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Biographien ungeordnet, wie sie geschrieben werden .
02.07.2012, 20:54
Beitrag: #29
RE: Biographien ungeordnet, wie sie geschrieben werden .
John Hawkwood

Sir John Hawkwood – italienisch: Giovanni Acuto – (* um 1320 in Sible Hedingham bei Colchester, Essex, † 16. März 1394 in Florenz) war ein Condottiere, der nach 1360 mit seinen englischen und bretonischen Söldnern – der berüchtigten „Weißen Kompanie“ – das Kriegsgeschehen in Italien maßgeblich beeinflusste. Er hinterließ in Italien das Beispiel eines erfolgreichen Gewalttäters und diente als Vorbild für kommende italienische Condottieri wie Francesco Sforza (1401–1466) oder Bartolomeo Colleoni (1400–1475).

Herkunft und frühe Jahre

Über das frühe Leben des erfolgreichsten Söldnerführers des 14. Jahrhunderts ist wenig bekannt. Es sind nur die Aufzeichnungen der Chronisten Jean Froissart (1337–1405) und Filippo Villani (1325–1407) überliefert, die sich beide auf Äußerungen Hawkwoods beriefen. Demnach wurde er als jüngerer Sohn eines mit Land begüterten Gerbers geboren, der um 1340 verstarb. Hawkwoods älterer Bruder erbte daraufhin Gerberei und Landgut, dem Zweitgeborenen wurde nur ein – auf ein Jahr befristetes – Wohnrecht auf dem elterlichen Gut gewährt.

Der junge John zog wenig später nach London, wo er möglicherweise kurze Zeit als Schneider arbeitete, ehe er die Gelegenheit wahrnahm, sich dem Kriegsheer Edwards III. (* 1312, König von England 1327–1377) anzuschließen. Da Hawkwood später seinen Aufstieg vom einfachen Schneidergesellen zum erfolgreichen Söldnerführer stolz und oft propagierte, war er eventuell auch das historische Vorbild für das „Tapfere Schneiderlein“. Sehr wahrscheinlich ist, dass er als Bogenschütze unter dem Kommando von John de Vere (1312–1360) und William de Bohun (1312–1360) am Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich (1337–1453) teilnahm und auch in den Schlachten bei Crecy (1346) und Maupertuis (1356) kämpfte. Unsicher ist, ob der im Krieg abgehärtete Soldat seinen Ritterschlag von Edward III. bzw. Edward, dem Schwarzen Prinzen (1330–1376) erhielt oder ob er sich mit Unterstützung seiner Truppen selbst zum Ritter ernannte. Mit dem 1360 geschlossenen Frieden von Brétigny endete der erste Abschnitt des Hundertjährigen Krieg und der englische König entband den Großteil seiner Truppen aus ihren militärischen Verpflichtungen.

Hawkwoods Aufstieg zum gefürchteten Condottiere in Italien

Um 1360 trat John Hawkwood, dessen Leben und Werdegang seit diesem Zeitpunkt dokumentiert ist, an die Spitze der „Weißen Kompanie“, eine aus 3500 Reitern und 2000 englischen und bretonischen Bogenschützen bestehende Spezialeinheit. Ihren Namen erhielt die Kompanie durch ihre weiße Banner, den weißen Waffenröcken und den hoch polierten, den Gegner blendenden Brustpanzern. Erstmalig setzte Hawkwood sein Söldner in Burgund ein, ehe sie 1361 im Heer der „Große Kompanie“ das päpstliche Avignon belagerten. Allerdings wurde die Belagerung nach der Zahlung einer beträchtlichen Geldsumme beendet und die „Weiße Kompanie“ rückte geordnet ab.

