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Rom - fähige und unfähige Kaiser:
25.09.2012, 19:19
Beitrag: #21
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
Wieder der rote Bart ?
Nero hielt sich meines Wissens damals in Antium/anzio
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25.09.2012, 20:10
Beitrag: #22
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
(25.09.2012 19:19)krasnaja schrieb:  Wieder der rote Bart ?

ICH habe das Thema NICHT wieder aufgegriffen.

(25.09.2012 19:19)krasnaja schrieb:  Nero hielt sich meines Wissens damals in Antium/anzio
... auf.

Stimmt, danke.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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27.09.2012, 17:38
Beitrag: #23
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
Sorry dass ich darauf zurückkomme, doch die "Welt" hat meine Meinung zu Nero sehr schön ausgedrückt:

Welt schrieb:Roms exzentrischer Herrscher Nero besaß nach zehn Jahren Regierungszeit einen höchst unguten Ruf. Man wusste, dass er bei der Ermordung seiner Mutter Agrippina ebenso die Hände im Spiel hatte wie bei der Beseitigung seines Stiefbruders Britannicus. Im Jahre 62 n. Chr. ließ er auch seine 20-jährige Gemahlin hinrichten.

Zumindest befremdlich wirkten seine öffentlichen Auftritte als Schauspieler und Sänger. Ob er tatsächlich so talentlos agierte, wie Buch und Film "Quo vadis?" suggerieren, sei dahingestellt. Aber damals wie heute war es schlicht lächerlich, wenn ein Staatsoberhaupt geschminkt und kostümiert von der Bühne herab den Possenreißer spielt. Nero hingegen fand seine Berufung im Künstlertum und zeigte sich außerordentlich empfindlich gegenüber jeder Kritik.

http://www.welt.de/kultur/history/articl...ifter.html

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29.10.2012, 11:29
Beitrag: #24
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
(21.09.2012 20:33)Maxdorfer schrieb:  Hier ein paar Denkanstöße:

Kaiser Claudius (41-54): Er war nicht für den Kaiserthron vorgesehen und wurde quasi von allen seinen Verwandten gehasst, von Augustus, Livia und Tiberius über Caligula bis hin zu den verschiedenen anderen Verwandten des Hauses, die nicht an die Macht gelangten. Allgemein gilt er als unfähiger, sabbernder, stotternder Herrscher, der vollkommen von seinen Ehefrauen (Messalina und Agrippina) bestimmt war. Doch er war ein sehr gebildeter und weitsichtiger Historiker, und besonders der Schriftsteller Robert von Ranke Graves hat in seiner fiktiven Autobiographie "Ich, Claudius, Kaiser und Gott" ein völlig anderes Bild geschaffen, das eines intelligenten, geschickten und vorsichtig, aber nicht unentschlossen taktierenden Herrschers.

Kaiser Antoninus Pius (138-161): Obwohl das römische Reich unter ihm eine nie dargewesene und in der Geschichte riesiger Reiche weitestgehend einzigartige Blüte auf fast allen Bereichen der Zivilisation erlebte, ist er doch alles andere als unumstritten: Ihm wird vorgeworfen, lediglich von den guten Taten seiner Vorgänger (den schon erwähnten Kaisern Trajan und Hadrian) profitiert zu haben und in Wirklichkeit ein bequemer und untätiger, also quasi nutzloser Kaiser gewesen zu sein. Tatsächlich verließ er Italien während seiner ganzen Regierungszeit nicht ein einziges Mal.

Kaiser Diokletian (284-305): Er war derjenige, der das Reich von der Reichskrise des dritten Jahrhunderts befreite, die Provinzen soweit wiederherstellte, die Wirtschaft und Kultur langsam wieder zu fördern begann, und der allgemein auch als guter Kaiser dargestellt wird. Seine Verdienste sind unumstritten. Doch war es nicht vielleicht sein System, die Tetrarchie oder allgemein das absolute Kaisertum der Spätantike, das den Untergang des (west)römischen Reiches hervorrief? War er derjenige, der nicht genügend Weitsicht zeigte, um zu erkennen, welches System die Römer brauchten?

So, das wäre es für das erste. Aller guten Dinge sind drei, mal sehen, was ihr von Claudius, Antoninus Pius (übrigens NICHT Antonius Pius) und Diokletian haltet.
Früher oder später schicke ich die nächsten drei Kandidaten ins Rennen, wenn mir nicht jemand zuvorkommt.

Bisher haben wir nur Nero diskutiert. Der ein oder andere hat doch aber noch eine Meinung zu Claudius, Antoninus Pius und Diokletian?

VG

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29.10.2012, 16:39
Beitrag: #25
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
(21.09.2012 20:33)Maxdorfer schrieb:  Kaiser Claudius (41-54): Er war nicht für den Kaiserthron vorgesehen und wurde quasi von allen seinen Verwandten gehasst, von Augustus, Livia und Tiberius über Caligula bis hin zu den verschiedenen anderen Verwandten des Hauses, die nicht an die Macht gelangten. Allgemein gilt er als unfähiger, sabbernder, stotternder Herrscher, der vollkommen von seinen Ehefrauen (Messalina und Agrippina) bestimmt war. Doch er war ein sehr gebildeter und weitsichtiger Historiker, und besonders der Schriftsteller Robert von Ranke Graves hat in seiner fiktiven Autobiographie "Ich, Claudius, Kaiser und Gott" ein völlig anderes Bild geschaffen, das eines intelligenten, geschickten und vorsichtig, aber nicht unentschlossen taktierenden Herrschers.

