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Das Ende der (Westfränkischen-)Karolinger
18.04.2015, 12:16
Beitrag: #4
RE: Das Ende der (Westfränkischen-)Karolinger
968 oder 969 starb Gerberga, Mutter König Lothars und Schwester Kaiser Ottos I. Damit war Lothar eigenständiger König des Westfrankenreiches. Bis zum Tod Kaiser Ottos I., des letzten Mitglieds der ottonischen Schwester-Bruder-Koalition, die das West- und das Ostfrankenreich kontrolliert hatte, hören wir aufgrund der dürftigen Quellenlage wenig von Lothar, danach allerdings legte er los: Er war jetzt nicht mehr der Neffe, der den Onkeln gehorchte, sondern er war mit seinen 32 Jahren fast doppelt so alt wie der neue Kaiser im Osten, Otto II., der ja auch sien Cousin war. Und Lothar war nach wie vor scharf auf Lothringen, auch wenn er vor vielen Jahren auf Druck Bruns darauf verzichtet hatte. Die Söhne Graf Reginars III. "Langhals" von Hennegau versuchten - mit Untersstützung Lothars, an dessen Hof sie das Exil verbracht hatten, das eine Folge davon war, dass ihr Vater von Kaiser Otto I. nach Böhmen verbannt worden war - ihr Erbe zurückzuerobern. Erfolglos zuerst, sie wurden von Otto II. militärisch geschlagen und nach Sachsen ins erneute Exil gebracht, konnten aber bald fliehen. Zwei Jahre später ein erneuter Angriff auf Niederlothringen (hier lagen auch Aache, Lüttich und Antwerpen, das Herzogtum war also von hoher Bedeutung für West- wie für Ostfranken), diesmal nicht nur durch die Reginar-Söhne, sondern dieses Mal waren auch Lothar sowie dessen jüngerer Bruder Karl aktiv am Angriff beteiligt, dazu noch Otto von Vermandois. Wieder wurde der Angriff zurüpckgeschlagen, dieses Mal allerdings mit schweren Folgen für das Verhältnis der Brüder Lothar und Karl: Karl war 23 Jahre alt und Lothar konnte ihn nicht mit irgendeiner Herrschaft betrauen. Er hatte schlicht nichts, mit dem er Karl angemessen belehnen konnte. Daher wollte sich Karl selbst etwas erobern, eben (Nieder-)Lothringen. Emma, Lothars Gemahlin, intrigierte offenbar zusätzlich dagegen, dass Karl eine eigene Herrschaft bekam (sie woltle wohl, dass für ihre Kinder auch noch genügend übrig blieb), woraufhin Karl das Gerücht in Umlauf setzte, Emma habe eine Affäre mit Bischof Adalbero von Laon gehabt, den Lothar genau zu dieser Zeit zum Bischof erhoben hatte. Adalbero war zuvor Kanzler Lothars gewesen und außerdem der Neffe des mächtigen Erzbischofs Adalbero von Reims (in Unterscheidung zu seinem Onkel wurde Adalbero von Laon auch Ascelin genannt, was die Verkleinerungsform von "Adalbero" darstellt...). Die Gerüchte wurden widerlegt (in den 980er Jahren sogar auf einem Konzil bei Reims), aber das Tuch zwischen Karl und Lothar war damit wohl auch von Lothars Seite her durchschnitten.
Kaiser Otto II. machte daraufhin einen genialen Schachzug: Er ernannte die Söhne Reginars IIII. zu Grafen von Hennegau, gab ihnen also genau das, wofür sie zuvor gekämpft hatten, vor allem aber ernannte er Karl zum Herzog von Niederlothringen. Lothar war beispiellos brüskiert: Was er den Söhnen des Grafen des Hennegau und sogar seinem eigenen Bruder nicht ermöglichen konnte, das gab der ostfränkische Kaiser großzügig. Regniar IV. und Lambert sowie Karl, der in Zukunft "von Niederlothringen" genannt wurde, gehörten ab 977 zu getreuen Gefolgsleuten des ostfränkischen Kaisers, Lothar hatte Niederlothringen erst einmal verloren. Und Otto II. im westfränkischen König einen erbitterten Feind gewonnen.
978 versuchte Lothar, Otto II. und dessen Gattin Theophanu gefangen zu nehmen, was ganz knapp scheiterte, aber Otto II. nun seinerseits zu einem gnadenlosen Feind Lothars machte: Otto startete postwendend einen Rachefledzug gegen Lothar, in dessen Verlauf Otto bis vor Paris rückte (das von Hugo Capet erfolgreich verteidigt wurde) und alles zwischen Paris und Lothringen zerstörte: Compiegne, Attigny, Laon, die Gegend zwischen Reims und Laon. Obwohl Lothar während Ottos Rückmarsch nach Lothringen noch die Nachhut von Ottos riesigem Heer besiegen konnte, muss von einem großartigen Sieg Ottos gesprochen werden. Otto hat vielleicht sogar in die Wege geleitet, Karl von Niederlothringen zum Gegenkönig im Westfrankenreich zu machen, aber über Pläne ging dieses Vorhaben wohl nicht hinaus. Lothars Pläne, Lothringen wieder in westfränkische Hände zu bringen, waren aber endgültig gescheitert.
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RE: Das Ende der (Westfränkischen-)Karolinger - 913Chris - 18.04.2015 12:16

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