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hochfahrend und jähzornig - oder das Stereotyp des Verlierers
27.02.2016, 16:11
Beitrag: #3
RE: hochfahrend und jähzornig - oder das Stereotyp des Verlierers
Wahrscheinlich sollte bei einem Beinamen auch darauf geachtet werden, ob er schon zu Lebzeiten des/der Betroffenen aufgekommen ist, oder erst danach.

Hinzu kommt noch, dass manche Beinamen ursprünglich auch ganz anders verstanden werden konnten. Recht interessant sind da auch Übersetzungen, da wäre z. B. Æthelred the Unready, mir in der Buchliteratur untergekommen als Æthelred der Unrechtmäßige oder Æthelred der Schlechtberatene (auf Wikipedia finden sich als Übersetzung: Æthelred der Unberatene bzw. Æthelred der Unfertige)

Hinzu kommt noch, dass manche von diesen Herren zwei oder auch mehrere Beinamen hatten. Ganz lustig auch, wenn sich die eigentlich ausschließen, z. B. der Grausame oder der Gerechte.

Dass mancher Heilige ursprünglich der Fromme hieß, so z. B. Markgraf Leopold III. von Österreich, ist da eigentlich weniger überraschend.

Ob König Wilhelm I. der Böse von Sizilien (Familie Hauteville) tatsächlich böse und sein Sohn König Wilhelm II. der Gute wirklich gut war, wird inzwischen auch schon hinterfragt. Und wie war es wirklich um König Johann II. dem Guten von Frankreich und eben seinem Gegenspieler Karl dem Bösen von Navarra?
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Es wäre wirklich interessant zu wissen, was tatsächlich hinter diesem Mordanschlag in Konstanz gesteckt hat. Erstaunlich ist schon, dass der Mordanschlag nicht etwa dazu betrug, die Beurteilung von Ludwig VII. zu verbessern und dass Heinrich XVI. nicht irgendwie dafür zur Verantwortung gezogen wurde.

Da stellt sich schon die Frage, ob da nicht einiges vertuscht wurde (vielleicht im Interesse der Beteiligten oder anderer Reichsfürsten), wie man so schön sagt, oder ob der Mordanschlag vielleicht doch kein richtiger Mordanschlag war, sondern erst von denen, die darüber berichteten, zu einem solchen aufgebauscht wurde.
(Nebenbei wäre auch vorstellbar, dass ein Mordanschlag, auch wenn das auf uns etwas seltsam wirkt, vielleicht für die damlige Zeit Heinrich XVI. etwas "positiver" rübergekommen ließ, als wenn er Ludwig VII. lediglich eine Ohrfeige verpasst hätte.)

Hier wäre natürlich sehr wichtig zu wissen, wer darüber berichtet hat, wo darüber berichtet wurde und aus welcher Zeit die Informationen darüber sind.

Ich weiß nur, dass in der Konzilchronik des Ulrich von Richental darüber berichtet wird, die Hintergründe sind aber auch bei ihm im Dunkeln, was vermuten lässt, dass er da ebenfalls nicht so genau Bescheid gewusst hat. Dieser Ulrich von Richental war zumindest ein Zeitgenosse vor Ort (wenn auch kein Augenzeuge), aber selbst hier gibt es einige Dinge zu berücksichtigen sind. Die Chronik verfasste er erst einige Jahre später nach Ende des Konzils (in den 1420er Jahren), sein Original ist nicht erhalten. Die Versionen der Chronik, die überliefert sind, sind alle aus den 1460er Jahren und wurden zum Teil bearbeitet oder sogar umgeschrieben. (Wenn wir nur die Rosgarten-Fassung hätten, wüssten wir z. B. gar nicht, dass Ulrich von Richental ihr Autor ist.)

In den Fassungen, die wir haben, fällt außerdem auf, dass der Fokus auf der Stadt Konstanz während des Exils liegt, die Besucher/innen des Konzils wird eigentlich fast nur berichtet, solange sie auch in Konstanz sind, wenn sie abreisen, wird fast in keinem Fall verfolgt, was sie dann noch gemacht haben.

Das bedeutet für mich nicht, dass die Chronik von Richental als Quelle jetzt unzulässig ist, aber es zeigt doch, dass wir vielleicht nicht alles, was dort berichtet und behauptet wird, unwiderfragt übernehmen sollten.

Wie gesagt, ich selbst habe mich nur peripher mit Herrn Ludwig VII befasst (und wie eigentlich sogar recht überrascht, dass der Herr gar nicht so "negativ" zu sehen ist, wie ich zuerst den Eindruck hatte. Aber ich bin sicher, dass Chris oder du da mehr Fachwissen zu ihm haben werdet.

Was zeitgenössische Quellen betrifft, wäre es für mich sicher interessant zu wissen, wie unparteiisch die tatsächlich sind, und auch wann die entstanden sind bzw. wer von wem abgeschrieben haben dürfte.

In Ganghofers "Ochsenkrieg" fällt jedenfalls auf, dass die beide Ludwige ziemlich zweifelhafte Charaktere sind und ihnen das "Münchner Trio" (die Herzoge Ernst, Wilhelm und Albrecht III. von Bayern-München) positiv Gegenpol gegenüber gestellt werden.

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Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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RE: hochfahrend und jähzornig - oder das Stereotyp des Verlierers - Teresa C. - 27.02.2016 16:11

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