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Biographien ungeordnet, wie sie geschrieben werden .
09.07.2012, 01:16
Beitrag: #33
RE: Biographien ungeordnet, wie sie geschrieben werden .
Hugo von Lotharingien (Hugo von Elsass)

Hugo von Lotharingien, Herzog im Elsass (* 855/857; † nach 895/900 in der Abtei Prüm) war der einzige Sohn von König Lothar II. von Lotharingien (* um 835; † 869) und dessen Friedelfrau Waldrada († nach 869).

Vorgeschichte

Nach dem Tod Lothars I. im Jahr 855 wurde dessen Reich, das fränkische Mittelreich, zwischen dessen drei Söhne aufgeteilt. Ludwig II. (823–875), der älteste Sohn bekam Italien und die Kaiserwürde übertragen, der jüngste Sohn Karl († 863) erbte die Provence und Burgund. Der mittlere Sohn Lothar II. erhielt das nach ihm benannte Lotharingien im Norden des Reiches. Seine bis 869 dauernde Herrschaft war geprägt durch die Kinderlosigkeit seiner Ehefrau Theutberga († 875) und den daraus folgenden Kampf Lothars, diese Ehe wieder aufzulösen.

Lothar II. pflegte schon vor seiner Eheschließung eine Beziehung (möglicherweise eine Friedelehe) zu Waldrada, einer aus dem Maas-Mosel-Raum stammenden Adligen. Es ist bis ins 9. Jahrhundert üblich gewesen, dass fränkische Hochadlige neben ihrer oft aus politischen und/oder wirtschaftlichen Gründen geschlossenen Muntehe eine Friedelehe mit einer Frau aus meist niederem Adel schlossen. Diese Friedelfrau galt rechtlich ebenfalls als Ehefrau des Adligen, ihre Kinder galten denen der Muntfrau als ebenbürtig. Bekannte, aus einer Friedelehe stammende, Karolinger waren z.B. Karl Martell (687–741) oder Arnulf von Kärnten (850–899). Zusätzlich führten viele karolingische Adlige rechtlich nicht anerkannte Beziehungen zu Frauen unterschiedlichen Standes, den so genannten Konkubinen, deren Kinder als Bastarde galten und keine Ansprüche auf das Erbe ihrer Väter hatten. Diese Gepflogenheiten des karolingischen Adels wurden von Päpsten wie Nikolaus I. (820–867) heftig bekämpft.

855 schloss Lothar eine (Munt-)Ehe mit Theutberga, der jüngeren Schwester des Bosoniden Hugbert († 864), Herzog von Transjuranien und Laienabt von St. Maurice. Die Ehe erwies sich als schwierig, vor allem weil der zu erwartende Erbe ausblieb. Da Lothar bereits von seiner Friedelfrau einen Sohn (Hugo) hatte, wurde die Kinderlosigkeit der Ehe Theutberga angelastet. Diese verteidigte sich gegenüber den gegen sie erhobenen Vorwürfen mit der Beschuldigung ihres Bruders Hugbert, der sie einst sexuell missbraucht haben sollte und sie danach zwang, das aus der inzestuösen Verbindung entstandene Kind abzutreiben. Diese Aussage Theutbergas führte dazu, dass im Jahr 858 das Bündnis Lothars und Hugberts zerbrach, beide führten seitdem einen erbitterten Krieg gegeneinander.

Lothar versuchte daraufhin seine Ehe aufzulösen. Die 860 und 862 in Aachen stattfindenden Synoden versuchten dieses Problem zu lösen, besonders nachdem Theutberga ihre Vorwürfe gegenüber ihren Bruder öffentlich wiederholte. 863 sprach ein in Metz einberufenes Konzil die Scheidung der Ehe zwischen Lothar und Theutberga aus. Dies bedeutete, dass Lothar seine Kinder mit Waldrada – seinen Sohn Hugo und dessen zwei jüngeren Schwestern Gisela (860–907) und Bertha (863–925) – legitimieren konnte.

