugabteil herumlagen. Ganz anders der ungarische Zoll, die kontrollierten gar nicht und gaben freundliche Tipps für einen Budapestaufenthalt. Dagegen waren die Rumänen wieder ganz eifrig, sie streiften mehrmals durch den Zug und machten Stichproben bei verschiedenen Leuten. Am schlimmsten war aber, dass ein Infektionsmittel durch das Fenster geschüttet wurde, es brannte ganz schön heftig auf der Kopfhaut. Seitdem schloss ich immer die Fenster an rumänischen Grenzbahnhöfen.

Während unseres Aufenthaltes in Szentendre bei Budapest lernten wir Jugendliche aus Bochum, eine Familie aus den Niederlanden und zwei junge Frauen aus Bad Münstereifel kennen. Haben uns alle prächtig verstanden, wir zogen tagsüber in Budapest herum und führten abends bei einem Glas Wein interessante Gespräche zum Thema Ost/West.

Bis 1989 unternahm ich mit meiner Clique jedes Jahr eine weitere Reise in den vier zu bereisenden Ländern CSSR, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Polen konnte/sollte aufgrund der Ereignisse um die Solidarnosc nicht mehr bereist werden, eine Reise in die Sowjetunion war nur über Reisebüro oder Jugendtourist möglich. 1983 lernten wir auf dem Campingplatz junge Menschen aus Esslingen, aus Kopenhagen und aus Belgien kennen. Ein Kumpel verliebte sich in eine der Belgierinnen. Es war eine Tragödie, Rotz und Wasser wurde geheult, als ihr Zug von Budapest in Richtung Wien abfuhr. Wochenlang hing mein Kumpel damals in den Seilen. 1990 trafen sich die beiden wieder, ihre Liebe flammte für kurze Zeit noch einmal auf, dann war Schluss für immer. 1984 blieb ich als Einziger in Györ hängen, Grund waren zwei Ungarinnen, die dem Begriff Völkerfreundschaft eine etwas andere Note verliehen. Ich wusste aber, dass ich meine Leute auf irgendeinen Budapester Bahnhof wieder treffe. Der Deli pu. (Südbahnhof) galt als das Penner-Hilton und dort traf ich sie alle wieder.

Nun noch ein paar Worte zum Trampen. In Ungarn klappte das damals gut. Die Leute waren freundlich, oft luden sie einen noch zum Kaffee oder auf ein Eis ein. In Rumänien klappte das auch, allerdings wollten die Fahrer dafür Kaffee oder Pfeffer haben. Kaffee und Pfeffer hatten wir immer ausreichend mit, damit konnte man handeln und letztlich fast alle Türe öffnen. Aufgrund des offiziellen Umtauschkurses der DDR-Mark zum rumänischen Lei von etwa 1:2,5 wäre ein Rumänienaufenthalt teuer geworden, Dank unserer Gewinne aus dem Kaffeehandel konnten wir unsere Rumänienreisen (von einzelnen Diebstählen abgesehen) preiswert gestalten. Einmal sind wir auf der Ladefläche eines Betonlasters mitgefahren, da hatten wir danach eine Weile zu tun, uns von Kopf bis Fuß zu säubern. Ein anderes Mal fuhren wir in einem Kofferwagen mit, durch den eine lecke Leitung verlief. Als wir ausstiegen, mussten wir erst einmal alle erbrechen.

Ich möchte nun aber nicht alle Erlebnisse aufzählen, sondern noch einiges zu den Ländern schreiben. In der CSSR war es eigentlich so wie in der DDR. In Ungarn fiel der große Unterschied zwischen Budapest, den Balaton und den Rest auf. Budapest kam uns schon wie das Paradies auf Erden vor. Oft stöberten wir in Plattenläden, kauften LP’s von den „Rolling Stones“, „Led Zeppelin“, „AC/DC“, „Pink Floyd“ oder von Udo Lindenberg. Und wer noch Geld übrig hatte, deckte sich mit Pullovern oder Jeans noch ein. Nicht zu vergessen: Meine erste Coca-Cola trank ich in Budapest und man mag schmunzeln, ich nahm mir sogar eine Flasche Coca-Cola nach Hause mit. Bis 1988 hatte ich auch immer genügend Forints, man brauchte nur genügend Zollerklärungen und die musste man sich halt irgendwie „besorgen“. Prekär wurde es für uns, als die ungarischen Banken Computer besaßen. Praktisch war dies das „Aus“ für einen längeren Ungarnaufenthalt.

Nun noch ein paar Zeilen zu Rumänien. Ein armes, ausgemergeltes Land, das von einem größenwahnsinnigen Diktator beherrscht wurde. Es gab praktisch nichts, die Leute mussten schon früh um einen Liter Milch oder ein Stück Weißbrot kämpfen. Eine Tomatenhändlerin aus Brasov war zumindest in Leipzig und Dresden bekannt dafür, dass sie preisgünstige Platzkarten für die Rückfahrt besorgen konnte. Der verscherbelten wir Antibabypillen, Damenstrumpfhosen, Deospray usw., sie sorgte dann für Fahrkarten, frisches Obst u.a. In den Städten zogen oft Kinderbanden herum, ebenso war Vorsicht vor Zigeunern geboten. Ein befreundetes Pärchen ließ in Bukarest einige Minuten ihre Ausrüstung unbeobachtet, sie sahen sie nie wieder.

Aber die meiste Zeit waren wir im Gebirge. Die Touren waren sehr anstrengend, aber die wunderschöne Landschaft des Fagaras-, des Rodna- oder des Retezat-Gebirges entschädigten uns für viele Unannehmlichkeiten. 1988 fuhren wir per Schiff von Iasi nach Tulcea auf der Donau direkt an der rumänisch-sowjetischen Grenze entlang. Diese Grenze war ähnlich abgesichert wie die innerdeutsche Grenze, sie erschien uns als unpassierbar.

