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Der Untergang von Sprachen
10.06.2016, 18:33
Beitrag: #41
RE: Der Untergang von Sprachen
(10.06.2016 16:21)913Chris schrieb:  Englisch wäre nach der Invasion durch Wilhelm den Eroberer fast ausgestorben, weil plötzlich Französisch die Verwaltungssprache war.

Die paar hundert Normannen, an die Wilhelm der Eroberer dann ganz England verteilte, waren gar nicht in der Lage ihre Sprache komplett durchzusetzen. Dazu fehlte der Zuzug "gewöhnlicher" Leute. Die Normannen blieben doch komplett unter sich, auf der Burg redete man anders als im hörigen Dorf. Die Verwaltungs- und Kanzleisprache war dem gemeinen Volk doch pupegal.
Selbst der heutige englische Adel hat fast zu 100% normannische Wurzeln.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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10.06.2016, 19:46
Beitrag: #42
RE: Der Untergang von Sprachen
(10.06.2016 18:33)Arkona schrieb:  
(10.06.2016 16:21)913Chris schrieb:  Englisch wäre nach der Invasion durch Wilhelm den Eroberer fast ausgestorben, weil plötzlich Französisch die Verwaltungssprache war.

Die paar hundert Normannen, an die Wilhelm der Eroberer dann ganz England verteilte, waren gar nicht in der Lage ihre Sprache komplett durchzusetzen. Dazu fehlte der Zuzug "gewöhnlicher" Leute. Die Normannen blieben doch komplett unter sich, auf der Burg redete man anders als im hörigen Dorf. Die Verwaltungs- und Kanzleisprache war dem gemeinen Volk doch pupegal.
.

ja,
so wurden mir einst die Grundlagen der englischen Sprache beigebracht.
Die Cow und der Ox waren im Stall, auf den Tisch des Herrn und der Herrin kam jedoch beef

Zitat:Selbst der heutige englische Adel hat fast zu 100% normannische Wurzeln
mag sein,
bei der Queen jedoch fast 100% huns. Angel

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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10.06.2016, 20:47
Beitrag: #43
RE: Der Untergang von Sprachen
"Deutschland ist eine Stuterei für die Königshäuser Europas." (Freiherr von und zum Stein)

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13.06.2016, 14:27
Beitrag: #44
RE: Der Untergang von Sprachen
(10.06.2016 16:21)913Chris schrieb:  Ob ein Volk die Sprache von Invasoren übernimmt oder nicht, hängt zuallererst von der Verwaltungsstruktur des Landes/Reiches ab. Englisch wäre nach der Invasion durch Wilhelm den Eroberer fast ausgestorben, weil plötzlich Französisch die Verwaltungssprache war. Der scharfe Gegensatz zwischen Angelsachsen und Normannen, wie er bei "Robin Hood" dargestellt wird, ist im Zusammenhang mit Robin Hodd zwar anachronistisch, aber ein paar Jahrhunderte zuvor war er tatsächlich so krass, eher noch krasser, weil es im Grunde keine angelsächsischen Adligen mehr gab.

Dein Beispiel beweist ja gerade, dass ein Sprachwechsel NICHT unbedingt von Verwaltungsstrukturen abhängt.

Obwohl Französisch ein hohes Prestige genoss und in England Verwaltungssprache war, konnte es sich langfristig gegenüber der Volkssprache der Mehrheitsbevölkerung - also dem Englisch - nicht durchsetzen.

Ähnlich war das auch im römischen Germanien, wo die Römer immerhin rund 400 Jahre herrschten, die Verwaltungsstruktur bestimmten, Heeresteile stationierten und das Land mit römischen Siedlungen und Gutshöfen überzogen. Als die römische Herrschaft zusammenbrach, stieg erneut die germanische Sprache empor.

Demgegenüber gelang es einer relativ kleinen Schar angelsächischer Eroberer, das Idiom der mehr oder weniger romanisierten britischen Kelten zu verdrängen und die keltische Mehhrheitsbevölkerung zu assimilieren - einmal abgesehen vom Rückzugsgebiet Wales.
.
(10.06.2016 16:21)913Chris schrieb:  Die Westgoten schafften es in Spanien nie, sich auch sprachlich durchzusetzen, weil es a) ein Heiratsverbot zwischen Romanen und Goten gab und weil die Goten b) das römische Rechts- und Verwaltungssystem übernommen hatten (zumindest für die romanische Bevölkerungsmehrheit).

Das Heiratsverbot zwischen Westgoten und Romanen fiel bereits etwa 580 unter König Leovigild. Das war Ausdruck eines allmählichen Zusammenwachsens der nur rund 130 000 Westgoten mit der romanischen Bevölkerung, die etwa 2 Millionen Einwohner umfasste. Es ist ein Zeichen dafür, dass sich die germanischen Eliten der Völkerwanderung rasch mit den autochthonen Bevölkerungen der eroberten Länder vermischten und germanische Stammesidentitäten und germanische Sprachen aufgaben. So war das bei den West- und Ostgoten, den Vandalen, den Langobarden und den gallischen Franken. Ganz zu schweigen von den früh vernichteten Reichen der Gepiden, Heruler usw.

(10.06.2016 16:21)913Chris schrieb:  Die Franken waren in einer Sonderrolle, weil ihr Herkunftsgebiet immer auch Teil des Fränkischen Reiches war.

