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Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
26.11.2014, 09:40
Beitrag: #81
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Mir hat mal ein Ostpreusse erzählt, er hatte berufich öfter in Berlin zu tun, dass er mal an der Zonengrenze eine derartige Wut auf das ganze "Kommunistenpack" gekriegt hätte, dass er drauf und dran gewesen wäre und den nächsten Vopo am Kagen genommen hätte, inzwischen würde er vorsichtshalber fliegen.

Diese Generation mit ihren Erfahrungen hat das Bild der DDR im Westen bestimmt. Hat man die oben beschriebenen Sympathien geäußert, war die Antwort: Geh doch rüber, mach deine Erfahrungen, ich habe es 10 Jahre mitgemacht.
Oder: Der Russe will die Welt beherrschen! Das darf man nie vergessen.
Da ist der Sympathisant Suebe besser still gewesen.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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26.11.2014, 13:17
Beitrag: #82
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Hat mein Vater ähnlich gemacht. In frühester Jugend war er Kommunist, und soweit ich weiß, ist er in die DDR gegangen, um als Pazifist dem Armeedienst zu entgehen. Dort hat er dann sogar seinen Meister gemacht.
Als er zurückkam, war er kein Kommunist mehr... Aber er hat auch recht offen darüber gesprochen, daß man ihn anheuern wollte, für die DDR zu spionieren.
Leider starb er, als ich noch ein Kind war, deshlab kann ich hier nichts genaueres darüber sagen

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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26.11.2014, 13:52
Beitrag: #83
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(26.11.2014 13:17)Bunbury schrieb:  Hat mein Vater ähnlich gemacht. In frühester Jugend war er Kommunist, und soweit ich weiß, ist er in die DDR gegangen, um als Pazifist dem Armeedienst zu entgehen. Dort hat er dann sogar seinen Meister gemacht.
Als er zurückkam, war er kein Kommunist mehr... Aber er hat auch recht offen darüber gesprochen, daß man ihn anheuern wollte, für die DDR zu spionieren.
Leider starb er, als ich noch ein Kind war, deshlab kann ich hier nichts genaueres darüber sagen

Ein Freund der Familie ist 1956 zum Studieren nach Leipzig, wegen dem Wehrdienst. (Sein Vater war ein Leben lang Kommunist, war bis 1943 "wehrunwürdig" und hat in den Jahren der gesamten Jugend des Städtleins das Skifahren beigebracht)
Der ist aber 1957 bei Nacht und Nebel zurückgekommen und hat in Eßlingen fertigstudiert,

Aus Eigenem:
Mit zunehmendem Alter hat man dann Solschenizyn gelesen, Leonhardt sowieso, "Uns gehts ja noch Gold" "Briefe aus einem anderen Land" kam auch mal nach Berlin, der Blick aufs Brandenburger Tor über die 10 Meter Beton weg war auch sehr erhellend....
und gewann eine äußerst distanzierte Haltung zum "realexistierenden Sosjalismus"

Und man wurde zum Anhänger der FDGO (freiheitlich demokratischen Grundordnung) und der sozialen Marktwirtschaft...
(alles theoretisch ein rechter Sch.... nur, was gibts praktisch besseres?)

So wars.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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26.11.2014, 19:01
Beitrag: #84
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(25.11.2014 22:08)Bunbury schrieb:  Jetzt enttäuschst du mich aber.Wink Das klingt ja schon wie abgedroschene Nostalgie...
Es gibt immer Menschen, die aus ihrem Leben im Rahmen ihrer Möglichkeiten das beste machen und es gibt immer solche, die sich darüber beklagen, daß sie aufgrund irgendwelcher Umstände nicht die Chancen hatten, die sie verdient gehabt hätten. Ganz egal, wie die Umstände aussehen. Nur ein sehr kleiner Prozentsatz hat tatsächlich Pech...
Das verhältnis dürfte sich zwicshen Ost und West nicht groß unterschieden haben, denn was das anbetrifft, waren dann doch beide Seiten in erster Linie Deutsche...

Beim Zusammenbasteln der Einzelteile zu einem Ganzen, komme ich jetzt nicht ganz weiter. Sprich - ich sehe noch keinen Zusammenhang zwischen der abgedroschenen Nostalgie, dem Klagen über zustehende, aber nicht erhaltene Chancen bzw. dem tatsächlichen Pech Weniger und den "Glücklichkeitsstudien" ... und dass es da keine großen Unterschiede zwischen Ost und West gegeben haben dürfte?


