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Troubadour: Die Löwenherz-Verschwörung (Christoph Görg)
25.08.2019, 12:20
Beitrag: #1
Tongue Troubadour: Die Löwenherz-Verschwörung (Christoph Görg)
Zusammenfassung meiner persönlichen Eindrücke für die, welche es eilig haben und nicht gerne lange Buchbesprechungen lesen wollen:

Buchvorstellung eines noch relativ neuen "historischen Romans" (mit Krimi) …
... als Lesefutter eher wenig geeignet für solche, die durch die Lektüre "historischer" Romane ausschließlich Geschichtskenntnisse (Marke: so wahr es und nicht anders) erwerben oder verbessern wollen (oder wenigstens diese Illusion wünschen)
… auch ungeeignet für eine Leserschaft, die nur das "wahre" Deutsch lesen kann (oder will) und daher mit "fremden" Sprachen Probleme hat. (Das Buch ist zwar gut leserlich und ohne das, was gewöhnlich als Dialekte bezeichnet wird, aber in "Österreichisch" geschrieben.)

Vermutlich das Richtige aber für Wachau-Fans, Austropop-Fans und solche, die sich einfach nur unterhalten wollen.

Christoph Görg: Troubadour: Die Löwenherz-Verschwörung
, erschienen im Goldegg Verlag im Jahr 2017,
ISBN 978-399-0600-498

Informationen zu Buch und Autor finden sich auf Amazon

Meine persönliche Meinung:
Niki Wolf fällt in Dürnstein über eine Mauer und landet im Mittelalter und zwar im Jahr 1192. Dort wird er, der ein Austropop-Fan ist, für einen Troubadour gehalten. Nachdem König Richard Löwenherz, der selbst Troubadour ist, von "Es lebe der Zentralfriedhof" ganz begeistert ist, sind auch die anderen überzeugt, dass er ein Troubadour ist. Daneben muss sich Niki mit Gedächtnisverlust, Liebesgeschichten (darunter seiner eigenen) und einen Kriminalfall und anderen Sachen herumschlagen.

Im fernen England ist man inzwischen nicht untätig. Königin Alienor will ihren Richard unbedingt befreien und sieht sich unter Zeitdruck, da sie überzeugt davon ist, dass seine Befreiung nur eine Chance hat, solange er sich noch in der Gewalt werden kann, solange er noch in Gewalt der "gemütlichen" Österreicher befindet und noch nicht an die "gründlichen" Deutschen ausgeliefert wurde. Der liebe Bruder, Prinz John, hat da jedoch ganz andere Pläne, statt einer Befreiung soll Richard gar nicht mehr von dort wegkommen, die Chancen für einen Mord sind zudem günstig, da er einen Verbündeten vor Ort hat, dessen Identität allerdings erst relativ spät enthüllt wird. Nachdem der erste Mordanschlag schief gegangen ist, gilt es weitere Mordanschläge zu verhindern und den Täter zu finden, aber nicht nur.

Die Geschichte punktet mit einer originellen Grundidee, viel schrägen Humor und einer gewissen Skurrilität. Dazu kommen noch einige nette Figuren wie zum Beispiel der fesche und humorvolle Raubritter Joachim (den Niki gerne als Täter entlarven würde) oder das böse und miese Burgherrensöhnchen Hadmar, das aber etwas Hilfe in Liebesdingen gebrauchen kann. Auch Niki kann dabei noch einiges lernen.

Das das Buch ist außerdem eine Liebeserklärung an den Austropop des 20. Jahrhunderts, und Görgs Beschreibung der mittelalterliche Wachau, in der auch einige Sagenelemente auftauchen, weiterer Pluspunkt.

