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1. Mai Tag der Arbeit
15.03.2019, 20:34
Beitrag: #1
1. Mai Tag der Arbeit
Da ich dies für ein interessantes Thema halte, habe ich die andern Orts vorhandenen Beiträge hierher kopiert


(14.03.2019 17:35)Feldwebel57 schrieb:  Den 1. Mai als Internationalen Tag der Arbeiterbewegung gab es schon vorher , er ist von den Nazis nur unter anderem Thema begangen worden .

(14.03.2019 19:44)Flora_Sommerfeld schrieb:  
(14.03.2019 17:35)Feldwebel57 schrieb:  Den 1. Mai als Internationalen Tag der Arbeiterbewegung gab es schon vorher , er ist von den Nazis nur unter anderem Thema begangen worden .

Das ist richtig, der 1. Mai wurde erstmals von Gewerkschaften in den USA schon im 19. Jahrhundert benannt.
In der Weimarer Republik war es glaube ich noch kein Feiertag, daß haben erst die Nazis eingeführt um ihren angebliche Charakter eine Arbeiterpartei nachdruck zu verleihen.

(14.03.2019 20:44)Suebe schrieb:  
(14.03.2019 19:44)Flora_Sommerfeld schrieb:  Das ist richtig, der 1. Mai wurde erstmals von Gewerkschaften in den USA schon im 19. Jahrhundert benannt.
In der Weimarer Republik war es glaube ich noch kein Feiertag, daß haben erst die Nazis eingeführt um ihren angebliche Charakter eine Arbeiterpartei nachdruck zu verleihen.


Der 1. Mai als Arbeiterfeiertag erinnert an die sg Haymarket-Riots am 1.Mai 1886 in Chicago Illinois, einen Streik in dessen Folge 7 Streikführer zum Tod verurteilt wurden,
drei wurden tatsächlich gehenkt, einer beging Selbstmord. Die streikführer waren überwiegend Deutschamerikaner, die Aufrufe zum Streik waren in Deutsch und English abgefasst.
Im Kaiserreich wurden Arbeiter, die am 1. Mai die Arbeit verweigerten in der Regel eingesperrt.
Der erste Mai war in der Weimarer Republik lediglich einmal, am 1. Mai 1919 gesetzlicher Feiertag.

In den ausgehenden 50ern hat sich mein Großvater fürchterlich darüber aufgeregt, dass die Arbeiter "Ihren Feiertag" so gar nicht mehr in dem Sinn feierten. Das hat der alte SPDler überhaupt nicht verstehen wollen....


Das weiß wiki zum Thema
https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Mai

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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15.03.2019, 21:04
Beitrag: #2
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
Ich befürchte , eines Tages wird dieser Feiertag so enden wie die Himmelfahrt - im Betrinken .
Die Zahlen der an Demonstrationen beteiligten Menschen steigen nicht und viele jüngere Menschen haben keinen Bezug zu diesem Thema.
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16.03.2019, 13:50
Beitrag: #3
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
Das wäre nichts neues.
Als das der "Tag der nationalen Arbeit" war, hatte der Arbeitgeber seine Arbeiter an dem Tag freizuhalten.
Was natürlich nicht immer mit Selters begangen wurde.

'Aber auch der "Königs Geburtstags Blotter" gehörte bis 1918 einfach dazu.

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16.03.2019, 15:42
Beitrag: #4
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
(15.03.2019 21:04)Feldwebel57 schrieb:  Ich befürchte , eines Tages wird dieser Feiertag so enden wie die Himmelfahrt - im Betrinken .
Der Sinn von Feiertagen ist, dass ALLE freihaben. Im Gegensatz zum Urlaub. Dass es dann "gesellig" wird, ist beabsichtigt. Muss ja nicht immer im Besäufnis enden.

Von Japan weiß man, dass es dort sehr wenig Urlaub gibt, wurde gerne von Industrievertretern wiedergekäut, als es noch eine "Gelbe Gefahr" gab. Aber es gibt auch 16 Feiertage, kann man jetzt sehen wie man will. Bleibt das Geld wohl eher im Land.