Ich halte Claudius für einen mittelmäßigen Herrscher und das trotz der hervorragend geschriebenen fiktiven Autobiografie von Ranke Graves. Claudius war in seinen Entscheidungen zu abhängig von seinen Ehefrauen, denen er offensichtlich leichtgläubig und willenslos verfallen war. Er machte oft in der Öffentlichkeit einen lächerlichen, skurillen Eindruck, sein Wesen war sprunghaft und unberechenbar. Das Volk verhöhnte ihn, sah in ihm eher eine Witzfigur. Unverständlich ist auch, warum er seinen leiblichen Sohn Britannicus nicht die Thronfolge sicherte. Dass er andererseits ein geschickter Politiker gewesen sein muss, beweist letztlich, dass er die Empörungen des Camillus Scribianus im Jahr 42 oder die von Asinus Gallus im Jahr 46 überstand. Ebenso meisterte er die Staatskrise, die infolge der Affären seiner dritten Ehefrau Messalina im Jahr 48 entstand. Des Weiteren eroberte und sicherte er den Südosten Britanniens für das Römische Reich, er behauptete sich gegen Aufständische in Mauretanien. Neben seinen Ehefrauen war Claudius auch abhängig von seinen Freigelassenen, die er in Schlüsselstellungen des Staates einsetzte. Diese Freigelassenen wie Narcissus, Pallas oder Polybius setzten eine Zentralisierung der kaiserlichen Verwaltung um und sie wurden zunehmend von der Öffentlichkeit als die tatsächlichen Regenten wahr genommen. Abschließend zu Claudius: Achtbar geschlagen. Er war kein unfähiger, aber auch kein besonders fähiger Kaiser. Eben nur Mittelmaß, Durchschnitt.

(21.09.2012 20:33)Maxdorfer schrieb:  Kaiser Antoninus Pius (138-161): Obwohl das römische Reich unter ihm eine nie dargewesene und in der Geschichte riesiger Reiche weitestgehend einzigartige Blüte auf fast allen Bereichen der Zivilisation erlebte, ist er doch alles andere als unumstritten: Ihm wird vorgeworfen, lediglich von den guten Taten seiner Vorgänger (den schon erwähnten Kaisern Trajan und Hadrian) profitiert zu haben und in Wirklichkeit ein bequemer und untätiger, also quasi nutzloser Kaiser gewesen zu sein. Tatsächlich verließ er Italien während seiner ganzen Regierungszeit nicht ein einziges Mal.

Antoninus Pius ist für mich ein fähiger Kaiser. Während seiner Regierungszeit wurde kein Krieg begonnen, die 23 Jahre seiner Herrschaft erscheinen uns heute als ereignisarm. Das bedeutet: kaum Aufstände, keine Machtkämpfe, kein Bürgerkrieg. Die Außenpolitik strebte nur nach Wahrung des Besitzstandes. Die Wirtschaft und der Handel florierten. Die Rechtssprechung war human und die Finanzpolitik war sparsam. Ich denke, den damaligen Menschen ging es gut. Ihnen blieb Krieg, Armut oder Seuchen erspart. Und dass Antoninus Pius dies erhielt und nicht durch ehrgeizige, kostspielige Kriege verspielte, zeigt, dass er ein guter und fähiger Herrscher war.

(21.09.2012 20:33)Maxdorfer schrieb:  Kaiser Diokletian (284-305): Er war derjenige, der das Reich von der Reichskrise des dritten Jahrhunderts befreite, die Provinzen soweit wiederherstellte, die Wirtschaft und Kultur langsam wieder zu fördern begann, und der allgemein auch als guter Kaiser dargestellt wird. Seine Verdienste sind unumstritten. Doch war es nicht vielleicht sein System, die Tetrarchie oder allgemein das absolute Kaisertum der Spätantike, das den Untergang des (west)römischen Reiches hervorrief? War er derjenige, der nicht genügend Weitsicht zeigte, um zu erkennen, welches System die Römer brauchten?

Diokletian war ebenfalls ein fähiger Herrscher. Seinen Reformen ist es zu verdanken, dass das Römische Reich nicht Ende des 3. oder im 4. Jahrhundert zerfiel. Das Dominat war schon das richtige System, ebenso die Trennung von Militär- und Zivilverwaltungen. Diokletian konnte die Rheinlinie gegen Franken und Alamannen behaupten, er erneuerte die Herrschaft der Römer in Britannien und er schlug Unruhen in Ägypten nieder.

Das System der Tetrarchie erscheint mir zu künstlich, zu kopflastig, zu sehr auf die Loyalität der Tetrarchen untereinander aufgebaut zu sein. Für jede Reichshälfte ein Augustus, dem ein Cäsar als potentieller Nachfolger unterordnet ist. Da ist es blauäugig, zu glauben, es gebe keine Machtkämpfe zwischen vier (mehr oder weniger) ambitionierten Herrschern.
Wahrscheinlich verachtete Diokletian monarchische, dynastische Systeme. Er war sicher davon überzeugt, dass fähige Männer wie er, über die militärischen und zivilen Möglichkeiten aufgrund ihrer Leistungen und mit Hilfe Mentoren in die höchsten Ämter aufsteigen konnten.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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29.10.2012, 21:52
Beitrag: #26
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
(29.10.2012 16:39)Sansavoir schrieb:  
(21.09.2012 20:33)Maxdorfer schrieb:  Kaiser Claudius (41-54): Er war nicht für den Kaiserthron vorgesehen und wurde quasi von allen seinen Verwandten gehasst, von Augustus, Livia und Tiberius über Caligula bis hin zu den verschiedenen anderen Verwandten des Hauses, die nicht an die Macht gelangten. Allgemein gilt er als unfähiger, sabbernder, stotternder Herrscher, der vollkommen von seinen Ehefrauen (Messalina und Agrippina) bestimmt war. Doch er war ein sehr gebildeter und weitsichtiger Historiker, und besonders der Schriftsteller Robert von Ranke Graves hat in seiner fiktiven Autobiographie "Ich, Claudius, Kaiser und Gott" ein völlig anderes Bild geschaffen, das eines intelligenten, geschickten und vorsichtig, aber nicht unentschlossen taktierenden Herrschers.

