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"Ausdünstung" von Friedhöfen
23.10.2014, 15:30
Beitrag: #1
"Ausdünstung" von Friedhöfen
Neulich las ich in einem Artikel über Kaspar Hauser, dass er durch seine lange "Dunkelhaft" seh geruchsempfindlich gewesen wäre.
Und er unter anderem im Stand gewesen wäre, die "Ausdünstung von Friedhöfen" bereits über eine größere Entfernung wahrzunehmen.

Nun meine Frage: "Die Ausdünstung von Friedöfen" nehme ich auch immer mal wieder wahr. Aber ich dachte eigentlich, dass es die langsam verfaulenden Pflanzen und die komischen Hecken wären, die gerne um die Gräber herum gepflanzt werden.
Die diesen mir überaus unangenehmen Geruch ausströmen.

Oder gibt es das tatsächlich?

Ich denke Zweimeterzehn tief müsste doch eigentlich reichen?
Oder war dies vor knapp 200 Jahren noch nicht so mit der vorgeschriebenen Tiefe?

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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23.10.2014, 16:00
Beitrag: #2
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
Hauser war doch im Luginsland inhaftiert bzw. untergebracht? Von da oben dürfte er eigentlich keinen Friedhof gerochen haben.
Zu den Friedhofsvorschriften: Die Zwei-Meter-Regel kann eventuell 1828 noch nicht so detailliert gewesen sein oder ist eventuell nicht so genau befolgt worden.
Gerade bei städtischen Friedhöfen hat man wohl, wenn die Belegung zu hoch wurde, auch mal flacher begraben, wodurch dann Gerüche durch das Erdreich nach oben gestiegen sein könnten. Vorstellbar wäre es.
Aber, wie gesagt, vom Luginsland aus kann ich mir das schwer vorstellen. Desgleichen von der restlichen Burg aus.

Das Zitat müsste schon aus der Zeit stammen, als Hauser "zivil" bei Daumer wohnte. Dann aber könnte ich es mir vorstellen.

VG
Christian
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23.10.2014, 17:35
Beitrag: #3
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
(23.10.2014 16:00)913Chris schrieb:  Hauser war doch im Luginsland inhaftiert bzw. untergebracht? Von da oben dürfte er eigentlich keinen Friedhof gerochen haben.
Zu den Friedhofsvorschriften: Die Zwei-Meter-Regel kann eventuell 1828 noch nicht so detailliert gewesen sein oder ist eventuell nicht so genau befolgt worden.
Gerade bei städtischen Friedhöfen hat man wohl, wenn die Belegung zu hoch wurde, auch mal flacher begraben, wodurch dann Gerüche durch das Erdreich nach oben gestiegen sein könnten. Vorstellbar wäre es.
Aber, wie gesagt, vom Luginsland aus kann ich mir das schwer vorstellen. Desgleichen von der restlichen Burg aus.

Das Zitat müsste schon aus der Zeit stammen, als Hauser "zivil" bei Daumer wohnte. Dann aber könnte ich es mir vorstellen.

VG
Christian


Die "Fähigkeit" hat Kaspar Hauser dem Bericht nach während seiner viele Jahre langen geheimnisvollen Dunkelhaft erworben.
Die "Fähigkeit" hat vermutlich Daumer überliefert.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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24.10.2014, 15:46
Beitrag: #4
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
Dann wäre immer noch die Frage, ob die Nürnberger Friedhöfe damals derart überbelegt waren. "Größere Entfernung" müsste auch noch definiert werden. Daumer hat sich wohl bewusst unklar ausgedrückt, um die Besonderheit seines Schützlings herauszustellen. Denn innerhalb Nürnbergs dürfte ein solches Gerüchewirrwarr geherrscht haben, dass Verwesungsgeruch da nicht besonders hervorgestochen haben dürfte, jedenfalls nicht "kilometerweit".

VG
Christian
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21.11.2014, 19:01
Beitrag: #5
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
Ist ja ein interessantes Thema! Wusste bisher nichts über die zweiMeter Regel Big Grin.


LG

Regenbogen

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22.11.2014, 11:47
Beitrag: #6
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
Lies doch mal das Einführungskapitel von "Das Parfüm". Da bekommst du eine recht gute Vorstellung von der damaligen "Gerüchewelt"...und auch davon, wie es auf damaligen (großstädtischen) Friedhöfen zugehen konnte.

VG
Christian
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22.11.2014, 23:42
Beitrag: #7
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
Danke für die EmpfehlungSmile Jaa von dem Buch habe ich schon gehört und der wurde auch verfilmt, werde mal demnächst einen Blick drauf werfen ;D.

Nachdem ich das Buch " Eine Welt ohne Krebs" zu Ende gelesen hab, welches ich auch nur empfehlen kann!
Ist sehr schön geschrieben.