Mit der Idee, Niki unter Gedächtnisverlust leiden zu lassen, erst allmählich kehren seine Erinnerungen zurück, bietet Görg eine halbwegs plausible Motivierung dafür, dass sich der Protagonist erstaunlich problemlos in den mittelalterlichen Alltag einfügen kann. Görg zeichnet zudem ein Mittelalter, das trotz gewisser Schattenseiten (Kreuzzug, Wasserfolter) und typischer Kriminalroman-Elemente im Vergleich zu anderen historischen Büchern weniger düster wirkt. Die Kriminalgeschichte ist als Whodunit durchaus glaubwürdig aufgebaut, die Täterfigur gut platziert und ihr Motiv zwar nicht unbedingt mittelalterspezifisch, aber nachvollziehbar und glaubwürdig.

Problematisch war für mich allerdings die Rahmenhandlung, dass Niki seine Abenteuer in der mittelalterlichen Wachau erlebt, während er als Folge seines Sturzes im Koma im Krankenhaus in Krems liegt. Diese zusätzliche Idee mit dem Koma hätte ich persönlich nicht gebraucht.

Ansonsten hat mir das Buch sehr gut gefallen, allerdings ist es eines jener Bücher, auf die sich die Leserin oder der Leser auch einlassen muss. Das Buch dürfte jedenfalls eine ideale Lektüre für Leserinnen und Leser sein, die für ein etwas anderes Mittelalter aufgeschlossen sind oder gerne in der Wachau Urlaub machen, Künstler wie Georg Danzer, Reinhard Fendrich etc. schätzen, schräge Figuren und den typischen österreichischen Humor mögen.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

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27.08.2019, 15:07
Beitrag: #2
RE: Troubadour: Die Löwenherz-Verschwörung (Christoph Görg)
Das ist interessant:
Zitat:aber in "Österreichisch" geschrieben.

Könnte man da eine Leseprobe bekommen?

Ich habe ja hier
http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...p?tid=9602
vor kurzem auf die "Oberdeutsche Schriftsprache" hingewiesen.
Soll das heißen, die lebt noch immer?
Oder ist das modernes Schriftdeutsch mit ein paar Spezialausdrücken wie Karfiol oder Marillen und eingestreuten regionalen Floskeln

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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09.09.2019, 10:15
Beitrag: #3
RE: Troubadour: Die Löwenherz-Verschwörung (Christoph Görg)
Modernes Schriftdeutsch, mein Eindruck, wobei allerdings im Zweifelsfall die österreichischen Bezeichnungen verwendet. (Aber ich habe leider den Eindruck, dass eine heutige Leserschaft Großteils bereits damit überfordert ist, zudem das Buch kein Glossar hat.)

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09.09.2019, 18:55
Beitrag: #4
RE: Troubadour: Die Löwenherz-Verschwörung (Christoph Görg)
Ich habe derzeit von Ernst Fiala "wieviel Auto braucht der Mensch" unterm Kopfkissen liegen.

Das ist auch einer, der sich absolut nicht verbiegt,
Für den heißt der Sitz neben dem Fahrer "Nebensitz" was wird der das auch auf Schriftdeutsch "Beifahrersitz" übersetzen.
Finde ich richtig gut.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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09.09.2019, 18:55
Beitrag: #5
RE: Troubadour: Die Löwenherz-Verschwörung (Christoph Görg)
Ich habe derzeit von Ernst Fiala "wieviel Auto braucht der Mensch" unterm Kopfkissen liegen.

Das ist auch einer, der sich absolut nicht verbiegt,
Für den heißt der Sitz neben dem Fahrer "Nebensitz" was wird der das auch auf Schriftdeutsch "Beifahrersitz" übersetzen.
Finde ich richtig gut.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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10.09.2019, 11:47
Beitrag: #6
RE: Troubadour: Die Löwenherz-Verschwörung (Christoph Görg)
Wir hatten vor längerer Zeit eine Diskussion, als eine Schriftstellerin mit Rücksicht auf den deutschsprachigen Buchmarkt in ihrem Kriminalroman die Diskonterkette Hofer, die in Deutschland Aldi heißt, in Aldi umbenennen wollte. Ich war damals der Ansicht, dass die Entscheidung für Hofer oder Aldi nach geographischen Maßstab erfolgen sollte. Da ihre Geschichte in Salzburg spielt, war ich dafür, dass es der Hofer bleibt. Hätte die Geschichte dagegen in einer deutschen Stadt wie zum Beispiel München oder Nürnberg gespielt, wäre ich für die Umbenennung in Aldi gewesen. (Sie löste diese Frage letztlich, indem sie aus dem ursprünglichen Hofer einen namenlosen Diskonter gemacht hat.)