Dass dies nicht geschah, hatte zwei Gründe:

Papst Nikolaus I. (820–867) bemühte sich während seines Pontifikats (858–867) die Kirche zu reformieren. Er versuchte vor allem den Stand der Kirche bzw. der ordinierten Priester gegenüber dem (regionalen) Adel zu stärken. So bekämpfte er in den Frankenreichen den Einsatz von Laien in Kirchenämtern. Seine Politik beinhaltete aber auch das Abschaffen fränkischer Traditionen, wie die Friedelehe oder das Verstoßen von Ehefrauen. Deshalb erklärte er den Beschluss des Konzils von Metz, Lothars Ehe aufzulösen, für nichtig. Für dieses Vorhaben gewann er zwei mächtige Verbündete, den ostfränkischen König Ludwig den Deutschen (804/06–876) und den westfränkischen König Karl den Kahlen (823–877), die dem Papst zusicherten, dessen Kirchenreform in ihrem Machtbereich umzusetzen.

Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle bekundeten öffentlich ihr Interesse am Fortbestand der Ehe ihres Neffen Lothar. Beiden Karolinger rechneten damit, von der Kinderlosigkeit Theutbergas zu profitieren und beide einigten sich, nach dem Tod Lothars das zwischen dem Ost- und dem Westfrankenreich liegende Lotharingien unter sich aufzuteilen. Dass Lothars Bruder - Kaiser Ludwig II. - als möglicher Erbe außer Acht gelassen blieb, war den tatsächlichen Machtverhältnissen geschuldet. Und Hugo, der nach der Entscheidung des Papstes als Bastard galt, schied deshalb als Erbe des Königreiches Lotharingien von vornherein aus.

Lothar II. versuchte nach dem Schiedsspruch des Papstes Hugos gesellschaftliche Stellung zu retten. 867 übertrug er ihm das Herzogtum Elsass und 869 – wenige Monate vor seinem Tod – unterstellte Lothar seinen Sohn dem Schutz Ludwigs des Deutschen. Seine daraufhin begonnenen Verhandlungen mit dem neuen Papst Hadrian II. (792–872) blieben aufgrund seines frühen Tods († 869) ohne Ergebnis.

Ludwig der Deutsche hielt sich jedoch nicht an das Lothar gegebene Versprechen, im Jahr 870 schloss er mit Karl den Kahlen, der bereits im Spätsommer 869 den Westen von Lothars Reich besetzt hatte, den Vertrag von Meersen. Lotharingien wurde aufgeteilt und dem noch minderjährigen Hugo blieb das väterliche Erbe verwehrt. Ebenso konnte Lothars II. legitimer Bruder Kaiser Ludwig II. seine Erbansprüche nicht durchsetzen, da er mit der Abwehr der Sarazenen in Süditalien beschäftigt war.

Hugos Kampf ums Erbe und sein Scheitern

877 – nach dem Ableben Karls des Kahlen – begann Hugo um sein Erbe zu kämpfen. Begünstigt wurde sein Kampf durch die Rebellion Bernhards von Gothien († nach 878) in Aquitanien. Allerdings blieb der vom lothringischen Adel unterstützte Kampf Hugos erfolglos. Der neue westfränkische König Ludwig der Stammler (846–879) besiegte sowohl die Aufständischen in Aquitanien als auch die in Lothringen und Papst Johannes VIII. (* vor 852; † 882) exkommunizierte schließlich im Jahr 878 Bernhard von Gothien und Hugo von Lotharingien.

879 zog der ostfränkische König Ludwig der Jüngere (835–882) gegen Hugo und den rebellischen lothringischen Adel ins Feld, 880 folgten Feldzüge der westfränkischen Könige Ludwig III. (864–882) und Karlmann (866–884) und des Ostfranken Karl III., genannt der Dicke (839–888). Die Feldzüge waren erfolgreich, die Rebellen wurden geschlagen, doch Hugo konnte nicht gefasst werden. Stattdessen gelang es Hugo neue Verbündete in unzufriedenen Kreisen zu finden. Bemerkenswert ist, dass er sich mit Theotbald von Arles (850/60–887/95), dem Sohn Hugberts bzw. Neffen Theutbergas verband, der schließlich Hugos jüngere Schwester Bertha (863–925) heiratete. Damit erneuerte er das Bündnis mit den in Burgund mächtigen Bosoniden und den mit ihnen eng verwandten niederburgundischen König Boso von Vienne (825–887), einen ambitionierten Gegner der Karolinger.