Als die Söldner allerdings wenig später in der Lombardei auftauchten, verbreiteten sie durch ihre Hemmungslosigkeit und Grausamkeit nur noch Schrecken und Entsetzen. In den kommenden dreißig Jahren galten die englischen Söldner in Italien als „heimtückisch und überaus böse“, auf John Hawkwood selbst bezog sich der aus einer Mischung aus Furcht und Respekt bestehende Ausspruch: „Ein italienisierter Engländer ist der Fleisch gewordene Teufel.“ Der englische Condottiere, den die Italiener bald nur noch Giovanni Acuto, von l’Acuto – der Leidenschaftliche, nannten, konnte bereits in den 1360-er Jahren den höchsten Sold für seine Dienste fordern und stellte stets den zahlungskräftigsten Fürsten und Städten seine Kompanie zur Verfügung. Wurde die vereinbarte Summe nicht bezahlt, zwang er seine Auftraggeber durch Plünderungen dazu. Seine englischen Bogenschützen galten in den kommenden dreißig Jahren als unüberwindliche Spezialisten, die sechs Pfeile pro Minute mit ihren Langbögen abschossen, welche problemlos die Panzerhemden ihrer Gegner durchbohren konnten. Einige seiner Meisterschützen brachten es sogar auf 20 Schuss pro Minute. Die robusten Engländer erwiesen sich als tapfer, schnell und wetterfest, bald wurden sie nur noch „die Löwen“ genannt.

1362/63 standen Hawkwoods Söldner im Dienste Giovannis II. (1321–1372), des Markgrafen von Montferrat, der Krieg gegen die Visconti, die Herrscher von Mailand, führte. Bereits 1363/64 kämpfte Hawkwood im Range eines Generalkapitäns für Pisa gegen Florenz, das den Herrn von Rimini, Pandolfo II. Malatesta (1325–1373), als Condottiere verpflichtet hatte, der jedoch nach einem gescheiterten Versuch, die Herrschaft über Florenz zu erringen, durch seinen Onkel Galeotto I. Malatesta (1299–1385) ersetzt wurde, dem im Juli 1364 die „Weiße Kompanie“ bei Cascina schließlich zum ersten Mal in Italien unterlag.

In Diensten der Visconti, des Papstes und anderer Herren

1367 begleitete John Hawkwood den Dogen von Pisa, Giovanni Agnello, beim Empfang von Urban V. (* 1310, Papst 1362–1370), der per Schiff von Marseille kommend in Livorno an Land ging und von dort aus nach Rom zog. 1368 stand die „Weiße Kompanie“ in Diensten Bernabò Viscontis (1323–1385), der die Söldner zur Abwehr gegen die in die Lombardei einrückenden florentinischen Truppen benötigte, um sie Anfang des folgenden Jahres gegen den Papst zu schicken. Dass John Hawkwood Anfang 1368 an der Hochzeit von Bernabòs Nichte Violante († 1382) mit Lionel von Antwerpen (1338–1368), Herzog von Clarence, dem zweitältesten Sohn des englischen Königs Edward III., teilnahm, drückt vor allem die gesellschaftliche Anerkennung und Bedeutung des inzwischen mächtigen Condottiere aus.

1369 kämpfte der Engländer für Perugia gegen Papst Urban V., von 1370 bis 1372 erneut für die Visconti aus Mailand gegen Pisa, Florenz und den Markgrafen von Montferrat, ehe er Anfang 1373 in Dienste Gregors XI. (* 1329; Papst 1370–1378) trat, um in dessen Auftrag die Mailänder Herrscher anzugreifen. Schließlich besiegten die englischen Söldner in der Schlacht von Montichiari – als Verbündete des päpstlichen Feldherren Enguerrand VII. de Coucy (1339/40–1397), einem Schwiegersohn des englischen Königs Edward III. – die Truppen Gian Galeazzo Viscontis (1351–1402) .