"Es gibt nur eine Sache die größer ist als die Liebe zur Freiheit: Der Hass auf die Person, die sie dir weg nimmt."(Che Guevara)
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16.03.2019, 19:05
Beitrag: #5
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
(16.03.2019 15:42)Triton schrieb:  
(15.03.2019 21:04)Feldwebel57 schrieb:  Ich befürchte , eines Tages wird dieser Feiertag so enden wie die Himmelfahrt - im Betrinken .
Der Sinn von Feiertagen ist, dass ALLE freihaben. Im Gegensatz zum Urlaub. Dass es dann "gesellig" wird, ist beabsichtigt. Muss ja nicht immer im Besäufnis enden.

Von Japan weiß man, dass es dort sehr wenig Urlaub gibt, wurde gerne von Industrievertretern wiedergekäut, als es noch eine "Gelbe Gefahr" gab. Aber es gibt auch 16 Feiertage, kann man jetzt sehen wie man will. Bleibt das Geld wohl eher im Land.

Da sprichst du etwas interessantes an.
Die sind nämlich in früheren Jahrhunderten durch die ganzen kirchlichen Feiertage gut und gerne auch auf die heutigen 30 Tage Urlaub gekommen!
Zumindest per Saldo.

Dann, es haben ja mindestens 60% der arbeitenden Bevölkerung in der Landwirtschaft gearbeitet, wo es im Jahresverlauf Zeiten gibt, in denen fast rund um die Uhr gearbeitet wurde, die sich mit anderen abwechselten in denen nur sehr wenig gearbeitet wurde.

Krupp hat in den 1830er Jahren eine Fluktuationsrate unter seinen Arbeitern von ca. 300 % gehabt.
Die haben das regelmäßige Arbeiten nicht ausgehalten!

Im Handwerk gab es den "Brauch" des "blauen Montags" der Zeitzeugenberichten nach in der Werkstatt meines Urgroßvaters so ca. 1910 noch begangen wurde.
Aber auch aus den Fabriken der Zeit gibt es Berichte, dass Montags ein Fässle Bier am Chef vorbei in die Fabriksäle geschmuggelt wurde,


Was ich hiermit sagen will, die "schlimmen" Zeiten früher, waren bei genauerer Betrachtung auch wieder nicht soo schlimm.
Wir sind hier in einem Historik-Forum!

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17.03.2019, 00:49
Beitrag: #6
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
(16.03.2019 19:05)Suebe schrieb:  Was ich hiermit sagen will, die "schlimmen" Zeiten früher, waren bei genauerer Betrachtung auch wieder nicht soo schlimm.
Wir sind hier in einem Historik-Forum!
Nicht so schlimm im Vergleich zur Industriearbeit von damals.
Was der heutige Industriearbeiter und jeder vernünftige Mensch als notwendig ansieht, nämlich Arbeitspausen, gibt es so lange noch gar nicht. Im 19.Jahrhundert war das weitgehend unbekannt.

Ein Zuckerschlecken ist das Bauernleben auch heute noch nicht. Wer Vieh hat, kann sich nicht einfach so für eine Urlaubswoche verdrücken. Oder lange krank machen. Es gibt keine 50%-Anstellungen aus privaten Gründen.
Also ich gönne den Arbeitern und Angestellten ihren Urlaub und Feierabend genauso wie den Landwirten ihre ruhigeren Tage.

Aus der Sportmedizin weiß man: Der Körper liebt gleichmäßige Belastungen und verabscheut ungleichmäßige.

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17.03.2019, 12:20
Beitrag: #7
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
Bin öfters in Italien und Polen unterwegs . Dort lese ich immer wieder von Agrargenossenschaften .
Wäre das auch bei uns denkbar ?
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17.03.2019, 23:13
Beitrag: #8
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
(17.03.2019 12:20)Feldwebel57 schrieb:  Bin öfters in Italien und Polen unterwegs . Dort lese ich immer wieder von Agrargenossenschaften .
Wäre das auch bei uns denkbar ?

Die gibt es doch in Deutschland.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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18.03.2019, 10:54
Beitrag: #9
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
(16.03.2019 19:05)Suebe schrieb:  Krupp hat in den 1830er Jahren eine Fluktuationsrate unter seinen Arbeitern von ca. 300 % gehabt.
Die haben das regelmäßige Arbeiten nicht ausgehalten!