Ich kann mich auch noch an einen behinderten Jungen aus Constanta erinnern, der sich mit einem „Rolli“ (vergleichbar mit dem, den Möbelträger, Gemüsehändler usw. nutzen) fortbewegte. Er lungerte vor einer Pizzeria herum und wartete, dass die Leute ihm ihre Essensreste überließen. Als ich im Betrieb dieses und ähnliche Erlebnisse publik machte, wurde ich als Unruhestifter, Spinner, Nestbeschmutzer usw. beschimpft. 1988 hing ich einen öffentlichen Protestbrief gegen die Verleihung des Karl-Marx-Ordens an Nicola Ceaucescu aus. Er blieb nicht lange hängen und ich musste mich als Ingenieur ein paar Wochen in der Produktion bewähren. Mein dortiger Chef stammte aber aus Siebenbürgen, er hielt mehr oder weniger seine schützende Hand über mich.

Zu Bulgarien fällt mir momentan nur ein, dass in diesem Staat der Abstieg in den 80-er rasant erfolgte. Zum ersten Mal war ich dort 1982, die Leute waren freundlich und die Versorgung empfand ich als gut. Das Trampen klappte gut, notfalls reiste man mit dem Pferdewagen. Allerdings Mädels konnten nur in männlicher Begleitung trampen, DDR-Frauen wurden in Bulgarien häufig als sexuelles Freiwild betrachtet. 1985 waren wir im südbulgarischen Achtopol am Schwarzen Meer – mehr oder weniger mussten wir dort länger verweilen, da der Großteil der Truppe an einer Magen-Darm-Infektion litt. Verschont blieben ein Kumpel und ich, die sich zwei Esel „borgten“, um dann in den Süden zu reiten. Weit kamen wir nicht, einerseits wollten die Esel nicht so richtig, andererseits fielen wir einer Zivilstreife auf, die uns etwas unfreundlich mitteilten, dass wir uns 12 km von der türkischen Grenze befänden und dort nichts zu suchen hätten. Als wir (die vier- und zweibeinigen Esel) wieder brav in Achtopol ankamen, wurden unsere unfreiwilligen Begleiter auch wieder freundlicher. Bereits im Sommer 1989 war Bulgarien ein anderes Land. Wir empfanden die Menschen als mürrisch, zum Teil als aggressiv und die Versorgung war spürbar schlechter geworden. Ob dies alles mit innenpolitischen Problemen, z.B. den seit 1985 erfolgten Exodus einer türkischen Minderheit, zusammenhängt, weiß ich nicht.

Fazit: So einige Länder habe ich noch vor dem Mauerfall als Tourist kennen und deren Menschen schätzen gelernt. Als ich im Sommer 1989 ein paar Tage in Budapest weilte, überlegte ich schon, mich in einem Auffanglager zu melden, aber deren Überfüllung bzw. deren hygienischen Zustände schreckten mich ab. Als die Ungarn dann im September 1989 die ungarisch-österreichische Grenze öffneten, ahnte ich, dass die letzten Tage des Honeckerregimes eingeläutet wurden.

Die Wende

Am 9. November 1989 fiel die Mauer und am Sonntag, den 12. November betrat ich nach einer fünfstündigen Fahrt im voll gestopften Zug erstmalig den Berliner Westen mit 15 DM im Portemonnaie. Ich stieg ca. 7 Uhr auf dem Bahnhof Zoologischer Garten aus und mein erster Gedanke war, hier sieht es aus, wie bei „Christiane F.“ (einer Drogensüchtigen, deren Schicksal in „Die Kinder vom Bahnhof Zoo“ verfilmt wurde). Auf dem Bahnhofsgelände waren die Spuren einer durchfeierten Nacht zu erkennen, überall Bierpfützen, Erbrochenes und jede Menge „Schnapsleichen“. Ich musste mal dringend pinkeln und wollte deswegen die öffentliche Toilette aufsuchen. Die Toilettenfrau wollte 50 Pfennig, aber nachdem ich ihr meine 50 Pfennig (also die Alu-Chips) gab, fing sie laut zu lamentieren an. Schließlich beendete sie rigoros die Diskussion mit der Bemerkung, ich könnte ja vor dem Bahnhof mein Geschäft erledigen. Aber draußen standen Tausende von Menschen und nun entschied ich mich doch zurück zur öffentlichen Toilette zurück zu kehren. Die gute Frau hat inzwischen kapituliert, Alu-Chips zahlende oder gar nicht zahlende Völkerstämme strömten in ihre Toilette.

Dann war es eigentlich nur noch peinlich. Beim Anstehen nach dem Begrüßungsgeld kam es oft zu Tumulten. Mehrmals forderten die Bankangestellten die Leute auf, nicht zu drängeln und sich diszipliniert in die Schlange einzureihen. Erst die Drohung, die Bankfiliale zu schließen, führte zur Vernunft der Leute. Ebenso peinlich war es, dass vor der Gedächtniskirche Händler mit ihren LKW’s auffuhren und von der Ladefläche Kaffee, Schokolade, Orangen und Bananen um sich warfen und sich belustigten über die danach gierenden Ostdeutschen. Ich muss sagen, ich war in meinen Leben nur 5 Wochen stolz, DDR-Bürger zu sein. Besonders am 7. und 9. Oktober 1989 in Leipzig, am 7. revoltierten wir in Leipzig, die Bullen jagten uns durch die Stadt und setzten Wasserwerfer gegen uns ein und was am 9. Oktober in Leipzig geschah, weiß ja die ganze Welt. Damals, als wir 70.000 Menschen das Ende der DDR einleiteten, war ich stolz auf meine Landsleute. Das war dann in Westberlin für immer vorbei.