Ich halte Claudius für einen mittelmäßigen Herrscher und das trotz der hervorragend geschriebenen fiktiven Autobiografie von Ranke Graves. Claudius war in seinen Entscheidungen zu abhängig von seinen Ehefrauen, denen er offensichtlich leichtgläubig und willenslos verfallen war. Er machte oft in der Öffentlichkeit einen lächerlichen, skurillen Eindruck, sein Wesen war sprunghaft und unberechenbar. Das Volk verhöhnte ihn, sah in ihm eher eine Witzfigur. Unverständlich ist auch, warum er seinen leiblichen Sohn Britannicus nicht die Thronfolge sicherte. Dass er andererseits ein geschickter Politiker gewesen sein muss, beweist letztlich, dass er die Empörungen des Camillus Scribianus im Jahr 42 oder die von Asinus Gallus im Jahr 46 überstand. Ebenso meisterte er die Staatskrise, die infolge der Affären seiner dritten Ehefrau Messalina im Jahr 48 entstand. Des Weiteren eroberte und sicherte er den Südosten Britanniens für das Römische Reich, er behauptete sich gegen Aufständische in Mauretanien. Neben seinen Ehefrauen war Claudius auch abhängig von seinen Freigelassenen, die er in Schlüsselstellungen des Staates einsetzte. Diese Freigelassenen wie Narcissus, Pallas oder Polybius setzten eine Zentralisierung der kaiserlichen Verwaltung um und sie wurden zunehmend von der Öffentlichkeit als die tatsächlichen Regenten wahr genommen. Abschließend zu Claudius: Achtbar geschlagen. Er war kein unfähiger, aber auch kein besonders fähiger Kaiser. Eben nur Mittelmaß, Durchschnitt.

Da kann man sich auf der Mitte treffen.

(29.10.2012 16:39)Sansavoir schrieb:  
(21.09.2012 20:33)Maxdorfer schrieb:  Kaiser Antoninus Pius (138-161): Obwohl das römische Reich unter ihm eine nie dargewesene und in der Geschichte riesiger Reiche weitestgehend einzigartige Blüte auf fast allen Bereichen der Zivilisation erlebte, ist er doch alles andere als unumstritten: Ihm wird vorgeworfen, lediglich von den guten Taten seiner Vorgänger (den schon erwähnten Kaisern Trajan und Hadrian) profitiert zu haben und in Wirklichkeit ein bequemer und untätiger, also quasi nutzloser Kaiser gewesen zu sein. Tatsächlich verließ er Italien während seiner ganzen Regierungszeit nicht ein einziges Mal.

Antoninus Pius ist für mich ein fähiger Kaiser. Während seiner Regierungszeit wurde kein Krieg begonnen, die 23 Jahre seiner Herrschaft erscheinen uns heute als ereignisarm. Das bedeutet: kaum Aufstände, keine Machtkämpfe, kein Bürgerkrieg. Die Außenpolitik strebte nur nach Wahrung des Besitzstandes. Die Wirtschaft und der Handel florierten. Die Rechtssprechung war human und die Finanzpolitik war sparsam. Ich denke, den damaligen Menschen ging es gut. Ihnen blieb Krieg, Armut oder Seuchen erspart. Und dass Antoninus Pius dies erhielt und nicht durch ehrgeizige, kostspielige Kriege verspielte, zeigt, dass er ein guter und fähiger Herrscher war.

Da wäre ich mir gar nicht so sicher. Aber selbst wenn er nicht fähig war, sah er das doch wenigstens ein und beschränkte seine Aktivitäten auf einen sehr kleinen Radius. Das muss man ihm hoch anrechnen.

(29.10.2012 16:39)Sansavoir schrieb:  
(21.09.2012 20:33)Maxdorfer schrieb:  Kaiser Diokletian (284-305): Er war derjenige, der das Reich von der Reichskrise des dritten Jahrhunderts befreite, die Provinzen soweit wiederherstellte, die Wirtschaft und Kultur langsam wieder zu fördern begann, und der allgemein auch als guter Kaiser dargestellt wird. Seine Verdienste sind unumstritten. Doch war es nicht vielleicht sein System, die Tetrarchie oder allgemein das absolute Kaisertum der Spätantike, das den Untergang des (west)römischen Reiches hervorrief? War er derjenige, der nicht genügend Weitsicht zeigte, um zu erkennen, welches System die Römer brauchten?

Diokletian war ebenfalls ein fähiger Herrscher. Seinen Reformen ist es zu verdanken, dass das Römische Reich nicht Ende des 3. oder im 4. Jahrhundert zerfiel. Das Dominat war schon das richtige System, ebenso die Trennung von Militär- und Zivilverwaltungen. Diokletian konnte die Rheinlinie gegen Franken und Alamannen behaupten, er erneuerte die Herrschaft der Römer in Britannien und er schlug Unruhen in Ägypten nieder. Das System der Tetrarchie erscheint mir zu künstlich, zu kopflastig, zu sehr auf die Loyalität der Tetrarchen untereinander aufgebaut zu sein. Für jede Reichshälfte ein Augustus, dem ein Cäsar als potentieller Nachfolger unterordnet ist. Da ist es blauäugig, zu glauben, es gebe keine Machtkämpfe zwischen vier (mehr oder weniger) ambitionierten Herrschern. Wahrscheinlich verachtete Diokletian monarchische, dynastische Systeme. Er war sicher davon überzeugt, dass fähige Männer wie er, über die militärischen und zivilen Möglichkeiten aufgrund ihrer Leistungen und mit Hilfe Mentoren in die höchsten Ämter
aufsteigen konnten.

Das erinnert mich an Napoleon: Fähiger Herrscher, guter Reformer, aber er arbeitete doch auf eine quasi unmöglich zu erreichende Utopie hin.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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29.10.2012, 21:58
Beitrag: #27
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
Man sieht ja jetzt schon: Meistens kann man sich auf der Mitte einigen, was einen gewissen Kaiser angeht. Es ist völlig normal, dass mehr Kaiser ganz normal sind als wir es uns meistens denken. Die antiken Historiker waren halt entweder Klatschtanten, die einen Kaiser entweder verehrten oder vergöttlichten (je nach dem, ob er nach dem Tod die Divinisierung oder die Verdammung des Andenkens erhalten hatte), die spätantiken beurteilten wegen ihrer christlichen Sichtweise (Bischöfe, Mönche) die Kaiser nur danach, ob sie Christenverfolgungen begangen hatten und richteten ihre ganze restliche Wertung danach aus.

Auf diese Weise werden die Herrscher des römischen Reiches zu Zerrbildern der Geschichtsschreibung (wie, glaube ich, auch eine Vitellius-Biographie heißt). Viele Historiker bis ins 20. Jahrhundert hinein haben sich daran gehalten, da ihnen archäologische und andere Quellen fehlten und die vorhandenen Darstellungen nicht quellenkritisch bearbeitet wurden.
Ein gutes Beispiel: http://archive.org/details/geschichtederrm00goog
Und bis in die heutige Zeit gibt es populärwissenschaftliche Darstellungen (wie beispielsweise für Byzanz die von Norwich), die von Nicht-Historikern geschrieben wurden und sich deshalb (auch wenn dies nicht zwingend notwendig ist) eher auf literarische und damit einseitige Quellen stützen.

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30.10.2012, 00:51
Beitrag: #28
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
(29.10.2012 16:39)Sansavoir schrieb:  Ich halte Claudius für einen mittelmäßigen Herrscher und das trotz der hervorragend geschriebenen fiktiven Autobiografie von Ranke Graves. Claudius war in seinen Entscheidungen zu abhängig von seinen Ehefrauen, denen er offensichtlich leichtgläubig und willenslos verfallen war. Er machte oft in der Öffentlichkeit einen lächerlichen, skurillen Eindruck, sein Wesen war sprunghaft und unberechenbar. Das Volk verhöhnte ihn, sah in ihm eher eine Witzfigur. Unverständlich ist auch, warum er seinen leiblichen Sohn Britannicus nicht die Thronfolge sicherte. Dass er andererseits ein geschickter Politiker gewesen sein muss, beweist letztlich, dass er die Empörungen des Camillus Scribianus im Jahr 42 oder die von Asinus Gallus im Jahr 46 überstand. Ebenso meisterte er die Staatskrise, die infolge der Affären seiner dritten Ehefrau Messalina im Jahr 48 entstand. Des Weiteren eroberte und sicherte er den Südosten Britanniens für das Römische Reich, er behauptete sich gegen Aufständische in Mauretanien. Neben seinen Ehefrauen war Claudius auch abhängig von seinen Freigelassenen, die er in Schlüsselstellungen des Staates einsetzte. Diese Freigelassenen wie Narcissus, Pallas oder Polybius setzten eine Zentralisierung der kaiserlichen Verwaltung um und sie wurden zunehmend von der Öffentlichkeit als die tatsächlichen Regenten wahr genommen. Abschließend zu Claudius: Achtbar geschlagen. Er war kein unfähiger, aber auch kein besonders fähiger Kaiser. Eben nur Mittelmaß, Durchschnitt.
(29.10.2012 21:52)Maxdorfer schrieb:  Da kann man sich auf der Mitte treffen.

Stimmt, gehe ich mit.

(29.10.2012 16:39)Sansavoir schrieb:  Antoninus Pius ist für mich ein fähiger Kaiser. Während seiner Regierungszeit wurde kein Krieg begonnen, die 23 Jahre seiner Herrschaft erscheinen uns heute als ereignisarm. Das bedeutet: kaum Aufstände, keine Machtkämpfe, kein Bürgerkrieg. Die Außenpolitik strebte nur nach Wahrung des Besitzstandes. Die Wirtschaft und der Handel florierten. Die Rechtssprechung war human und die Finanzpolitik war sparsam. Ich denke, den damaligen Menschen ging es gut. Ihnen blieb Krieg, Armut oder Seuchen erspart. Und dass Antoninus Pius dies erhielt und nicht durch ehrgeizige, kostspielige Kriege verspielte, zeigt, dass er ein guter und fähiger Herrscher war.
(29.10.2012 21:52)Maxdorfer schrieb:  Da wäre ich mir gar nicht so sicher. Aber selbst wenn er nicht fähig war, sah er das doch wenigstens ein und beschränkte seine Aktivitäten auf einen sehr kleinen Radius. Das muss man ihm hoch anrechnen.

Er war klug genug, keine schwerwiegenden Fehler zu machen.

(29.10.2012 16:39)Sansavoir schrieb:  Diokletian war ebenfalls ein fähiger Herrscher. Seinen Reformen ist es zu verdanken, dass das Römische Reich nicht Ende des 3. oder im 4. Jahrhundert zerfiel. Das Dominat war schon das richtige System, ebenso die Trennung von Militär- und Zivilverwaltungen. Diokletian konnte die Rheinlinie gegen Franken und Alamannen behaupten, er erneuerte die Herrschaft der Römer in Britannien und er schlug Unruhen in Ägypten nieder. Das System der Tetrarchie erscheint mir zu künstlich, zu kopflastig, zu sehr auf die Loyalität der Tetrarchen untereinander aufgebaut zu sein. Für jede Reichshälfte ein Augustus, dem ein Cäsar als potentieller Nachfolger unterordnet ist. Da ist es blauäugig, zu glauben, es gebe keine Machtkämpfe zwischen vier (mehr oder weniger) ambitionierten Herrschern. Wahrscheinlich verachtete Diokletian monarchische, dynastische Systeme. Er war sicher davon überzeugt, dass fähige Männer wie er, über die militärischen und zivilen Möglichkeiten aufgrund ihrer Leistungen und mit Hilfe Mentoren in die höchsten Ämter aufsteigen konnten.
(29.10.2012 21:52)Maxdorfer schrieb:  Das erinnert mich an Napoleon: Fähiger Herrscher, guter Reformer, aber er arbeitete doch auf eine quasi unmöglich zu erreichende Utopie hin.

Guter Vergleich.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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30.10.2012, 13:16
Beitrag: #29
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
(29.10.2012 16:39)Sansavoir schrieb:  Kaiser Claudius (41-54): Er war nicht für den Kaiserthron vorgesehen und wurde quasi von allen seinen Verwandten gehasst, von Augustus, Livia und Tiberius über Caligula bis hin zu den verschiedenen anderen Verwandten des Hauses, die nicht an die Macht gelangten. Allgemein gilt er als unfähiger, sabbernder, stotternder Herrscher, der vollkommen von seinen Ehefrauen (Messalina und Agrippina) bestimmt war. Doch er war ein sehr gebildeter und weitsichtiger Historiker,

Claudius war der typische Fall eines Spezialisten, der als Herrscher einfach nicht geeignet war. Als Historiker nämlich muss er erste Sahne gewesen sein, allerdings als apolitischer Historiker.
Naja, so apolitisch nu auch wieder nicht, immerhin galt er als Spezialist für die Etrusker. Die wiederum stellten die römischen Könige, insofern war seine Thema in einer Zeit der faktischen Wiedererrichtung der Monarchie schon auch politisch...

