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Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
09.12.2014, 12:51
Beitrag: #1
Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
In meinem ersten Personalausweis, ich war 11 als ich mir einen solchen ausstellen ließ,
stand: Der Inhaber dieses Ausweises ist Deutscher

damals eigentlich selbstverständlich.
Nur, 30 Jahre zuvor wäre etwas ganz anderes dringestanden.

Denn eine deutsche Staatsbürgerschaft gibt es sein dem 7. Februar 1934

Ausriss:
Zitat:§ 1. (1) Die Staatsangehörigkeit in den deutschen Ländern fällt fort.

(2) Es gibt nur noch eine deutsche Staatsangehörigkeit (Reichsangehörigkeit).

Verordnung vom 5. Februar 1934 gültig bis 1999

Also, Fakt, es gab zuvor keine Deutschen! Angel

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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09.12.2014, 18:43
Beitrag: #2
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
(09.12.2014 12:51)Suebe schrieb:  Also, Fakt, es gab zuvor keine Deutschen! Angel
Ja, ja, da stand dann was anderes drin. Das hatten wir schon.
Aber danach fragst du ja nicht.

Du fragst wohl eher danach, inwieweit sich die damals lebenden Menschen bewußt waren Deutscher zu sein. Bzw. nach dem, was man gemeinhin als deutsches Nationalbewußtsein bezeichnen könnte?

Du meinst sicher auch nicht die etymologische Geschichte von Deutsch, denn die ist um einiges länger als das Deutsche Nationalbewußtsein.

Wenn man es mal zeitlich festmachen müßte, würde ich für ein einsetzendes echtes deutsches Nationalbewußtsein, was dann auch in breiteren Bevölkerungsgruppen nachweisbar wäre, den Siebenjährigen Krieg heranziehen. Also im Groben, so ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dieser Prozess setzte sich fort über die Befreiungskriege bis hin zu den Märzunruhen und fand seinen vorläufigen Höhe- oder Endpunkt in der Zeit der Reichsgründung.
Keine Ahnung, ob ich mit dieser Schätzung in die richtige Richtung schaue...Huh


Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon, wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen!

Eduard F. Mörike (1804-1875)
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09.12.2014, 21:27
Beitrag: #3
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
(09.12.2014 18:43)Avicenna schrieb:  
(09.12.2014 12:51)Suebe schrieb:  Also, Fakt, es gab zuvor keine Deutschen! Angel
Ja, ja, da stand dann was anderes drin. Das hatten wir schon.
Aber danach fragst du ja nicht.

Du fragst wohl eher danach, inwieweit sich die damals lebenden Menschen bewußt waren Deutscher zu sein. Bzw. nach dem, was man gemeinhin als deutsches Nationalbewußtsein bezeichnen könnte?

Du meinst sicher auch nicht die etymologische Geschichte von Deutsch, denn die ist um einiges länger als das Deutsche Nationalbewußtsein.

Wenn man es mal zeitlich festmachen müßte, würde ich für ein einsetzendes echtes deutsches Nationalbewußtsein, was dann auch in breiteren Bevölkerungsgruppen nachweisbar wäre, den Siebenjährigen Krieg heranziehen. Also im Groben, so ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dieser Prozess setzte sich fort über die Befreiungskriege bis hin zu den Märzunruhen und fand seinen vorläufigen Höhe- oder Endpunkt in der Zeit der Reichsgründung.
Keine Ahnung, ob ich mit dieser Schätzung in die richtige Richtung schaue...Huh


Ich habe mich neulich woanders in eine Diskussion darüber verwickeln lassen. Sceptical
Wobei da die Meinungen auch überaus different waren.

Insofern habe ich mir da weitere Gedanken gemacht.
Und ist mir folgendes eingefallen, der Deutsche Orden wurde um 1190 vor Akkon gegründet, zuerst unter dem Namen:
„St. Marien-Hospital der Deutschen zu Jerusalem“
was bedeuten würde, die Deutschen in den Kreuzfahrerstaaten nannten sich zu dem Zeitpunkt bewusst und als Abgrenzung zu anderen "deutsch". Nachdem zT behauptet wurde, die Niederdeutschen hätten sich noch lange als etwas ganz anderes gesehen, als zB die Oberdeutschen, ist dies gleich der Gegenbeweis.
Ergo: 1190 gab es bereits ein deutsches Bewusstsein.

