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Biographien ungeordnet, wie sie geschrieben werden .
30.09.2012, 17:46
Beitrag: #63
RE: Biographien ungeordnet, wie sie geschrieben werden .
Schließlich habilitierte sie sich auch in Hohenheim, an der dortigen Landwirtschaftlichen Hochschule. In ihre Arbeit hatte sie die Versuche von der Versuchsstation einfließen lassen, es ging nämlich um „Phosphorsäureaufnahme und Bodenreaktion“ und ihre Gesetzmäßigkeiten. Sie hatte bemerkt, dass bestimmte Pflanzenarten das schwer lösbare Bodenphosphat in sehr leicht nutzbare Verbindungen umwandeln können. Aus dieser Entdeckung entwickelte Friedrich Aereboe das Aereboe – Wrangell – Düngungssystem. Bislang hatte Deutschland diese nutzbaren Rohphosphate teuer importieren müssen, die neue Methode sollte es davon unabhängig machen. Obwohl es einige Diskussionen unter den Wissenschaftlern gab, machte diese Entdeckung Margarete von Wrangell nicht nur bei ihren Fachkollegen bekannt.
1922 wurde Fritz Haber auf sie aufmerksam. Er hatte einige Jahre zuvor am physikalisch-chemischen Institut der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin herausgefunden, wie man aus dem in der Luft massig enthaltenen Stickstoff in großem Maßstab Ammoniak gewinnen kann. Nun bat er sie, eine Festanstellung an seinem Institut anzunehmen. Tatsächlich ging Wrangell nach Berlin, doch nach einem Jahr schon kehrte sie zurück nach Hohenheim. Bald nach ihrer Ankunft 1923 wurde ihr eine Professur für „Pflanzenernährungslehre“ an der Hohenheimer Landwirtschaftlichen Hochschule angetragen. Der Widerstand einiger dort lehrender Professoren konnte das nicht verhindern. Damit war sie die erste ordentliche Professorin in ganz Deutschland (außerordentliche Professorinnen hatte es schon vorher hin und wieder gegeben).
In den folgenden Jahren konnte sie ihr eigenes Institut für Pflanzenernährung gründen. Dank der finanziellen Unterstützung durch die Reichsregierung konnte sie dieses mit modernen Laboratorien und einem großen Versuchsfeld ausstatten. Den ganzen Rest ihres Lebens sollte sie dieses Institut leiten. Persönlich war sie in verschiedenen Gebieten tätig, doch ihr Hauptinteresse war weiterhin die Phosphatdüngung. Sie untersuchte sehr genau, wie viel nutzbares Phosphat Pflanzen brauchen und wie viel andere produzieren können. Neben diesen Forschungen nahm sie auch die üblichen universitären Aufgaben wahr. 16 Doktoranden promovierten bei ihr, sie schrieb Texte, Artikel, Aufsätze. Darunter befanden sich einige eigenständige Schriften, einige Artikel für fachwissenschaftliche Lexika und Handbücher und nicht zuletzt verschiedene Aufsätze in Fachzeitschriften. Des Weiteren gab sie das Buch des sowjetischen Agrarwissenschaftlers D. Nikolajewitsch Prjanischnikow „Die Düngelehre“ in der deutschen Übersetzung heraus, was ein verdienstvoller Schritt in ihrem Fachgebiet war. Über das normale Engagement hinaus erstreckte sich indes ihre Tätigkeit im Bund der deutschen Akademikerinnen.
Der Preis für diesen Erfolg waren zahlreiche Intrigen und der weitgehende Verzicht auf Privatleben. War sie früher sehr sportlich gewesen, blieb ihr nun dazu keine Zeit mehr. Lange fand sie keinen Mann, der ihr den Rücken freihielt und ihr berufliches Engagement akzeptierte oder gar unterstützte. 1928 schließlich heiratete sie einen alten Jugendfreund, den Fürsten Wladimir Andronikow. Er konnte ihr dies alles bieten. Sie hieß nun Margarete Fürstin Andronikow, geborene Baronesse von Wrangell. Viel hatte sie erreicht, sowohl beruflich als auch wissenschaftlich und privat. Doch nur kurz konnte sie sich dieses Glückes erfreuen. Schon fünf Jahre später, am 21. März 1932 starb die Forscherin an einem Nierenleiden. Sie war nur 55 Jahre alt geworden.
Zwei Jahre später wurde ihr ein Gedenkstein auf dem Gelände ihres ehemaligen Institutes in Hohenheim errichtet. Er gibt ein Zitat Wrangells (bzw. Andronikows) wieder: „Ich leb[t]e mit den Pflanzen. Ich leg[t]e das Ohr an den Boden und es scheint (schien) mir, als seien die Pflanzen froh, etwas über die Geheimnisse des Wachstums erzählen zu können.“ 1935 gab ihr Mann eine Biographie über sie hinaus: „Margarethe von Wrangell. Das Leben einer Frau 1876-1932. Aus Tagebüchern, Briefen und Erinnerungen dargestellt von Fürst Wladimir Andronikow“. Obwohl heute nicht mehr sicher ist, ob ihre Theorie zutrifft, ist sie immer noch eine der Pionierinnen ihres Fachs. Die Frauenrechtler(innen) haben sich oft mit ihr befasst, und das Land Baden-Württemberg rief ein „Margarete von Wrangell – Habilitationsprogramm für Frauen“ ins Leben.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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Xanthippe - Luki - 12.06.2012, 15:52
Etwas Bilder - Luki - 22.06.2012, 19:39
RE: Etwas Bilder - Maxdorfer - 22.06.2012, 20:43
Etwas Bilder - Luki - 22.06.2012, 21:31
RE: Etwas Bilder - Harald - 23.06.2012, 12:07
Don Juan de Austria I. - Luki - 23.06.2012, 15:04
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RE: Don Juan de Austria I. - Luki - 23.06.2012, 15:47
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