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Biographien ungeordnet, wie sie geschrieben werden .
26.07.2012, 00:38
Beitrag: #48
RE: Biographien ungeordnet, wie sie geschrieben werden .
Ismail Enver Pascha
(Ismail Enver, Enver Pascha)

Enver Pascha, eigentlich Ismail Enver (* 22. November 1881 in Istanbul; † 4. August 1922 bei Baldschuan, nahe Duschanbe in Tadschikistan) war ein General, Politiker und Kriegsminister des Osmanischen Reiches. Er war ein führender Vertreter der Jungtürken und einer der Hauptverantwortlichen des Völkermordes an den Armeniern in den Jahren 1915/16.

1881 bis 1912

Der Sohn eines türkischen Eisenbahnarbeiters wuchs in nicht wohlhabenden, aber auf Bildung orientierten Verhältnissen auf. Während seiner Schul- und Studienzeit kam der strebsame Ismail mit bürgerlich-revolutionären Ideen in Berührung, bereits 1897 nahm er als Mitglied der jungtürkischen Bewegung an Studentenrevolten gegen das Regime Abdülhamids II. (* 1842, Sultan 1876–1909, † 1918) teil. Die Jungtürken bildeten 1889 eine Geheimorganisation, aus der 1894 das offiziell zugelassene „Komitee für Einheit und Fortschritt“ hervorging, welches die Modernisierung des Osmanischen Reiches durch eine gut ausgebildete, positivistische Elite verwirklichen wollte. Unter den Jungtürken vereinten sich vor allem Intellektuelle, Beamte und Offiziere, die aber unterschiedliche politische Strömungen, wie den Panturanismus (Vereinigung aller Turkvölker), den Panislamismus (Vereinigung aller islamischen Länder) oder die Ideen der (um 1900 resignierten) Jungosmanen vertraten, die seit den 1860-er Jahren die Umwandlung des Osmanischen Reiches in einen Staatenbund unter der konstitutionellen Herrschaft des osmanischen Sultan-Kalifen propagierten.

Die Jungtürken gewannen um 1900 zunehmend Einfluss auf die jüngere Generation türkischer Offiziere, so auch auf Ismail Enver, der nach dem Besuch der Militärakademie seit 1903 als Kavalleriehauptmann im 3. Armeekorps in Mazedonien diente. Envers politischer Aufstieg begann mit der vom 3. bis 24. Juli 1908 erfolgten jungtürkischen Revolution, die die Wiedereinsetzung der liberalen Verfassung von 1876 erreichte und den Sultan zwang, seine reaktionären Minister zu entlassen. Die am 5. Oktober 1908 vollzogene bulgarische Unabhängigkeitserklärung, die am 7. Oktober 1908 erfolgte Annektierung Bosnien-Herzegowinas durch Österreich-Ungarn und die am 12. Oktober 1908 stattgefundene Vereinigung Kretas mit Griechenland erschwerte die politische Lage der Jungtürken enorm. Sie verloren eine beträchtliche Anzahl Steuerzahler, die innenpolitische Lage zerrüttete zunehmend, einerseits durch Machtkämpfe innerhalb der Jungtürken, andererseits durch Aufstände regionaler Nationalisten, so z.B. in Mazedonien. Enver, aber auch Mustafa Kemal, der spätere Atatürk (1881–1938), kämpften Ende 1908 als Freiwillige in den Bergen Mazedoniens gegen griechische Nationalisten.

Aufgrund dieser politischen Konstellation erstarkte der Einfluss des entmachteten Sultans wieder. Aufständische Koranschüler, Handwerker und Arbeiter forderten bald darauf in Istanbul die Wiedereinsetzung Abdülhamids II. als unumschränkten Herrscher. Schließlich scheiterte am 15. April 1909 ein dreitägiger Aufstand, der das Ziel verfolgte, die Regierung der Jungtürken zu stürzen. Die gegenrevolutionären Kräfte wurden blutig niedergeschlagen, der amtierende Sultan wurde durch dessen Halbbruder Mehmed V. (* 1844) ersetzt, der sich bis zu seinem Tod am 3. Juli 1918 als willenloses Werkzeug der Jungtürken erwies.