Seit 879/880 mussten sich die beiden Frankenreiche den verstärkten Einfällen von Dänen, Wikinger und Friesen erwehren. Eine Ursache davon war, dass der 878 errungene Sieg des englischen König Alfred des Großen (847–899) über die Dänen dazu führte, deren Angriffziele von England auf die Festlandküste zu verlagern, wobei die politische Schwäche der Karolingerreiche um 880 diese Entwicklung erheblich begünstigte. In dieser Situation verband sich Hugo mit Gottfried (826–885), dem aus Dänemark stammenden Herzog von Friesland, der schließlich nach 25 Jahren friedlichen Verhalten erneut kriegerische Handlungen gegen die Frankenreiche unternahm. Die 882 ausgerichtete Vermählung zwischen Gottfried und Hugos älterer Schwester Gisela (860–907) festigte das Bündnis.

Der ostfränkische König Ludwig der Jüngere versuchte Frieden zu stiften. Er stattete Hugo mit einigen Grafschaften und Abteien aus und übertrug ihm die Einnahmen des Bistums Metz. Gottfried bekam Gebiete in Flandern und Niederlothringen zugesprochen. Doch nach dem Tod Ludwigs im Jahr 882 erkannten Hugo und Gottfried ihre Friedenszusagen nicht mehr an. Sie erhoben sich 883 erneut und brandschatzten viele Städte und Dörfer in Lotharingien. Hugo soll außerdem einen seiner Gefolgsleute ermordet haben, um dessen Gattin als Ehefrau zu bekommen. Im Mai 885 war Gottfried schließlich zu Verhandlungen mit den Ostfranken bereit, er wurde jedoch während der vorgetäuschten Verhandlungen vom Babenberger Heinrich von Franken († 886) erschlagen.

Gottfrieds Schwager und Verbündeter Hugo streifte noch einige Wochen – mehr oder weniger als Straßenräuber – in Lothringen herum, ehe er von Anhängern Karls des Dicken gestellt wurde. Dieser ließ Hugo blenden und in das Kloster Prüm verbannen, wo Hugo nach 895, möglicherweise erst nach 900 verstarb.

Als Geblendeter galt Hugo als regierungsunfähig. Mit ihm trat der mittelfränkische Zweig der Karolinger von der politischen Bühne ab. Ihre Rolle in Niederburgund und Italien übernahm für die folgenden 70 Jahre die Doppelfamilie der Bosoniden/Buviniden. Als bedeutender Vertreter dieser Dynastie gilt der italienische König Hugo von Arles (* vor 887; † 947), der ein Sohn von Bertha von Lotharingien (863–925) und somit ein Neffe Hugos war.

Hugos lothringische Anhänger schlossen sich später Arnulf von Kärnten an. Ihren Einfluss ist es zu verdanken, dass Arnulf 894 oder 895 seinen unehelichen Sohn Zwentibold (870/71–900) als König von Lothringen einsetzte.

Literatur

* Engelbert Mühlbacher; Deutsche Geschichte unter den Karolingern in 2 Bänden; Phaidon Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion; ISBN 3-88851-052-X

* Rudolf Schieffer; Die Karolinger; Verlag W. Kohlhammer; Stuttgart Berlin Köln; 2. durchgesehene und ergänzte Auflage 1997; ISBN 3-17-014584-3

* Pierre Riché; Die Karolinger – Eine Familie formt Europa; Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München, 3. Auflage April 1995; ISBN 3-423-04559-0

* Hugo von Lotharingien (Wikipedia)

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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Xanthippe - Luki - 12.06.2012, 15:52
Etwas Bilder - Luki - 22.06.2012, 19:39
RE: Etwas Bilder - Maxdorfer - 22.06.2012, 20:43
Etwas Bilder - Luki - 22.06.2012, 21:31
RE: Etwas Bilder - Harald - 23.06.2012, 12:07
Don Juan de Austria I. - Luki - 23.06.2012, 15:04
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RE: Don Juan de Austria I. - Luki - 23.06.2012, 15:47
RE: Don Juan de Austria I. - Dietrich - 23.06.2012, 16:49
Don Juan de Austria II. - Luki - 23.06.2012, 15:25
Don Juan de Austria III. - Luki - 23.06.2012, 15:41
Orelie Antoine de Tounens . - Luki - 08.07.2012, 12:19
RE: Biographien ungeordnet, wie sie geschrieben werden . - Sansavoir - 09.07.2012 01:16
Ludwig III. Ostfranke - Luki - 19.07.2012, 20:56
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