Lg

RegenbogenSmile

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23.11.2014, 11:06
Beitrag: #8
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
(22.11.2014 23:42)Regenbogensonne schrieb:  werde mal demnächst einen Blick drauf werfen

Zur Einstimmung, und weil´s grad so schön zum Thema passt:
"Zu der Zeit, von der wir reden, herrschte in den Städten ein für uns moderne Menschen kaum vorstellbarer Gestank. Es stanken die Straßen nach Mist, es stanken die Hinterhöfe nach Urin, es stanken die Treppenhäuser nach fauligem Holz und nach Rattendreck, die Küchen nach verdorbenem Kohl und Hammelfett die ungelüfteten Stuben stanken nach muffigem Staub, die Schlafzimmer nach fettigen Laken, nach feuchten Federbetten und nach dem stechend süßen Duft der Nachttöpfe. Aus den Kaminen stank der Schwefel, aus den Gerbereien stanken die ätzenden Laugen, aus den Schlachthöfen stank das geronnene Blut. Die Menschen stanken nach Schweiß und nach ungewaschenen Kleidern; aus dem Mund stanken sie nach verrotteten Zähnen, aus ihren Mägen nach Zwiebelsaft und an den Körpern, wenn sie nicht mehr ganz jung waren, nach altem Käse und nach saurer Milch und nach Geschwulstkrankheiten. Es stanken die Flüsse, es stanken die Plätze, es stanken die Kirchen, es stank unter den Brücken und in den Palästen. Der Bauer stank wie der Priester, der Handwerksgeselle wie die Meistersfrau, es stank der gesamte Adel, ja sogar der König stank, wie ein Raubtier stank er, und die Königin wie eine alte Ziege, sommers wie winters. Denn der zersetzenden Aktivität der Bakterien war im achtzehnten Jahrhundert noch keine Grenze gesetzt, und so gab es keine menschliche Tätigkeit, keine aufbauende und keine zerstörende, keine Äußerung des aufkeimenden oder verfallenden Lebens, die nicht von Gestank begleitet gewesen wäre."
(aus: Das Parfüm, Kapitel 1)

VG
Christian
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23.11.2014, 22:22
Beitrag: #9
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
In Balingen ist in "Klein Venedig" gleich um die Ecke vom Zollernschloß und Wasserturm bis vor ca. 20 Jahren noch ein Gerber seinem Handwerk nachgegangen. Der Gestank..... für den Jetztmenschen fast nicht auszuhalten.
Die Stadt Baingen hat für die maroden Liegenschaften schließlich einen immensen Betrag bezshlt, nur um ihn aus der Innenstadt rauszubringen.

Der Gerbersohn Amtsrichter Wilhelm Dodel soll bei Beschwerden über "störende Anlagen" diese immer abgeschmettert haben, er war viel Schlimmeres gewohnt.

Um das Gerberviertel meiner Vaterstadt haben die Bomben einen Bogen gemacht, sehr pittoresk, in die Gassen scheint keine Sonne und kein Mond, das waren aber einst Kanäle, der Gerber braucht Wasser....
(wie die Ratte)

Das Auge in seiner Zweizahl ist im Stand in Zusammenarbeit mit dem Gehirn ein dreidimensionales Bild daraus zumachen.
Würde es eine Möglichkeit zu geben die vierte Dimension Gestank mit aufzunehmen und darzustellen,
ich denke die Nostalgiegefühle bei einem Blick auf Bilder dieser Stadtviertel würden berhaupt nicht mehr aufkommen.

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts fielen ja allenthalben die Stadtmauerun und insbesonders die wunderschönen Tortürme.
Für uns heute unverständlich.
Als einer der Gründe wurde genannt, dass so die "frische Luft" ungehinderten Zugang in die Straßen der Städte hätte, und die "Krankheitsdünste" hinausblasen würde.

So aber, wird dies für mich nachvollziehbar und verständlich.

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29.11.2014, 00:50
Beitrag: #10
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
Heute war ich länger auf dem Friedhof, da habe ich nichts festgestellt. Habe wegen dieses threads extra drauf geachtet, wegen der guten Vegetation auf Friedhöfen kann ich mir da eigentlich nichts vorstellen.

Wobei...die Massengräber im 2.Weltkrieg sollen Experten relativ leicht entdeckt haben, kann mich aber nicht mehr an die Methoden erinnern. Als noch mehr Zeit vorhanden war, wurden auf Massengräbern frische Wälder gepflanzt (Katyn zum Bleistift).

"Es gibt nur eine Sache die größer ist als die Liebe zur Freiheit: Der Hass auf die Person, die sie dir weg nimmt."(Che Guevara)
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29.11.2014, 17:06
Beitrag: #11
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
(29.11.2014 00:50)Triton schrieb:  Heute war ich länger auf dem Friedhof, da habe ich nichts festgestellt. Habe wegen dieses threads extra drauf geachtet, wegen der guten Vegetation auf Friedhöfen kann ich mir da eigentlich nichts vorstellen.

Dürfte bei modernen Friedhöfen auch nicht mehr vorkommen. Aber wie war das früher?
Hab mich grad noch mal kurz auf Wiki schlau gemacht, da ist die Rede von Geruchsbelästigung, wenn die Kirchhöfe zu schnell voll waren und die Leichen umgebettet werden mussten, damit neue Platz haben.
Wurden die Leichen nicht lange genug im Boden belassen, waren die erst halbverwest und stanken entsprechend. Ins Beinhaus kamen ja nur vollständig skelettierte Knochen. Wo kamen die Leichen hin, die nur teilweise skelettiert waren? In ein "Übergangsgrab" außerhalb des Kirchhofs, also mow in das, was wir heute unter einem Friedhof verstehen?

Handelte es sich um ein Massengrab, musste das wegen jeder neuen Beerdigung erneut geöffnet werden und das stank dann ebenfalls entsprechend. Könnt ich mir auch bei Familiengräbern vorstellen. Wenn da Familienangehörige im Abstand weniger Monate oder auch Jahre starben, war der "Vorgänger" noch nicht ganz verwest, und während das Grab offen war, konnte es da durchaus zu Ausdünstungen kommen. War der Friedhof ein großer Friedhof, konnte das durchaus öfter vorkommen, und die Beruchsbelästigung erhöhte sich entsprechend.

Vielleicht hat der Suebe bzw. Daumer diese Art von "Ausdünstung" gemeint.
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29.11.2014, 21:11
Beitrag: #12
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
Feuerbestattungen, bei den heidnischen Germanen noch üblich, wurden durch die christliche Kirche nicht gestattet. Sicher gab es auch im Mittelalter entsprechende Regelungen, die festlegten wo und wie begraben werden durfte. Die berühmten 6-Fuß wurden aber oft nicht eingehalten, besonders bei Seuchen oder im Kriegsfall. Starke Niederschläge spülten Gräber wieder frei, streunende Hunde waren damals Gang und Gebe. Weitläufige Friedhöfe in der heutigen Form (Landschaftsparks) sind eine Erfindung der Neuzeit. Man möge nur mal nachsehen, wenn heutzutage Ausschachtungen neben einer alten Kirche fällig sind.
In Ausnahmefällen (bei hochrangigen Personen), überführte man die Leichname. Es muss trotz versuchter Einbalsamierung ganz schön gestunken haben, als man den 1632 gefallenen Schwedenkönig Gustav-Adolf in die Heimat brachte und unterwegs noch an verschiedenen Orten offen aufbahrte.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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01.12.2014, 06:36
Beitrag: #13
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
Bei Massenhinrichtungen wurde immer Kalk über eine Schicht Leichen geschaufelt. wozu war das gut? Band den Geruch, nehme ich an.

"Es gibt nur eine Sache die größer ist als die Liebe zur Freiheit: Der Hass auf die Person, die sie dir weg nimmt."(Che Guevara)
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01.12.2014, 09:57
Beitrag: #14
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
(01.12.2014 06:36)Triton schrieb:  Bei Massenhinrichtungen wurde immer Kalk über eine Schicht Leichen geschaufelt. wozu war das gut? Band den Geruch, nehme ich an.


ungelöschter Kalk löst "alles" auf

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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02.12.2014, 00:44
Beitrag: #15
RE: "Ausdünstung" von Friedhöfen
Die Ausdünstungen wurden auch dadurch begünstigt,daß särge aus Holz eher eine Angelegenheit der Wohlhabenden war, die breiteren schichten des Volkes wurden im Leichentuch beerdigt und das war geruchsdurchlässiger.

Aber was Geruch in Städten betrifft- ich erinnere mich noch gut an Zeiten,in denen jeder Metzger um die Ecke noch sein eigenes Schlachthaus hatte und man besonders im Sommer noch jede Metzgerei von weitem gerochen hat.
Und in den sechzigern gab es auch ,zumindest in ländlichen Kleinstädten noch Plumpsklos und Jauchegruben sowie innerörtliche Kleinviehhaltung (Schweine,Hasen,Geflügel) nebst zugehörigem Misthaufen. Und die Krönung war damals,wenn mit der Jauche und dem Mist der Hausgarten gedüngt wurde (vorzugsweise im Sommer,wenn es heiss war Big Grin )-das war dann mehr als ein Hauch von Mittelalter Wink
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