Ismail Enver diente dem neuen Regime von 1909 bis 1911 als Militärattaché an der Türkischen Botschaft in Berlin. In dieser Funktion gelang es dem rührigen Jungtürken Kontakte zur preußisch bzw. deutschen Generalität aufzubauen. Dabei gelang es ihm, das deutsch-türkische Militärbündnis zu festigen. Ebenso ist es seinem Engagement zu verdanken, dass deutsche Generäle und Offiziere verstärkt Führungspositionen in der Osmanischen Armee besetzten und diese dann modernisierten. Des Weiteren prägte sich in diesen Jahren Envers antibritische und antifranzösische Haltung heraus. Mit Hilfe des Deutschen Reiches beabsichtigte er den Einfluss bzw. die De-facto-Herrschaft der Briten und Franzosen in noch nominellen Teilen des Osmanischen Reiches zurück zu drängen. Deswegen befürwortete er auch den Bau der Bagdad-Bahn. Da Enver Pascha in Klein Glienicke wohnte, wurde ihm zu Ehren die 1901 erbaute und im 2. Weltkrieg zerstörte Brücke über den Teltowkanal, die Klein Glienicke mit dem Potsdamer Stadtteil Neubabelsberg verband, erst vom Volksmund, dann offiziell Enver-Pascha-Brücke genannt.

Im September 1911 übernahm Enver anlässlich des italienischen-türkischen Krieges das Oberkommando über die osmanischen Truppen und die arabischen Senussi-Kämpfer in Tripolitanien, dagegen kommandierte sein politischer Rivale Mustafa Kemal die Einheiten in der Cyrenaika. Enver und Kemal konnten die Eroberung des heutigen Libyen nicht verhindern, im Frühjahr 1912 gaben sich ihre Truppen der italienischen Armee geschlagen. Auf die daraufhin ausbrechenden Proteste in Istanbul reagierten die Jungtürken mit der Verfolgung der Opposition und mit brutalen Gewaltakten gegenüber der nichttürkischen Bevölkerung. Diese restriktive Politik führte dazu, dass im Juli 1912 die jungtürkische Regierung gestürzt wurde und durch die pro-britische Liberalen der Partei „Freiheit und Einheit“ ersetzt wurde, die ihr politisches Kapital bereits in dem im Oktober 1912 beginnenden 1. Balkankrieg verspielten.

1913 bis 1914

Aufgrund des katastrophalen Verlaufs des 1. Balkankrieges und der immensen Gebietsverluste des Osmanischen Reiches putschten die Jungtürken am 23. Januar 1913 gegen die Regierung, wobei im Beisein Envers der Kriegsminister Nazim Pascha erschossen wurde. Zum Großwesir wurde Mahmud Sevket (* 1856) ernannt, der bereits im Juni 1913 einen Attentat der Liberalen zum Opfer fiel. Als tatsächliche Machthaber profilierten sich jedoch Mehmed Talât (1872–1921), der offiziell als Innenminister amtierte, Ahmed Cemal (1872–1922), der sich als brutaler Istanbuler Militär- und Polizeichef erwies und Ismail Enver, dem das Amt des Generalstabschefs der Osmanischen Armee zufiel. Die neue Regierung musste allerdings im Frühjahr dem Londoner Frieden einschließlich des Verlusts immenser europäischer Gebiete zustimmen. Da sich die Siegermächte wenig später um die Aufteilung der Beute stritten, Bulgarien sich beim Ausbruch des 2. Balkankriegs einer gegnerischen Allianz aus Serbien, Rumänien und Griechenland stellen musste, entschloss sich Enver zum Angriff auf Bulgarien, um einen Teil der verloren gegangenen Gebiete zurück zu erobern. Es gelang ihm, Bulgarien Teile Thrakiens und vor allem die erst im März 1913 eroberte Stadt Edirne zu entreißen. Diese Eroberungen brachten Enver in der türkischen Öffentlichkeit den Ruf eines Kriegshelden ein, dagegen wurden die von ihm veranlassten grausamen Vertreibungen der bulgarischen Bevölkerung nicht thematisiert. Schließlich sicherte ihm seine Popularität als Kriegsheld Anfang 1914 das Amt des Kriegsministers, die Ernennung zum Vizegeneralissimus und das Führen des Titels „Pascha“, der jedem Offizier vom Generalsrang aufwärts zustand. Ismail Envers gesellschaftlicher Aufstieg verdeutlicht auch die Eheschließung mit einer Nichte des Sultans, Prinzessin Emine Naciye (* 1899). Aus dieser Ehe gingen die 1917 geborenen Töchter Türkân Mayatepek und Mahpeyker Ürgüp sowie der 1920 geborene Sohn Ali Enver Akoğlu hervor.