Ich streunte dann durch Westberlin. Abends geriet ich in eine Demonstration der Hausbesetzerszene. Habe mich da mit einem jungen Mann eine Weile unterhalten. Als ich mich verabschiedete, meinte er nur, dass wir von „Bullen“ umzingelt waren. So war es auch. Die kommenden Wochenenden besuchte ich neben Berlin hauptsächlich bayrische Städte, ehe ich mich zu Ostern 1990 zu einer Reise nach Wien entschloss. Das war schon ein einmaliges Erlebnis. Geschlafen habe ich dort auf einer Parkbank in der Nähe des Rathauses, es war zwar hundekalt, aber eigentlich war mir das egal. Und da diese Reise so gut geklappt hatte, unternahm ich zu Pfingsten 1990 eine Reise nach Italien, wo ich mir Florenz, Bologna und Verona anschaute. An diese Reise erinnere ich mich heute immer noch so, als ob ich erst letzte Woche dort war.


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - dieter - 20.06.2012 13:40

(19.06.2012 22:47)Sansavoir schrieb:  Die Wende
Dann war es eigentlich nur noch peinlich. Beim Anstehen nach dem Begrüßungsgeld kam es oft zu Tumulten. Mehrmals forderten die Bankangestellten die Leute auf, nicht zu drängeln und sich diszipliniert in die Schlange einzureihen. Erst die Drohung, die Bankfiliale zu schließen, führte zur Vernunft der Leute. Ebenso peinlich war es, dass vor der Gedächtniskirche Händler mit ihren LKW’s auffuhren und von der Ladefläche Kaffee, Schokolade, Orangen und Bananen um sich warfen und sich belustigten über die danach gierenden Ostdeutschen. Ich muss sagen, ich war in meinen Leben nur 5 Wochen stolz, DDR-Bürger zu sein. Besonders am 7. und 9. Oktober 1989 in Leipzig, am 7. revoltierten wir in Leipzig, die Bullen jagten uns durch die Stadt und setzten Wasserwerfer gegen uns ein und was am 9. Oktober in Leipzig geschah, weiß ja die ganze Welt. Damals, als wir 70.000 Menschen das Ende der DDR einleiteten, war ich stolz auf meine Landsleute. Das war dann in Westberlin für immer vorbei.
Lieber Sansavoir,
auf den 9.Oktober 1989 in Leipzig könnt Ihr stolz sein. Ich hatte eine Tante in Leipzig, die ist inzwischen verstorben, der Sohn war beim Rundfunk in Leipzig und ist inzwischen Rentner. Er war in der SED und probte ein Jahr zu früh den Aufstand. Er wollte nicht mehr wählen gehen, wenn das Dach seines Mietshauses nicht repariert wird. Sie haben ihn dann zur Strafe überall in der DDR rumgeschickt und er mußte dort aushelfen. Er war Techniker und ist dann bei der Wende aus der SED ausgetreten.Rolleyes


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - Sansavoir - 22.06.2012 21:16

Ja, auf dem 9. Oktober 1989 sind wir in Leipzig stolz. Seit ein paar Jahren finden in der Nikolaikirche und auf dem Augustusplatz Gedenkfeiern statt. Man darf gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn sich die verantwortlichen SED-Leute zur chinesischen Variante entschieden hätten.


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - dieter - 23.06.2012 09:29

(22.06.2012 21:16)Sansavoir schrieb:  Ja, auf dem 9. Oktober 1989 sind wir in Leipzig stolz. Seit ein paar Jahren finden in der Nikolaikirche und auf dem Augustusplatz Gedenkfeiern statt. Man darf gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn sich die verantwortlichen SED-Leute zur chinesischen Variante entschieden hätten.
Lieber Sansavoir,
dann haben die SED-leute mal was Gutes gemacht oder haben sie nur deshalb nicht eingegriffen, weil Gorbi seine Armee in den Kasernen ließ?Huh
Ich war und bin teilweise verwundert, dass die Nachfolgepartei der SED bei Wahlen im Osten immer noch soviel Stimmen bekommt. Während meiner Kontakte zur DDR bis zur Wende habe ich meine Verwandten nur auf das Systenm schimpfen hören, selbst der SED-Mann hat mitgeschimpft.Huh


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - 913Chris - 23.06.2012 09:53

(23.06.2012 09:29)dieter schrieb:  Ich war und bin teilweise verwundert, dass die Nachfolgepartei der SED bei Wahlen im Osten immer noch soviel Stimmen bekommt. Während meiner Kontakte zur DDR bis zur Wende habe ich meine Verwandten nur auf das Systenm schimpfen hören, selbst der SED-Mann hat mitgeschimpft.Huh

Die "Mitläufer" in der SED (die eigentlich keine Sozialisten waren) und die "Marxisten" in der SED (die der Meinung waren, die SED verfälsche den Marxismus) waren in der Vor-Wende-SED mit dabei und schimpften natürlich gegen die SED (nicht unbedingt gegen die DDR an sich!).

Nach der Wende wandelte sich die SED. 1989/1990 gab´s zwar eine Austrittwelle aus der SED, aber viele DDR-Bürger sind erst jetzt in die SED EINgetreten, weil sie hofften, jetzt endlich mal den "wahren" Sozialismus umsetzen zu können, auf demokratischem Weg und in einer weiter bestehenden DDR.
Als die DDR in die BRD "eingemeindet" wurde, blieben diese Leute und machten die Wandlung über die PDS zur Linken meist mit.
Überdies hat sich die PDS im Osten als Volkspartei profiliert und auch legitimiert. Da sind sehr viele Leute dabei, die zum "Realo-Block" innerhalb der Linken gezählt werden und die auch relativ vernünftige Politik machen. Viele kennen ihre Wähler noch als SED-Politiker.