VG
Christian
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26.01.2013, 22:40
Beitrag: #30
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
Wie sieht es eigentlich mit Tiberius aus? An ihm hatten die Geschichtsschreiber ja einiges auszusetzen und auch heute wird er in der Forschung noch sehr kritisch beurteilt. Die Berichte von Tacitus und anderen römischen Geschichtsschreiber zeichnen das Bild eines Misantropen, der mit seiner Rolle als Kaiser nicht recht umzugehen weiß und der sich am Ende seines Lebens in Exzessen verliert. Nun habe ich freilich nicht so viel über Tiberius gelesen, jedoch scheint mir, als wäre sein Prinzipat für das RR gar nicht so schlecht gewesen. Er hat die Grenzen des Reiches konsolidiert und eine durchaus vernünftige Finanzpolitik betrieben, so stand seinem Nachfolger ein großer Staatsschatz zur Verfügung und auch außenpolitisch hat er teilweise sehr gut gehandelt, man beachte nur, wie er die Krise mit den Parthern meisterte. Tiberius Entscheidung, keine weiteren Feldzüge gegen die Germanen zu führen, mag bei Germanicus und den Römern auf Widerstand gestoßen sein, aus politischer Perspektive war dieser Entschluss jedoch logisch und sicherlich die für Rom günstigste Entscheidung (Germanicus Expeditionen über den Rhein kann man bestenfalls einen durchwachsenen Erfolg zugestehen und die dafür einesetzten Legionen fehlten anderswo). Tiberius Umgang mit potenziellen Verrätern war gnadenlos, keine Frage, aber mich würde interessieren, wie sich seine Herrschaft auf die einfachen Römer in den Provinzen ausgewirkt haben dürfte. Die Hochverräter-Prozesse beschränkten sich soweit ich weiß auf die Oberschicht und nach allem, was ich gelesen habe, soll Tiberius zumindest in den ersten Jahren seines Prinzipat einige wichtige Justizreformen angestoßen haben.

Nun mag Tiberius viele Fehler begangen haben, aber selbst seine Zeit als Nesiarch dürfte für das RR besser gewesen sein als die Herrschaft manch anderer Kaiser, die man gemeinhin als "unfähig" ansieht. Bei der Wahl seines Nachfolgers hätte er ein besseres Händchen haben können, aber fairerweise sollte man bedenken, dass es ihm an Alternativen mangelte und dass er Caligula das Römische Reich in geordneten Verhältnissen übergab.
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27.01.2013, 10:27
Beitrag: #31
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
Willkommen im Forum, TobiasM! Tiberius ist in der Tat auch ein sehr interessanter Kaiser.

(26.01.2013 22:40)TobiasM schrieb:  Wie sieht es eigentlich mit Tiberius aus? An ihm hatten die Geschichtsschreiber ja einiges auszusetzen und auch heute wird er in der Forschung noch sehr kritisch beurteilt.

Die antiken Autoren hackten auf jedem Kaiser der julisch-claudischen Dynastie herum (von Augustus abgesehen) und das lag mit Sicherheit nicht an ihrer Degeneration oder den schlechten Genen in der Familie. Die späteren Autoren mussten die letzten Herrscher einer Dynastie immer möglichst negativ darstellen, um den Dynastiewechsel nachträglich zu legitimieren.

(26.01.2013 22:40)TobiasM schrieb:  Die Berichte von Tacitus und anderen römischen Geschichtsschreiber zeichnen das Bild eines Misantropen, der mit seiner Rolle als Kaiser nicht recht umzugehen weiß und der sich am Ende seines Lebens in Exzessen verliert. Nun habe ich freilich nicht so viel über Tiberius gelesen,

Wie gesagt, den antiken Klatschtanten war es gerade recht, Geschichten von Homosexualität in ihren perversesten Formen, Brutalität und Verbitterung im hohen Alter weiterzuerzählen. Und Sueton, Tacitus und co., die ich an für sich für gar nicht so schlechte Historiker halte (siehe mein Diskussionsbeitrag zu Tacitus), ließen sich natürlich davon beeinflussen. Was die heutigen Historiker angeht, so zeigen sie bei manchem Kaiser zu viel (Nero), bei anderen zu wenig Kritik an den Quellen - zu letzterer Kategorie könnte auch Tiberius gehören. Ausführlichere Biographien habe ich zu ihm aber auch noch nicht gelesen.

(26.01.2013 22:40)TobiasM schrieb:  jedoch scheint mir, als wäre sein Prinzipat für das RR gar nicht so schlecht gewesen. Er hat die Grenzen des Reiches konsolidiert und eine durchaus vernünftige Finanzpolitik betrieben, so stand seinem Nachfolger ein großer Staatsschatz zur Verfügung und auch außenpolitisch hat er teilweise sehr gut gehandelt, man beachte nur, wie er die Krise mit den Parthern meisterte. Tiberius Entscheidung, keine weiteren Feldzüge gegen die Germanen zu führen, mag bei Germanicus und den Römern auf Widerstand gestoßen sein, aus politischer Perspektive war dieser Entschluss jedoch logisch und sicherlich die für Rom günstigste Entscheidung (Germanicus Expeditionen über den Rhein kann man bestenfalls einen durchwachsenen Erfolg zugestehen und die dafür einesetzten Legionen fehlten anderswo).

Zuerst einmal muss man sagen dass Tiberius natürlich von seinem Vorgänger Augustus profitierte, den man definitiv zu den fähigen Kaisern einordnen kann. Doch während der ganzen julisch-claudischen Dynastie ging es den Provinzen Roms generell ziemlich gut. Es ist doch auffällig, dass die erste gefährlichere Usurpation erst 14 Jahre nach Beginn von Neros Herrschaft und 54 Jahre nach Tiberius' Herrschaftsantritt begann. Den Quellen nach plante Nero, den Germaneneinfällen dadurch zu begegnen, dass er sich singend vor ihre Soldaten stellte und diese so zu tränen rührte. Die pax Augusta war die ganzen Jahre davor trotz Tiberius, Caligula, Claudius und Nero nie wirklich in Gefahr gewesen. Hatte es Unruhen gegeben, so waren diese entweder an den Grenzen (bspw. nach Germanien) oder in Rom ausgebrochen.
Gerade das macht es so schwer, Tiberius zu beurteilen. Natürlich, das Reich war friedlich, doch das war es unter Nero lange Zeit auch.