Der Großwesir Said Halim Pascha, ein ägyptischer Prinz - der eigentliche Leiter der türkischen Politik Talât Pascha, ein ehemaliger Post- und Telegraphenbeamter und der im In- und Ausland populäre Kriegsminister Enver Pascha festigten zum Beginn des Ersten Weltkrieges das Bündnis des Osmanischen mit dem Deutschen Reich. Der am 2. August 1914 von Said Halim (1864–1921) und Enver unterzeichnete und vorerst geheim gehaltene Vertrag garantierte gegenseitige Waffenhilfe im Falle eines russischen Angriffs, der de facto zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung schon stattgefunden hat. Trotzdem versuchte die türkische Regierung separat mit Nikolaus II. (1868–1918) zu verhandeln, nach ein paar Tagen scheiterten jedoch die Verhandlungen an den nicht akzeptablen russischen Forderungen.

Des Weiteren vollzog Enver einen Personalaustausch im Offizierkorps der Osmanischen Armee, er pensionierte regierungskritische Generäle und Offiziere und ersetzte diese vorwiegend durch deutsche Generäle und Offiziere. Wichtige Kommandos wurden deutschen Generälen übertragen, die bekanntesten davon waren Colmar von der Goltz (1843–1916), Otto Liman von Sanders (1855–1929) und Erich von Falkenhayn (1861–1922). Allerdings gestaltete sich Envers Beziehungen zur deutschen Generalität schwierig, so kommunizierten Liman von Sanders und Enver nach Kompetenzstreitereien wochenlang nicht miteinander, obwohl die Ereignisse an den Fronten dies erforderten. Schließlich wurde Enver nach dem verloren gegangenen Ersten Weltkrieg des Verrats am Osmanischen Reich bezichtigt, da er um die 800 deutsche Offiziere und einige tausend deutsche Soldaten im Heer beschäftigte. Die Vorwürfe sind jedoch nicht gerechtfertigt, Enver hatte nie das Oberkommando über die türkischen Streitkräfte an einen Deutschen abgegeben.

Seine Einstellung zum deutschen Verbündeten werden mit nachfolgenden Äußerungen gegenüber dem US-amerikanischen Botschafter Henry Morgenthau (1856–1946) belegt: “Die Türken und Deutschen nehmen keine Rücksicht aufeinander. Wir gehen mit ihnen, weil es in unserem Interesse liegt, sie gehen mit uns aus ihrem Interesse. Deutschland wird die Türkei unterstützen, solange dies Deutschland hilft, die Türkei wird Deutschland unterstützen, solange es der Türkei hilft.“ Seine Bündnistreue zum Deutschen Reich begründete sich einerseits auf seine Überzeugung, dass die Aufteilung des Osmanischen Reiches auch bei strikter Neutralität nicht verhindert werden kann; andererseits auf seinen unerschütterten Glauben an die Überlegenheit des deutschen Militärs und der deutschen Technik.