Wenn sich die Leute von diesen Politikern vertreten fühlen (was sie offensichtlich tun), warum sollten sie die nicht wählen?
Ich seh das irgendwie parallel zur CSU in Bayern. Auch hier haben wir eine Partei, die das ein oder andere Mal übers Ziel hinausschießt und wegen jahrzehntelanger Vorherrschaft auch gewisse Seilschaften ausgebildet hat. Aber sie bekommt immer viele Stimmen. Weil die Leute es gewohnt sind, sie zu wählen, weil sie auch mit der CSU-Politik einverstanden sind, weil die lokalen CSU-Politiker mitunter vernünftige Politik machen, gern auch mal gegen den Mainstream in der Partei.

Regionale Volksparteien scheinen diese Gemeinsamkeiten alle zu haben.

VG
Christian


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - dieter - 24.06.2012 09:42

(23.06.2012 09:53)913Chris schrieb:  
(23.06.2012 09:29)dieter schrieb:  Ich war und bin teilweise verwundert, dass die Nachfolgepartei der SED bei Wahlen im Osten immer noch soviel Stimmen bekommt. Während meiner Kontakte zur DDR bis zur Wende habe ich meine Verwandten nur auf das Systenm schimpfen hören, selbst der SED-Mann hat mitgeschimpft.Huh

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Wenn sich die Leute von diesen Politikern vertreten fühlen (was sie offensichtlich tun), warum sollten sie die nicht wählen?
Ich seh das irgendwie parallel zur CSU in Bayern. Auch hier haben wir eine Partei, die das ein oder andere Mal übers Ziel hinausschießt und wegen jahrzehntelanger Vorherrschaft auch gewisse Seilschaften ausgebildet hat. Aber sie bekommt immer viele Stimmen. Weil die Leute es gewohnt sind, sie zu wählen, weil sie auch mit der CSU-Politik einverstanden sind, weil die lokalen CSU-Politiker mitunter vernünftige Politik machen, gern auch mal gegen den Mainstream in der Partei.
Regionale Volksparteien scheinen diese Gemeinsamkeiten alle zu haben.
VG
Christian

Lieber Christian,
toll wie Du die Verbindung zwischen CSU und PDS hergestellt hast. Du hast recht, die haben Gemeinsamkeiten, sie sprechen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe an, die Einen die katholischen Bayern, seltsamerweise kommt im ev. Nürnberg die CSU meistens nicht als stärkste Partei durch, die Anderen die Kommunisten aus der ehemaligen DDR.Wink Ich hoffe, dass sich beide irgenwann einmal überleben.Rolleyes


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - krasnaja - 26.06.2012 18:28

(16.06.2012 11:16)zaphodB. schrieb:  Na,ja, mein erster direkter Eindruck war die obligatorische Berlin-Klassenfahrt in den siebzigern.
Da erlebte man einen ungeheuren Popanz von Grenzapparat, den man so aus Westeuropa nicht (mehr) kannte. Das ganze Brimborium,daß bei der Durchreise von den Grenzorganen des Arbeiter- und Mauernstaates abgezogen wurde, entlarvte diesen Staat als wenig souverän bis lächerlich.
Ich erinner mich ,daß die damals beim Transit nach Berlin unseren Bus gefilzt hatten (während zwei Klassen Oberstufenschüler gröhlend drum rum standen) nur um dann drei Playboyhefte zu beschlagnahmen.

Und ich erinner mich bei unserem Ausflug nach Ostberlin,daß wir das Eintrittsgeld (Zwangsumtausch) von 5,- Ostmark nicht los wurden,weil es schlicht,außer sehr billigem Bier an einem Stand auf dem Alex, nichts gab,für was man es hätte ausgeben können und wollen.-
Ostberlin war damals sehr verkehrsarm,weil es gab kaum Autos und im wesentlichen grau und düster.

Was ich schlimm fand war der Grenzstreifen mit den Mauern, Minen, Selbstschussanlagen ,Wachtürmen.
So war bei uns nicht mal ein Knast abgesichert. Und man fragte sich schon wie erbärmlich ein Regime sein mußte,das sein Volk so einsperren mußte,damit es nicht davon lief. Der Eindruck verstärkte sich noch durch die hohlen Phrasen und Parolen, die die so absonderten und die in augenfälligem Gegensatz zur Realität standen.

Als ich nach unserer obligatorischen Klassenfahrt Berlin 1960 die für das Reifezeugnis mitzuzählende Arbeit ablieferte, und eine ähnliche Deiner Schulderung gemachte Angaben schrieb (Selbstschussanlagen, Zwangsumtausuch, Popanz des Grenzappaates usw) erhielt ich eine Benotung von ungenügend, 5.
Begründung: Jargon der Bildzeitung in der "Frontstadt Berlin"
Im Umgang mit der DDR zeigte sich ein unbeschreiblicher Hochmut der Westdeutschen, eine unbeschreibliche Arroganz, die offensichtlich auch heute nach 20 jahren immer noch nicht abgebaut ist.

Wo hat jemals ein Westdeutsche Reisender eine Selbstschussanlage im Grenzzaun gesehen ? Wer so etwas schreibt, schreibt Quark.
Hat jemals ein Westdeutscher Reisender Minen im Grenzgebiet gesehen ?
Wenn Zaphod das schreibt, dann schreibt er Quark.

Zu kaufen soll es in Ostberlin nichts gegeben haben ? Quark, es gab in Ostberlin sehr viel: Buchklassiker, Tonträger klassischer Musik, Volkskunst aus den RGW-Staaten.
Mindestumtausch: doch nur, um das Preisgefälle zur DM etwas auszugleichen: wo konnte in Westberlin für 1,70 bis 3,00 Mark gegesen werden ?