Mit großen innovativen Kaisern (Trajan, Hadrian, Augustus) hätte Tiberius nicht mithalten können, das steht für mich fest. Aber er war auch alles andere als schädlich für das Reich und wie du erwähnt hast, hat er ja einige sehr weise Entscheidungen getroffen. Ich würde ihn deshalb mit Antoninus Pius vergleichen (siehe Beitrag 28), zu dem User Sansavoir schrieb: "Er war klug genug, keine schwerwiegenden Fehler zu machen". Tiberius veränderte das Herrschafts- und Verwaltungssystem nicht und führte es gut fort.

(26.01.2013 22:40)TobiasM schrieb:  Tiberius Umgang mit potenziellen Verrätern war gnadenlos, keine Frage, aber mich würde interessieren, wie sich seine Herrschaft auf die einfachen Römer in den Provinzen ausgewirkt haben dürfte. Die Hochverräter-Prozesse beschränkten sich soweit ich weiß auf die Oberschicht und nach allem, was ich gelesen habe, soll Tiberius zumindest in den ersten Jahren seines Prinzipat einige wichtige Justizreformen angestoßen haben.

Dass er brutal gegen Verräter vorging, ist staatspolitische Klugheit. Dass er eventuell unbegründete Anschuldigungen wegen Hochverrat vorbrachte, dass er Sejanus an die Macht ließ und dass er sich nach Capri zurückzog, liegt für mich ziemlich klar an seinem Alter. Ab einem gewissen Alter verstockt man eben und kann beispielsweise die Regierung nicht mehr so gut führen. Und Tiberius gelangte erst mit 56 Jahren an die Macht und starb mit 78 (in der damaligen Zeit, wo dies ein außergewöhnliches Alter war)!!!
Soweit ich das im Kopf habe, war die Regierung des Tiberius für die meisten Provinzen des römischen Reiches eine Zeit des Friedens und wachsenden Wohlstands. Wenn ich die Zeit dazu finde, kann ich das ja mal für die einzelnen Regionen überprüfen.

(26.01.2013 22:40)TobiasM schrieb:  Nun mag Tiberius viele Fehler begangen haben, aber selbst seine Zeit als Nesiarch dürfte für das RR besser gewesen sein als die Herrschaft manch anderer Kaiser, die man gemeinhin als "unfähig" ansieht. Bei der Wahl seines Nachfolgers hätte er ein besseres Händchen haben können, aber fairerweise sollte man bedenken, dass es ihm an Alternativen mangelte und dass er Caligula das Römische Reich in geordneten Verhältnissen übergab.

MEIN FAZIT: Tiberius alleine ist es nicht anzurechnen, dass das Reich eine derartige Blütezeit erlebte. Doch das System seines Vorgängers Augustus behielt er klugerweise weitestgehend bei und handelte, wo nötig, relativ umsichtig. Und all dies, obwohl Augustus ihm immer wieder gezeigt hatte, dass er nur eine "Notlösung" als Nachfolger war. In Familien- und Hofangelegenheiten agierte er - vielleicht gerade deswegen, vielleicht aber auch wegen seines Alters - weit weniger geschickt, und in der Nachfolge hätte er sich vielleicht mehr Gedanken machen müssen.
Doch seine Fehler sind wohl das Produkt eines unglücklichen Lebens: Nach der Scheidung von seiner geliebten Frau wurde erst mit Augustus' Tochter Julia verheiratet, später als unerwünschter Nachfolger gesehen und schließlich, als er auf dem Thron saß, von der Sejanus-Intrige geplagt. Unter diesen Umständen werden seine Fehler erklärbar.

Dies ist zumindest meine Sicht, ich hoffe, dass sie nicht allein meinem "jugendlichen Idealismus" (wie Bunbury es neulich formulierte) entspringt.

Viele Grüße,
der Maxdorfer

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27.01.2013, 10:28
Beitrag: #32
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
(26.01.2013 22:40)TobiasM schrieb:  Nun mag Tiberius viele Fehler begangen haben, aber selbst seine Zeit als Nesiarch dürfte für das RR besser gewesen sein als die Herrschaft manch anderer Kaiser, die man gemeinhin als "unfähig" ansieht.

Stimmt. Insbesondere vor seiner Zeit als Kaiser hat er Erfahrungen sammeln können bei der Niederschlagung von Aufständen (v.a. in Pannonien), was seine spätere Politik als Kaiser bestimmte. Vor Aufständen hatte er einen Horror (der pannonische Aufstand konnte nur mit Müh und Not niedergeschlagen werden, dafür musste Tiberius eine von Augustus beauftragte Strafexpedition nach Germanien (!) abbrechen), inneere Stabilität und Sicherheit war ihm oberste Priorität, und daher rührt wohl auch seine Paranoia in späteren Jahren her (die zwar von Seianus noch forciert wurde, aber auch ohne den Präfekten vorhanden war). Die vielen Prozesse wegen Majestätsbeleidigung richteten sich vorwiegend gegen Mitglieder des römischen Adels, die auch die Geschichtsschreibung besorgten. Daher wohl der äußerst schlechte Ruf des Tiberius...

VG
Christian
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27.01.2013, 18:16
Beitrag: #33
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
Der schlechte Ruf von Tiberius entstand doch erst, als er nach Capri zog, wo er zunehmend dem Einfluss und der Kontrolle von Seianus ausgesetzt war. Unter Augustus war Tiberius ein pflichtbewusster und loyaler Feldherr, in seinen ersten Regierungsjahren erwies er sich als fähiger Herrscher.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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28.01.2013, 10:12
Beitrag: #34
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
(27.01.2013 18:16)Sansavoir schrieb:  Der schlechte Ruf von Tiberius entstand doch erst, als er nach Capri zog, wo er zunehmend dem Einfluss und der Kontrolle von Seianus ausgesetzt war. Unter Augustus war Tiberius ein pflichtbewusster und loyaler Feldherr, in seinen ersten Regierungsjahren erwies er sich als fähiger Herrscher.