1914 bis 1917

Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit Russland überlisteten die pantürkischen Großmachtpolitiker Enver und Cemal die zaudernde Regierung zum Kriegseintritt. Sie veranlassten den deutschen Admiral Souchon (1864–1946), am 29. Oktober 1914 die russische Schwarzmeerküste zu überfallen und die Städte Sewastopol und Odessa zu bombardieren. Eine unter dem persönlichen Kommando Envers am 30. Oktober 1914 beginnende türkische Großoffensive gegen die russische Kaukasusarmee endete im Debakel, die für einen Winterfeldzug unzureichend ausgerüsteten osmanischen Truppen scheiterten im Dezember 1914 unter großen Menschenverlusten in der Schlacht bei Sarikamis. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Osmanische Reich schon in einem Zweifrontenkrieg, Großbritannien hatte bereits Zypern annektiert und Ägypten und Kuwait zu britischen Protektoraten erklärt.

Im Januar 1915 organisierte Enver Pascha den Rückzug der verbleibenden 12.000 (von ursprünglich 90.000) Soldaten der Kaukasusfront. Seit Februar 1915 wehrte das Osmanische Reich die Belagerung der Halbinsel Gallipoli durch britische Truppen ab. Aufgrund der von den Briten - für den 25. April 1915 - geplanten Invasion der Dardanellen und dem gleichzeitigen Vorrücken siegreicher russischen Truppen im Osten des Reiches ordnete die Istanbuler Regierung am 24. April 1915 die Massendeportation der in Anatolien lebenden Armenier an, die alle der Kollaboration mit dem russischen Kriegsgegner verdächtigt wurden. Den menschenverachtenden Gräuel dieser Zwangsumsiedlung fielen 1915/16 über 1 Million Armenier zu Opfer, der vom jungtürkischen Triumvirat Talât, Cemal und Enver zu verantwortender Völkermord vergiftet bis heute die armenisch-türkischen Beziehungen. Weitere von der Regierung initiierte nationalistische Gewaltakte gegen Griechen, Kurden, Aramäer, Juden und Araber zerrütteten den inneren Zusammenhalt des Vielvölkerstaates.

Die Briten mussten nach verlustreichen Kämpfen im Januar 1916 Gallipoli räumen, die Dardanellen blieben in türkischer Hand. Auch der russische Vormarsch konnte im August 1916 gestoppt werden, infolge der Februarrevolution 1917 schied der russische Kriegsgegner aus. Aber mit dem im Juni 1916 beginnenden Aufstand der Araber unter Führung von Hussain ibn Ali, Scherif von Mekka (1853–1931), und Thomas E. Lawrence (1888–1935) - bekannt als Lawrence von Arabien - entstand den Jungtürken auf der arabischen Halbinsel ein neuer Kriegsschauplatz, auf dem Cemal Pascha sofort mit unerbittlicher Härte durchgriff.

Der Anfang 1917 zum Großwesir ernannte Talât Pascha und sein Stellvertreter Enver Pascha entschieden sich in dieser Situation, ihre pantürkischen Großmachtträume zu verwirklichen. Sie stifteten die von Russland unterworfenen zentralasiatischen Turkvölker zu Aufständen an, weshalb es zu starken Differenzen mit dem deutschen Verbündeten kam, die eigene Interessen im Kaukasus und am Kaspischen Meer verfolgten. Um seinen türkischen Verbündeten wieder auf Vordermann zu bringen, reiste auch der deutsche Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) persönlich nach Istanbul.