Bei unserer Klassenreise arrantierte unser Lehrer eine Kabarett-Vorstellung in der Distel an der Friedrichstraße und eine Theatervorstellung im Maxi-Gorki-Theater ( statt Nachtasyl wie angekündigt, gab es die Lysistrata von Aristophanes, spätere Diskussionen mit unseren Damen nachhaltig)

In den rd. 29 Jahren später bin ich 200 x in Ostberlin gewesen, als Westdeutscher war mir der Weg außerhalb Berlins versperrt.

Westberlin war mir immer zu reißerisch, zu aufgemotzt, zu aufgeblasen.
Ich sah in Ostberlin eigentlich immer nur das eigentliche Berlin, auch wenn es provokant als Hauptstadt der DDR bezeichnet wurde.

Welche architektonische Pracht, wenn ich die Champs Ellysee in Paris bewundere, dann doch auch die Linden in Berlin, kleiner, aber nicht minder feiner, die Museums-Insel:
Gab es etwas vergleichbares in Westberlin - gut die hatten die Dahlemer Gemädegalerie mit Rembrands Mann mit dem Goldhelm und später im Ägyptischen Museum gegenüber dem Charlottenburger Schloss die Norfretete.
In Ostberlin das Bodemuseum mit seiner Sammlung ägyptischer Altertümer, das Vorderasiatische Museum mit dem Pergamon-Alter, dem Markttor von Milet, dem Ischtar-Tor aus Babylon uvm, Das alte Museum mit der Gemädegalerie.
Schon alleine für diese Museen lohnte sich eine Reise nach Berlin

2 persönliche Erlebnisse: 1964 mit dem Fahrrad von Hamburg nach Berlin auf der B 5, Rückenwind, goßer Gang 52 : 14 durchgetreten, Rast in Quitzow, dem "Westgasthof" als es die BAB nach Berlin noch nicht gab. Lehne eine Einladung zu einem Bier ab, damit die Beine nicht schwer werden. Mehrfacher Regen, Bei Wusterhausen habe ich keine Lust mehr, Frage am dortigen Bahnhof nach einer Fahrkarte nach Berlin, von dort kein Zugverkehr nur Bussverkehr zum Bahnhof nach Neustadt an der Dosse, habe kein Ostgeld, "dann holen sie die VP" damit ich wechseln kann. Bekommt Busskarte Bahnkarte geschenkt, verlasse widrig die Transitstrecke, in Neustadt steht schon der Zug, über Paulinaue nach Nauen, mein Rad wird bewundert, Champagnolo-Schaltung, Tretlager und Naben. Umsteigen in Nauen, Zug ist gerammelt voll. warum soll ich auffallen, Austeigen in Falkensee, erreiche die B 5 kurz in Dallgow, 10 km bis Staaken, 1 km hinter der Grenze kontrolliert die Westberliner Polizei die mitlerweise ausgefallene Beleuchtung meines Rades: Strafzettel.

1984, Rückfahrt aus der CSSR (Hintergrund: Vorbereitungen § 213 STGB DDR ) scon BAB , defekter Citroen an der Seite, mit Familie, Fahrer stellt sich als Direktor des o.. ägyptischen Museums in Westberlin raus.
Nehme den Wagen auf den Hacken und ziehe ihn, oftmals überholt und flankiert von Vopo-Krädern und PKW bis zur Grenze nach Gudow.
Sicher unzulässig aber geduldet.
Als ich durch die Kontrolle mit meinem Anhängsel fahre, meinen Pass schon zurück rufe ich dem Major zu: Da kommt noch einer hinter mir, den habe ich im Schlepp. Antwort: das wissen wir.

Hat man sich in der DDR korrekt verhalten, wurde man auch korrekt behandelt.


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - Viriathus - 26.06.2012 19:31

(26.06.2012 18:28)krasnaja schrieb:  Hat man sich in der DDR korrekt verhalten, wurde man auch korrekt behandelt.
Als Tourist vielleicht, ein Eingesperrter wird das wohl anders gesehen haben.


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - Butterfly - 26.06.2012 20:57

Kurze Intervention[on].

Krasnaja, schön, dass du zu uns gefunden hast.
Das meine ich ganz ehrlich.

Aber.

Du hast von Beginn an - im anderen Forum- polarisiert.
Zum einen Teil warst du gut, zum anderen Teil lagst du völlig daneben und bist aus der Rolle gefallen.
Eines möchte ich dir aber jetzt schon mitteilen.
Wir sind zwar tolerant und weltoffen, aber nicht so tolerant wie die Redakteure und Moderatoren in jenem Forum.

Das heißt ganz einfach: Du bist herzlich willkommen, sollst hier mitdiskutieren und deine Meinung äußern, aber halte dich bei bestimmten Dingen etwas zurück. Verhalte dich bitte etwas diplomatischer als im letzten Forum.

Das ist eine ganz klare Ansage.
Bei Verstößen würdest du wie ein automatisch generierter User behandelt werden.

Intervention [off]


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - krasnaja - 27.06.2012 10:47

(26.06.2012 20:57)Butterfly schrieb:  Kurze Intervention[on].

Krasnaja, schön, dass du zu uns gefunden hast.
Das meine ich ganz ehrlich.

Aber.

Du hast von Beginn an - im anderen Forum- polarisiert.
Zum einen Teil warst du gut, zum anderen Teil lagst du völlig daneben und bist aus der Rolle gefallen.
Eines möchte ich dir aber jetzt schon mitteilen.
Wir sind zwar tolerant und weltoffen, aber nicht so tolerant wie die Redakteure und Moderatoren in jenem Forum.

Das heißt ganz einfach: Du bist herzlich willkommen, sollst hier mitdiskutieren und deine Meinung äußern, aber halte dich bei bestimmten Dingen etwas zurück. Verhalte dich bitte etwas diplomatischer als im letzten Forum.

Das ist eine ganz klare Ansage.
Bei Verstößen würdest du wie ein automatisch generierter User behandelt werden.