Meine Erklärung: Im Außenverhältnis sah sich der Deutsche schon vor 800 Jahren als solcher, im Innenverhältnis war er natürlich Franke, Sachse, Baier, wie heute doch auch.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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10.12.2014, 07:31
Beitrag: #4
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
Ich weiß nicht, ob das jetzt so ein glücklich gewähltes Beispiel war. Denn das Wort teutonicorum im lateinischen Originalnamen ist eine nicht korrekte Rückübersetzung zu deutsch, die sich mehr auf die antike römisch-griechische Sichtweise bezieht.


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10.12.2014, 10:05
Beitrag: #5
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
(10.12.2014 07:31)Avicenna schrieb:  Ich weiß nicht, ob das jetzt so ein glücklich gewähltes Beispiel war. Denn das Wort teutonicorum im lateinischen Originalnamen ist eine nicht korrekte Rückübersetzung zu deutsch, die sich mehr auf die antike römisch-griechische Sichtweise bezieht.


Wieso?
Das ist eine Selbstbezeichnung, die nichr Rück- sondern Hin-übersetzt ist.
Und die Hochmittelalterliche Sichtweise ausdrückt.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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10.12.2014, 16:53
Beitrag: #6
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
Ich denke, entscheidend war 1813. Vorher war das "Deutschsein" doch eher was für intellektuelle Spinner, doch dann hat man dafür auch geblutet. Und die Fürsten haben es danach in Wien versaut.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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10.12.2014, 18:11
Beitrag: #7
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
(10.12.2014 16:53)Arkona schrieb:  Ich denke, entscheidend war 1813. Vorher war das "Deutschsein" doch eher was für intellektuelle Spinner, doch dann hat man dafür auch geblutet. Und die Fürsten haben es danach in Wien versaut.

So weit würde ich nicht gehen. Zur Zeit Luthers ist bereits vielfach von den Deutschen und von den "deutschen Landen" die Rede, im 15. Jh. erhält der Name Heiliges Römisches Reich den offiziellen und fortan in allen Urkunden verwendeten Zusatz "deutscher Nation" (lat. Nationis Germanicæ).

Dass also im 15. Jh. bereits ein deutsches Bewusstsein vorhanden war, unterliegt keinem Zweifel, und ist auch in der Fachwissenschaft unumstritten. Die Frage ist eher, ab wann man VOR dieser Zeit von einer "deutschen Identität" sprechen kann. Das "Lexikon des Mittelalters" sagt, ein "deutsches Bewusstsein" entwickelte sich frühestens im 11. Jh., voll erst ab dem 12. Jh.
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10.12.2014, 18:25
Beitrag: #8
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
(10.12.2014 16:53)Arkona schrieb:  Ich denke, entscheidend war 1813. Vorher war das "Deutschsein" doch eher was für intellektuelle Spinner, doch dann hat man dafür auch geblutet. Und die Fürsten haben es danach in Wien versaut.


Hmmm..
wie bei Avicenna eine sehr preußisch geprägte Sichtweise.

In Süddeutschland hat man mit den Reichstruppen, die Schwäbischen Kreisregimenter waren stehende Reichstruppe, in diversen Kriegen seit den 1520er Jahren "geblutet" gegen die Türken gut 200 Jahre lang, sehr oft gegen die Franzosen am Rhein und in Italien.

Edit: Bei der Türkensteuer haben uns die Eidgenossen erstmals "im Stich" gelassen.

Die Türkensteuerlisten, seit 1481 sind übrigens eine sehr Willkommene Hilfe für Regionalhistoriker.
zur Türkensteuer:
Zitat:Zur Ermittlung und Erhebung der Sonderabgabe wurde die „Türkensteuerliste“ geschaffen, in der das Türkengeld eingetragen wurde. Erstmals erfolgte die Ausschreibung am 10. März 1481 und unterlag der Verwendung durch die Reichsstände, denn es sollte „nur mit Rat und Wissen derer, so von den Landen hierzu geordnet, ausgegeben und gebrauchet werden.“

Es war eine allgemeine Vermögens- und Kopfsteuer, welche zur Deckung der Kosten einer dem Kaiser Friedrich III. gegen die „ungläubigen Türken“ zu leistenden bewaffneten Hilfe erhoben wurde.
aus wiki

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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10.12.2014, 19:54
Beitrag: #9
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
(10.12.2014 18:11)Dietrich schrieb:  
(10.12.2014 16:53)Arkona schrieb:  Ich denke, entscheidend war 1813. Vorher war das "Deutschsein" doch eher was für intellektuelle Spinner, doch dann hat man dafür auch geblutet. Und die Fürsten haben es danach in Wien versaut.