Das hätte ich bei den herrschenden Arbeitsbedingungen auch nicht. 12-14 Stunden pro Tag, sechs Tage die Woche.
Irgendwie macht mich diese Sichtweise gerade fassungslos...

(16.03.2019 19:05)Suebe schrieb:  Was ich hiermit sagen will, die "schlimmen" Zeiten früher, waren bei genauerer Betrachtung auch wieder nicht soo schlimm.
Wir sind hier in einem Historik-Forum!

Das ist es jetzt nicht dein Ernst, oder?
Industriearbeiter haben im 19. Jahrhundert 12- 14 Stunden gearbeitet. Die Entlohnung war so gering, dass sogar die Kinder mitarbeiten mußten. Wie triton schon sagte, Arbeitspausen gab es auch nicht. Und auf die gesunderhaltung wurde auch nicht geachtet.

Mir scheint das "Fässle Bier", das am Chef vorbeigeschmuckelt weniger Hinweis auf einen angenehmen Zeitvertreib als vielmehr Notwendigkeit, um das dann zu ertragen.

Es ist schon eine Weile her, dass ich Gerhard Hauptmanns "Die Weber" gelesen habe, aber ich erinnere mich nicht daran, dass das von fröhlichen Zechgelagen in Fabriken handelt.

Wer zu betimmten Zeiten aber wohl wirklich zu feiern verstand, dürften die Handwerker gewesen sein, zumindest im Mittelalter.

nachtrag- ich bin gerade über den Beitrag des Sterns über die Arbeitszeiten des Mittelalters gestolpert, der dich wohl zu deiner optimistischen Einschätzung verleitet hat... Er enthält aber noch einen weiteren Rechenfehler. Ziehe von den verbliebenden 20 Feiertagen jährlich noch die Samstage ab... und dann bist du bei -6 freien Tagen...

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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18.03.2019, 10:58
Beitrag: #10
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
(17.03.2019 23:13)Sansavoir schrieb:  
(17.03.2019 12:20)Feldwebel57 schrieb:  Bin öfters in Italien und Polen unterwegs . Dort lese ich immer wieder von Agrargenossenschaften .
Wäre das auch bei uns denkbar ?

Die gibt es doch in Deutschland.

Es gibt auch etwas, das sich "solidarische Landwirtschaft" nennt. Im prinzip läuft das darauf hinaus, dass eine Gruppe von Menschen einen Landwirt beauftragt, Lebensmittel für sie anzubauen. Jeder bezahlt eine bestimmte Summe pro Monat und wenn dann erntezeit ist, bekommt jeder seinen Anteil an der Ernte. Auch das ist ein Modell für Familienbetriebe...

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18.03.2019, 12:20
Beitrag: #11
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
Doch, das ist eigentlich schon mein Ernst.

Es gibt ein Standart-Werk "Der Arbeiter im deutschen Kaiserreich" von Tenfelde/Ritter
das empfehle ich zur Lektüre.
Man muss halt vom "gewogenen Mittel" ausgehen, und darf sich nicht von den Schlimmsten Zuständen, die es zweifellos gab, hinreißen lassen, und die als Standart ansehen.

Die Binnenwanderung speziell der Industriearbeiter im 19. Jahrhundert in Deutschland sprengt jede Vorstellung. Die sind über 3-4 Stationen quer durch das Reich gezogen.
Die Arbeiter gingen dahin, wo es ihnen besser ging.
Wo die Wohnungen, die Entlohnung besser war.

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18.03.2019, 12:50
Beitrag: #12
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
Dem steht dann wohl ein Film gegenüber, der den gleichen Titel trägt und dessen Beschreibung (im übrigen handelt es sich um einen Unterrichtsfilm) sich wie folgt liest:

Dokumentarisches Filmmaterial aus der Zeit um 1900 veranschaulicht die Lebensbedingungen der Arbeiter: menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, beengte und elende Wohnverhältnisse, Hunger, hohe Kindersterblichkeit, Arbeitslosigkeit und Vereinsamung. Die Hoffnung der meisten Menschen, durch Landflucht (animierte Karte) ihr Glück in den Großstädten zu suchen, erfüllte sich nicht.