Kann es dementsprechend auch sein, dass die Behauptung, Augustus hätte Tiberius verachtet und als Nachfolger nie gewollt, in dessen später Regierungszeit entstanden ist?

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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28.01.2013, 19:08
Beitrag: #35
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
Zitat:Kann es dementsprechend auch sein, dass die Behauptung, Augustus hätte Tiberius verachtet und als Nachfolger nie gewollt, in dessen später Regierungszeit entstanden ist?

Nein, dagegen spricht, dass Augustus in seinem Testament wörtlich erwähnt, dass er Tiberius nur adoptiere, da ihm unglücklicherweise beide Söhne vorher genommen worden sind. (so, oder so ähnlich). Ich denke, dass das nicht misverstanden worden ist, schon so gemeint war. Das muss für Tiberius ein gewaltiger Schlag gewesen sein, eine riesige Erniedrigung, die sicher seinen Ressentiments weiteren Aufschub gegeben haben.

Wer die Vergangheit nicht achtet, dem kann es die Zukunft kosten

"Im übrigen, mein Sohn, lass dich warnen! Es nimmt kein Ende mit dem vielem Bücherschreiben und viel studieren ermüdet den Leib!" Kohelet 12,12
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30.01.2013, 03:33
Beitrag: #36
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
Danke für das freundliche Willkommen^^.

(28.01.2013 10:12)Maxdorfer schrieb:  Kann es dementsprechend auch sein, dass die Behauptung, Augustus hätte Tiberius verachtet und als Nachfolger nie gewollt, in dessen später Regierungszeit entstanden ist?

Verachtet ist meiner Ansicht nach ein zu starkes Wort, schließlich wurde Tiberius von Augustus immer wieder mit sehr wichtigen Aufgaben bedacht. Er hielt ihn sicher für einen fähigen Feldherrn, aber wahrscheinlich erkannte Augustus, dass Tiberius im Grunde seines Wesens nicht geeignet für das Amt des Kaisers war, zu diesem Eindruck muss er spätestens nach Tiberius erstem Rückzug aus Rom gekommen sein. Und das Tiberius schon aufgrund seines für damalige Verhältnisse fortgeschrittenem Alter nicht der Wunschkandidat des Augustus sein konnte, ist ja ziemlich offensichtlich. Niemand hätte voraussagen können, dass Tiberius noch so lange leben würde (gab es eigentlich noch einen römischen Kaiser, der ein höheres Alter erreichte?) und Augustus wollte die von ihm etablierte Dynastie bestimmt nicht destabilisieren, was im Falle eines frühen Todes des Tiberius kurz nach dem des Augustus wahrscheinlich passiert wäre.

Augustus wollte bestimmt einen seiner Enkel als seinen Nachfolger sehen, aber die sind eben sehr jung gestorben, vermutlich weil sie sich rasch auszeichnen wollten um ihre Ansprüche zu untermauern. Vermutlich wäre es für alle Beteiligten das Beste gewesen, wenn L. Caesar oder G. Caesar der neue Princeps geworden wäre, Tiberius war den Anforderungen des Amtes vielleicht nicht geistig aber doch charakterlich nicht gewachsen. Wie auszehrend die Bürgerkrone war kann man schließlich an Augustus beobachten, den in seinen letzten Jahren zahlreiche Schicksalsschlägen plagten und der darunter sehr gelitten haben sein soll (falls man Sueton glauben will heißt das).
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30.01.2013, 16:09
Beitrag: #37
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
Kaiser Claudius war bevor er Kaiser wurde Etruskologe und schrieb Bücher, die leider nicht erhalten sind. Die Bücher werden von Wicki abqualifiziert, warum weiß ich nicht, denn die haben sie auch nicht gelesen. Es sind doch keine Doktorarbeiten von Politikern und wenn wäre auch nichts gegen Abschreiben einzuwenden. Jedenfalls wären die heutigen Etruskologen stolz und glücklich wenn sie diese Bücher hätten, denn in ihnen steht alles drin was wir über die Etrusker, die damals noch lebten, nicht wissen.

Claudius war in Großbritannien als es von den Römern unterworfen wurde. Als Kaiser hatte er automatisch den Oberbefehl über die römische Armee. Näheres weiß ich nicht. Er hat sich vermutlich nicht dümmer oder klüger angestellt als andere Oberbefehlshaber. Jeder römische Patrizier mußte befehigt sein eine Armee zu führen.
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30.01.2013, 17:47
Beitrag: #38
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
(30.01.2013 03:33)TobiasM schrieb:  
(28.01.2013 10:12)Maxdorfer schrieb:  Kann es dementsprechend auch sein, dass die Behauptung, Augustus hätte Tiberius verachtet und als Nachfolger nie gewollt, in dessen später Regierungszeit entstanden ist?

Verachtet ist meiner Ansicht nach ein zu starkes Wort, schließlich wurde Tiberius von Augustus immer wieder mit sehr wichtigen Aufgaben bedacht. Er hielt ihn sicher für einen fähigen Feldherrn, aber wahrscheinlich erkannte Augustus, dass Tiberius im Grunde seines Wesens nicht geeignet für das Amt des Kaisers war, zu diesem Eindruck muss er spätestens nach Tiberius erstem Rückzug aus Rom gekommen sein. Und das Tiberius schon aufgrund seines für damalige Verhältnisse fortgeschrittenem Alter nicht der Wunschkandidat des Augustus sein konnte, ist ja ziemlich offensichtlich. Niemand hätte voraussagen können, dass Tiberius noch so lange leben würde (gab es eigentlich noch einen römischen Kaiser, der ein höheres Alter erreichte?) und Augustus wollte die von ihm etablierte Dynastie bestimmt nicht destabilisieren, was im Falle eines frühen Todes des Tiberius kurz nach dem des Augustus wahrscheinlich passiert wäre.

