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Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
06.11.2014, 16:48
Beitrag: #98
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(06.11.2014 14:03)Suebe schrieb:  Ich bin aber der Meinung, dass es ganz so doch nicht war. Natürlich war die Verlockung 1918/19 groß, vom Lager der Verlierer zu den Siegern überzuwechseln.

Diesen Beweggrund interpretierst Du hinein, weil Du hundert Jahre danach den Ausgang des Weltkriegs nun genau kennst, was vor dem Versailler Vertrag noch keinesfalls der Fall war. 1918 ging es den Elsässern und Lothringern nur darum, daß der Krieg und die deutsche Militärdiktatur, die seit 1914 auf der Grenzregion schwer lasteten, so schnell wie möglich ein Ende nahmen.


(06.11.2014 14:03)Suebe schrieb:  Man kannte seit Jahrhunderten Frankreich und hatte sich in der Vergangenheit auch gut arrangiert.

Die Stimmung der Elsässer und Lothringer im Frankreich vor 1871 als „arrangiert“ zu qualifizieren, ist reduzierend. Sie wird der lebendigen und fruchtbaren Eintracht, die sich zwischen der Grenzregion und dem französischen Mutterland entwickelt hatte, nicht gerecht.


(06.11.2014 14:03)Suebe schrieb:  Wobei dann aber die Enttäuschung über den franz. Zentralismus nicht gering war.

Das stimmt, aber Dein Urteil ist anachronistisch, denn die Enttäuschung erlebten die Elsässer erst in den zwanziger Jahren, als man auf beiden Seiten feststellen mußte, daß man sich während der fünfzig Jahre lang erlebten Trennung mehr auseinandergelebt hatte, als man es für möglich gehalten hätte. Die Elsässer und Lothringer, die sich bis auf heute mit ihrer sowohl katholischen als auch protestantischen Kirche tief verbunden fühlen, entsetzte am meisten die Trennung von Kirche und Staat, die 1905 in Frankreich stattgefunden hatte. Sie war in Frankreich zu einer Selbstverständlichkeit geworden, den Elsässern und Lothringern kam sie dagegen unter keinen Umständen in Frage.

Ferner bedeutete die Enttäuschung nicht, daß die Elsässer und Lothringer die Zugehörigkeit zu Frankreich in Frage gestellt hätten, sondern nur, daß sie sich eine andere Verwaltungsform wünschten, jedoch auch nicht mehr diejenige des Deutschen Kaiserreichs!


(06.11.2014 14:03)Suebe schrieb:  Und die absolute Abneigung den Elsässern "Extrawürste" zu braten auch auf großes Unverständnis stieß.

Aber gerade hier spielte der Pragmatismus und die Menschlichkeit der Franzosen letztlich die entscheidende Rolle: Sie konnten im Gegensatz zu den Deutschen über ihren Schatten springen und den Elsässern das geben, was ihnen am wichtigsten war, nämlich ihre Sondergesetze auf religiösem und kulturellem Gebiet, die übrigens heute noch Gültigkeit haben (droit local en Alsace-Lorraine), um im Gegenzug das zu bekommen, was sie wollten, nämlich deren Loyalität zum französischen Vaterland.

Während der Reichslandszeit hatten es die Deutschen genau umgekehrt gemacht: Sie verlangten von den Elsaß-Lothringern zuerst Anpassung und Gehorsam, und erst wenn sie sie erhalten hätten, hätten sie ihnen die politische Gleichberechtigung gegeben. Das war bei einer Bevölkerung, die es seit langer Zeit durch den französischen Einfluß gewohnt war, für ihre politischen Rechte zu kämpfen und sie sogar zu erzwingen, unvorstellbar, daher auch von Anfang an zum Scheitern verurteilt.


(06.11.2014 14:03)Suebe schrieb:  Letztlich hat sich die franz. Herrschaft ab 1919 deutlich drastischerer Mittel bedienen müssen, wie zuvor die kaiserlich deutsche.

Drastischer waren sie nicht, jedoch klüger, ergebnisorientiert und für die Bevölkerung letztlich annehmbar.
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RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen - Lützelsteiner - 06.11.2014 16:48

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