Das würde für eine Beibehaltung des germanisch-fränkischen Idioms sprechen, was aber gerade nicht geschah. Die Franken übernahmen die gallo-romanische Sprache der unterworfenen romanischen Bevölkerung.

(10.06.2016 16:21)913Chris schrieb:  Auch haben sie zwar mit der romanischen Bevölkerungsmehrheit zusammengearbeitet, ...

Die Franken haben nicht nur mit der romanischen Bevölkerung "zusammengebarbeitet", sondern wuchsen mit ihr im Verlauf von etwa 300 Jahren zur Reichsbevölkerung zusammen. Der Reichsadel setzte sich zu großen Teilen aus dem ehemaligen gallorömischen Senatsadel zusammn, der hohe Klerus bestand fast ausschließlich aus Romanen, was auch für die Reichsverwaltung gilt.

Im 9./10. Jh. sprach im Frankenreich niemand mehr ein germanisches fränkisch, sondern das romanische Altfranzösisch. Bereits die Straßbuger Eide beim Bündnis zwischen West- und Ostfranken vom 14. Februar 842 sind ein bemerkenswertes zweisprachiges Dokument in Althochdeutsch und Altfranzösisch. Die beiden Heeresteile konten sich nicht mehr untereinander verständigen.

Unterscheiden davon muss man die Francia orientalis, also in etwa das heutige Franken plus Teile von Hessen. Diese Region wurde erst seit dem 6./7. Jh. von Franken besiedelt bzw. kolonialisiert.
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13.06.2016, 15:12
Beitrag: #45
RE: Der Untergang von Sprachen
(13.06.2016 14:27)Dietrich schrieb:  Demgegenüber gelang es einer relativ kleinen Schar angelsächischer Eroberer, das Idiom der mehr oder weniger romanisierten Kelten zu verdrängen und die keltische Mehhrheitsbevölkerung zu assimilieren - einmal abgesehen vom Rückzugsgebiet Wales.

Darüber hatten Chris und ich gerade in einem anderen Thread diskutiert. Die Situation der Britannier läßt sich mit den Germanen nicht vergleichen. Durch den fehlgeschlagenen Boudicca- Aufstand und die ungefähr gleichzeitig erfolgte Zerstörung des geistigen Zentrums der Britannier auf Mona war vermutlich die nationale Identität der Britannier in dem betreffenden Gebiet soweit zerstört, dass es den Römern ein leichtes gewesen sein dürfte, innerhalb des von ihnen beherrschten Gebiets die keltischen Stammesdialekte durch die römische Sprache zu ersetzen.

Eine Analyse keltischer Elemente in der König Artussage legt den Schluss nahe, dass beinahe alle darin erhaltenen keltischen Kulturelemente aus den Gebieten stammen, die die Römer nie völlig kontrolliert haben. (Wales, Schottland, Isle of Man).

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14.06.2016, 12:20
Beitrag: #46
RE: Der Untergang von Sprachen
(13.06.2016 15:12)Bunbury schrieb:  Die Situation der Britannier läßt sich mit den Germanen nicht vergleichen. Durch den fehlgeschlagenen Boudicca- Aufstand und die ungefähr gleichzeitig erfolgte Zerstörung des geistigen Zentrums der Britannier auf Mona war vermutlich die nationale Identität der Britannier in dem betreffenden Gebiet soweit zerstört, dass es den Römern ein leichtes gewesen sein dürfte, innerhalb des von ihnen beherrschten Gebiets die keltischen Stammesdialekte durch die römische Sprache zu ersetzen.

Das allein ist keine ausreichende Erklärung für den Sprachwechsel der Kelten in Britannien. Auch die galloromanische Bevölkerung hatte keine poltischen oder geistigen Zentren. Dennoch setzte sich ihr romanisches Idiom gegenüber den fränkischen Eroberern durch.

Es ist unklar, warum die angelsächsischen Eroberer die einheimische keltische Bevölkerung in relativ kurzer Zeit assimilieren und deren Srache verdrängen konnten. Vermutlich besaß das Altenglisch der Angelsachsen zunächst ein größeres Prestige. Möglicherweise kam auch eine beträchtliche Welle von Angelsachsen nach Britannien, obwohl genauere Zahlen umstritten sind. Die Uneinigkeit der keltischen Stämme mag ebenfalls ihren Teil dazu beigetragen haben. Und eine "keltische Nation" hat es in Britannien nie gegeben; was davon möglicherweise blieb, verschwand während der Romanisierung zur Zeit der römischen Herrschaft.

Es ergeben sich also ganz unterschiedliche Szenarien im Hinblick auf romanische Sprachkontinuitäten. In Britannien und Germanien blieben romanische Identitäten und Sprachen Episode. In Gallien und Spanien hingegen konnten sich romanische Sprachen behaupten, was noch erstaunlicher für die einzig überlebende balkanromanische Sprache gilt: das Rumänische - einmal abgesehen von den winzigen Resten des Aromunischen und Istrorumänischen.
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14.06.2016, 16:24
Beitrag: #47
RE: Der Untergang von Sprachen
(14.06.2016 12:20)Dietrich schrieb:  
(13.06.2016 15:12)Bunbury schrieb:  Die Situation der Britannier läßt sich mit den Germanen nicht vergleichen. Durch den fehlgeschlagenen Boudicca- Aufstand und die ungefähr gleichzeitig erfolgte Zerstörung des geistigen Zentrums der Britannier auf Mona war vermutlich die nationale Identität der Britannier in dem betreffenden Gebiet soweit zerstört, dass es den Römern ein leichtes gewesen sein dürfte, innerhalb des von ihnen beherrschten Gebiets die keltischen Stammesdialekte durch die römische Sprache zu ersetzen.

Das allein ist keine ausreichende Erklärung für den Sprachwechsel der Kelten in Britannien. Auch die galloromanische Bevölkerung hatte keine poltischen oder geistigen Zentren. Dennoch setzte sich ihr romanisches Idiom gegenüber den fränkischen Eroberern durch.

Wovon redest du jetzt eigentlich? Davon dass sich von britannischen Sprache bis zur Eroberung durch die Angelsachsen nichts gehalten hat, oder davon, dass sich nicht viel römisches in der britannischen Sprache erhalten hat, als die Angelsachsen kamen?

Tatsache ist, dass es große Unterschiede zwischen den gallischen Stämmen auf dem Festland und den keltisch- stämmigen Stämmen in Britannien gab.
Wie du zurecht anführst, gab es bei den Galliern kein geistes und politisches Zentrum, um nur ein Beispiel zu nennen. Warum du das jetzt als beweis anführst, erschließt sich mir nicht. Wo es kein geistiges Zentrum gibt, kann man keines zerstören, und wo man kein gesiteiges Zentrum zerstören kann, kann man keine geistige Mentalität, die durch Sprache ihren Ausdruck findet zerstören.

Eine Schlussfolgerung, dass die zerstörung Monas keinen wesentlichen Einfluss auf die Identität der Britannier gehabt könnte, weil die Gallier so ein Zentrum auch nicht hatten, finde ich sehr gewagt.
Es gibt viele Hinweise darauf, dass das britannische Keltentum sich deutlich von dem gallischen Keltentum unterschied, und somit scheint es sehr wahrscheinlich dass nach der zerstörung Monas eine Art Zwangsromanisierung einsetzte, gegen die sich die Britannier zwar nicht mehr auflehnten, die sie aber nichts desto trotz als aufgewzungen betrachteten.
Wäre auch nicht das erste Mal auf den britischen Inseln- nach der Schlacht von Culloden 1745 verboten die Engländer das Sprechen der gälischen Sprache und das Tragen gälischer Symbole. Nur auf den äußeren Hebriden überlebte die Sprache und stand kurz vor dem Aussterben. Seit Mitte der 90 er Jahre des vergangenen jahrhunderts gibt es eine gälische Renaissance; inzwischen gibt es auch wieder gälische Schulen in Schottland. (Wie sinnig das ist, steht auf einem anderen Blatt.)
Aber zu einer kulturell fremden Sprache gibt es immer ein eher zwispältiges Verhältnis... Von daher überrascht es mich nicht, dass das römische nicht überlebte.
Zumal es in Großbritannien, im Gegensatz zu Gallien, auch immer noch Gebiete gab, in denen sich das keltische hielt, weil die Römer dann eben doch nicht ganz Britannien kontrollierten.

(14.06.2016 12:20)Dietrich schrieb:  Es ist unklar, warum die angelsächsischen Eroberer die einheimische keltische Bevölkerung in relativ kurzer Zeit assimilieren und deren Srache verdrängen konnten.

Bei der Angelsächsischen Eroberung handelte es sich keineswegs nur um eine Elitenwanderung. Die Angelsachsen sind in ganzen Sippen gewandert. Ja, einige romanisierte Britannier sind sicherlich dort geblieben, aber Wanderungsbewegungen um diese Zeit auf der Insel lassen sich gut archäologisch belegen. Ganz Britannien scheint zwischen 300 n. Chr. und 600 n. Chr. auf den Beinen gewesen zu sein. Es gab im übrigen eine größere kulturelle Schnittmenge zwischen Germanen und Kelten als zwischen Römern und kelten, von daher halte ich es für nicht so verwunderlich, dass die verbliebenen Kelten sich den Angelsachsen leichter anpaßten und froh waren, das römsiche loszuwerden...

Und noch eines sollte nicht vergessen werden- es gab mindestens zwei keltisch- sprachige Wellen auf den britischen Inseln. Das p-keltische und das wesentlich ältere q-keltische. Früher wurden von Forschern vielfach Thesen vertreten, dass die p-keltisch sprechenden Stämme die q-keltisch sprechenden verdrängten und das q-keltische dann gewissermaßen als Re-import von Irland kam.
Heute ist diese These ein bißchen ins Wanken geraten, und es scheint nur noch festzustehen, dass es zwei keltische wanderungswellen gab und dass das q-keltische älter ist als das p-keltische...

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14.06.2016, 21:29
Beitrag: #48
RE: Der Untergang von Sprachen
Eine Zwangsromanisierung gab es nirgendwo, Latein hatte ja lange genug Gelegenheit sich im westlichen Imperium Romanum durchzusetzen (im Osten war es Griechisch). Wahrscheinlich war die Verbreitung inselkeltischer Idiome nicht grundsätzlich anders als heute, also auf den Norden, Irland und Wales (+ Cornwell) beschränkt, sonst dürfte eine lokale Variante des Vulgärlatein vorgeherrscht haben.
Dass die ankommenden Angelsachsen es leichter mit Kelten als mit Britanno-Romanen hatten, bezweifle ich. Ich vermute eher eine Form von Apartheid, die die Eindringlinge generationenlang praktizierten. Das war ein starker Anreiz zum Sprachwechsel, vergleichbar mit der schnellen Verbreitung des Islam (und zum Teil der arabischen Sprache) im Orient.

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15.06.2016, 14:40
Beitrag: #49
RE: Der Untergang von Sprachen
(14.06.2016 16:24)Bunbury schrieb:  Wovon redest du jetzt eigentlich? Davon dass sich von britannischen Sprache bis zur Eroberung durch die Angelsachsen nichts gehalten hat, oder davon, dass sich nicht viel römisches in der britannischen Sprache erhalten hat, als die Angelsachsen kamen?

Ich rede davon, dass das keltische Idiom der britischen Mehrheitsbevölkerung erstaunlicherweise in relativ kurzer Zeit verschwand und dem altenglischen Idiom der angelsächsischen Eroberer wich. Die keltische Bevölkerung wurde rasch assimiliert, abgesehen von einigen Rückzugsgebieten, wo sie überlebte. Die Ursachen sind bis heute umstritten, vor allem die Gewichtung einzelner Elemente.

(14.06.2016 16:24)Bunbury schrieb:  Wie du zurecht anführst, gab es bei den Galliern kein geistes und politisches Zentrum, um nur ein Beispiel zu nennen. Warum du das jetzt als beweis anführst, erschließt sich mir nicht.

Du hast gesagt, dass das geistige Zentrum der Briten zerstört wurde, was eine wesentliche Ursache für den Untergang der nationalen Identität sei, was wiederum das rasche Verschwinden der keltischen Sprache erklären würde. Dass ein Sprachwechsel von einem solchen "geistigen Zentrum" nicht abhängig ist, erklärte ich am Beispiel der Galloromanen und Franken. Sprachwechsel erfolgen mit und auch ohne "geistige Zentren".
Es mag aber sein, dass ich dich missverstanden habe.

(14.06.2016 16:24)Bunbury schrieb:  Es gibt viele Hinweise darauf, dass das britannische Keltentum sich deutlich von dem gallischen Keltentum unterschied, und somit scheint es sehr wahrscheinlich dass nach der zerstörung Monas eine Art Zwangsromanisierung einsetzte, gegen die sich die Britannier zwar nicht mehr auflehnten, die sie aber nichts desto trotz als aufgewzungen betrachteten.

Die Romanisierung Britanniens erfolgte nur lückenhaft. Während die Städte weitgehend romanisiert waren, blieb die Landbevölkerung davon meist unberührt. Zu rechnen ist in einigen Regionen mit Zweisprachigkeit. Dieser vielfach unbestimmte ethnische Status der britischen Bevölkerung mag dazu beigetragen haben, dass der Anglisierung nur wenig Widerstand entgegengesetzt wurde.

(14.06.2016 16:24)Bunbury schrieb:  Bei der Angelsächsischen Eroberung handelte es sich keineswegs nur um eine Elitenwanderung.

Nein, natürlich nicht. Ganz anders als bei der normannischen Invasion, wo eine französische Elite maßgebend wurde. Umstritten ist allerdings bis heute, ob man sich eine kleine angelsächsische Völkerwanderung vorstellen muss, oder ob lediglich zahlenmäßig begrenzte Invasoren in Britannien einfielen.

(14.06.2016 16:24)Bunbury schrieb:  Es gab im übrigen eine größere kulturelle Schnittmenge zwischen Germanen und Kelten als zwischen Römern und kelten, von daher halte ich es für nicht so verwunderlich, dass die verbliebenen Kelten sich den Angelsachsen leichter anpaßten und froh waren, das römsiche loszuwerden...

Das halte ich für ein Fantasiegebilde. Die sächsischen Barbaren werden auf die romanisierten zivilisierten Kelten erschreckend gewirkt haben.

(14.06.2016 16:24)Bunbury schrieb:  Und noch eines sollte nicht vergessen werden- es gab mindestens zwei keltisch- sprachige Wellen auf den britischen Inseln.

Es wird heute vielfach angezweifelt, dass eine nenneswerte Zahl keltischer Siedler in Britannien einwanderte. Es gibt sogar die Hypothese, dass allein die keltische Sprache in Britannien Verbreitung fand, aber keine - oder eine äußerst geringe - keltische Einwanderung erfolgte.
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15.06.2016, 14:50
Beitrag: #50
RE: Der Untergang von Sprachen
Als im 1. Jh. römische Armeen auf die Insel vordrangen, trafen sie auf eine Anzahl selbstständig verfasster Stämme der Briten. In diesen Teilen Britanniens wurden - analog zu Gallien - städtische Zentren errichtet, die meist einen britischen Namen hatten und von denen aus die die alten Stammesgebiete (civitates) oder Teile von ihnen verwaltet wurden. Die "concilii" und "magistrati" dieser städtischen Territorien wurden von einheimischen britischen Landbesitzern gestellt, in der Regel aber nicht die Oberprovinzialbeamten. Im 2. und 3. Jh. wurden auch immer mehr Briten in das Heer eingegliedert.

Die Angehörigen beider Gruppen - der Beamten wie der Soldaten - sprachen und schrieben hauptsächlich Latein. Vermutlich waren die Stadtbewohner zweisprachig, doch sprach die Landbevölkeung wahrscheinlich nur Britisch. Die alten religiösen Bräuche bestanden sicherlich in der Römerzeit fort und erlebten Mitte des 4. Jh. eine Erneuerung. Das Chrsitentum war, sowohl vor wie auch nach Kaiser Konstantin, nur die Religion der Stadtbewohner und einiger Besitzer von "villae".

Es ergibt sich damit wohl ein Bild, das eher dem römischen Germanien und weniger der Situation in Gallien ähnelt. Die britische Bevölkerung blieb trotz oberflächlicher Romanisierung derart dominant, dass sich keine romanische Sprache wie z.B. in Spanien oder dem späteren Frankreich herausbildete.

Zwischen etwa 450 und 580 wurden die oberflächlich romanisierten Briten gezwungen, den größten Teil des südlichen und östlichen Britannien zu Gunsten der einströmenden Angelsachen aufzugeben, obwohl ein Sieg um 500 (der vielleicht dem sagenhaften Artus oder aber einem anderen lokalen Führer zugeschrieben werden kann) für einige Jahrzehnte eine Ruhepause und vielleicht eine zeitweilige Rückgewinnung einiger Gebiete zur Folge hatte. Damals kam es zu einer starken Abwanderung in die "Armorica" (Bretagne).

Die gesprochene Sprache änderte sich schnell und durchgreifend, was man auch daran erkennt, dass nur vereinzelt britische Ortsnamen fortbestanden und die britische Sprache aus den Gebieten, die bis zum 7. Jh. erobert wurden, völlig verschwand.

Das eigentliche Erbe der Briten besteht in den nachfolgenden Königreichen und Fürstentümern von Cornwall, Wales und Strathclyde, die sich auch zu verschiedenen Sprachräumen und Rückzugsgebieten des Keltischen entwickelten. Sie bewahrten durch ihre mündlich und schriftlich tradierte keltische Literatur und durch Verbindungen zwischen Klöstern und Bistümern keltischer Gebiete das gemeinsame Erbe.
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15.06.2016, 16:16
Beitrag: #51
RE: Der Untergang von Sprachen
(15.06.2016 14:40)Dietrich schrieb:  Ich rede davon, dass das keltische Idiom der britischen Mehrheitsbevölkerung erstaunlicherweise in relativ kurzer Zeit verschwand und dem altenglischen Idiom der angelsächsischen Eroberer wich. Die keltische Bevölkerung wurde rasch assimiliert, abgesehen von einigen Rückzugsgebieten, wo sie überlebte. Die Ursachen sind bis heute umstritten, vor allem die Gewichtung einzelner Elemente.

Die Frage ist halt, ob sich tatsächlich eine britische Mehrheitsbevölkerung in den Gebieten erhielt, in denen sich die Angelsachsen verbreiteten.

(15.06.2016 14:40)Dietrich schrieb:  Du hast gesagt, dass das geistige Zentrum der Briten zerstört wurde, was eine wesentliche Ursache für den Untergang der nationalen Identität sei, was wiederum das rasche Verschwinden der keltischen Sprache erklären würde. Dass ein Sprachwechsel von einem solchen "geistigen Zentrum" nicht abhängig ist, erklärte ich am Beispiel der Galloromanen und Franken. Sprachwechsel erfolgen mit und auch ohne "geistige Zentren".
Es mag aber sein, dass ich dich missverstanden habe.

Vielleicht reden wir hier beide ein wenig aneinander vorbei. Natürlich gibt es auch Sprachwechsel, die überhaupt nichts mit einem geistigen Zentrum zu tun hatten, im Falle der Britannier halte ich dies aber für sehr wahrscheinlich, weil die kulturelle Identität damit massiv reduziert, wenn nicht gar vernichtet wurde. Und wenn alte Riten und Gebräuche durch neue ersetzt werden, dann werden diese neuen auch der neuen Sprache benannt- was zwangsläufig dazu führt, dass sich auch die Usprungssprache immer mehr hin zur "Besatzersprache" hin verändert.
Die Britannischen Dialekte dürften sich dem Latein also immer weiter angenähert haben.


(15.06.2016 14:40)Dietrich schrieb:  Die Romanisierung Britanniens erfolgte nur lückenhaft.
Das sieht Geoffrey Ashe ganz anders. Wink Demzufolge sehnten sich die Briten so sehr nach einem Restitutor, der in Britannien den römischen Glanz und die römische Gloria wiederherstellte, dass sie aus einem Kriegsführer, der in der Bretagne zu Gange waren, ihren Helden Artus machten... (Das Augenzwinkern deshalb, weil ich die Theorie für Quark halte...)

(15.06.2016 14:40)Dietrich schrieb:  
(14.06.2016 16:24)Bunbury schrieb:  Es gab im übrigen eine größere kulturelle Schnittmenge zwischen Germanen und Kelten als zwischen Römern und kelten, von daher halte ich es für nicht so verwunderlich, dass die verbliebenen Kelten sich den Angelsachsen leichter anpaßten und froh waren, das römsiche loszuwerden...

Das halte ich für ein Fantasiegebilde. Die sächsischen Barbaren werden auf die romanisierten zivilisierten Kelten erschreckend gewirkt haben.

Nichtsdestotrotz weisen die keltischen und germanischen Glaubensvorstellungen mehr Ähnlichkeit miteinander auf als es die keltischen und römischen (auch vorchristlichen) taten. Auch was die Stellung und die Rechte von Frauen anging, waren sich Kelten und Germanen sehr viel näher als Kelten und Römer.

(15.06.2016 14:40)Dietrich schrieb:  
(14.06.2016 16:24)Bunbury schrieb:  Und noch eines sollte nicht vergessen werden- es gab mindestens zwei keltisch- sprachige Wellen auf den britischen Inseln.

Es wird heute vielfach angezweifelt, dass eine nenneswerte Zahl keltischer Siedler in Britannien einwanderte. Es gibt sogar die Hypothese, dass allein die keltische Sprache in Britannien Verbreitung fand, aber keine - oder eine äußerst geringe - keltische Einwanderung erfolgte.

Bei der von dir zitierten Stelle habe ich mich richtig ausgedrückt, später war ich dann ein bißchen schlampiger- es gab zwei keltisch-sprachige Wellen. Von Einwanderung habe ich nichts gesagt...Wink

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15.06.2016, 16:40
Beitrag: #52
RE: Der Untergang von Sprachen
(15.06.2016 14:50)Dietrich schrieb:  Die alten religiösen Bräuche bestanden sicherlich in der Römerzeit fort und erlebten Mitte des 4. Jh. eine Erneuerung. Das Chrsitentum war, sowohl vor wie auch nach Kaiser Konstantin, nur die Religion der Stadtbewohner und einiger Besitzer von "villae".

Nein, das stimmt so nicht. Das Christentum fand recht schnell Eingang in die keltische Welt, aber es entwickelte sich eine gewisse Mischform aus keltisch und christlich, die von der römischen Kirche später mit den üblichen Mitteln bekämpft wurde...

(15.06.2016 14:50)Dietrich schrieb:  Es ergibt sich damit wohl ein Bild, das eher dem römischen Germanien und weniger der Situation in Gallien ähnelt. Die britische Bevölkerung blieb trotz oberflächlicher Romanisierung derart dominant, dass sich keine romanische Sprache wie z.B. in Spanien oder dem späteren Frankreich herausbildete.

Ein Unterschied war sicherlich auch, dass sich etliche römishe Legionäre in Gallien niederließen, aber eben nicht in Britannien, was letztendlich dazu führte, dass Latein für die Briten eine eher ungeliebte obersprache blieb...

(15.06.2016 14:50)Dietrich schrieb:  Zwischen etwa 450 und 580 wurden die oberflächlich romanisierten Briten gezwungen, den größten Teil des südlichen und östlichen Britannien zu Gunsten der einströmenden Angelsachen aufzugeben, obwohl ein Sieg um 500 (der vielleicht dem sagenhaften Artus oder aber einem anderen lokalen Führer zugeschrieben werden kann) für einige Jahrzehnte eine Ruhepause und vielleicht eine zeitweilige Rückgewinnung einiger Gebiete zur Folge hatte. Damals kam es zu einer starken Abwanderung in die "Armorica" (Bretagne).

"Einen" Artus gab es nicht. Das ganze ist ein Konstrukt aus mindestens vier Männern.... Aber nur einer davon hat die sagenhafte Schlacht am Berg Badon geschlagen...

(15.06.2016 14:50)Dietrich schrieb:  Die gesprochene Sprache änderte sich schnell und durchgreifend, was man auch daran erkennt, dass nur vereinzelt britische Ortsnamen fortbestanden und die britische Sprache aus den Gebieten, die bis zum 7. Jh. erobert wurden, völlig verschwand.

Was ein recht deutlicher Hinweis darauf ist, dass in diesen Gegenden tatsächlich der britannische Bevölkerungsanteil sehr stark abnahm. In anderen Gegenden Britanniens haben sich gerade verbreitet in Ortsnamen die alten Sprachen gehalten...

(15.06.2016 14:50)Dietrich schrieb:  Das eigentliche Erbe der Briten besteht in den nachfolgenden Königreichen und Fürstentümern von Cornwall, Wales und Strathclyde, die sich auch zu verschiedenen Sprachräumen und Rückzugsgebieten des Keltischen entwickelten. Sie bewahrten durch ihre mündlich und schriftlich tradierte keltische Literatur und durch Verbindungen zwischen Klöstern und Bistümern keltischer Gebiete das gemeinsame Erbe.

Verwechsele jetzt nicht das keltische Erbe Irlands (das ja über Dalriada wieder nach Britannien kam und zumindest Strathclyde überlagert hat) und das keltische Erbe Britanniens- das sind zwei Paar Schuhe. Wirklich. Das Problem ist nur, beides von einander zu trennen... Darüber kann man streiten....Jahrzentelang....

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16.06.2016, 14:07
Beitrag: #53
RE: Der Untergang von Sprachen
Möglicherweise sind schon vor den Angelsachsen stark germanisierte Belger in Ostengland eingewandert.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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16.06.2016, 14:12
Beitrag: #54
RE: Der Untergang von Sprachen
Seit den 1960er Jahren tobt eine erbitterte Auseinandersetzung unter englischen Historikern und Archäologen, ob lediglich ein Elitetransfer oder eine Masseneinwanderung germanischer Gruppen erfolgte. Von einer "ethnischen Säuberung" spricht in diesem Zusammenhang niemand mehr.

Aber es bleibt die Frage, ob der Einwanderungsprozess nur von einer geringen Zahl von Einwanderern getragen wurde, deren kulturelle Normen große Teile der einheimischen Bevölkerung übernahmen und somit eine überwiegend gewaltlose Ausbreitung stattfand. Das würde dann für einen Elitetransfer sprechen, dem eine kulturelle Nachahmung folgte.

Die andere Fraktion glaubt an eine beträchtliche Zahl germanischer Zuwanderer aus dem norddeutschen Raum und dem Gebiet der heutigen Benelux-Staaten, die im 5. und 6. Jh. eine gewaltsame Übernahme ins Werk setzten und die angelsächsische Kultur im englischen Tiefland verbreiteten.

Zwischen diesen beiden kultur- und bevölkerungsgeschichtlichen Modellen gibt es eine große Spannbreite, die im wesentlichen hypothetisch bleibt, da die Quellenlage dürftig ist. Zuweilen wurde angeführt, dass die englischen Ortsnamen überwiegend angelsächsischen Ursprungs sind, was auf eine Masseneinwanderung hindeuten könne. Doch hat sich gezeigt, dass die meisten Namen erst einige Jahrhunderte nach der angelsächsischen Invasion entstanden, und somit kein hinreichender Beleg für diese These sein können. Im Verlauf von zwei Jahrhunderten hätte sich die germanische Sprache auch allein durch kulturelle Assimilation durchsetzen können, d.h. die unterschiedlich romanisierte keltische Bevölkerungsbasis hätte lediglich einen Sprachwechsel vollzogen.

Peter Heather schreibt [1], dass die Bevölkerunsgeschichte archäologisch etwas besser dokumentiert ist. Informationen liefern u.a. 30 000 Gräber aus der frühen angelsächsischen Epoche, die die Überreste von 10-15 Generationen aus der Zeit vom 5. bis zum späten 7. Jh. enthalten. Die Gesamtbevölkerung Britanniens soll nach konservativen Schätzungen etwa 1 Million betragen haben.

Die Frage, ob "Masseninvasion" oder "Elitetransfer mit kultureller Nachahmung", bleibt somit unbeantwortet. Die Wahrheit wird vermutlich in der Mitte liegen. Beispiele gibt es für jede dieser Hypothesen. So wurde z.B. die normannische Eroberung Englands von einem Elitetransfer getragen, während es bei der Eroberung des byzantinischen Kleinasiens im 11./12. Jh. zu einer turkstämmigen Masseninvasion kam.

[1] Peter Heather, Invasion der Barbaren, Stuttgart 2011 (englische Ausagbe von 2009)
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16.06.2016, 17:58
Beitrag: #55
RE: Der Untergang von Sprachen
ich bin mir nicht so sicher, dass es wirklich hypothetisch bleibt. Soweit ich weiß, sind in den entsprechenden Gegenden angelsächsische Gräber aus der richtigen Zeit gefunden wurden, in denen auch Frauen und Kinder (und zwar nicht zur Oberschicht gehörend) bestattet wurden, was für die Forscher der damaligen Zeit (ich habe mir vor ca. 10 Jahren aus diversen englischen Countys Berichte über Funde aus dem Netz geladen) ein Hinweis darauf war, dass eine breitere Einwanderung stattgefunden hat.
Allerdings war man damals mit DNA Analysen noch nicht so weit, falls es da etwas neuen gibt, wäre ich für einen Link sehr dankbar...

Falls es sich um einen Elite- Transfer gehandelt haben soll, muss die Schnittmenge zwischen Kelten und Germanen recht groß gewesen sein, ansonsten hätten die Kelten nicht so problemlos die Kultur unternommen.

Also enweder- Verdrängung der Britannier durch Einwanderer- Kultur der Britannier verschwindet. Oder Elite- transfer einer Kultur, die Parallelen zur ursprünglich keltischen aufweist- Britannier nehmen die ihnen nicht unvertraute Kultur bereitwillig auf.

Die dritte Möglichkeit- Elite- Tansfer einer völlig anderen Kultur scheint mir sehr unwahrscheinlich... Nicht aus historisch belegbaren Gründen, sondern aus psychologischen und soziologischen Erwägungen heraus...

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17.06.2016, 12:33
Beitrag: #56
RE: Der Untergang von Sprachen
(16.06.2016 17:58)Bunbury schrieb:  Falls es sich um einen Elite- Transfer gehandelt haben soll, muss die Schnittmenge zwischen Kelten und Germanen recht groß gewesen sein, ansonsten hätten die Kelten nicht so problemlos die Kultur unternommen.

Also enweder- Verdrängung der Britannier durch Einwanderer- Kultur der Britannier verschwindet. Oder Elite- transfer einer Kultur, die Parallelen zur ursprünglich keltischen aufweist- Britannier nehmen die ihnen nicht unvertraute Kultur bereitwillig auf.

Man geht heute davon aus, dass einige britische Fürsten der keltischen Kleinkönigreiche die römische Politik fortsetzten, Germanen als Söldner zu rekrutieren. Diese stammten zumeist aus den Gebieten nördlich der Rheinmündung. Schon nach kurzer Zeit streiften einige dieser Germanenverbände die britische Oberhoheit ab und begründeten, unter starkem Zuzug neuer Einwanderer, eigene Herrschaftsgebiete, die sie auf Kosten der britischen Territorien rasch erweiterten.

Diese Germanen wurden von Römern wie Briten allgemein als Sachsen (Saxones) bezeichnet. Besonders in den späteren Königreichen der Ost-, West- und Südsachsen (Essex, Wessex, Sussex) spielten sächsische Bevölkerungsteile, zum Teil neben Friesen, eine dominierende Rolle. In Mittel- und Nordengland dagegen siedelten vornehmlich aus dem Raum Jütland eingewanderte Angeln.

Nach anfänglicher Besiedlung des Osten von Enland und der Südküste erweiterten die Angelsachsen allmählich ihre Siedlungsräume, zuerst entlang den Flusstälern und Römerstraßen, dann in das Hinterland. Bis um die Mitte des 6. Jh. war ein großer Teil des heutigen England im Besitz der Angelsachsen, etwa 100 Jahre später hatten sie die Kelten nach Wales und Cornwall zurückgedrängt.

Kelten, die im angelsächsischen Teil blieben, wurden rasch assimiliert und von der neuen Bevölkerung aufgesogen. Das ging schon deshalb sehr schnell, weil auch die Herrschaftsverhältnisse dem entsprachen. Wer etwas werden wollte, musste (alt)sächsisch sprechen und so ging - wie überall auf der Welt - der Prozess der Integration rasch vor sich.

So könnte ein denkbares Szenario ausgesehen haben.
Über die zahlenmäßige Stärke der angelsächsischen Einwanderer sagt es dennoch wenig aus.
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19.06.2016, 11:27
Beitrag: #57
RE: Der Untergang von Sprachen
Wenn man von der zweifelhaften Interpretation der keltischen Motive zur Anpassung absieht, entspricht das Szenario ganz klar den Regeln der Geschichtsscheibung. Du hast die für die klassische Geschichtsschreibung wesentlichen Punkte herausgestellt und in Zusammenhang gebracht, und herausgekommen ist ein Szenario, das sich in jedem Lehrbuch hervorragend machen würde.

Wie unschwer zu erkennen ist, bin ich damit dennoch nicht zufrieden. Aber das liegt eher daran, dass in den letzten Jahren meine Zweifel daran, wie Geschichtsschreibung zu sein hat, stetig gewachsen sind,
Wenn ich Zeit habe, stelle ich ein alternatives Szenario vor, allerdings in passendem Thread, das auch die Details berücksichtigt, die von den klassischen römischen und griechischen Schreibern gerne als irrelevant und unbedeutend angesehen wurden....Wink

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19.06.2016, 17:44
Beitrag: #58
RE: Der Untergang von Sprachen
(19.06.2016 11:27)Bunbury schrieb:  Wie unschwer zu erkennen ist, bin ich damit dennoch nicht zufrieden. ...
Wenn ich Zeit habe, stelle ich ein alternatives Szenario vor, allerdings in passendem Thread, das auch die Details berücksichtigt, die von den klassischen römischen und griechischen Schreibern gerne als irrelevant und unbedeutend angesehen wurden....Wink

Darauf bin ich sehr gespannt.

Was Assimilationsvorgänge betrifft, so gibt es weltweit reichlich Anschauungsmaterial. Sei es, dass Eroberer die Sprache der unterlegenen Bevölkerung annehmen, sei es, dass Eroberer einer Bevölkerung ihre Sprache aufzwingen - oder sie sich aufgrund von Prestige und Dominanz relativ zwanglos verbreitet.
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19.06.2016, 22:28
Beitrag: #59
RE: Der Untergang von Sprachen
Ein interessantes Thema.

In Frankreich gab es im Prinzip auch nach dem Fall des Imperiums zwei große Sparachgruppen- im Norden die Langue d" Oil und im Süden die Langue d"Oc, Daneben gab es noch das bretonische Gälisch, Korsisch und Baskisch
Zur Langue d" Oil gehörten u.a. das Wallonische und die anglonormannische Sprache des englischen Adels
Durchgesetzt hat sich die Langue d"Oil eigentlich erst mit den Katharerkriegen und der Zentralisierung Frankreichs ab dem 17,Jahrhundert -teilweise auch mit Sprachverboten oder noch nachhaltiger mit sozialer Ächtung der anderen Sprachen. In England erfolgte diese Zentralisierung bereits im Mittelalter mit der Fixierung auf London als Hauptstadt -insoweit ist es auch nicht verwunderlich dass es hier früher zu einer Angleichung kam-
Im HRR haben wir ebenfalls eine Mehrteilung-Im Hochdeutschen besteht die Grenze zwischen Fränkisch Allemannisch,Bayrisch und Ostmitteldeutsch,die bis heute im Dialekt noch ausgeprägt ist ,Im Norddeutschen gibt es die beiden friesischen Sprachinseln . Erst im Rahmen der Preussifizierung und teilweise Zentralisierung setzte sich auch im ehemaligen HRR die Sprache von Luthers Bibelübersetzung als als verbindliche Hochsprache durch, auch hier mit Hilfe der oben bereits skizzierten Mittel,
sinteressant ist übrigens,dass bis ins 11.Jahrhundert im Hunsrück- und Moselgebiet noch eine romanische Sprachinsel existierte,in der Moselromanisch gesprochen wurde,das sich aus dem Vulgärlatein entwickelt hatte.
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19.06.2016, 23:29
Beitrag: #60
RE: Der Untergang von Sprachen
Die Biebelvarianten in den verschiedenen regionalen frühdeutschen Varianten ähnelten sich und ähneln auch dem Text der gotischen Wulfila Biebel. Die Leseproben waren für mich zum großen Teil verständlich. Hoch-Gotisch war also eine frühdeutsche Variante?

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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