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Tantalos (griech. Mythos)
21.08.2016, 08:53
Beitrag: #1
Tantalos (griech. Mythos)
TANTALOS

Tantalos, ein Sohn des Zeus, herrschte zu Sipylos in Phrygien und war außerordentlich reich und berühmt. Wenn je einen sterblichen Mann die olympischen Götter geehrt haben, so war es dieser. Seiner hohen Abstammung wegen wurde er zu ihrer vertrauten Freundschaft erhoben, zuletzt durfte er an der Tafel des Zeus speisen und alles mit anhören, was die Unsterblichen unter sich besprachen. Aber sein eitler Menschengeist vermochte das überirdische Glück nicht zu ertragen, und er fing an, mannigfaltig gegen die Götter zu freveln. Er verriet den Sterblichen die Geheimnisse der Götter; er entwendete von ihrer Tafel Nektar und Ambrosia und verteilte den Raub unter seine irdischen Genossen; er barg den köstlichen goldenen Hund, den ein anderer aus dem Tempel des Zeus zu Kreta gestohlen hatte, und als dieser ihn zurückforderte, leugnete er mit einem Eide ab, ihn erhalten zu haben. Endlich lud er im Übermut die Götter wieder zu Gaste, und um ihre Allwissenheit auf die Probe zu setzen, ließ er ihnen seinen eigenen Sohn Pelops schlachten und zurichten. Nur Demeter verzehrte von dem gräßlichen Gericht ein Schulterblatt; die übrigen Götter aber merkten den Greuel, warfen die zerstückelten Glieder des Knaben in einen Kessel, und die Moire Klotho zog ihn mit erneuter Schönheit hervor. Anstatt der verzehrten Schulter wurde eine elfenbeinerne eingesetzt.

Jetzt hatte Tantalos das Maß seiner Frevel erfüllt und wurde von den Göttern in die Hölle gestoßen. Hier wurde er von quälendem Leiden gepeinigt. Er stand mitten in einem Teiche, und die Wasser spielten ihm um das Kinn, dennoch litt er den brennendsten Durst und konnte den Trank, der ihm so nahe war, niemals erreichen. So oft er sich bückte und den Mund gierig ans Wasser bringen wollte, entschwand vor ihm die Flut versiegend, der dunkle Boden erschien zu seinen Füßen; ein Dämon schien den See ausgetrocknet zu haben. So litt er zugleich den peinigendsten Hunger. Hinter ihm strebten am Ufer des Teiches herrliche Fruchtbäume empor und wölbten ihre Äste über seinem Haupt. Wenn er sich emporrichtete, so lachten ihm saftige Birnen, rotwangige Äpfel, glühende Granaten, liebliche Feigen und grüne Olivenbeeren ins Auge; aber sobald er hinauflangte, sie mit seiner Hand zu fassen, so riß ein Sturmwind, der plötzlich angeflogen kam, die Zweige hoch hinauf zu den Wolken. Zu dieser Höllenpein gesellte sich beständige Todesangst, denn ein großes Felsenstück hing über seinem Haupte in der Luft und drohte unaufhörlich, auf ihn herabzustürzen. So ward dem Verächter der Götter, dem ruchlosen Tantalos, dreifache Qual, niemals endend, in der Unterwelt beschieden.

Einem Haus eine Bibliothek hinzuzufügen heißt, dem Haus eine Seele zu geben.

Marcus Tullius Cicero
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21.08.2016, 13:14
Beitrag: #2
RE: Tantalos (griech. Mythos)
Schöner Beitrag.
Wie sieht es aus- gibt es eine Deutung zu dem Mythos?

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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21.08.2016, 13:36
Beitrag: #3
RE: Tantalos (griech. Mythos)
(21.08.2016 08:53)Aurora schrieb:  TANTALOS
Nur Demeter verzehrte von dem gräßlichen Gericht ein Schulterblatt;
Hat das Bio-Label mit selbem Namen einen Bezug dazu?

Dass auf Untaten unmittelbar die gerechte Strafe folgt ist eine schöne Vorstellung. Diese Praxis hat sich leider nicht immer durchgesetzt.

"Es gibt nur eine Sache die größer ist als die Liebe zur Freiheit: Der Hass auf die Person, die sie dir weg nimmt."(Che Guevara)
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21.08.2016, 13:49
Beitrag: #4
RE: Tantalos (griech. Mythos)
(21.08.2016 13:14)Bunbury schrieb:  Schöner Beitrag.
Wie sieht es aus- gibt es eine Deutung zu dem Mythos?

Das weis ich nicht, liebe Bunbury Sad

Einem Haus eine Bibliothek hinzuzufügen heißt, dem Haus eine Seele zu geben.

Marcus Tullius Cicero
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21.08.2016, 18:40
Beitrag: #5
RE: Tantalos (griech. Mythos)
(21.08.2016 13:36)Triton schrieb:  
(21.08.2016 08:53)Aurora schrieb:  TANTALOS
Nur Demeter verzehrte von dem gräßlichen Gericht ein Schulterblatt;
Hat das Bio-Label mit selbem Namen einen Bezug dazu?

War das jetzt ernst gemeint?

