Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
hochfahrend und jähzornig - oder das Stereotyp des Verlierers
19.03.2016, 22:01
Beitrag: #14
RE: hochfahrend und jähzornig - oder das Stereotyp des Verlierers
(18.03.2016 16:11)Suebe schrieb:  Herzog Ulrich von Württemberg war vermutlich weniger "jähzornig" hatte wohl eher einen "Hirndadderich" wobei er im Hause Württemberg der vermutlich letzte Befallene war. Eine Krankheit die die Visconti einschleppte.

Letztlich hatte er das Glück, das zdZ der "legitimistische dynastische Gedanke" unter den Reichsfürsten schon sehr verbreitet war.
Und man außerdem die habsburgische Machtvergrößerung in Schwaben keineswegs wollte.
Was nichts dran änderte, dass er sein Land zurückerobern musste, oder besser durfte.
Für die städtischen "Patrizier" und für den Landadel, soweit sie zur neuen Herrschaft gehalten hatten, wurde das sehr zum Problem.
Ulrich hatte anderes versprochen, aber es interessierte ihn dann einen "feuchten Staub".
Der Landadel erklärte sich für "Reichsunmittelbar" mit Deckung durch Reich und Fürsten, aber zB Dietrich von Späth bekam seine, dann reichsunmittelbaren, Besitzungen erst nach dem Tod Ulrichs zurück.
Die angesprochene städtische Oberschicht wurde schlicht verjagt.

Sorry, ich ging wohl ein bißchen sehr ins Detail. Blush

Ob er wirklich eine Hirnschaden hatte, erblich belastet war oder unter psychisch gestörten Vater gelitten hat oder Sonstiges - gibt es da inzwischen irgendwelche wissenschaftlichen Beweise.

Was die "kranken" Visconti betrifft, wäre schon zu fragen, müssten da nicht andere Dynastien wie die Wittelsbacher, die Habsburger und einige weitere Dynastien (sowie auch weitere Württemberger Grafen und Herzöge) davon auch betroffen gewesen sein? (Oder anders formuliert: Warum sind eigentlich immer die Visconti schuld? Etwa ein weiteres Stereotyp?).

Ohne den Herzog Ulrich von Württemberg jetzt verteidigen zu wollen ("was nichts dran änderte, dass er sein Land zurückerobern musste, oder besser durfte"), aber gelten lassen könnten wir doch: Fakt bleibt aber doch, er hat es (mehrmals) versucht, er hatte letztlich offensichtlich eine wirkliche Chance, und ihm selbst ist es letztlich auch gelungen. (Da gibt es eine ganze Reihe von diversen Fürsten und Herren, die keine so gute Bilanz aufweisen.) Ob das für die Gebiete der Grafschaft / des Herzogtums Württemberg letztlich so gut war, ist natürlich eine andere Frage.Big Grin

Was die Ehe mit Sabina von Bayern betrifft (Liebesheiraten sind erst eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts, als Folge einer Entwicklung, die im 18. Jahrhundert eingesetzt haben dürfte), stellt sich für mich die Frage, ob sie der "Zipfel des Eisberges" von dem ist, was im 15. / Beginn des 16. Jahrhunderts an schlechten fürstlichen Ehen Norm war oder ob das schlechte Verhältnis der beiden doch eine Ausnahme war.

Für die zweite Überlegung spricht, dass es zumindest relativ wenig Informationen über schlechte Ehen gibt, die tatsächlich eine überzeugende Quellengrundlage haben - vieles, was in früheren Forschungsarbeiten als Indiz für schlechte Ehen gesehen wurde, z. B. getrennte "Wohnsitze" fürstlicher Ehepaare, Vernunftsehe u. Ä. wurde inzwischen zu oft widerlegt, als dass es noch als relevant gelten kann. (Daneben halte ich es durchaus für vorstellbar, dass die Lebensbedingungen im Hochadel zu dieser Zeit für ein einigermaßen erträgliches Zusammenleben durchaus förderlich gewesen sein dürften.)

Andererseits stellt sich auch die Fragen, ob sich die Dynastien, Adelsfamilien und Herrscherhäuser da nicht auch einiges gerichtet haben. Ist es gänzlich auszuschließen, dass gewisse Probleme vertuscht oder nicht öffentlich wurden? Dass das bei Ulrich (und Sabina) anders ist, könnte mit seinem schlechten Ruf bzw. seiner prekären Position zusammenhängen, daher bestand kein Interesse hier ein wenig "Image-Pflege" zu betreiben oder er war deswegen nicht in der Lage, darauf Einfluss zu nehmen. (Hinzu kommt noch, dass ein brutaler Ehemann ganz gut zu seinem negativen "Image" gepasst haben dürfte, und eine "handgreifliche" Ehefrau ist ebenso wie eine "arme, misshandelte" Ehefrau auch ein beliebter Stereotyp, um einen Mann ins schlechte Licht zu rücken.)

Bitte, verstehen wir uns nicht falsch - mir geht es hier keineswegs darum, aus diesem Herzog Ulrich ein "Lämmchen" zu machen oder Herzogin Sabina als Opfer von Verleumdung darzustellen, die beiden dürften tatsächlich ein problematisches Ehepaar gewesen sein.

Aber ich versuche bei geschichtlichen Fakten und Überlieferungen auch ein wenig die Hintergründe für eine Auslegung / Interpretation / Überlieferung von Zeitgenossen und Nachwelt zu hinterfragen, mache mir auch Gedanken dazu, warum etwas in diesem Fall so überliefert wurde.

Bei diesem Paar stellt sich die Frage - warum ihre schlechte Ehe bekannt ist? Weil sie tatsächlich eine schlechte Ehe führten (im Gegensatz zu anderen Zeitgenossen, die im guten Einvernehmen miteinander lebten) oder weil bei ihnen Interesse da war, die Ehemisere nicht zu vertuschen?

---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
RE: hochfahrend und jähzornig - oder das Stereotyp des Verlierers - Teresa C. - 19.03.2016 22:01

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds