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Karl der Kühne gewinnt den Burgunderkrieg
28.08.2014, 23:11
Beitrag: #8
RE: Karl der Kühne gewinnt den Burgunderkrieg
(28.08.2014 12:21)Suebe schrieb:  Der Nationalstaat Frankreich wäre nicht entstanden.

Hätte es überhaupt Nationalstaaten gegeben?

Nicht ganz richtig. Der Nationalstaat Frankreich wäre entstanden. Ludwig XI. gelang es, nach dem Ende des Hundertjährigen Krieges einen Zentralstaat zu schaffen, der die Grundlage eines Nationalstaates hätte werden können. Wobei es auch viele Meinungen gibt, den Staat Ludwigs XI. als frühe Form eines französischen Nationalstaates zu sehen. Und das ist durchaus richtig. Karl hätte nicht die Entstehung eines französischen Nationalstaates verhindert, es hätte dann ein territorial kleineres Frankreich gegeben, das wahrscheinlich mit Burgund jahrzehntelang verfeindet wäre.

So wie die Entstehung des Nationalstaates Frankreich nicht zu verhindern gewesen wäre, wäre auch aus dem Herzogtum Burgund ein Nationalstaat entstanden. Vielleicht nicht im Sinne einer Kulturnation sondern einer Staatsnation. Insbesondere unter Philipp den Guten sind ja gesamtstaatliche Strukturen geschaffen, die Herzöge beschäftigten Maler und Baumeister, so dass man neben einer italienischen Renaissance auch von einer burgundischen reden kann. Und den Kaufleuten in den niederen Landen kam es durchaus entgegen, dass ein größerer Staat im Entstehen war.

Was wären die Folgen gewesen, wäre Karl der Kühne bei Nancy erfolgreich gewesen bzw. welche Politik hätte er geführt. Er hätte wahrscheinlich weitere Kriege zur Eroberung der „fehlenden Gebiete“ zwischen seinen niederen und oberen Landen geführt hätten. Karls politisches Ziel war sein Herzogtum Burgund als „Zwischenstaat“ zwischen Frankreich und dem HRR zu festigen, de facto eine Erneuerung des karolingischen Lotharingiens. Das hätte bedeutet, es wäre ein Reich entstanden, dass die Gebiete der heutigen Benelux-Staaten, den Großteil der Schweiz, Lothringen, Elsass, Burgund, Franche-Comté und div. ostfranzösische Gebiete sowie westdeutsche Gebiete (z.B. Aachen, Köln, Frankfurt/Main u.a.) umfasst hätte. Hätte Karl 1493 noch gelebt, da wäre er 60 Jahre alt, hätte er sich um die Kaiserkrone bemüht.

Was gegen einen anderen geschichtlichen Verlauf, als den tatsächlichen spricht? Da Karl der Kühne selber in die Schlachten zog, ist auch ein späterer Schlachtentod oder wie bei ihm geschah, ein Tod nach der Schlacht immer möglich gewesen. Der Tod Karls hätte immer dazu geführt, dass Frankreich versucht hätte, die französischen Gebiete einzukassieren. Deswegen wäre es für Karl wichtig gewesen einen männlichen Thronfolger zu haben.

(28.08.2014 12:21)Suebe schrieb:  Habsburg wäre 300 Jahre früher auf den Osten beschränkt geblieben.

Dass Habsburg auf dem Osten beschränkt geblieben wäre, ist denkbar, muss aber nicht zwangsläufig erfolgen. Immerhin wurde 1477 Anne de Bretagne geboren, Erbtochter des Herzogs der Bretagne. Als dieser 1488 verstarb, bemühte sich der verwitwete Maximilian um sie. Dass die Braut erst elf Jahre alt war, störte niemand, es ging ja auch nicht um ihr persönliches Glück, sondern um die Herrschaft in der Bretagne. Hätte Karl der Kühne noch 1488 bzw. 1491 gelebt, hätte er wahrscheinlich dafür gesorgt, dass der Habsburger die Bretagne bekommt, nur damit sie nicht an Frankreich bzw. an Karl VIII. fällt. Als Gegenleistung hätte Karl der Kühne eventuell erwartet, dass ihm Maximilian nach dem Ableben seines Vaters die Kaiserkrone überlässt.