So weit würde ich nicht gehen. Zur Zeit Luthers ist bereits vielfach von den Deutschen und von den "deutschen Landen" die Rede, im 15. Jh. erhält der Name Heiliges Römisches Reich den offiziellen und fortan in allen Urkunden verwendeten Zusatz "deutscher Nation" (lat. Nationis Germanicæ).

Damit hast du rein faktisch ohne Zweifel erstmal Recht. Trotzdem würde ich das, was du angeführt hast, jetzt ganz frech zu Arkonas "intellektuellen Spinnereien" hinzuzählen. Akademisches Gerede und pseudoimperiales Gehabe - mehr Akte der symbolischen Kommunikation, von Nation oder Nationalbewußtsein noch meilenweit entfernt.
Denn es ging in Suebes Frage darum - zumindest habe ich das so aufgefasst -, wann dieses Bewusssein begann, in der Mitte des Volkes anzukommen.

Ich weiß auch nicht, wie sich dieses nationale Bewußtsein im 11. oder 12. Jhd. ausgedrückt haben soll. Wie sollte das durch dieses bunte HRR zu jener Zeit geleistet werden - incl. Italien, Böhmen, den Niederlanden, Schweiz...


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10.12.2014, 21:23
Beitrag: #10
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
(10.12.2014 19:54)Avicenna schrieb:  
(10.12.2014 18:11)Dietrich schrieb:  So weit würde ich nicht gehen. Zur Zeit Luthers ist bereits vielfach von den Deutschen und von den "deutschen Landen" die Rede, im 15. Jh. erhält der Name Heiliges Römisches Reich den offiziellen und fortan in allen Urkunden verwendeten Zusatz "deutscher Nation" (lat. Nationis Germanicæ).

Damit hast du rein faktisch ohne Zweifel erstmal Recht. Trotzdem würde ich das, was du angeführt hast, jetzt ganz frech zu Arkonas "intellektuellen Spinnereien" hinzuzählen. Akademisches Gerede und pseudoimperiales Gehabe - mehr Akte der symbolischen Kommunikation, von Nation oder Nationalbewußtsein noch meilenweit entfernt.
Denn es ging in Suebes Frage darum - zumindest habe ich das so aufgefasst -, wann dieses Bewusssein begann, in der Mitte des Volkes anzukommen.

Ich weiß auch nicht, wie sich dieses nationale Bewußtsein im 11. oder 12. Jhd. ausgedrückt haben soll. Wie sollte das durch dieses bunte HRR zu jener Zeit geleistet werden - incl. Italien, Böhmen, den Niederlanden, Schweiz...

Zitat:Wie sollte das durch dieses bunte HRR zu jener Zeit geleistet werden - incl. Italien, Böhmen, den Niederlanden, Schweiz...

Die Gleichsetzung HRR = Deutschland ist frühestens (wenn überhaupt) in der Spätphase so vorhanden.
Zuvor gab es das "Imperium" HRR und das "Regnum" Deutschland
schon im Hochmittelalter ist ja auch die Wahl von Deutschen Königen, neben den Kaisern, nicht nur zweimal vorgekommen.
Ein "Idenditätsgefühl" HRR ist ziemlich sicher auszuschließen. Obwohl, Dante "Mein Kaiser, mein Kaiser, warum bist du nicht gekommen..."

Ich weiße nochmals auf den Deutschen Orden hin, gegründet von "Hansen", das erste Hospital soll unter einem Koggen-Segel entstanden sein. MaW, der Niederdeutsche Kaufmann sah durchaus eine gewisse "Stammesverbundenheit" zum schwäbischen Ritter der mit Barbarossa dorthin gezogen war.