Intervention [off]

Danke für die Replik.
Dass ich polarisiert habe, das stimmt, weil ich Tatsachen differenzierter auch anders werte, als andere Polarisierende, die nur eine einzige Sicht zulassen, die dann oft eine populistische ist.
Ich habe meine Polarisierung immer begründet.
(Beispiel der Beitrag von Zaphod: er hat ja Recht, es gab Selbstschussanlagen, und Minen, wenn er aber seine Schilderung als Klassenreise macht, dann kann er so etwas nicht gesehen haben.
Auch wer Antikommunist ist, gegen den ich nichts habe, muss sachlich bleiben)

Die Umstände, wie dieser Staat DDR sich führte, sind absolut zu verdammen, und seine Rechtfertigungsversuche unwürdig. , ich selber habe einen "persönlichen Kleinkrieg" gegen diesen Staat geführt, (§ 213), bin nach Sichtung meiner Unterlagen der Gauck-Behörde mehrfach, wissentlich und unwissentlich mit der Staatsicherheit in Berührung gekommen. Weiteres verkneife ich mir soweit, als das mir hier vom Verfassungsschutz vom Besuch der DDR abgeraten wurde.

Die Existenz dieses Staates muss aber im Kontext der Entwicklungen nach 1945 gesehen werden, und daran ist der Westen nicht ganz schuldlos.

Für einige mag meine Meinung ein Sakrileg sein, dass der Kalte Krieg ursächlich vom Westen angeschoben wurde, in seinen Grundzügen bereits vor 1945.
Ich hoffe nicht, dass Du so etwas als "aus der Rolle fallen" wertest, denn aus der Rolle bin ich nie gefallen, dennoch scharf in der Zurückweisung von Meinungen (aus dem deutschen Sprachraum) , die nationalistisches Gedankengut insinuieren wollten.

Ich habe das Vorforum immer für ein gutes gehalten, teilsweise aber tendenziös und selbstherrlich moderiert.
(ich schicke Ihnen eine PN)

Gruß


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - krasnaja - 27.06.2012 11:27

(26.06.2012 19:31)Viriathus schrieb:  
(26.06.2012 18:28)krasnaja schrieb:  Hat man sich in der DDR korrekt verhalten, wurde man auch korrekt behandelt.
Als Tourist vielleicht, ein Eingesperrter wird das wohl anders gesehen haben.

Sieh einmal, Eingesperrterist ein tendenziöser Begriff, das ist Bildzeitungsjargon.

Die Bürger in der DDR hatten Grenzen, wie auch die Bürger der BRD Grenzen hatten. Die Bürger der BRD konnten nach Westen überall hinreisen, nicht jedoch nach Osten, und die Bürger der DDR konnten (zwar nicht ganz) in den Osten reisen, nicht aber in den Westen.
Die Frage ist, sind die Bürger der DDR daran verzweifelt ? Die Antwort dürfte nein sein,

Beides ist zwar nicht ganz zu vergleichen, im Ansatz aber richtig.
Ich habe mich als Westdeutscher nie ausgegrenzt gefühlt,, wenn ich mich nur in Ostberlin aufhalten durfte und nicht den kurzen Spung nach Sansoussi machen durfte oder hier von Hamburg kurz mal nach Wismar oder Schwerin.
Wenn ich auf Transitfahrten auf der B 5 mich "irrtümlich" in Ludwigslust beim Schloss verfahren habe, dann habe ich ja die Transitstrecke nicht generell verlassen.

Zu sagen, dass die DDR ein Gefängnis war, ist populistisch, wie Gefangene haben sich die Bürger der DDR nicht gefühlt. Sicher hat es Tausende gegeben, die das aber anders sahen. Und es gab und gibt in der BRD ebenfalls Hunderttausende, die die so gefällige Mär vom Gefängnis DDR glaubten, Millionenfach gepredigt.
Sie waren gegängelt, schlimm genug, aber keine Gefangenen im Sinn eines Gefängnisses.
Beruflich habe ich in meinem direkten Umfeld viele Gespräche hierzu geführt.


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - Wallenstein - 27.06.2012 12:15

(27.06.2012 11:27)krasnaja schrieb:  
(26.06.2012 19:31)Viriathus schrieb:  Als Tourist vielleicht, ein Eingesperrter wird das wohl anders gesehen haben.
Zu sagen, dass die DDR ein Gefängnis war, ist populistisch, wie Gefangene haben sich die Bürger der DDR nicht gefühlt.
Also ich kann das aus den Worten von Viriathus absolut nicht nicht herauslesen.
Ich lese dort ganz klar - "ein Eingesperrter", und damit meint Viriathus mit hoher Wahrscheinlichkeit die politischen Gefangenen.


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - Viriathus - 27.06.2012 15:09

(27.06.2012 11:27)krasnaja schrieb:  Sieh einmal, Eingesperrterist ein tendenziöser Begriff, das ist Bildzeitungsjargon.
Natürlich ist das tendizös. Allerdings ist es ein Faktum, dass nicht jeder konnte wie er wollte. Im übrigen ist "Bildzeitungsjargon" nicht soviel besser.

(27.06.2012 11:27)krasnaja schrieb:  Die Bürger in der DDR hatten Grenzen, wie auch die Bürger der BRD Grenzen hatten. Die Bürger der BRD konnten nach Westen überall hinreisen, nicht jedoch nach Osten, und die Bürger der DDR konnten (zwar nicht ganz) in den Osten reisen, nicht aber in den Westen.
Die Frage ist, sind die Bürger der DDR daran verzweifelt ? Die Antwort dürfte nein sein,
Es ist aber in dieser Diskussion irrelevant ob daran verzweifelt wurde (würde die These wagen, dass dies vorgekommen sein dürfte). Es geht schlicht darum, dass keine Reisefreiheit bestand. Und zwar erheblich ausgeprägter als die der BRD-Bürger, die Du hier ins Spiel bringst. Ein Ausspielen beider gegeneinander finde ich hier auch nicht zielführend. Nicht die BRD war der Unrechtsstaat sondern die DDR. Das sollte konsens sein, danach kann man über Dinge sprechen, wie Du im Vorposting, was ich gut fand, angesprochen hast.