Ebenfalls im Auftrag des Papstes erfolgte die grausame Einnahme der unbotmäßigen Stadt Faënza in der Romagna, bei der 11.000 männliche Einwohner vertrieben wurden und die verbliebenen Frauen und Mädchen von den Söldnern vergewaltigt wurden. Diese Gräuel veranlassten Katharina von Siena (1347–1378) folgenden Brief an John Hawkwood zu schreiben: „Im Namen Jesu Christi bitte ich Euch inständig, da Gott und unser Heiligster Vater befohlen hat, gegen die Ungläubigen zu ziehen, und Ihr so großen Gefallen daran findet, Krieg zu führen und zu streiten, so bekämpfet nicht länger Christen, was eine große Grausamkeit und eine Sünde gegen Gott ist, der nicht will, dass Glieder, die er in dem Körper der Heiligen Kirche verbunden hat, sich zerfleischen, sondern geht dahin, wo die Feinde Gottes sind.“ Zwar gelobte der gerügte Condottiere der 1461 heilig gesprochenen Mystikerin öffentlich Besserung, tatsächlich dachte er aber nie daran, sein Handeln zu ändern.

Stattdessen erfreute er sich über die zwei vom Papst erhaltenen Güter Bagnacavallo und Cotignola in der Romagna, die er um 1380 für 60.000 Gulden verkaufen konnte. 1375 beauftragte ihn Gregor XI., Florenz anzugreifen. Die aufgrund ihrer verwüsteten Weizenfelder von einer Hungersnot bedrohten Florentiner überzeugten jedoch den Condottierre mit großzügig gezahlten 130.000 Goldgulden, nicht gegen ihre Stadt vorzugehen. Ähnliche Vereinbarungen schloss der geschäftstüchtige Söldner mit den Städten Siena, Arezzo, Pisa und Lucca, wobei er weitere 95.000 Goldgulden verdiente.

Das Massaker von Cesena 1377

Ein besonders düsteres Kapitel in Hawkwoods Laufbahn war seine Teilnahme an der – im Auftrag Gregors XI. und unter Befehl des Kardinals Robert von Genf (* 1342, Gegenpapst Clemens VII. 1378–1394), dem damaligen päpstlichen Legaten für Italien – blutigen Eroberung der widerspenstigen Stadt Cesena im Februar 1377. Obwohl es Hawkwood gelang, 1.000 Frauen und Mädchen nach Rimini in Sicherheit zu bringen, fielen zwischen 4.000 und 5.000 Menschen der vom Kardinal von Genf aufgehetzten Soldateska zum Opfer. Ebenso wurden unzählige Kunstschätze zerstört. Diese grausame Blutorgie erregte auch im 14. Jahrhundert die Öffentlichkeit, an Robert von Genf blieb zeitlebens der Ruf eines Massenmörders haften.

Eine Legende ist sicherlich, dass John Hawkwood nach dem Massaker von Cesena eine Nonne in zwei Stücke gehauen haben soll, um die sich zwei seiner Soldaten stritten und denen er je eine Hälfte der Toten übergeben ließ. Vordergründig ging es dem englischen Söldnerführer jedoch nicht um das Töten von Menschen, das Zerstören von Städten oder das Verwüsten von Landschaften, ihn interessierte nur der Sold. „Daher bitte ich Euch, Messer Giovanni condotierre, süß, da Ihr Euer Entzücken an Krieg und Kampf findet, führt keinen Krieg mehr gegen Christen, denn das beleidigt Gott. Zieht gegen die Türken, damit ihr nicht länger ein Knecht und Soldat des Teufels, sondern ein männlicher und wahrer Ritter werdet“, schrieb ihm erneut die infolge des Massakers von Cesena aufgebrachte Katharina von Siena.

Nach Cesena trat Hawkwood in die Dienste Bernabò Viscontis, der ihm 250.000 Gulden Jahreseinkommen gewährte und dessen uneheliche Tochter Donnina er heiraten durfte. Streitigkeiten und Verrat führten aber bald zum Bruch zwischen dem Mailänder Herrscher und seinem Condotierre, der noch im Jahr 1377 einen Vertrag mit dem neuen florentinischen Gonfalonier Salvestro de’ Medici (1331–1388) abschloss und seinen neuen Wohnsitz in San Donata nahe Florenz nahm.