Augustus wollte bestimmt einen seiner Enkel als seinen Nachfolger sehen, aber die sind eben sehr jung gestorben, vermutlich weil sie sich rasch auszeichnen wollten um ihre Ansprüche zu untermauern. Vermutlich wäre es für alle Beteiligten das Beste gewesen, wenn L. Caesar oder G. Caesar der neue Princeps geworden wäre, Tiberius war den Anforderungen des Amtes vielleicht nicht geistig aber doch charakterlich nicht gewachsen. Wie auszehrend die Bürgerkrone war kann man schließlich an Augustus beobachten, den in seinen letzten Jahren zahlreiche Schicksalsschlägen plagten und der darunter sehr gelitten haben sein soll (falls man Sueton glauben will heißt das).

Klingt einleuchtend.

(30.01.2013 03:33)TobiasM schrieb:  (gab es eigentlich noch einen römischen Kaiser, der ein höheres Alter erreichte?)

Der Kaiser Gordian I. war der Überlieferung zufolge schon über 80 Jahre alt, als er sich zusammen mit seinem Sohn Gordian II. im Jahre 238 gegen die Herrschaft des Maximinus Thrax auflehnte:
http://de.wikipedia.org/wiki/Gordian_I.
Seine Herrschaft dauerte dann aber auch nur einen Monat...

Die weiteren "Plätze" belegen:
Tiberius mit 78 Jahren wohl auf Platz 2.
Kaiser Augustus, der mit 77 starb, auf Platz 3.
Dann Tacitus (reg. 275-276) (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Geschichtsschreiber), er kam mit 75 Jahren an die Macht und starb mit 76.
An fünfter Stelle könnte Diokletian (reg. 284-305) stehen, der (jenachdem, wie man sein Geburtsjahr ansetzt) mit zwischen 76 und 67 Jahren starb. Abgedankt hatte er aber auf jeden Fall sieben Jahre früher.
Ansonsten wäre da noch Vespasian (reg. 69-79) (starb mit 70), der Rest war unter 70.

Wenn man das frühe Ostrom mit einbezöge, gäbe es da noch Leo I. (reg. 457-474), der mit 73 starb.
Der absolute Favorit wäre dann aber Anastasios I. (reg. 491-518), der ein Alter von ungefähr 88 Jahren erreichte! Trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen? - soll er ein sehr guter Herrscher gewesen sein.

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30.01.2013, 17:55
Beitrag: #39
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
(30.01.2013 16:09)Harald1 schrieb:  Kaiser Claudius war bevor er Kaiser wurde Etruskologe und schrieb Bücher, die leider nicht erhalten sind. Die Bücher werden von Wicki abqualifiziert, warum weiß ich nicht, denn die haben sie auch nicht gelesen. Es sind doch keine Doktorarbeiten von Politikern und wenn wäre auch nichts gegen Abschreiben einzuwenden. Jedenfalls wären die heutigen Etruskologen stolz und glücklich wenn sie diese Bücher hätten, denn in ihnen steht alles drin was wir über die Etrusker, die damals noch lebten, nicht wissen.

Alle antiken Schriften werden heute als nicht allzu wissenschaftlich eingestuft. Meist zu recht.

Die Etrusker als solche gab es zu Claudius' Zeiten nicht mehr als Volk, die Kultur befand sich höchstens in einigen Regionen Italiens noch in den letzten Zügen und im Kampf mit der römisch-latinischen Kultur (obwohl diese vieles von den Etruskern übernommen hat). Politisch waren sie längst Geschichte.
Aber natürlich waren Claudius haufenweise Quellen zugänglich, die heute verschollen sind.

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30.01.2013, 18:57
Beitrag: #40
RE: Rom - fähige und unfähige Kaiser:
(30.01.2013 16:09)Harald1 schrieb:  Kaiser Claudius war bevor er Kaiser wurde Etruskologe und schrieb Bücher, die leider nicht erhalten sind. Die Bücher werden von Wicki abqualifiziert, warum weiß ich nicht, denn die haben sie auch nicht gelesen. Es sind doch keine Doktorarbeiten von Politikern und wenn wäre auch nichts gegen Abschreiben einzuwenden. Jedenfalls wären die heutigen Etruskologen stolz und glücklich wenn sie diese Bücher hätten, denn in ihnen steht alles drin was wir über die Etrusker, die damals noch lebten, nicht wissen.
Und wahrscheinlich noch mehr. Claudius war Experte für die Etrusker (und wurde deshalb von seinen Zeitgenossen belächelt) und konnte als einer von wenigen Zeitgenossen sogar noch Etruskisch sprechen! Als Historiker war Claudius anerkannt, nicht einmal Sueton kritisiert ihn deshalb fachlich (acuh wenn er es für unpassend hält, dass ein Kaiser sich mit Geschichtsschreibung befasst...)

Nicht auszudenken, welche Einzelheiten Claudius niedergeschrieben hat. Ist doch sogar seine relativ kurze Rede, die wir auf der Bronzetafel von Lyon überliefert bekommen haben, eine Fundgrube für die heutigen Historiker: Auf ihr erfahren wir etwas über den rätselhaften Mastarna. Ohne Claudius wüssten wir nur, dass es einen etruskischen Helden dieses Namens gegeben hat (aus dem Grab von Vulci, wo er in einer Wandmalerei verewigt ist, zusammen mit Vibenna und "Gnaeus Tarquinius aus Rom"). Claudius ist der einzige, der Mastarna mit Servius Tullius, dem römischen König gleichsetzt, obwohl das zu seiner Zeit Gelehrtenwissen gewesen sein dürfte (dass Livius eine ganz andere Geschichte vom Werdegang des Servius Tullius überliefert, stört dabei nicht weiter, denn die Herleitung von Servius´ Namen, der laut Livius aus dem lateinischen Wort servus = Sklave abgeleitet ist, hat schon sehr viel von Vulgärethymologie...entsprechend dürfte die ganze Livius-Geschichte über die Herkunft des Servius eher auf Volkssagen als auch auf gesicherte Erkenntnisse zurückgehen.)
Wenn er schon in so einer Rede derart wichtige Informationen unterbrachte, was hat er dann erst in den 41 Büchern seiner Etruskergeschichte geschrieben?!?

VG
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