(27.06.2012 11:27)krasnaja schrieb:  Zu sagen, dass die DDR ein Gefängnis war, ist populistisch, wie Gefangene haben sich die Bürger der DDR nicht gefühlt. Sicher hat es Tausende gegeben, die das aber anders sahen. Und es gab und gibt in der BRD ebenfalls Hunderttausende, die die so gefällige Mär vom Gefängnis DDR glaubten, Millionenfach gepredigt.
Sie waren gegängelt, schlimm genug, aber keine Gefangenen im Sinn eines Gefängnisses.
Es ist nicht entscheident was das die meisten sahen, sondern dass es überhaupt in Teilen so gesehen wurde. Das reicht um von einem Gefühl des Eingesperrtseins zu sprechen. Diesen Leuten geschah massives Unrecht und einige starben weil sie "ausbrechen" wollten.
Wenn Du als westdeutscher Tourist (der Du immer geblieben bist, egal wie viel Du von Land und Leuten wusstest, denn Du KONNTEST, wann du wolltest zurück) aber hier negierst, dass die DDR ihren Bürgern zumindest manchen ein Gefängnis war, dann sprichst Du in meinen Augen den Opfern dieses Unrechtsstaates ihren Opferstatus ab. Das kann man aber so nicht stehen lassen.



Abgesehen davon, fände ich es gut weiter mit dir zu schreiben. Vielleicht versucht man nur ein bisschen wachsam zu sein, was andere zu manchen Themen fühlen.


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - krasnaja - 27.06.2012 15:47

ich denke, dass die DDR übertragen als Gefängnis empfunden wurde - ich will hier keine Nuancen hinein bringen - hängt entscheidend mit der Größe des Landes zusammen. 200 km in der Breite und 400 km in der Länge, da fährt man max, 5 STD mit dem Auto und ist dann an einer Grenze.

Dei Bürger in der SU, die ja letztlich auch "eingesperrt" waren, empfanden es nicht so, sie konnten letztlich in Ihrem Land "Mallorca und Paris" auf der Krim und in St. Petersburg nachempfinden und sicher noch einiges mehr. .

Ich will hier keinesfalle einen Ast FÜR die DDR brechen. ich will nur versuchen, eine etwas sachlichere Sicht zu finden, ohne die menschenverachtenden Dinge zu übersehen.

Warum gibt es diese sog. Ostalgie ? Kein Mensch kam 1945 auf die Idee, der Vergangenheit eine Träne nachzuweinen.

Die Ostalgie, weil es Teil des eigenen Lebens ist, das doch auch lebenswert war ?
Teil der eigenen Jugend ? Erinnerungen an den Geschmack der Spreewäder Gurken, lange Zeit von geschmacksneutralen Gurken westlicher Züchtung verdrängt.
Club Cola ? F 6, Kabinet usw.

Ich finde, wir aus dem Westen sollten diese Gedanken würdigen. Die DDR war der Staat der Sachsen, Thüringer und Brandenburger, der Ostberliner und der Mecklenburger, Anhalt nicht zu vergessen.
Die DDR mit der NS-Zeit gleichzusetzen, halte ich für daneben.

Nun, es war die Bildzeitung, die diesen Staat ständig verhöhnte, ständig diese DDR mit negativen Attributen belegte , entscheidend die Sicht der Bundesbürger auf die DDR prägte. In der Sprache dieser Zeitung damals zu reden, war opportun und sicherte Beifall.

Da aber die Frage lautet, wie denn der Eiserne Vorhang empfunden wurde, dann gehören dazu persönliche Erfahrungen. Wer als West-Tourist häufiger in Ostberlin war, sieht die DDR differenzierter als Jemand, der am andern Ende der BRD wohnt, und statt nach Berlin lieber nach München oder Salzburg fährt.
Für mich hatte die DDR immer etwas melancholisches, immer mit dem Gefühl behaftet, einen wunderschönen Teil Deutschlands durch eigenes Versagen verspielt zu haben. Damals bis 1989 war die DDR nicht mein Land, obwohl ich gerne in Ostberlin gewesen bin.
Und es hat min. 8 Jahre gedauert, dass ich auf der Fahrt nach Berlin nicht mehr auf der Autobahn von "der Grenze" sprach, die gleich kommt. Irgendwann war "die Grenze" emotional weg.


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - Marco - 27.06.2012 17:38

(27.06.2012 15:47)krasnaja schrieb:  Warum gibt es diese sog. Ostalgie ? Kein Mensch kam 1945 auf die Idee, der Vergangenheit eine Träne nachzuweinen.

Die Ostalgie, weil es Teil des eigenen Lebens ist, das doch auch lebenswert war ?


Ich finde, wir aus dem Westen sollten diese Gedanken würdigen. Die DDR war der Staat der Sachsen, Thüringer und Brandenburger, der Ostberliner und der Mecklenburger, Anhalt nicht zu vergessen.
Die DDR mit der NS-Zeit gleichzusetzen, halte ich für daneben.

Für mich hatte die DDR immer etwas melancholisches, immer mit dem Gefühl behaftet, einen wunderschönen Teil Deutschlands durch eigenes Versagen verspielt zu haben. Damals bis 1989 war die DDR nicht mein Land, obwohl ich gerne in Ostberlin gewesen bin.

Im G-Forum sind wir uns noch unter meinem damaligen Nick "trace-cgn" begegnet...