Natürlich ist zu bedenken, dass Maximilian zwischen 1477 und 1488 statt Maria von Burgund eine andere Frau geheiratet hätte. Wäre er gestorben, hätte er keinen Erben gehabt und bei Anne de Bretagne hätte er auch eine Weile warten müssen. Sie wurde 1494 als Siebzehnjährige Mutter eines Sohnes, der aber bald starb. Wäre Maximilian aber 1488 verwitwet gewesen und er hätte zu diesem Zeitpunkt einen Erben gehabt, dann hätte er sich eventuell um die Bretagne bemüht.

(28.08.2014 15:04)Harald schrieb:  Und wen hätte Karls Tochter Maria geheiratet? So einen feschen Burschen wie Max von Österreich konnte sie in ganz Europa nicht finden.

Karl der Kühne hatte keinen männlichen Erben. Das hätte auf alle Fälle dazu geführt, dass der französische König nach seinem Tod die französischen Lehen einzukassieren, also die oberen Lande (Burgund). Maria von Burgund und ihr Gatte hätten sich dagegen behaupten müssen. Karl war seit 1468 mit Margarete von York verheiratet, die wiederum die Schwester der englischen Könige Eduard IV. und Richard III. war. Die Ehe blieb bis 1477 kinderlos und wird es wohl auch weiterhin geblieben sein. Hätte er einen männlichen Thronfolger gehabt, wäre die Thronfolge auf diesem übergegangen, wobei für die französischen Gebiete ein Lehnseid hätte erfolgen müssen. Deswegen muss man sich mal überlegen, ob Karl vielleicht 1485 seine Frau verstoßen hätte, um eine andere zu heiraten, die ihm einen männlichen Nachfolger gebiert. Andererseits lässt Karls Verhalten während seiner drei Ehen vermuten, dass er das Beisammensein mit seinen Frauen nicht besonders schätzte und er mit Margarete weiter verheiratet geblieben wäre, sie aber nicht oft gesehen hätte. Er hatte sie im Übrigen tatsächlich im Jahr 1475 das letzte Mal gesehen, also seit mehr als einem Jahr vor seinem Tod.

Egal was sich nun ereignet hätte. Karl hätte beim Fehlen eines männlichen Thronfolgers die Nachfolge Marias von Burgund in allen Reichsteilen absichern müssen. Im Prinzip kämen als Ehepartner nur zwei Männer in Frage. Der erste wäre tatsächlich Maximilian, der stark genug war, zumindest Teilinteressen Burgunds durchzusetzen. Und der andere wäre René II. von Lothringen, der zwar um 1477 verheiratet war, später aber seine Ehefrau verstieß, um eine neue Ehe einzugehen. Renés Ländereien „fehlten“ dem Burgunder, er wurde außerdem 1480 Herzog von Bar und man hätte sich einigen können, dass er (wenig vorstellbar) oder der älteste Sohn (besser vorstellbar) aus seiner Ehe mit Maria Nachfolger im Herzogtum Burgund wird.

Trotz aller Gedankenspiele, die vielleicht von Karls Berater ausgedacht wurden, muss man berücksichtigen, dass man Karl den Kühnen als unberechenbaren und unbeherrschten Herrscher sehen muss, der jederzeit in der Lage war, alles "aufs Spiel" zu setzen und zu verlieren. Hätte er nicht am 5. Januar 1477 den Tod bei Nancy gefunden, so wäre er wahrscheinlich in einer anderen Schlacht gefallen.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Karl der Kühne gewinnt den Burgunderkrieg - Sansavoir - 28.08.2014 23:11

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