Das Bio Label hat selbstverständlich einen Bezug zur Fruchtbarkeitsgöttin. Aber zum Schulterblatt- das wage ich dann doch zu bezweifeln....Wink

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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26.08.2016, 15:43
Beitrag: #6
RE: Tantalos (griech. Mythos)
ich wüsste jetz nicht, dass unter dem Demeter-Label Schulterblätter verkauft werden, und seien es nur Schweine- oder Rinderschulterblätter *grins*

Zur Deutung würde ich jetz einfach mal die alten Sprüche "Hochmut kommt vor dem Fall" und "wer hoch steigt, fällt tief" anbringen wollen Wink
Ich denke, die Tantalus-Sage ist losgelöst von jedem historischen Hintergrund zu sehen, einfach als Lehrgleichnis vom richtigen bzw. falschen Verhalten...Wink
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26.08.2016, 16:44
Beitrag: #7
RE: Tantalos (griech. Mythos)
Zur historischen Einordnung des Tantalos-Mythos ist mir aber jetzt doch noch was eingefallen. Homer erwähnt den Mythos schon, im 7./8.Jh.v.Chr. war er also schon bekannt. Die Verknüpfung mit den Atreiden, deren Vorfahr Tantalos gewesen sein soll, legt nahe, dass der Mythos zeitlich in der Bronzezeit verortet war. Damals saßen Luwier im späteren Lydien, insbesondere ihr Staat Arzawa dürfte den geschätzten Lesern des Seevölker-3ds und der diversen Troja-Beiträge ein Begriff sein Wink Auch Troja scheint zumindest luwische Einflüsse gehabt zu haben, das bislang einzige schriftliche Zeugnis aus Troja trägt luwische Schriftzeichen.
Im 12.Jh., also ungefähr in der Zeit, als der Trojanische Krieg stattgefunden haben soll und die Bronzezeit zu Ende geht, gibt es auch in Luwien/Lydien Zerstörungshorizonte. Historisch werden diese Zerstörungshorizonte - die auch mit einer Verlagerung des Machtzentrums nach Sardes verbunden werden - mit der Einwanderung der Lyder verbunden, deren Sprache das Luwische anschließend ersetzte.
Das Stichwort Arzawa leitet gleichzeitig zur Verbindung des "lydischen" Königs Tantalos mit den mykenischen Atreiden. Arzawa und Ahhijawa (das oft gleichgesetzt wird mit den mykenischen Staaten, m.E. zu Recht) erscheinen in den hethitischen und ägyptischen Quellen zeitweise als Verbündete. Eventuell pausen sich also im Tantalos-Mythos alte dynastische Verbindungen zwischen Arzawa (daessen Hauptstadt Apascha später zu Ephesos wurde) und Ahhijawa, also den Mykenern durch. Möglicherweise!

Keiner der bekannten Königsnamen von Arzawa kann jedoch als Grundlage für "Tantalos" gedient haben, was, wenn tatsächlich ein Arzawa-König die historische Grundlage für Tantalos gewesen wäre, ja die gräzisierte Form eines luwisch-hethitischen Königsnamens darstellen müsste. Also eine Sackgasse, zumindest auf Basis der uns bekannten Königsnamen. Höchstwahrscheinlich kennen wir jedoch nicht alle Arzawa-Könige, da bleibt also ein Schlupfloch für "Theorie-Historiker" Wink

Möglich auch, dass die Tantalos-Sage gar kein griechischer Mythos ist, sondern ein lydischer, der über die ionisch-lydischen Kulturverbindungen in den griechischen Sagenschatz eingegliedert wurde; das geschah ja nicht nur mit mehreren Sagen, sondern auch mit diversen Götterfiguren etc. Dann wäre allerdings interessant, wie es kommt, dass ein lydischer Mythos im 8./7.Jh. schon so in die griechische Mythenwelt eingebunden ist, dass es um die Nachfahren von Tantalos schon einen ganzen Sagenkreis gab. Wohlgemerkt: Lydien taucht erst 664 v.Chr. mit König Gyges in den Quellen auf! Logischer wäre es, hinter Tantalos einen luwisch-hethitischen Mythos zu vermuten, der, weil ja Luwien inzwischen zu Lydien geworden war, in der Homer-Zeit einfach mit dem moderneren Landschaftsnamen arbeitete.

Interessant auch, WO Tantalos residiert haben soll: In einer Berggruppe, die die Grenze zwischen dem griechisch-ionischen und dem lydischen Teil Kleinasiens markierte...Wink

Jedenfalls zeigt der Tantalos-Mythos, dass es zwischen Luwien/Lydien und der griechisch-mykenischen Welt seit alters her nicht nur politisch-wirtschaftliche Verbindungen gegeben hat, sondern eben auch kulturelle (wenig überraschend, ich weiß, aber das zeigt der Mythos m.E. nun mal Wink
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26.08.2016, 16:53
Beitrag: #8
RE: Tantalos (griech. Mythos)
Ein hochinteressanter Text! Danke dafür.
Einen historischen Hintergrund der Sage war mir unbekannt. So kann man noch lernen...

Einem Haus eine Bibliothek hinzuzufügen heißt, dem Haus eine Seele zu geben.

Marcus Tullius Cicero
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