Zum Einstand hier werfen Sie berechtigte Fragen auf. Warum gibt es diese Ostalgie? Da muss man Psychologe sein, um richtig zu antworten, denn ihr zweiter Satz - dass man der Zeit vor 1945 keine Träne nachgeweint hätte - stimmt so nicht. Und das meine ich jetzt NICHT politisch. Ich habe oft Gesprächsrunden auf den Geburtstagen meiner Großeltern mitverfolgt bzw. manchmal eher mitverfolgen müssen. Da kamen zB die Flakhelfer zu sprechen und erzählten ihre kleinen "Abenteuer" und dann wurde nicht selten der Satz nachgeschoben, dass es doch irgendwie schön war. Genauso wurde auch die Zeit auf dem Dorf um 1944/45 beschrieben, wo es zumindest im Westen keinen großen Hunger gab, wo aber auch viel miteinander geteilt wurde. Die Frontsoldaten oder die Frauen die den Bombenkrieg mitgemacht haben hielten natürlich dagegen. Keiner wünscht sich die Erfahrungen von Stalingrad oder Dresden zurück. Es kommt sicher immer auf den individuellen Leidensdruck an, aber für jeden gilt, dass er das negative viel schneller ausblendet und sich ausschließlich an die (wenigen) schönen Augenblicke erinnert...

Meine wenigen Erinnerungen an die DDR (im März 1990) verbinden sich mit meinem ersten Eindruck damals: Warum stinkt es hier so? Das waren die Abgase der Trabbis, die Schornsteine, brennende Müllkippen, Fabriken die süß-säuerlichen Geruch verbreiteten...Ich hatte damals ein altmodisches, rückständiges Land erwartet, aber was ich dann sah war sehr verlottert, kaputt und baufällig. Ich kam da an einem Krankenhaus vorbei, wo ich froh war es nur von außen sehen zu müssen, Bahnübergänge wo man ungelogen fast 15 Minuten warten musste bis der Zug passierte.

Die DDR mit der NS-Zeit gleichsetzen tut keiner, aber zu behaupten, wer sich anständig verhielt wurde anständig behandelt verharmlost das System. Wer legte denn fest, was "anständig" war?


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - Viriathus - 27.06.2012 18:45

(27.06.2012 15:47)krasnaja schrieb:  Warum gibt es diese sog. Ostalgie ?
Eine gute Frage, die ich mir bereits oft gestellt habe. Denn objektiv gibt es in meinen Augen keinen Grund dafür.
Ich denke die Antwort liegt daran, dass für einige das Leben nach der Wende schwieriger wurde bzw. diese in finanziell angespanntere Verhältnisse gerieten. Aus deren heutiger Sicht erstrahlt das vergangene wohl heller als es dann am Ende war.
Von den Unverbesserlichen spreche ich hier nicht. Die gibt es auch, aber wohl nicht so ausgeprägt.

(27.06.2012 15:47)krasnaja schrieb:  Die Ostalgie, weil es Teil des eigenen Lebens ist, das doch auch lebenswert war ?
Teil der eigenen Jugend ? Erinnerungen an den Geschmack der Spreewäder Gurken, lange Zeit von geschmacksneutralen Gurken westlicher Züchtung verdrängt.
Club Cola ? F 6, Kabinet usw.
Selbst wenn Du in diesen Punkten recht hast, ist es meiner Meinung nach dennoch verfehlt von guten Seiten der DDR zu sprechen. Ein solches System hat derart schlimme Verbrechen begangen, dass es sich erübrigt positive Dinge zu nennen um das wieder aufzuwiegen.
Es ist für mich ok, diese Dinge, die Du sagst zu nennen und auch zu vertreten. Nicht ok ist es für mich wenn die klare Abgrenzung vom Staat DDR ausbleibt.

(27.06.2012 15:47)krasnaja schrieb:  Die DDR mit der NS-Zeit gleichzusetzen, halte ich für daneben.
Ich auch.
Man muss nicht alles immer vergleichen. Außerdem war das Dritte Reich in vielen Dingen beispiellos - glücklicherweise.

(27.06.2012 15:47)krasnaja schrieb:  Nun, es war die Bildzeitung, die diesen Staat ständig verhöhnte, ständig diese DDR mit negativen Attributen belegte , entscheidend die Sicht der Bundesbürger auf die DDR prägte. In der Sprache dieser Zeitung damals zu reden, war opportun und sicherte Beifall.
Möglich, allein ich kann für mich in Anspruch nehmen davon unbeeinflusst zu sein. Wieso also kommst Du zu deinem Vorwurf an mich?


(27.06.2012 15:47)krasnaja schrieb:  Und es hat min. 8 Jahre gedauert, dass ich auf der Fahrt nach Berlin nicht mehr auf der Autobahn von "der Grenze" sprach, die gleich kommt. Irgendwann war "die Grenze" emotional weg.
Da bist Du weiter, als viele heute. Zum Glück.


RE: Wie haben wir den eisernen Vorhang erlebt ? - Arkona - 27.06.2012 20:22

Warum gibt es die Ostalgie? Das ist einfach ein allgemeines psychologisches Phänomen. Man empfindet die Schule und den Wehrdienst allgemein als unangenehm und mit einem gewissen zeitlichen Abstand verklärt sich das Bild. Man behält die angenehmen Erinnerungen und verdrängt das negativ Erlebte. Die Leute, die bevorzugt Ostprodukte kaufen oder die Linkspartei wählen, wollen die DDR doch deshalb nicht wiederhaben. Erst recht nicht die Mauer und die SED-Diktatur. Mit der Nazi-Zeit war es bei vielen in den 50er und 60er Jahren doch genauso, der bekannte Spruch "Es war nicht alles schlecht." wurde schon damals permanent strapaziert.

Wenn ich eines in der DDR gelernt, dann dies: Glaube kein Wort was die Medien behaupten und mache dich selbst schlau. Das ist heute aktueller denn je, wo zunehmend wieder "Hofberichterstattung" betrieben wird.