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Umgang mit der NS-Vergangenheit
24.06.2014, 02:19
Beitrag: #40
RE: Umgang mit der NS-Vergangenheit
(23.06.2014 19:20)Marek1964 schrieb:  
(23.06.2014 05:36)Titus Feuerfuchs schrieb:  Selbst nach dem Münchner Abkommen war die verbliebene tschechische Minderheit um ein Vielfaches niedriger, als die Deutsche in der Tschechoslowakei.

Ja, weil etwa eine dreiviertel Million Tschechen vertrieben worden oder selbst geflohen ist.

Nein, schon davor. 1930, nachdem durch die Tschechisierung dar Anteil der Deutschen bereits gefallen war, war der Anteil der Tschechen im Sudentenland immer noch vergleichsweise niedrig; in Reichenberg z.B. betrug er unter 20%, in Grenzorten wie Asch nur 0,5%.

Anteil der deutschsprachigen Bevölkerung 1930:

[Bild: 640px-Sudetendeutsche.png]

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutschb%C3...nzahl_1910






(23.06.2014 19:20)Marek1964 schrieb:  
(23.06.2014 05:36)Titus Feuerfuchs schrieb:  Das ist schon eher ein Argument, aber für die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit interessierte man sich im Falle Österreichs in St.Germain auch nicht sonderlich.

Aber Österreich war lebensfähig

Nein, in Wahrheit nicht, wie die Geschichte bewies.
Auch viele zeitgenössische Analysten dachten damals schon so.

Die gesamte 1. Republik war durch wirtschaftliche Agonie gekennzeichnet. Im Gegensatz zur WR gab es keinen echten Aufschwung, auch mit der Stabilisierung der Währung durch die Schillingeinführung 1925 nicht.
Österreichs Wirtschaft war auf die Gesamtmonarchie abgestimmt gewesen, es hatte mit den ehemaligen Kronländern Böhmen und Österreichisch Schlesien seine gesamten Kohlevorkommen und einen großen Teil der Industrie verloren, mit Ungarn seine Kornkammer. Es blieben ihm, salopp gesagt, nur die Alpen, die Banken und die Verwaltung.
Deshalb war der Anschluss 1919 vordingslichstes Ziel der Sozialdemokrastischen Regierung Renner. Damit wollte man den Verlust zahlreicher ehemaliger Kronländer kompensieren. Das Scheitern des Anschlusses in St Germain führte dann zum Rücktritt von Außenminister Bauer.

Durch diese wirtschaftliche Schwäche war Ö außenpolitisch schwach, erpressbar und vom Ausland abhängig, was Hitler z.B. weidlich ausnutzte (z.B. 1000 Mark-Sperre).
Die Not leistete auch der politischen Istabilität Vorschub, die wiederum eine Voraussetzung für Austrofaschismus und Nationalsozialismus war, die beide in einer gesunden Demokratie mit prosperierender Wirtschaft nicht den Hauch einer Chance gehabt hätten.






(23.06.2014 19:20)Marek1964 schrieb:  Masaryk war durchaus für eine föderative Haltung zu haben, nicht aber die anderen wie Karel Kramář. In jedem Fall ist mittlerweile unbestritten, dass die erste Tschechslowakische Republik die Minderheitenrechte nicht ideal handhabte, allerdings immer noch besser alle die anderen Staaten der Region. Aber wie gesagt, Fehler sind gemacht worden.


Dem kann ich mich soweit anschließen.






(23.06.2014 19:20)Marek1964 schrieb:  
(23.06.2014 05:36)Titus Feuerfuchs schrieb:  Du schriebst doch grade, dass die Aufhebung der Benes-Dekrete keine Wirkung hätte,
Gemeint war, dass heute niemand mehr durch die Beneš Dekrete vertrieben oder um sein Eigentum gebracht werden kann.
Bei einer Aufhebung könnten aber Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden.
Hier abschliessend von meiner Seite ein Kommentar von einem User auf den PI News:
http://www.pi-news.net/2013/01/kein-tsch...deutschen/

Nicht gerade die seriöseste Seite, was?

Den meisten Punkten des Kommentars kann ich mich anschließen, dem aber nicht:

(23.06.2014 19:20)Marek1964 schrieb:  [...]
„Zentral ist Punkt vier, der feststellt, dass „jede Seite ihrer Rechtsordnung verpflichtet bleibt und respektiert, dass die andere Seite eine andere Rechtsauffassung hat. Beide Seiten erklären deshalb, dass sie ihre Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belasten werden.“

Dem Problem mit der Enteigung und den daraus resultierenden Ansprüchen könnte z.B. damit begegnet werden, in dem Deutschland auf diese Ansprüche verzichtet. Der Verzicht kann mit dem erfolgten Lastenausgleich argumentiert werden, denn die Vertriebenen erhalten haben




(23.06.2014 19:20)Marek1964 schrieb:  Und noch eine Aussage von Václav Havel, die er 1999 dem SPIEGEL in einem Interview gemacht hat:

Havel: "Dieser Komplex von 150 Dekreten - wobei 3 davon auch Bezug zu den Sudetendeutschen haben - gehört zur Geschichte unseres Rechtsstaates. Dies kann nicht so einfach aufgehoben werden. Man kann es jedoch Vergangenheit nennen, die heute keine Bedeutung mehr hat. So ist einfach die Geschichte, sie lässt sich schwer korrigieren. Unsere Völker haben viele Gräuel begangen, wie ließe sich das alles wieder gutmachen? Deswegen heißt es in der Deutsch-Tschechischen Erklärung, dass Fragen der Vergangenheit den Aufbau einer neuen und besseren Zukunft nicht komplizieren werden. Der Bundestag hat dem zugestimmt, das war sehr wichtig. Und ich verstehe nicht, warum die gleiche Partei, die diese Initiative im Bundestag ergriff, nun auf einmal auf diese Benes-Dekrete zurückkommt und somit eigentlich die eigene Deklaration verhöhnt."
[...]

Den ersten Satz kann ich nicht nachvollziehen. Gesetze sind von Menschen gemacht, die kann man im Gegensatz zur Geschichte immer ändern, vorallem, wenn sie Unrecht legitimieren.

Der letzte Satz zeigt wiedermal deutlich die Unfähigkeit der deutschen Politik. Havels Unverständnis dafür ist hier absolut nachzuvollziehen.

MfG, Titus Feuerfuchs
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RE: Umgang mit der NS-Vergangenheit - Titus Feuerfuchs - 24.06.2014 02:19

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