Sorry, wenn ich auf die anderen Sachen nicht eingehe, aber als toleranter und konsensorientierter Diskussionspartner bezeichnet zu werden, hat in mir ein angenehmes Gefühl hervorgerufen, welches ich mir noch eine Weile erhalten möchte ...Wink


Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon, wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen!

Eduard F. Mörike (1804-1875)
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26.11.2014, 19:21
Beitrag: #85
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(26.11.2014 19:01)Avicenna schrieb:  ./.


Sorry, wenn ich auf die anderen Sachen nicht eingehe, aber als toleranter und konsensorientierter Diskussionspartner bezeichnet zu werden, hat in mir ein angenehmes Gefühl hervorgerufen, welches ich mir noch eine Weile erhalten möchte ...Wink

Warmduscher Innocent

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26.11.2014, 19:41
Beitrag: #86
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Mal was anderes, die Fakten interessieren niemanden?

Das Eingabewesen zb, da würden mich die Erfahrungen der in der DDR einst lebenden sehr interessieren.
Hört sich doch gut an, gegen Behördenwillkür angehen, ohne befürchten zu müssen, am Ende mit 5-stelligen Gerichtskosten dazusitzen.

Oder auch die Wahlen zu kleinen Erpressungen zu benutzen.

Von beidem habe ich nämlich noch nie gehört oder gelesen.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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26.11.2014, 19:45
Beitrag: #87
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(26.11.2014 19:21)Suebe schrieb:  
(26.11.2014 19:01)Avicenna schrieb:  ./.


Sorry, wenn ich auf die anderen Sachen nicht eingehe, aber als toleranter und konsensorientierter Diskussionspartner bezeichnet zu werden, hat in mir ein angenehmes Gefühl hervorgerufen, welches ich mir noch eine Weile erhalten möchte ...Wink

Warmduscher Innocent

ich weiß ...Sleepy


Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
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Veilchen träumen schon, wollen balde kommen.
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26.11.2014, 19:54
Beitrag: #88
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(26.11.2014 19:41)Suebe schrieb:  Mal was anderes, die Fakten interessieren niemanden?

Das Eingabewesen zb, da würden mich die Erfahrungen der in der DDR einst lebenden sehr interessieren.
Hört sich doch gut an, gegen Behördenwillkür angehen, ohne befürchten zu müssen, am Ende mit 5-stelligen Gerichtskosten dazusitzen.

Oder auch die Wahlen zu kleinen Erpressungen zu benutzen.

Von beidem habe ich nämlich noch nie gehört oder gelesen.


Hier mal der Gesetzestext
http://www.verfassungen.de/de/ddr/petitionsgesetz75.htm

Papier ist geduldig und Buchstaben kann man verbiegen
deswege, wie gesagt, der eine oder andere Erfahrungsbericht wäre doch gut

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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26.11.2014, 20:59
Beitrag: #89
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(26.11.2014 19:54)Suebe schrieb:  Papier ist geduldig und Buchstaben kann man verbiegen
deswege, wie gesagt, der eine oder andere Erfahrungsbericht wäre doch gut

Ich könnte dir erzählen, was man tun musste, um eine Nacht in Stralsund auf der VP-Hauptwache verbringen zu dürfen und dann als disziplinarische Maßnahme mit einem dauerhaften "Rügenverbot" belegt zu werden.
Oder wie man es anstellt, mit Verdacht auf Republikflucht auf der Dienststelle der netten Genossen der TraPO in Zwickau zu landen, um auch dort eine ziemlich schlaflose Nacht verbringen zu können, oder
dass es eine dumme Idee war, 1982 mit selbstgemachten Plakaten bei einem kleinen privaten Osterspaziergang auf Fahrrädern gegen NATO-Waffen zu protestieren ... um natürlich wieder außer Haus übernachten zu müssen.

aber mit Eingaben ans ZK oder Erpressung des Wahlleiters habe ich's nie probiert, kann ich leider nicht dienen.

Aber das gab es auf alle Fälle, man hat davon gehört und auch, dass es im Regelfall keine nachteiligen Folgen hatte. Vielleicht "packt" ja doch noch einer der anderen "Betroffenen" aus und plaudert aus dem Nähkästchen ... Big Grin


Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
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26.11.2014, 22:27
Beitrag: #90
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Eigentlich sollte ich mich angesprochen fühlen. Aber lieber später, ich war damals auf Hiddensee als privates Refugium. Da gab es kein Westfernsehen und die Bibliothek hatte der Pastor...

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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27.11.2014, 02:58
Beitrag: #91
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Könnte ich auch. Eigentlich war ich ein fleißiges und braves Bürschchen, aus dem ein guter Kommunist hätte werden können. Man hätte mich einfach nur in Ruhe lassen und ab und zu für Nachschub von Büchern sorgen müssen, besonders zu Themen wie Geschichte, Philosophie und Kunst. Dann hätte die Chance bestanden, vielleicht? Man tat aber nichts dergleichen, im Gegenteil, man wollte dem bis dato braven Bürschchen den nicht nutzbaren und brotlosen Kram austreiben oder wie es volkstümlich heißt, "den Jungen auf Trab bringen“ oder „in die Gesellschaft integrieren". Das tat man, indem man den folgsamen Bürschchen sinnvolle Freizeitbetätigungen gab, wie über Sturmbahnen zu stürmen oder Arbeiten, wie an einem Stahlblock aus hochwertigen St 38 den ganzen Tag zu feilen. Leider war das Bürschchen nicht so talentiert im Stürmen und Feilen und Klassen bewusste Arbeiter meinten dann auch, ihm, den man so nicht gebrauchen kann, hart zu kritisieren. Diesen revolutionär-proletarischen Volkszorn nahm sich das Bürschchen sehr zu Herzen, er war dann nicht mehr so brav und fleißig, er wurde trotzig und mimosenhaft und das Allerschlimmste, er ging nicht mehr zum Frisör, die Haare wurden zu lang und die Klamotten sprachen für sich. Zum Arbeiten war er auch zu dumm, man kann ihn nur zum Späne kehren oder zum Bierholen gebrauchen Aber es bestand ja noch die Chance, aus dem missratenen Jungen einen ordentlichen Staatsbürger zu machen: DIE ARMEE

Was ich bei der Armee so erlebt habe, kann man nicht in ironisch-satirischen Ton schreiben. Das ist ein Thema für sich und als ich nach 1,5 Jahren nach Hause gehen durfte, stand für mich fest, in die innere Emigration zu gehen. Ich war sicher kein Widerständler, aber kann von mir aus sagen, dass ich niemand geschadet habe oder mich durch Diebstahl am Volkseigentum bereichert habe. Ähnliches wie Avicenna habe ich aber auch erlebt. Dazu schreibe ich gleich mal weiter.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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27.11.2014, 04:45
Beitrag: #92
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
1979 fuhren ein Kumpel und ich mit den Mopeds nach Wernigerode, um eine Bekannte zu besuchen, die aber nicht zu Hause war. Nachdem wir uns den schönen Ort etwas angeschaut haben, fuhren wir weiter nach Bad Blankenburg und von dort aus nach Thale. Da es inzwischen gegen 18 Uhr war, bauten wir im Wald unser Zelt auf und fuhren mit dem Moped zum Abendessen nach Thale, einer kleinen Stadt am Fuße des Harzes. Als wir zurückfuhren, folgte uns ein VP-Lada, der uns auch in den Wald folgte, wo bereits eine andere VP-Abteilung auf uns wartete. Wir mussten auf die Wache, wurden verhört, verbrachten dann die Nacht in einem stark beleuchteten Raum und unsere Eltern mussten in Leipzig um 2 auf die Wache. Über dieses Verhalten der Bullen - Vopo sagte niemand in der DDR - beschwerte sich der Vater meines Kumpels bei irgendeiner Parteibehörde, er hatte kein Erfolg. Mein Vater war nicht in der Partei, er fürchtete um seinen Job und war deshalb mehrere Wochen sehr sauer auf mich. Mein Kumpel hatte damals Kartenmaterial und Lederstiefel eingebüßt, ersteres wurde konfiziert, bei den Stiefeln meinten die Bullen nur, wir würden uns irren, die Stiefel würden sich sicher wieder zu Hause finden. Mein Kumpel sucht seitdem immer noch seine Stiefel. (Nö, das ist jetzt nicht wahr, er hat den Verlust zähneknirschend verkraftet.)

1983 begann aus Anlass des 500. Jahrestages von Luthers Geburtstag die DDR ihr Bild über Luther zu ändern. Deshalb gab es staatliche und kirchliche Veranstaltungen, wo man sich traute mit Kerzen und "Schwerter zu Pflugscharen" - Aufnäher seinen Unmut gegen Pershing, SS-20 und die verkrustete DDR-Führung zu äußern. In Leipzig war seit Tagen bekannt, dass am Sonnabend, den 7. November 1983, also drei Tage vor Luthers Geburtstag, auf der Petersstraße gegenüber dem ehemaligen Kino "Capitol" eine Demo für Frieden und Abrüstung stattfinden soll. Meine damalige Clique traf sich in einer Kneipe und wir fuhren dann auch in die Stadt. Aber einer – Name wird nicht genannt - musste vorzeitig aussteigen. Der bekam nämlich plötzlich Magenkrämpfe, lief grün und blau an und musste vorzeitig aussteigen, um hinter den nächsten Busch zu verschwinden. Danach schleppte sich der arme Mensch nach Hause, um eine unangenehme Nacht bei Tee und Zwieback zwischen Klo und Bett zu verbringen. Sonntagmittag, so gegen 16 Uhr 10, ich war gerade aufgestanden, klingelte es Sturm und mein Kumpel und seine damalige Freundin standen vor der Tür. Zuerst lästerten sie, dass mein Hintern für Heiterkeit der Straßenbahnbenutzer gesorgt hätte, danach kamen sie so langsam mit der Sprache heraus. Sie hatten eine Nacht und einen Vormittag auf der Polizeiwache verbracht, nachdem sie etwa 10 bis 20 m auf der Petersstraße mit einer brennenden Kerze gelaufen sind. Wer nicht schnell genug weg rennen konnte, wurde von den Bullen auf den „Robur“ verfrachtet und danach verhört. Dem einen Teil meiner Clique gelang die Flucht, dem anderen nicht. Mein Kumpel, seine Freundin und die anderen „Eingefangenen“ bekamen „Berlin-Verbot“ für das Jahr 1984, vor allem für das Jugendfestival, das in jenem Jahr stattfand. Wir sind dann halt nicht nach Berlin gefahren, sondern nach Prag und sahen das schöne Berlin erst 1989 wieder. Das hatte aber nichts mehr mit dem Verbot zu tun, Prag war einfacher schöner…
Was mir bis heute etwas rätselhaft ist, aber was ich auch nicht mehr wirklich wissen will, ist, dass mein damaliger Dozent mich zu diesem Thema ansprach und meine „richtige Entscheidung“ begrüßte!!!

Nach dem Studium dachte ich, meine Mitgliedschaft in der FDJ (Freie Deutsche Jugend) endete mit dem 25. Geburtstag. „Ja, das ist natürlich richtig, aber das gilt nur für Arbeiter“, belehrte mich die FDJ-Sekretärin des Betriebes, „aber Ingenieure bleiben bis zum 30. Lebensjahr in der FDJ.“ “Das kann nicht sein, im Statut der FDJ steht nichts davon.“ „Das ist neu und steht im neuen Statut.“ „Nun, als ich in die FDJ eintrat, galt das alte Statut und da trete ich jetzt aus, weil ich inzwischen 25 Jahre alt bin“. Das ging eine Weile hin und her, schließlich durfte ich aus der FDJ austreten und musste auch nicht mehr deren Veranstaltungen besuchen. Aber als erstes kam eine Mitteilung der Betriebsleitung, dass man mich nicht in die betriebliche Arbeiterwohngenossenschaft aufnehmen kann, was wiederum bedeutete, der Betrieb kann mir trotz Bedarf keine Wohnung stellen. Zweitens kam der Abteilungsleiter zu mir, den ich ein Pamphlet unterschreiben musste, nicht aus dem FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) auszutreten. Ich unterschrieb, obwohl ich damals nicht wissen konnte, dass ein paar Jahre später der DGB mich in Rechtsstreite gegen ehemalige Arbeitgeber unterstützen würde. Drittens kam ein Kollege zu mir, der mich bat, nicht die Mitgliedschaft in der DSF (Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft) zu verweigern. Als er in mein wohl verdattertes Gesicht schaute, meinte er nur, die Brigade hätte sich verpflichtet, dass jeder aus der Brigade Mitglied der DSF wird. Und wenn ich eben kein Mitglied werde, kann die Brigade nicht „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ werden und dies bedeutete, dass keine Prämien ausgezahlt werden. Nun ich einigte mich mit ihm, dass ich den Jahresbeitrag zahle, aber ansonsten von der DSF in Ruhe gelassen werde. Daran hielten sich beide Seiten bis zum Untergang der DDR.

Etwas ernster wurde es 1988: da wurde Nicolae Ceaucescu aus Anlass von dessen 70. Geburtstag der Karl-Marx-Orden verliehen. Für mich war das nicht hinnehmbar, da ich Rumänien zum damaligen Zeitpunkt relativ gut kannte. Also schrieb ich zwei DIN-A4-Seiten, warum ich gegen diese Auszeichnung war. Da ich damals nur montags und freitags im Stammbetrieb war, die restlichen Tage auf Baustellen, meist im KKW Lubmin bei Greifswald weilte, wartete ich an einem Montagnachmittag, nachdem ich ein ganzes Wochenende am Text gefeilt habe und ihm in allerschönster Schönschrift schrieb, darauf, dass sich meine liebe Kollegen nach Hause begaben. Endlich waren sie weg und ich heftete mein Pamphlet, an eine Wandzeitung, die im Gang des Bürogebäudes hing. Der Dienstag verging, ich war auf der Baustelle und nichts passierte. Der Mittwoch verging auch, aber kurz vor 16 Uhr musste ich „sofort“ zum Bauleiter. Wenn das Wort „sofort“ fiel, war immer etwas im Busche und mein Leipziger Chef wollte mit mir telefonieren, oder besser gesagt, er brüllte ins Telefon, so dass man nicht viel verstand und den Hörer einige Dezimeter weg vom Ohr halten musste. So hörte der Bauleiter etwas von Konsequenzen, Achse Berlin-Bukarest und Schmierereien, die mir noch sehr Leid tun werden. Am Ende hieß, „Setz’ Dich in den nächsten Zug, morgen früh um 7 hast Du Dich vor der Abteilungsleitung zu verantworten“. So war es auch und am Ende versetzte man mich in eine Produktionsbrigade eines anderen Betriebes im Kombinat. Dort war ich etwa 6 Monate, nach anfänglichen Schwierigkeiten, ich musste in der Sandstrahlerei arbeiten, kam ich mit den Leuten ganz gut zu Recht, auch dank des dortigen Chefs, der – wie der Zufall es will – ein gebürtiger Siebenbürgen-Sachse war.

Nun habe ich etwas aus dem Nähkästchen geplaudert. Meinen Freundeskreis habe ich diese Erlebnisse erzählt, wobei ich sagen muss, dass nicht alle mich unterstützten oder gar Verständnis entgegen brachten. Meinen Eltern habe ich damals nur Halbwahrheiten erzählt, so z.B. dass mein Produktionseinsatz unter der Rubrik „sozialistische Hilfe“ fiel.

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27.11.2014, 10:49
Beitrag: #93
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(26.11.2014 19:01)Avicenna schrieb:  Beim Zusammenbasteln der Einzelteile zu einem Ganzen, komme ich jetzt nicht ganz weiter. Sprich - ich sehe noch keinen Zusammenhang zwischen der abgedroschenen Nostalgie, dem Klagen über zustehende, aber nicht erhaltene Chancen bzw. dem tatsächlichen Pech Weniger und den "Glücklichkeitsstudien" ... und dass es da keine großen Unterschiede zwischen Ost und West gegeben haben dürfte?

Ich seh schon, mir war mein Gedanke mal wieder völlig klar, aber nicht notwendigerweise für jeden nachvollziebar...
Zunächst einmal- natürlich ist es so, daß es in der DDR mit Sicherheit Menschen gegeben hat, die in glücklicher waren als andere im Westen. Aber es nervt einfach dieser Automatismus- wann immer über die Nachteile der DDR gesprochen wird (im Großen und Ganzen), dann kommt halt irgendwer (in dem Fall halt leider du Wink) und erzählt, dass man auch dort glücklich sein konnte.
Jaaaa. Konnte man. Hat aber nunmal gar nichts damit zu tun, ob die DDR ein Unrecht- oder Willkürstaat war.
Denn in jedem System gibt es Menschen, die es verstehen, sich mit den Umständen zu arrangieren und ihr Leben leben. Der Onkel meines damaligen Freundes war so jemand. Er war wirklich glücklich. Er hatte Arbeit, seine Frau hatte Arbeit, sie lebten nicht im Großen Luxus, aber sie hatten alles, was sie brauchten. Und der Staat ließ sie in Ruhe.
Ganz anders die Lebensgefährtin des Opas. Die maulte ständig herum, wie teuer ein Döschen Ananas im "Delikat" oder Exquisit" sei und wie teuer es sei, eine Ananastorte zu backen. (Wobei ich mich dann immer frage, warum sie unbedingt eine Ananastorte backen musste.)
Beide danach gefragt, ob sie glücklich wären oder nicht, hätte der Onkel geantwortet, er sei glücklich und die Freundin vom Opa nicht.
Das sagt aber nichts über das System aus, sondern eher darüber, wie die Menschen sind.
Wenn der Staat einen in Ruhe ließ, kommt es eher auf die innere Einstellung an, was das Glücksempfinden angeht, als auf die staatlichen Rahmenbedingungen.

Von daher dürften die, die vom Staat in Ruhe gelassen worden waren, genauso glücklich und unglücklich gewesen sein wie die West-Deutschen.

Und mein Satz, dass letztendlich beide Deutsche seien, war eine Spitze dagegen, daß ich den Großteil meiner Landsleute für Jammerlappen halte...Wink


(26.11.2014 19:01)Avicenna schrieb:  Sorry, wenn ich auf die anderen Sachen nicht eingehe, aber als toleranter und konsensorientierter Diskussionspartner bezeichnet zu werden, hat in mir ein angenehmes Gefühl hervorgerufen, welches ich mir noch eine Weile erhalten möchte ...Wink

Ich hoffe, das kannst du dir erhalten.Smile
Aber warum du auf die anderen Sachen deswegen nicht eingehen willst, verstehe ich nicht... Vor allem, auf welche "anderen" Sachen...

Sieh es so, du hast mich einfach überrascht. Von dir hätte ich das mit Auch in der DDR waren die Leute glücklich" eben einfach nicht erwartet. Smile

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27.11.2014, 13:24
Beitrag: #94
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Die Artikel von Avicenna und Sansavoir haben mich veranlasst, eine Serie die ich mal im Alten Forum schrieb hier herein zukopieren.

http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...p?tid=6583

Denn sooo harmlos war die Staatsgewalt in der alten BRD auch nicht.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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27.11.2014, 19:58
Beitrag: #95
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Ein Kollege, damals Student, wollte in Bulgarien einen Geierbrutplatz aufsuchen, der dummerweise an der türkischen Grenze lag. Verhaftet. Es dauerte 3 Wochen, bis ein Flugzeug mit ostdeutschen und tschechischen Abschiebekandidaten voll war und er bekam 2 Jahre Auslandsverbot. Als so Gebrandmarkter hatte er einen Personalausweis in Rot (normal war blau), das war wie der gelbe Stern.

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27.11.2014, 20:43
Beitrag: #96
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Einer der Punkte, der der DDR schon von der Definition zum Rechtsstaat fehlte, war die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Sie war wohl in der 49er Verfassung enthalten, ging aber endgültig spätestens mit den Ländern 1952 unter.

Um dies irgendwo auszugleichen, wurde das "Eingabewesen" geschaffen.
Es hatte die genannten Vorteile.
Gravierender Nachteil jedoch:
Eine absolut feudale Regelung. Wer da Recht oder Unrecht bekam lag völlig im Ermessen des Souveräns.

Für Deutschland ein Rückfall ins Spätmittelalter. Schon der Bürger der beginnenden Neuzeit konnte seinen Landesherrn vor Gericht ziehen.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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27.11.2014, 21:55
Beitrag: #97
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Nun ja, es gab immer noch eine nächsthöhere Instanz, die man in Anspruch nehmen konnte. So man die Geduld und Frechheit dazu besaß. Ich hatte das als Sorgerechtsstreit bis hoch zum Bezirk durch, zwar Recht bekommen aber ohne Handhabe das wirklich durchzusetzen. Wer lässt schon sein Kind von der Polizei holen?