Den Arabern gegenüber verfolgten die Jungtürken eine zunehmend terroristische Politik. Enver Pascha entfernte alle arabische Abgeordnete aus dem Parlament, er entließ arabische Beamte aus ihren Funktionen und verbot arabische Zeitungen und Kundgebungen. Seine rigorose antiarabische Politik und Cemals rücksichtslose Kriegsführung erleichterten den Briten die Mobilisierung der arabischen Bevölkerung, die letztlich zum Ende der osmanischen Herrschaft auf der arabischen Halbinsel führte. Um den Briten Bagdad zu entreißen, rückte Enver 1917 mit seiner so genannten Blitzarmee, deren Kern das deutsche Asienkorps bildete, in Mesopotamien ein. Auch diese Aktion scheiterte kläglich, 30000 Soldaten desertierten und die osmanische Armee musste sich schließlich den britischen und indischen Truppen geschlagen geben

1918 bis 1922

Der am 3. März 1918 abgeschlossene Friedensvertrag von Brest-Litowsk mit Sowjet-Russland sicherte den Jungtürken die Rückgewinnung einiger 1878 abgetretener Gebiete, wie Batumi. Im Juni 1918 ließ Enver Pascha eine „Islamische Armee“ aufstellen, mit dem Ziel, Aserbaidschan einschließlich der Ölmetropole Baku zu erobern. Diese Politik führte zu erneuten Spannungen mit dem verbündeten Deutschen Reich, vor allem nach dem dort die Massaker an den in Baku lebenden Armenier bekannt wurden. Aber kurz nach der Eroberung Bakus brach die osmanische Front in Palästina zusammen und Ende September 1918 kapitulierte das verbündete Bulgarien. Damit war das Osmanische Reich von der deutschen Nachschubversorgung abgeschnitten.

Bereits im Juli 1918 begann die schrittweise Entmachtung Envers. Oppositionelle Kräfte, die angesichts der absehbaren Niederlage des Osmanischen Niederlage einen Ausgleich mit den Siegermächten England, Frankreich und USA anstrebten, erzwangen nach dem Tod Sultans Mehmed V. und der Thronbesteigung von dessen Bruder Mehmed VI. (* 1861, Sultan 1918–1922, † 1926) die Absetzung Envers als Vizegeneralissimus. Seine gravierenden Fehlentscheidungen in der militärischen Führung, seine abenteuerliche, pantürkische Großmachtpolitik, aber auch die unmenschliche Verfolgung der Armenier, die er gemeinsam mit dem Großwesir und Innenminister Talât Pascha zu verantworten hatte, die jedoch von Teilen des Offizierkorps abgelehnt wurde, führten am 4. Oktober 1918 zur Entlassung Envers als Kriegsminister. Wenige Tage später, am 14. Oktober 1918, trat die komplette Regierung des Großwesirs Talât Pascha zurück.

Die Hohe Pforte richtete noch in der Nacht vom 14. zum 15. Oktober 1918 ein Waffenstillstandsgesuch an den US-amerikanischen Präsidenten Thomas Woodrow Wilson (1856–1924). Der für das Osmanische Reich verheerende Waffenstillstand von Mudros wurde am 30. Oktober 1918 unterzeichnet und trat am 1. November 1918 in Kraft. Die Siegermächte teilten das Osmanische Reich auf und die von den Jungtürken verfolgten pro-britischen Liberalen bildeten die neue Regierung. Talât, Enver und Cemal gingen in der Nacht vom 3. zum 4. November 1918 an Bord eines deutschen U-Bootes, welches sie nach Odessa brachte. Von dort aus wurden die ehemaligen Machthaber des Osmanischen Reiches nach Berlin gebracht, wo sich ihre Wege bald für immer trennten. Wegen ihrer Verantwortung für den Völkermord an den Armeniern wurde nach einem Prozess das abwesende jungtürkischen Triumvirat 1919 in Istanbul als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt.

