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Wittelsbacher als Fast-Großmacht
21.02.2016, 22:18
Beitrag: #14
RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Hi Chris, irgendwie scheint es für dich doch sehr wichtig zu sein, dass du uns davon überzeugen kannst, dass Ludwig VII. jähzornig, hochfahrend und mit einer Reihe weiterer Charaktermängel behaftet war. "Zwinkern"

Nun, ich gebe zu, dass ich mit diesem Wittelsbacher mich nicht direkt beschäftigt habe, sondern er ist immer wieder bei Themen, die mich interessieren, aufgetaucht. Insofern kann ich wohl kaum selbst beurteilen, inwiefern deine Beschreibung von ihm tatsächlich zutrifft.

Nichts desto weniger ist mir aufgefallen, das kommt vielleicht daher, dass mein Fokus eben nicht nur auf diesem Herrn liegt, dass die Charakteristik von diesem Wittelsbacher, die du gibst, erstaunliche Parallelen zu anderen Figuren des Mittelalters und darunter mehreren Zeitgenossen zeigt, deren Lebenslauf durchaus Parallelen haben. (Karl der Kühne habe ich deswegen als Beispiel genommen, weil er sehr bekannt ist, aber er ist nicht der einzige Zeitgenosse, der als hochfahrend und jähzornig gilt.)

Zunächst einmal - welcher Reichsfürst ließ sich in dieser Zeit etwas gefallen, noch dazu, wenn er die Möglichkeit hatte, sich dagegen wehren zu können. Nehmen wir z. B. Herzog Albrecht III. von Bayern-München, der auf die böhmische Krone verzichtete und offensichtlich auf wesentliche Teile an der Erbschaft Bayern-Ingolstadt. In der Arbeit, die ich neulich zu Heinrich XVI. gelesen habe, ist sehr deutlich herausgearbeitet, dass Herzog Albrecht das nicht tat, weil er eben ein friedfertiger oder nachgiebiger Mensch war, sondern weil er Heinrich XVI. und seine Machenschaften in dieser Erbschaftangelegenheit nichts entgegensetzen konnte. Fazit: Das lag nicht an Albrechts noblen Charakter, sondern er hatte schlicht keine wirkungsvollen Möglichkeiten, um sich da gegen Heinrich XVI. durchzusetzen.

Bereits Ludwigs Vater, Stephan der Kneißl" ließ sich nicht das Geringste gefallen, wenn er den Verdacht hatte, seine Rolle als "Vorstand" des "Hauses Bayern" sei irgendwie in Frage gestellt worden. Nun, soweit ich das beurteilen kann, war er da nicht der einzige, der als "Vorstand" einer Familie so reagiert hat. (Da gibt es bei den Habsburgern zum Beispiel auch einige Fälle, nur mit dem Unterschied, dass es dort keine Vater-Sohn-Konflikte gab, da die Väter (von Kaiser Friedrich III. abgesehen), gewöhnlich relativ jung gestorben sind. Die meisten Herrschaftsteilungen innerhalb von Familien im 15. Jahrhundert dürften damit zusammenhängen, dass es den Mitgliedern nicht möglich war, gemeinsam eine Herrschaft zu führen und die Rechte von jüngeren Brüdern z. B. nicht einfach links liegen gelassen werden konnten.)

Warum aber wird dann eigentlich nur Ludwig VII. oder seinem Vater Überheblichkeit vorgeworfen?

Auf der anderen Seite wäre sicher nicht uninteressant auch einmal die zeitgenössischen Quellen und Mitteilungen zu überprüfen.

Nehmen wir z. B. den Mordanschlag auf dem Konzil von Konstanz. Soweit ich es beurteilen kann, dürfte Heinrich XVI. den besseren Draht zu König Sig(is)mund gehabt haben und in den beiden wichtigsten Chroniken über das Konzil (Richental und Windecke, das Werk von letzterem ist uns allerdings nur in späteren Fassungen aus den 1460er Jahren überliefert, die durchaus Bearbeitungen sein dürften) ist eindeutig eine Parteinahme für Sigmund auszumachen. Das könnte sich durchwegs auf eine Darstellung Ludwigs zuungunsten Heinrichs ausgewirkt haben.

Ganz aufschlussreich ist für mich jedenfalls, dass der "Mordanschlag" für Heinrich XVI. keineswegs irgendwelche schwerwiegende Konsequenzen hatte. Etwas merkwürdig kommt mir das schon vor.

Könnte es nicht sein, dass die Bemerkungen, die Ludwig VII. zuvor und danach gemacht haben soll, vielleicht aufgebauscht wurden, weil sich die Zeitgenossen, die keinen Einblick in die politischen Zusammenhänge hatte, doch irgendwie erklären mussten, wie es zu so etwas kommen konnte und warum dieser "Mordanschlag" offensichtlich keine richtigen Folgen für den Täter hatte.

Wie gesagt, mir persönlich ist schon egal, ob Ludwig VII. seinen "schlechten" Ruf zu Recht hatte oder nicht, aber als Historikerin finde ich halt, dass eine gewisse Hinterfragung doch nicht ganz unangebracht ist. (Siehe dazu auch meine Signatur, die das ganz gut ausdrückt.)

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Josephine Tey, Alibi für einen König
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht - Teresa C. - 21.02.2016 22:18

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