An einen derartigen Film erinnere ich mich auch....

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18.03.2019, 22:22
Beitrag: #13
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
Die Arbeiter sind nicht nur von Ort zu Ort gezogen, sondern auch innerhalb der entstehenden Großstädte. Die neu erbauten Wohnhäuser mussten trocken gewohnt werden.

Die Situation der Industriearbeiter im 19. Jahrhundert war menschenunwürdig, das kann man nicht verharmlosen. 12 bis 14 Stunden Arbeit an 6 Tagen in der Woche, Kinderarbeit, hohe Unfallquote, schlechte Wohnsituation, schlimme hygienische Zustände, Tuberkulose, Alkoholismus und Armutsprostitution waren neben der Umweltzerstörungen Begleiterscheinungen dieser Zeit. Das "Germinal" von Emile Zola oder August Bebels "Die Frau und der Sozialismus" beschreiben das Leben der Arbeiterinnen und Arbeiter. Nicht vergessen sollte man, dass zwischen 1880 und 1893 etwa 1,8 Millionen Deutsche in die USA auswanderten. Das sind knapp doppelt so viele wie zwischen 1848 und 1860.

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19.03.2019, 10:24
Beitrag: #14
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
Das gab es alles, unbestritten.
Die Gründerkrise in den 1870er Jahren und die darauf folgende Auswanderungswelle, alles Fakt. (Hat meine Vorfahren sehr erwischt)
Das "Trockenwohnen" auch Fakt.
(wer zog in die trockengewohnte Wohnung danach ein?)
Zola beschreibt das alles aber nicht aus "Eigenem" das war doch ein "Edelsozialist" genau wie Hauptmann mit seinen "Webern"
Bei Bebel fehlen mir Basics

Wie geschrieben, das gewogene Mittel sah anders aus.

(sorry, der Broterwerb ist zZ sehr stressig, kommt später noch mehr)

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19.03.2019, 17:51
Beitrag: #15
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
Ich frage mich halt, wie es zu einer Arbeiterbewegung kommen konnte, wenn es für die Arbeiter wirklich relativ einfach war, an einem anderen Ort bessere Bedingungen vorzufinden.
Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass es in dem Fall die nötige Motivation dafür gegeben hätte, sich zu organisieren. Das scheint doch sehr im Widerspruch zu der sonst in der Litaratur auch häufig beschriebenen Untertanenmentalität zu stehen...

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20.03.2019, 19:38
Beitrag: #16
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
(19.03.2019 17:51)Bunbury schrieb:  Ich frage mich halt, wie es zu einer Arbeiterbewegung kommen konnte, wenn es für die Arbeiter wirklich relativ einfach war, an einem anderen Ort bessere Bedingungen vorzufinden.
Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass es in dem Fall die nötige Motivation dafür gegeben hätte, sich zu organisieren. Das scheint doch sehr im Widerspruch zu der sonst in der Litaratur auch häufig beschriebenen Untertanenmentalität zu stehen...

Ich hab jetzt mal den "Arbeiter im Kaiserreich" zu Rate gezogen.
Kurz zusammengefasst zur Arbeitszeit.
"Seit ca. 1830 steigerte sich die Anwesenheitszeiten in den Betrieben bis zum absoluten Maximum von ca. 16 Stunden in den 1850er Jahren. Mit Arbeitszeit wäre dies aber nicht unbedingt gleichzusetzen, da in den Zeiten weder Fehlzeiten noch "zu Spät kommen" oder Unterbrechungen irgendwie erfasst worden wären, so dass immer wieder Zeit zur "Regeneration" geblieben wäre.
Ein deutlich aussagekräftigere Größe wäre auch nicht die Tagesarbeitszeit, sondern die Wochenarbeitszeit, die 1860 noch bei etwa 80 Stunden lag, 1871 bei 76 und ab 1872 bei ca. 72 Stunden. Ohne Berücksichtigung der Bergbaues, wo lange schon 8 Stunden-Schichten gefahren wurden.
Bis ca. 1888 blieb es bei den 72 Stunden (Gründerkrise) um dann bis 1909 auf 55 Stunden in der Woche abzusinken.
Arbeitszeit-Verkürzungen gelangen immer nur in den Boom-Jahren (ist ja eigentlich klar)wobei die Arbeitgeber diese Forderungen zu beginn immer mit Lohnerhöhungen abzuwehren versuchten.

