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Konstantinopel 1453
23.05.2013, 10:45
Beitrag: #31
RE: Konstantinopel 1453
Die westlichen Mächte handelten grundsätzlich in ihrem eigenen Interesse, auch wenn ihnen christliche Herren von Konstantinopel vielleicht lieber waren als muslimische.

1204 haben sie ganz klar und gezielt den Untergang des byzantinischen Kaisertums herbeigeführt: Gerade die aufstrebenden italienischen Seemächte wollten auf jedem Fall, dass sich ihre Investition in das Unternehmen der Kreuzritter lohnt. Venedig wollte außerdem einfach einträgliche Wirtschaftsstandorte im östlichen Mittelmeerraum für sich nutzbar machen - und sich nicht zuletzt für das Pogrom von Byzantinern gegen italienische Kaufleute 1182 und die Vertreibung von in Byzanz wohnenden Venezianern 1171 rächen. Und dann winkten auch noch für die Sponsoren wie auch für die Kreuzfahrer selbst reiche Goldschätze in der damals fast schon tausendjährigen Stadt am Bosporus.
Durch die Einnahme Konstantinopels, die daraus resultierende 57-jährige Unterbrechung des Kaisertums, den immensen Machtverlust und durch die Tatsache, dass sich Exilreiche emigrierter Byzantiner bildeten, war Byzanz natürlich enorm geschwächt. 1204 war die Stadt geplündert, ausgeraubt, mehrfach abgebrannt und weitestgehend zerstört worden. Als Michael VIII. Palaiologos 1261 Konstantinopel wieder einnahm, bot sich ein erbärmliches Bild mit verkommenen und abgebrannten Gebäuden, verwahrlosenden Gegenden, in denen - wie im mittelalterlichen Rom - Getreide wuchs und Tiere grasten. Die folgende Aufbauarbeit und die allgemein schwierigere außenpolitische Position, die schon allein aus der Rivalität mit den weiterhin bestehenden Exilreichen erwuchs, erschwerten auf Dauer das Überleben von Byzanz, dessen erneuter Untergang nach einigen Jahrzehnten schon wieder nur noch eine Frage der Zeit war.

Ganz klar wollten die Kreuzfahrer und später allgemein die westlichen Mächte nicht, dass Konstantinopel an die Osmanen fällt. Was sie wollten, war in erster Linie, dass Konstantinopel an sie selbst fällt, oder auch nur, dass sie wirtschaftlich aus dessen günstiger geographischer Lage Profit ziehen konnten. Die Unabhängigkeit des byzantinischen Kaiserreiches interessierte sie wohl wenig. Anders bzw. nur mit innenpolitischen Problemen in Westeuropa ist es nicht zu erklären, dass zwei Jahrhunderte lang kein weiterer Kreuzzug zustande kam, um der Stadt zu helfen und dass die byzantinischen Kaiser wie Manuel II. jahrzehntelang erfolglos in Westeuropa nach Hilfe betteln mussten.
Natürlich sind das nicht die einzigen Gründe für den schon bald nach 1261, der Wiedereroberung Konstantinopels durch Byzantiner, folgenden Niedergang der Palaiologenherrschaft: Die Aufbauarbeiten konnten nur durch massive Geldentwertung erreicht werden. Außerdem war die Bevölkerung mit der pragmatischen Annäherungspolitik mit Westeuropa Michaels VIII. und seiner Nachfolger alles andere als einverstanden, weshalb es zu langen und blutigen Bürgerkriegen kam.
Aber letztlich sollte man die Bedeutung der eigennützigen und egoistischen Politik der westeuropäischen Monarchen und italienischen Stadtstaaten nicht unterschätzen. Besonders Italien zog durch den Zustrom fliehender byzantinischer Gelehrter ja auch vor allem Vorteile.

--> Wirklich gewollt haben die europäischen Staaten den Fall Konstantinopels nicht - gegenüber einem schwachen Byzanz hat man in jedem Fall eine bessere Position als gegenüber einem starken Osmanenreich. Aber die Politik des Westens war doch offensichtlich vor allem auf Profit ausgerichtet, sodass man die Niederlage Konstantins XI. als nicht allzu schlimm ansah und sie einem kostspieligen Kriegszug, dessen Ausgang nicht sicher war, der aber durchaus Erfolg hätte haben können (Arkonas Beitrag Nr. 10), vorzog. Ich würde also, was die Schuld der Westeuropäer betrifft, noch weiter gehen als noch im Beitrag 18.

VG
Der Maxdorfer

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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Konstantinopel 1453 - WernerS - 25.02.2013, 11:01
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