Enver Pascha nutzte 1919 nach einem kurzen Aufenthalt in Potsdam die Kontakte des deutschen Militärs zur sowjetrussischen Führung. Ein von ihm favorisiertes Vorgehen der Roten und Islamischen Armee gegen die Briten in Mittelasien kam jedoch nicht zustande, da Lenin (1870–1924) keine Ambitionen hegte, die Ölfelder um Baku den türkischen bzw. islamischen Kräften Envers zu überlassen. Daraufhin schlug sich Enver nach Buchara durch, wo er seine seit 1916 bestehenden Kontakte zu den antirussischen Führern mittelasiatischer Aufständischer, den so genannten Basmatschi, erneuerte. Des Weiteren bemühte er sich dort, Anhänger für seine pantürkische Idee und für die Erneuerung des Kalifats zu gewinnen. Im September 1920 nahm er als Abgeordneter der Basmatschi an der Baku-Konferenz teil, wo die erneuten Bündnisverhandlungen mit Sowjetrussland an den unüberbrückbaren Interessengegensätzen Lenins und Envers scheiterten.

Enver Pascha beabsichtigte zu diesem Zeitpunkt die islamischen, turkstämmigen Völker Mittelasiens in einem eigenen Staat – dem Kalifat von Samarkand– zu vereinen. Er dachte dabei nicht nur an die der Zarenherrschaft entronnenen Turkmenen, Aserbaidschaner, Tadschiken und Usbeken, sondern er rechnete vor allem mit der Unterstützung turkstämmiger Bevölkerungsgruppen in Persien und Afghanistan sowie der Uiguren in Nordwestchina. Seine weitreichenden politischen Ziele wurden von der reichen Oberschicht und der Geistlichkeit Bucharas, Ferghanas und des ehemaligen Khanats von Chiwa getragen, die ihm vor allem als Kämpfer gegen die immer stärker vordringende Bolschewiki benötigten und schätzten. Doch schon am 4. August 1922 fiel Enver Pascha als Oberbefehlshaber der Truppen des letzten Emirs von Buchara, Said Alim Khan (1880–1944), bzw. als Kommandeur der Basmatschi in einem erbittert geführten Reitergefecht mit der überlegenen Roten Armee bei Badschuan, nahe der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe. Die tödlichen Schüsse auf Enver feuerte wahrscheinlich der in der Roten Armee dienenden Armenier Hagop Melkumov ab.

Bereits seit 1920 plante die armenische Geheimorganisation „Nemesis“ die Ermordung führender Jungtürken als Vergeltung für den an den Armeniern ausgeführten Genozid. So wurden z.B. 1921/22 der geistige Urheber des Genozids Talât Pascha in Berlin, der ehemalige Großwesir Said Halim Pascha in Rom und der brutale Militärgouverneur Cemal Pascha in Tiflis erschossen.

Am 4. August 1996 wurden die sterblichen Überreste Ismail Envers nach Istanbul überführt und am Denkmal der jungtürkischen Revolution von 1908 beigesetzt.

Literatur

* Dietrich Gronau; Mustafa Kemal Atatürk oder Die Geburt der Republik; Fischer Taschenbuch Verlag GmbH; Frankfurt/Main, April 1994; ISBN 3-596-11062-9

* Alan Palmer; Verfall und Untergang des Osmanischen Reiches; Paul List Verlag in der Südwest Verlag GmbH & Co. KG; München 1994; ISBN 3-471-78427-6

* Gudrun Krämer; Osmanisches Reich (Türkei) in „Unser Jahrhundert in Wort, Bild und Ton – Das 2. Jahrzehnt“; Bertelsmann Lexikothek Verlag; 1997; ISBN 3-570-07948-1

* Biografien zur Weltgeschichte; VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1989

* Enver Pascha (Wikipedia)

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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Xanthippe - Luki - 12.06.2012, 15:52
Etwas Bilder - Luki - 22.06.2012, 19:39
RE: Etwas Bilder - Maxdorfer - 22.06.2012, 20:43
Etwas Bilder - Luki - 22.06.2012, 21:31
RE: Etwas Bilder - Harald - 23.06.2012, 12:07
Don Juan de Austria I. - Luki - 23.06.2012, 15:04
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RE: Don Juan de Austria I. - Luki - 23.06.2012, 15:47
RE: Don Juan de Austria I. - Dietrich - 23.06.2012, 16:49
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