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Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
09.06.2012, 10:14
Beitrag: #3
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Folge 1 Was ist der Ultramontanismus?

Eine Welt, die sich sehr schnell verändert, kann ihre Zeitgenossen schon mal überfordern. Die alte Welt bricht Anfangs des langen 19. Jahrhundert (also nach der französischen Revolution) langsam zusammen. Eine wichtigere Neuerung, Besitzgüter der Kirche werden säkularisiert, das heißt an weltliche Herrscher vergibt. Die katholische Kirche verliert ihre letzten Machthochburgen.
Dabei hat die Kirche ja schon genug Probleme. Die Aufklärung lässt der Religion nur noch eine pädagogisch-didaktische Rolle zukommen, man kann in einer beginnenden Industrialisierung schwerlich den Gläubigen Mut machen in einem sehr anstrengenden Leben noch an das letzte Himmelreich zu denken. Die Kirche ist seit längerem zudem in einem Prozess der Wahrheitsfindung, der diesmal wirklich schwer zu beseitigen ist – angesichts der ständig wechselnden Verhältnissen.

Theologen (vor allem Deutsche und Niederländische) stehen diesem Problem sehr gespalten gegenüber. Während die eine Seite sagt, die Kirche müsste sich an die Zeit anpassen um in einer Gesellschaft wie die Zeitgenössische fest verwurzelt zu sein, sagt die andere, eine liberale Gesellschaft werde den Glaube verderben. Durchgesetzt haben sich die Konservativen, die dachten, die Kunst der Liturgie sowie die Ausstattung der Kirche könne nur noch von denjenigen kommen, die rein katholisch sind damit kein schädliches Gedankengut in die Kirche mehr kommen kann. Vom den Sänger der Kirchenchöre über Organisten bis hin zu den Kirchgänger dürfen nur noch Katholische, nicht mal aus Mischehen katholische Menschen die Kirchen besuchen. Das Wort Ultramontanismus kommt aus dem lateinischen und besagt genau, dass man zum Vatikan schauen müsse (ultra montan = über Berge), also von deutscher Sicht über die Alpen, um Heil zu erfahren und um astrein als Katholik zu gelten.

Laut den Ultramontanisten ist es nur dem Papst in der Tradition erlaubt Lehren zu verbreiten, da dieser als Nachfolger Petrus Jesus Christus am nähsten steht und somit vom Hl. Geist erfüllt wird. Eine Lehrtradition wurde hiermit geschaffen und getragen. Wahrheit in der Kirche kommt also nur aus dem Munde des Papstes, es bedarf keiner/ weniger sonstiger Entscheidungsträger. Damit wurde der Kontrast zu den Protestantischen Kirchen sehr verstärkt: Während bei den Protestanten nur das Wort und die Schrift gilt (synodaler Machtaufbau), ist in der katholischen Kirche nur noch der Papst derjenige der den Anspruch auf Wahrheit im Glauben haben soll.

Für die Ultramontanisten galt eine Besinnung auf das mittelalterliche Ordnungsdenken, das jedoch seit der französischen Revolution obsolet geworden war. Jedoch bevorzugte man eine Pyramide, einen Stand der oberen, die gehorsam den Glauben lehren, nicht aus Überzeugung.
Dazu kommt die absolute Bekämpfung von allem Neuem was die Zeit bringt. Einige setzen sich gegen die Industrialisierung ein, jedoch war das nicht unbedingt ein Kernthema. Vielmehr stand die Bekämpfung der geistigen Freiheit im Vordergrund. Papst Gregor XVI erklärte in seiner Enzyklika Mirari Vos, dass die Wissenschaft Irrlehren verbreite, das man Bücher auf theologischen Wahrheitsgehalt zensieren soll und dass man am besten jede neue Publikation verbrennen solle. Die Angst vor liberalem Gedankengut war spürbar. Eine Welt mit liberaler Philosophie würde nie mehr einen Gott brauchen, könnte die Schöpfung missachten – und der sittliche Verfall der Menschheit würde den Heilsplan Gottes außer Kraft setzen. Ja – Gregor sah nach eigenen Worten „wahrlich den Höllenpfuhl“ offen. Auch in der Kritik nach innen zur Kirche ist der Papst nicht zimperlich. Die „Modernisten“*, also jene, die eine stärkere Verwurzelung in der modernen Gesellschaft durch Anpassung fordern, würden ebenfalls den Versuchungen nicht widerstehen und damit ebenfalls im Irrtum leben. Der Kampf zwischen dem Ultramontanismus und dem Modernismus wird zum symptomatischen Bild der katholischen Kirche im 19. Jahrhundert.

Der Ultramontanismus sieht sich unfehlbar in der Theologie. In der festen Meinung im Recht zu sein, glauben sie, vom Heilligen Geist erfüllt zu sein, da Jesus Christus das selbst versprochen hat, wo „Ein oder zwei in [s]einem Namen versammelt sind“ sei er „mitten unter Ihnen“ (Mt. 18,20). Gemeint ist die Erfüllung mit dem Heilligen Geist, der Vater und Jesus sendet, wenn sie sich in und für seinem Namen stark machen. Die Tatsache, dass eine Minderheit sich hier gegen die Modernisten durchsetzte, bestärkte diese Einstellung erst recht. Bis zum zweiten Vatikanischen Konzil werden alle Päpste diesem Habitus folgen.

Eines der wichtigsten Werke zur Feststellung der Wahrheit des Glaubens kommt von dem Theologen Heinrich Denzinger (1818 – 1883). Denzinger steht für die Tradition dieser ultramontanen Einstellung und veröffentlicht 1854 eine Quellensammlung „ Enchiridion Symbolorum“ in dem er ausnahmslos alle Quellenpapiere der Katholischen Kirche berücksichtigt, immer mit dem Blick, dass nur der Papst und das Bischofskollegium diese Entscheidungen getroffen haben. Seine Publikation steht aber historisch auf der Ebene der Enzyklopädien, die im 19. Jahrhundert erschienen sind. Kritiker sprachen von der „Denzingertheologie“, die als Wahrheitskriterium nicht gelten darf.

*Das Wort Modernisten verwendet Papst Gregor noch nicht. Auch wenn diese Gruppe gemeint war, tauchte der Terminus „Modernismus“ erst später auf.

Literatur zur Folge 1:


Arnold, Clauß, Neuere Forschungen zur Modernismuskrise in der katholischen Kirche. In: Theologische Revue 99, 2003. S. 91 – 103.

Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866 – 1918. Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1990 (Bd. 1).

Stuflesser, Martin / Winter Stephan: Wo zwei oder drei versammelt sind. Was ist Liturgie?, Regensburg 2004.

Matthäus 18,20


http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Denzinger [zuletzt aufgerufen 02.06.2012. 15:20 h].

Folge 2: „Wir sehen wahrlich den Höllenpfuhl offen“ - Kirche und Menschenrechte im Ultramontanismus

Wer die Vergangheit nicht achtet, dem kann es die Zukunft kosten

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RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche - WernerS - 09.06.2012 10:14

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