Diese Arbeitszeitverkürzungen gingen einher mit immer schärferen Kontrollen der Arbeitsleistung und im Zweifel auch mit Disziplinarmaßnahmen.
Bis um 1910 der "Taylorismus" in Deutschland Einzug hielt, als Tüpfelchen auf dem i.
Die Gewerkschaften hätten den Kampf um Arbeitszeitverkürzungen durchaus auch im eigen en Interesse geführt, da die Arbeiter so mehr Zeit für die Gewerkschaften gehabt haben.
Über den Weg dorthin gab es zwischen den verschiedenen Gewerkschaften auch überaus unterschiedliche Meinungen, so warf Kautsky den freien Gewerkschaften 1909 vor, dass sie den ganz falschen Weg eingeschlagen hätten, der richtige über eine weitgehendere Politisierung wäre.
Die haben sich natürlich gewehrt und auf ihre Erfolge verwiesen, wohl zu Recht.

so weit Tenfelde/Ritter zur Arbeitszeit.

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21.03.2019, 21:07
Beitrag: #17
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
Die Berichte über die Wohnsituation der Arbeiter treffen wohl zu.
Stammen allerdings fast ausschließlich von Leuten aus dem Großbürgertum, wo man Wohnungen mit sehr vielen Räumen, mit etlichem an Personal etceterapp. gewöhnt war.
Die Ein- und Zweiraumwohnungen die die Wohnsituation der Arbeiter bis etwa 1890 prägten, erschienen diesen "Großbürgern" natürlich als unzumutbar.

Jedoch wurde dies von den Betroffenen allem nach nicht so gesehen. Was man lt. Tenfelde/Ritter auf gar keinen Fall außer Acht lassen darf, die Schichten aus denen sich die Industrie-Arbeiterschaft entwickelte, konnten sich vor der Industrialisierung weder Familie noch Wohnung leisten.
War diese Wohnsituation so unbefriedigend sie erscheinen mag, ein großer Fortschritt.

Tenfelde/Ritter folgend.

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27.03.2019, 18:00
Beitrag: #18
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
(18.03.2019 12:50)Bunbury schrieb:  Dem steht dann wohl ein Film gegenüber, der den gleichen Titel trägt und dessen Beschreibung (im übrigen handelt es sich um einen Unterrichtsfilm) sich wie folgt liest:

Dokumentarisches Filmmaterial aus der Zeit um 1900 veranschaulicht die Lebensbedingungen der Arbeiter: menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, beengte und elende Wohnverhältnisse, Hunger, hohe Kindersterblichkeit, Arbeitslosigkeit und Vereinsamung. Die Hoffnung der meisten Menschen, durch Landflucht (animierte Karte) ihr Glück in den Großstädten zu suchen, erfüllte sich nicht.

An einen derartigen Film erinnere ich mich auch....


Das lässt sich oft lesen.
Mit diesem Satz habe ich jedoch erhebliche Probleme.

Was soll auch den Landarbeiter aus dem Hohenlohischen veranlassen nach Stuttgart zu ziehen, was den Landarbeiter aus der Wetterau nach Frankfurt,
wenn nicht die Hoffnung auf ein besseres Leben.
Erfüllt sich dies nicht, ist spätestens mit ihm "Sense"
Gelaufen ist dies aber ganz anders, als "Kettenwanderung" der eine hat die anderen nachzogen, wie an einer Kette.
"Komm nach Essen zu Krupp, gute Arbeit, gute Wohnung, komm zur Zeche Zollverein, die zahlen am meisten"
(in der Auswanderung nach USA übrigens dito)
insbesondere die jungen Arbeiter waren unwahrscheinlich Mobil. Drei Arbeitsstellen in einem Jahr in 3 verschiedenen Städten, und man wird davon ausgehen müssen, dass sie sich jedesmal verbesserten.