Wenig später gab es noch eine Diskussion, die zur Folge hatte, dass ein Autor seine Geschäfte, wo Heldin und Schurke einen Einkauf machen, letztlich ohne Benennung ließ. Jemand hatte nämlich kritisiert, dass es nicht einzusehen ist, warum die Heldin bei Hofer und der Schurke bei Billa (Rewe) einkaufen geht.

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19.07.2020, 12:54
Beitrag: #7
RE: Troubadour: Die Löwenherz-Verschwörung (Christoph Görg)
Übrigens ist im letzten Jahr zu "Troubadour" eine Fortsetzung erschienen: Reliquiae - Die Konstantinopel-Mission, mehr dazu siehe https://www.amazon.de/Reliquiae-Die-Kons...0JV58KS1XW

Eine gelungene Fortsetzung des ersten Romans - diesmal geht es auf eine Reise nach Byzanz, gilt es doch eine exquisite Reliquie, am besten den Heiligen Gral, zu finden - eine Bestechung für den Papst, damit er Herzog Leopold den Tugendreichen und Ritter Hadmar der Ältere vom Kirchenbann löst, mit dem beide wegen des Lösegeldcoups mit Richard Löwenherz bestraft wurden. (Obwohl, zumindest für Hadmar den Älteren ist der Bann de facto nicht in Kraft getreten, da ihn der päpstliche Legat nicht öffentlich verkünden konnte ...)

Schuld daran ist Niki, der wieder einmal seinen Mund nicht halten konnte, und sich daran erinnert, dass bei der Eroberung von Byzanz durch die Kreuzfahrer 1204 doch eine ganze Menge Reliquien aufgetaucht sind, woraus er schlussfolgert, dass im Jahr 1193 dort noch welche zu finden sein werden. Dummerweise erfährt der Herzog davon und schickt ihn und seine Dürnsteiner Freunde daher auf die gefährliche Reise dorthin. Denn nicht nur ein böser päpstlicher Legat ist ebenfalls hinter der Reliquie her und weiß merkwürdigerweise immer, wo er Nikis Team auflauern kann, die Route ist ohnehin gefährlich (Räuber, Lawine und andere Hindernisse) und Niki und seine Freunde sind eher ein Chaosteam, das sich allerdings bestens ergänzt. Nicht alles ist originell, aber die Geschichte ist lebhaft und sehr unterhaltsam, oft auch sehr humorvoll. Allerdings nicht nur, unsere Protagonisten haben auch Verluste einzustecken.

Wie in solchen Büchern üblich, wird der Gral zwar gefunden, "verschwindet" aber wieder, die Lösung hat mich an Monty Pythons "Ritter der Kokusnuss" und "Der Fisherking" erinnert.

Im Gegensatz zum Vorgänger werden diesmal auch einige Zeitreisethemen angeschnitten. Während Niki sich dort wegen seines Gedächtnisverlustes recht problemlos im Mittelalter zurechtfindet, machen ihm diesmal Hygienebedingungen, fehlendes Internet etc. sehr wohl zu schaffen.

Wie bereits im Vorgängerraum hätte ich allerdings auf die Idee, dass Niki, während er im Mittelalter Abenteuer erlebt, eigentlich im Wachkoma liegt, verzichten können. (Stört aber das Lesevergnügen nicht wirklich.) Abgesehen davon aber hat mir der neue Roman sehr gut gefallen.

Der eher seltene Fall für ein Buch des 21. Jahrhunderts, dass ich eine weitere Fortsetzungen, die es geben soll, sehr gerne lesen werde.

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