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30.11.2014, 16:21
Beitrag: #98
RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Fahrt durchs Abenteuerland

Einmal besuchte ich meinen Freund Sebastian, der im damaligen Westberlin an der TU in Dahlem studierte. Ich nahm die Transitautobahn Hof - Westberlin. Vorherrschender Dialekt im Westberlin jener Tage war schwäbisch. Jeder Verpisser, der dem Wehrdienst entgehen wollte, domizilierte in Westberlin, denn dort lebende Personen konnten nicht zur Bw eingezogen werden.
Aber der Reihe nach. Am Grenzübergang Hof reihte ich mich in die betreffende Warteschlange ein. Westbürger hatten eine eigene Warteschlange, ebenso wie Ausländer oder LKW. Ich schaute vor dem ersten Kontrollpunkt links den Berg hoch und sah die durchaus imponierende Grenzanlage der DDR im Querschnitt. Erster Metallzaun, zementierter Weg für die Trabis der Grenztruppen, Minenstreifen, Hundelaufgräben, Selbstschussanlegen, zweiter Metallzaun, Wachtürme. Das alles muss die DDR Milliardensummen gekostet haben. Einmal fuhr ich nachts mit dem Zug von Hamburg nach Stuttgart. Da sah man die Grenze in Form eines Lichterbandes, die sich bis zum Horizont hinzog. Nachts war die Grenze beleuchtet.
Endlich war ich an der Reihe. Ein etwas unfreundliche Sachse fragte mich, ob ich Funk oder Waffen dabei hätte. Guten Gewissens konnte ich verneinen. Dann kamen sie mit einem fahrbaren Spiegel und schauten unter meinen Wagen. Nichts verdächtiges erkennbar.
Am ersten Checkpoint musste ich meinen Pass abgeben. Der Pass kam auf ein Laufband und landete 200 m weiter vorne in einem fensterlosen Bunker. Dort saßen Grenzer, die riesige Listen wälzten und prüften, ob es sich bei mir nicht um einen Republikflüchtling handelte. Da konnten sie bei mir ohnehin nicht fündig werden. Dann bekam ich meinen Pass wieder versehen mit einem riesigen Transitvisum der DDR, gültig für die Hinfahrt. Ich durfte Gas geben.
Freie Fahrt war auf den ersten 20 km er Transitautobahn nicht möglich. Grund: auf der Gegenfahrbahn mussten DDR-Bürger 20 km vor der Grenze die Autobahn verlassen. Ein Schild gemahnte: "Letzte Ausfahrt für DDR-Bürger". Also fuhren auf dem von mir genannten Streckenabschnitt nur Westdeutsche, deshalb wurde nichts repariert. Dann erst konnte man etwas schneller fahren. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 110 km/h. Ichüberschritt diese nie, denn die Strafen waren drakonisch. Russische Militärs und DDR-Funktionäre in dunklen schwarzen Limousinen mit zugezogenem Vorhang fuhren locker viel schneller. In der Magdeburger Börde kam dann irgendwann die HO-Raststätte Niemegk. Dort konnte man nur mit Westgeld bezahlen. Auch DDR-Bürger, die über Westdevisen verfügten, waren dort zugelassen. Mir fiel auf, dass diese ständig an ihren Kindern herum mäkelten. Ich aß in Niemegk immer ein Riesenkotelette mit Salzkartoffeln, Gemüse und trank dazu ein Bier. Diese Portion gab es zum Komplettpreis von 4,50 DM. Trinkgeld war verboten sonst wurde man angeschnauzt. Irgendwann erreichte ich dann Westberlin und musste mich per Faltplan nach Kreuzberg durchschlagen, wo mein Freund wohnte. Navis gab es damals noch keine. Auf dem Rückweg dann dieselbe Prozedur mit Essen in Niemegk. Zuvor hatte ich wieder ein Riesenvisum ein gestempelt bekommen, gültig nur für die Rückfahrt.
Es wurde übrigens genau die Zeit geprüft, die man benötigte um von Hof nach Westberlin bzw. von dort zurück zu fahren. Wurde das Zeitlimit überschritten, konnte es Schwierigkeiten mit den Grenzsicherungsorganen der DDR geben. Das Verlassen der Transitstrecke war streng verboten.
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