Florenz 1377 bis 1394

In florentinischen Diensten kämpfte der Feldherr zuerst an der Seite Mailands gegen den Papst, dann – in den Jahren 1378 und 1379 – an der Spitze einer Anti-Mailänder Allianz gegen die Visconti. 1381 weilte John Hawkwood als Gesandter des englischen Königs Richard II. (* 1367, König 1377–1399, † 1400) in Rom. 1382/83 unterstützte er – im Auftrag seines Dienstherrn – Karl III. von Durazzo (* 1345, König von Neapel 1382–1386) in dessen Krieg gegen Ludwig von Anjou (1339–1384). 1387 wurde Hawkwood erneut ausgeliehen, diesmal zog er für Francesco Carrara († 1393), bis 1388 Herrscher von Padua gegen Antonio della Scala (1362–1388), dem Markgrafen von Verona in den Krieg. Dabei gelang es ihm den gegnerischen Condottiere Giovanni Ordelaffi (1355–1399) in der Schlacht bei Castagnaro am Westufer der Etsch zu besiegen und 4.600 Ritter sowie 800 Soldaten gefangen zu nehmen.

1391 begann der Engländer seinen letzten Feldzug gegen Mailand – gemeinsam mit dem von Florenz engagierten Franzosen Jean d’Armagnac (1359–1391) – dem älteren Bruder des späteren Connétables von Frankreich, Bernard VII. d’Armagnac (1360–1418) – dessen Leichtsinn allerdings einen Sieg des gegnerischen Feldherren Jacopo dal Varme (1350–1409) in greifbare Nähe rückte. Hawkwood schaffte es jedoch, mit seinen Truppen den Mailändern zu entweichen, so dass schließlich Anfang 1392 ein für Florenz akzeptabler Friedensvertrag unterzeichnet werden konnte.

Ihren über siebzigjährigen Feldherren belohnten die dankbaren Florentiner mit dem Bürgerrecht ihrer Stadt. Seinem Sohn und ihm wurden außerdem lebenslange Steuerfreiheit zugesichert, seinen zwei Töchtern je 2.000 Gulden Aussteuer gewährt und seine Frau bekam 9.000 Gulden Witwenpension zugestanden. Bereits zu diesem Zeitpunkt besaß Hawkwood ausgedehnte Ländereien in der Romagna und in der Toskana, ebenso war er Eigentümer eines Schlosses in Montecchio Vesponi. Obwohl von seinen florentinischen Mitbürgern hoch geachtet, plante Hawkwood seine Rückkehr nach England, er verstarb allerdings während der Vorbereitungen am 16. März 1394 in Florenz. Die Florentiner bestatteten ihn im linken Seitenschiff des Domes Santa Maria del Fiore und Paolo Ucelli (1397–1475) schuf später ein Reiterstandbild mit der Aufschrift „johannes acutus, eques Britannicus“. Richard II. ließ 1397 Hawkwoods Gebeine nach Essex überführen.

John Hawkwood war zweimal verheiratet. Aus seiner ersten – noch in England geschlossenen Ehe – stammen zwei Söhne und drei Töchter, von denen eine die Vorfahrin des Dichters Percy B. Shelley (1792–1822) war. Aus der zweiten Ehe mit Donnina Visconti entstammen zwei Töchter und ein Sohn. Die ältere Tochter heiratete den Podesta von Ferrara, die jüngere den deutschen Condottiere Conrad Prospergh. Der Sohn John zog 1397 als erfolgreicher Geschäftsmann nach England.

Literatur

* Klaus Schelle, "Die Sforza - Bauern, Condottieri, Herzöge", Magnus Verlag Essen

* Barbara Tuchmann, "Der ferne Spiegel - Das dramatische 14. Jahrhundert", Lizenzausgabe des SPIEGEL-Verlags Rudolf Augstein GmbH & Co. KG für die Spiegel-edition 2006/07, ISBN 978-3-87763-032-7

* John Hawkwood (Wikipedia)

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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Xanthippe - Luki - 12.06.2012, 15:52
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