Dann die "Minnesänger" die sind doch überallhin, wo "die deutsche Zunge schallt", die haben doch davon gelebt.
OK, natürlich schon Oberschicht, aber ich vermute doch sehr, dass es bei den Spielleuten der Unterschicht nicht viel anders war.
Nur haben die Minnesänger halt Geschriebenes hinterlassen, die Spielleute nicht.

Schau ich gelegentlich noch bei Borst nach.

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10.12.2014, 23:13
Beitrag: #11
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
(10.12.2014 21:23)Suebe schrieb:  
Zitat:Wie sollte das durch dieses bunte HRR zu jener Zeit geleistet werden - incl. Italien, Böhmen, den Niederlanden, Schweiz...

Die Gleichsetzung HRR = Deutschland ist frühestens (wenn überhaupt) in der Spätphase so vorhanden.
Das stimmt. Ich bin nur darauf eingegangen, weil Dietrich es nannte und auf diese Jahrhunderte verwies.


Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
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11.12.2014, 00:34
Beitrag: #12
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
Es geht doch primär um das Volk. Und dem hat m.E. erst Napoleon ein Nationalgefühl verpasst.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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11.12.2014, 10:00
Beitrag: #13
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
(11.12.2014 00:34)Arkona schrieb:  Es geht doch primär um das Volk. Und dem hat m.E. erst Napoleon ein Nationalgefühl verpasst.

Irgendwo scheint mir da ein Denkmuster von den "dumpfen Massen"
herumzuschwirren.
Das trifft aber nicht zu.
1790 konnten ein Viertel der Bevölkerung des HRR lesen + schreiben!
Ich besitze die Chronik (eher Tagebuch) eines Handwerkers von 1770 bis 1835, mit was der sich alles befasste, respektabel, auch die Infos die er hatte waren auf der Höhe der Zeit, Weltpolitische Ereignisse nicht älter als wenige Tage.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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12.12.2014, 09:23
Beitrag: #14
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
In Venedig neben der Rialtobrücke steht dieser beeindruckende Palazzo
[Bild: 300px-Fondaco_dei_Tedeschi_2012-05-13.jpg]
Fondaco dei Tedeschi

Seit dem 13. Jahrhundert, vermutlich aber schon länger, gibt es diese Einrichtung in Venedig.
Schon ein gewisser Anhaltspunkt.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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12.12.2014, 10:47
Beitrag: #15
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
Die Außenwahrnehmung ist etwas Anderes. Auch bei uns gab es schon im Mittelalter die Bezeichnung "Welsche" oder "Wenden", ohne das da irgendwelche Ethnien mit entwickeltem Nationalbewusstsein dahintersteckten. Die Westslawen lagen permanent im Streit untereinander, so wie vorher die Germanen des Tacitus und ähnlich war es mit Frankreich und Burgund. Die "teutsche Nation" war damals eher eine juristische Floskel, man rechnete ja auch Böhmen dazu. Dem Bauern oder Handwerker war es ziemlich egal, wer gerade sein Oberherr war.

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12.12.2014, 13:21
Beitrag: #16
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
(12.12.2014 10:47)Arkona schrieb:  Die Außenwahrnehmung ist etwas Anderes. Auch bei uns gab es schon im Mittelalter die Bezeichnung "Welsche" oder "Wenden", ohne das da irgendwelche Ethnien mit entwickeltem Nationalbewusstsein dahintersteckten. Die Westslawen lagen permanent im Streit untereinander, so wie vorher die Germanen des Tacitus und ähnlich war es mit Frankreich und Burgund. Die "teutsche Nation" war damals eher eine juristische Floskel, man rechnete ja auch Böhmen dazu. Dem Bauern oder Handwerker war es ziemlich egal, wer gerade sein Oberherr war.


Ich schrieb doch, im Innenverhältnis war und ist das doch klar, ein Baier ist ein Baier und ein Franke ein Franke.
Im Außenverhältnis ist und war das jedoch anders.
Der Palazzo und der Deutsche Orden sind da doch schlagende Beispiele.

Auch würde ich die "Walz" der Handwerksgesellen nicht vergessen.
Die war seit dem Mittelalter Pflicht!

