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Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter
25.08.2020, 19:25
Beitrag: #52
RE: Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter
Was Engelbert von Berg (Köln) betrifft, ist deutlich erkennbar, dass es ein Machtkampf war. Friedrich von Isenburg war zwar der, dem später die Hauptverantwortung zu geschoben wurde, aber offensichtlich war er kein Einzeltäter, der nur aus "privaten" handelte. Das ist auch daran zu erkennen, dass seine Familie mit seiner Hinrichtung nicht einfach verschwindet oder in völlige Bedeutungslosigkeit versank.

Johann von Schwaben, seine vier Helfer, die namentlich bekannt ist, Otto von Wittelsbach - bei keinem Einzigen entsteht der Eindruck, dass sie politische Gründe für ihre Tat hatten. (Die Grafen von Andechs-Meranien, zumindest einige Mitglieder dieser Familie, galten als Mitwisser, Helfer, aber nicht auf die eigentlichen Täter, zudem gab es letztlich eine Rehabilitierung der Familie, offensichtlich auf Kosten eines Familienmitgliedes, das politisch dafür den Kopf hinzuhalten hatte.)

Johann von Schwaben, gerade erst volljährig, ermordet seinen Onkel (persönlich), weil er sich um sein Erbe betrogen sieht und sich dafür rächen will. Das war es aber auch schon, denn in der Folge verschwindet Johann mehr oder weniger aus der Geschichte. Einige Jahre später soll er in Pisa in einem Kloster verstorben sein, möglicherweise als Gefangener von Kaiser Heinrich VII.), der sich immerhin in diesen Jahren auf seinem Italienzug und damit zeitweise auch in Pisa aufgehalten hat.

Bedenken wir in diesem Kontext, dass Heinrich von Luxemburg (Kaiser Heinrich VII.) erst ein halbes Jahr später gewählt wurde und außerdem bereits mehr als ein Jahr verging, bis er die Mörder seines Vorgängers ächtete, stellt sich für mich doch die Frage, warum Johann nicht wenigstens in den direkten Monaten nach dem Mord versucht hat, aus der Tat Kapital zu schlagen. Zumindest ist, soweit ich es beurteilen kann, bisher nichts überliefert, dass Johann zum Beispiel versucht hätte, in Besitzungen seiner Familie in der Reichslandschaft Schwaben Fuß zu fassen. Wir erfahren auch nichts, dass er danach nach Böhmen ging, um dort Erbansprüche gelten zu machen. (Johann war über seine Mutter Agnes ein Enkel von König Ottokar II. und nach der Ermordung seines Cousins Wenzel III. der nächste männliche Nachfahre der Premsysliden.) In den Herzogtümern Österreich und Steier kam es nach dem Mord an Albrecht zu Aufständen, was immerhin ein Indiz dafür sein könnte, dass hinter dem Mord Albrechts mehr gesteckt haben dürfte, als persönlich motivierte Rachetat eines Einzeltäters und seinen "vier" Freunden, die allerdings politisch völlig sinnlos wirkt. Aber auch im Kontext dieser Aufstände wird Johann von Schwaben nicht einmal genannt. Stattdessen soll er nach einer Sage in der Stadt Wien einige Zeit als Bettler gelebt haben.

Es entsteht der Eindruck, Johann (er muss damals 17 oder 18 Jahre gewesen sein) war halt nur wütend auf den Herrn Onkel, rächte sich, indem er ihn ermordete, und das war es auch schon. Ist es wirklich schlüssig, dass er keine anderen Pläne verfolgte? Selbst wenn es der Mord in Wirklichkeit eine Tötung im Affekt war, die passierte, weil sich dafür gerade eine günstige Gelegenheit bot (wogegen allerdings alle überlieferten Versionen, und sind doch recht unterschiedlich sprechen), wäre nicht zu erwarten gewesen, dass Johann danach wenigstens versucht hätte, irgendeinen Nutzen aus der Tat zu ziehen.

Und wie sonderbar - eine ganze Reihe von Personen hat großes Interesse an Albrechts Tod (König von Frankreich, die Kurfürsten) und profitiert davon (Kurfürst Balduin von Trier und sein Bruder, der spätere Kaiser Heinrich VII., Heinrich von Kärnten kurzfristig, der spätere König Johann von Böhmen und sein Vater langfristig, König Karl von Ungarn (Haus Anjou) etc.) - alle steckten sie nicht dahinter, so ein Zufall, dass Johann für sie Drecksarbeit machen darf, und dann ...

Der Mord an einem Herrscher über das Heilige Römische Reich, ca. 100 Jahre früher, zeigt ein ähnliches Profil, so ein Zufall. Otto von Wittelsbach ermordet Philipp von Schwaben, nachdem dieser die Verlobung Ottos mit seiner ältesten Tochter einseitig gelöst und anderswirtig vergeben hat. Auch hier finden wir einen Einzeltäter, der eine Rachetat begeht. Im Unterschied zu Johann wurde Otto von Wittelsbach wenig später getötet, mag also sein, dass es da nicht nur um eine private Rache ging (und das war's auch schon), sondern das da mehr dahinter war. Allerdings stellt sich schon die Frage, warum nicht versucht wurde, Otto gefangen zu nehmen - leistete er zu heftigen Widerstand oder sollte durch seine Tötung verhindert werden, dass etwas über die Motive seiner Tat verrät ...

Auch hier finden sich jedoch eine ganze Reihe von Personen, die von Philipps Tod profitierten, und doch sollen sie alle damit nichts zu tun gehabt haben. Hauptprofiteur war Otto von Braunschweig (der spätere Kaiser Otto IV.), auch wenn der Umstand, dass er sich gerade mit Philipp ausgesöhnt hatte und mit dessen Tochter verlobt worden war (was immerhin eine Option auf die Nachfolge Philipps bot) vielleicht als Indiz gegen seine Beteiligung an dem Mord gesehen werden könnte. Der Papst hatte jedenfalls sicher Interesse, jene Adlige, die vom Sturz der Grafen von Andechs-Meran profitierten, ebenfalls ...

Merkwürdig ist jedenfalls, dass sich beide Morde an einem Herrscher über das Heilige Römische Reich für den angeblichen Einzeltäter nicht wirklich lohnten, jedenfalls mit Blick auf die tatsächlichen Vorteile, die er davon hatte. Das Einzige, was Otto von Wittelsbach und Johann von Schwaben vielleicht tatsächlich von den Morden an König Philipp und König Albrecht hatte, war persönliche Befriedigung nach dem Motto "dem hab' ich es gegeben", andere Vorteile lassen sich allerdings, nach dem, was überliefert ist, nicht erkennen.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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RE: Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter - Teresa C. - 25.08.2020 19:25

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