Der Intelligenz-Quotient des Industriearbeiters 1892 ist doch auf gleicher Höhe wie heute.

Auch hier wieder Tenfelde/Ritter heißt meine Quelle

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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27.03.2019, 20:08
Beitrag: #19
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
Infolge des Bevölkerungswachstums war die Mobilität der jungen Menschen erforderlich. Es gab auf dem Land nicht genügend Arbeit, sodass viele Menschen sich in den neu entstandenen Industrieorten Arbeit suchen mussten. Der Vorteil für die jungen Menschen lag vor allem darin, dass sie sich der sozialen Kontrolle der Dorfobrigkeit und der Familie entziehen konnten. Außerdem nutzten sie die günstigeren Gegebenheiten sich zu organisieren, z.B. in Parteien, Gewerkschaften und Vereinen. Die Kehrseite waren u.a. die schlechten, beengten Wohnverhältnisse, gesundheitsschädliche Arbeiten und oft auch eine geringere Lebenserwartung. Dies betraf vor allem Menschen in Großstädten, erinnert soll hier z.B. an die Cholera-Epidemie von 1892 in Hamburg.

Auch wenn die Situation der Arbeiter um 1900 sich im Vergleich zu 1830 oder 1850 verbessert hat, war ihre Situation nicht gut. Es betraf ja nicht nur Landarbeiterkinder, die in ihrer Heimat, nichts zu verlieren hatten, und in die Industriestandorte abwanderten, sondern auch viele ehemalige selbstständige Handwerker, die infolge der Industrialisierung sozial abstiegen bzw. es so empfanden.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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27.03.2019, 21:04
Beitrag: #20
RE: 1. Mai Tag der Arbeit
(27.03.2019 20:08)Sansavoir schrieb:  Infolge des Bevölkerungswachstums war die Mobilität der jungen Menschen erforderlich. Es gab auf dem Land nicht genügend Arbeit, sodass viele Menschen sich in den neu entstandenen Industrieorten Arbeit suchen mussten. Der Vorteil für die jungen Menschen lag vor allem darin, dass sie sich der sozialen Kontrolle der Dorfobrigkeit und der Familie entziehen konnten. Außerdem nutzten sie die günstigeren Gegebenheiten sich zu organisieren, z.B. in Parteien, Gewerkschaften und Vereinen. Die Kehrseite waren u.a. die schlechten, beengten Wohnverhältnisse, gesundheitsschädliche Arbeiten und oft auch eine geringere Lebenserwartung. Dies betraf vor allem Menschen in Großstädten, erinnert soll hier z.B. an die Cholera-Epidemie von 1892 in Hamburg.

Auch wenn die Situation der Arbeiter um 1900 sich im Vergleich zu 1830 oder 1850 verbessert hat, war ihre Situation nicht gut. Es betraf ja nicht nur Landarbeiterkinder, die in ihrer Heimat, nichts zu verlieren hatten, und in die Industriestandorte abwanderten, sondern auch viele ehemalige selbstständige Handwerker, die infolge der Industrialisierung sozial abstiegen bzw. es so empfanden.


Die Wohnungsgröße in den ländlichen Gebieten war ein wenig größer als in den Städten, wo aber die Ausstattung deutlich besser war.
zB. 1890 hatten 14% der Wohnungen in Berlin Wasserklosetts, 1904 waren es fast 51%,
Wasser, Gas auch Stromanschlüsse immer mehr zum Standard wurden, was auf dem Land teilweise noch Jahrzehnte nicht der Fall war.
Die Wohnsituation war keineswegs befriedigend, aber deutlich besser, wie gerne dargestellt.

Wie mehrfach geschrieben, ich beziehe mich druchgängig auf Tenfelde/Ritter, Der Arbeiter im Deutschen Kaiserreich
Die Dequalifizierung war im Zuge der Industrialisierung nur ein kleines sehr temporäres Randproblem, im allgemeinen wurde aus dem Handwerker der Facharbeiter der höherqualifiziert und besser bezahlt war.

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