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12.12.2014, 15:10
Beitrag: #17
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
(10.12.2014 19:54)Avicenna schrieb:  Damit hast du rein faktisch ohne Zweifel erstmal Recht. Trotzdem würde ich das, was du angeführt hast, jetzt ganz frech zu Arkonas "intellektuellen Spinnereien" hinzuzählen. Akademisches Gerede und pseudoimperiales Gehabe - mehr Akte der symbolischen Kommunikation, von Nation oder Nationalbewußtsein noch meilenweit entfernt.
Denn es ging in Suebes Frage darum - zumindest habe ich das so aufgefasst -, wann dieses Bewusssein begann, in der Mitte des Volkes anzukommen.

Wenn Luther und andere wie Ulrich Hutten um 1500 von den "Deutschen" und von den "deutschen Landen" sprechen, so muss man davon ausgehen, dass sich ein "deutsches Bewusstsein" gebildet hatte. 1520 verfasste Luther seine Schrift "An den christlichen Adel deutscher Nation".

Dass allerdings für den hörigen Bauern, den Handwerker, den Städter und den Leibeigenen der jeweilige Landesfürst im Vordergrund stand und das "Reich" und der Kaiser eine entfernte Größe waren, ist gleichfalls anzunehmen. Hing doch das unmittelbare Schicksal dieser Menschen vom Landesherrn ab, deren Untertanen sie waren. Als erstes schuldete also ein höriger Bauer aus Aich seinem Grundherrn Gehorsam, dann war er Untertan des Herzogs von Württemberg und zuletzt Untertan des römisch-deutschen Kaisers.

(10.12.2014 19:54)Avicenna schrieb:  Ich weiß auch nicht, wie sich dieses nationale Bewußtsein im 11. oder 12. Jhd. ausgedrückt haben soll.

Wie drückt sich eine ethnische Identität schon aus? Indem man sich hinsichtlich Sprache und Kultur mit einer bestimmten Bevölkerungsgruppe identifiziert, die auch als "Schicksalsgemeinschaft" betrachtet wird.
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12.12.2014, 16:45
Beitrag: #18
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
Luther 1520ff aber Walther von der Vogelweide 1200ff

hier ein Loblied auf unsere Frouwen, die tiutschen Frouwen

Zitat:

Ir sult sprechen willekomen:
der iu mære bringet, daz bin ich.
allez daz ir habt vernomen,
daz ist gar ein wint: nû frâget mich.
ich wil aber miete:
wirt mîn lôn iht guot,
ich gesage iu lîhte daz iu sanfte tuot.
seht waz man mir êren biete.

Ich wil tiuschen frouwen sagen
solhiu mære daz si deste baz
al der werlte suln behagen:
âne grôze miete tuon ich daz.
waz wold ich ze lône?
si sint mir ze hêr.
sô bin ich gefüege und bite si nihtes mêr
wan daz si mich grüezen schône.

Ich hân lande vil gesehen
unde nam der besten gerne war:
übel müeze mir geschehen,
kunde ich ie mîn herze bringen dar
daz im wol gevallen
wolde fremeder site.
nû waz hulfe mich, ob ich unrechte strite?
tiuschiu zuht gât vor in allen.

Von der Elbe unz an den Rîn
und her wider unz an Ungerlant
die ich in der werlte hân erkant.
kan ich rehte schouwen
guot gelâz und lîp,
sem mir got, sô swüere ich wol, daz hie diu wip
bezzer sint danne ander frouwen.

Tiusche man sint wol gezogen,
rehte als engel sint diu wîp getân.
swer si schildet, derst betrogen:
ich entkan sîn anders niht verstân.
tugent und reine minne,
swer die suochen wil,
der sol komen in unser lant: da ist wünne vil!
lange müeze ich leben dar inne!

Der ich vil gedienet hân
und iemer mêre gerne dienen wil,
diust von mir vil unerlân.
iedoch sô tuot si leides mir sô vil.
si kan mir versêren
herze und den muot.
nû vergebez ir got dazs an mir missetuot.
her nâch mac si sichs bekêren.

was zu beweisen war.

oder Neuhochdeutsch
Zitat:War einst ein fahrender Gesell,
Dem klang sein Saitenspiel so hell;
Wohin er setzte seinen Fuß,
Klang fröhlich ihm Willkommensgruß,
Doch seines Bleibens war nit lang! –
Er sagte schönen Habedank,
Und muntern Schritts mit Sang und Klang
Zog weiter bald durch Wald und Heide
Herr Walther von der Vogelweide.

Für einen Kuß in Liebe heiß
Singt er der Minne höchsten Preis,
Der Frauen schönheit huldigt er,
Doch Frauen tugend gilt ihm mehr,
Die er zu preisen stets gewillt! –
Des deutschen Weibes Ehrenschild
Umkränzt als schönstes Heilgenbild
Mit Blümlein hold und reiner Seide
Herr Walther von der Vogelweide.

Sein Liebeslied im Dorfkrug klingt,
Wenn Bursch und Maid den Reigen schlingt;
Reich schöpft er aus der Weisheit Born
Und nimmt sich alt und jung aufs Korn,
Wo er im Herzen Falschheit sieht! –
Und schallt bei Hof sein Rügelied,
Sich manche Stirn in Falten zieht,
Doch sorglos lacht zu solchem Leide
Herr Walther von der Vogelweide.

Er scheut den Papst, den Kaiser nicht,
Sagt jedem Wahrheit ins Gesicht;
Und als des Reiches Ende naht,
Er klagt nicht nur, er weiß auch Rat
Und hofft auf Licht trotz Not und Nacht! –
Für Deutschlands Freiheit, Recht und Macht
Zieht keck in freier Geisterschlacht
Das Schwert entschlossen aus der Scheide
Herr Walther von der Vogelweide.

Und als sein letztes Stündlein kam,
Der Spielmann seine Harfe nahm;
In letzten Liedes letztem Klang
Sein Geist sich auf zum Himmel schwang,
Der ihm die Pforten öffnet weit! –
Von dort in junger Herrlichkeit
Herstrahlt auf Deutschland allezeit,
Ob ihn manch Finsterling uns neide,
Herr Walther von der Vogelweide!

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12.12.2014, 18:25
Beitrag: #19
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
@Suebe, du weichst selbst immer mehr ab. Ausgangsfrage war wann es das Bewusstsein IM Volk gab. Und da helfen uns irgendwelche Titularbezeichnungen oder Traktate der schriftkundigen Eliten nicht weiter. Ob man die zeitweise gesamtdeutsche Schwärmerei für Friedrich den Großen, von der Goethe aus seiner Jugend berichtet, mit Nationalbewusstsein gleichsetzen kann, muss man auch diskutieren. Die frommen katholischen Gebiete hätten sich vor der Säkularisierung (und wieder landen wir bei Napoleon) doch nie im Leben mit Lutheranern, Kalvinisten oder gar Freidenkern wie Friedrich identifiziert, sondern mit Habsburg und dem Papst.

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12.12.2014, 19:03
Beitrag: #20
RE: Seit wann gibt es im Volk das Bewusstsein "Deutscher" zu sein?
(12.12.2014 18:25)Arkona schrieb:  @Suebe, du weichst selbst immer mehr ab. Ausgangsfrage war wann es das Bewusstsein IM Volk gab. Und da helfen uns irgendwelche Titularbezeichnungen oder Traktate der schriftkundigen Eliten nicht weiter.

Wenn wir wissen wollen, wann sich eine "deutsche Identität" gebildet hat, müssen wir selbstverständlich die zeitgenössischen Schriftquellen befragen, was denn sonst? Und die sagen uns deutlich, dass es eine solche Identität zweifelsfrei um 1500 gab. Die Frage ist eher, wann DAVOR die Rede davon sein kann.

(12.12.2014 18:25)Arkona schrieb:  Ob man die zeitweise gesamtdeutsche Schwärmerei für Friedrich den Großen, von der Goethe aus seiner Jugend berichtet, mit Nationalbewusstsein gleichsetzen kann, muss man auch diskutieren.

Du missverstehst das und das ist der Grund deiner Irritation. Von einem "Nationalkbewusstsein" ist hier überhaupt nicht die Rede. Das entstand erst im 18./19. Jh.

Voelmehr geht es darum, seit wann sich die Bewohner des einstmals Ostfränkischen Reichs als Sprach- und Kulturgemeinschaft verstanden, also als "Deutsche". Und da kann ich nur das kompetente "Lexikon des Mittelalters" zitieren: "Ein deutsches Bewusstsein entwickelte sich frühestens im 11., voll erst im 12. Jh.". Wenn du Wert darauf legst, zitiere ich das gern komplett mit Band- und Seitenzahl.
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