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FDP
11.09.2014, 12:26
Beitrag: #35
RE: FDP
Ich denke, dass Problem liegt ganz wo anders.

Wenn ich die ganzen Diskussionen darüber verfolge, fällt mir immer mehr auf, dass die Kritik eher darauf gerichtet ist, wie sie sich in der Regierung verhalten hat, vor allem in den ersten zwei Jahren. Und vor allem daran, dass sie nicht verlässlich war und weder die Minister noch die MdBs gewusst haben was sie wollten und machten fast widerstandslos alles mit was die CDU ihnen vorgekaut hat. Das war für die Anfangszeit der Regierung bezeichnend, weil die FDP nur an die Macht zu kommen Kompromisse eingegangen ist, zu denen sie eigentlich gar nicht stehen wollte. Zähneknirschend hat man es hingenommen. Und rutschte dann genau in die Funktion in der Regierung herein, in der sie die Unionsparteien wollten: als Kraft das unpopuläre zu vertreten.

Und dann kam der Versuch der ersten zaghaften Steuerreform, das sog. "Wirtschaftswachstumsbeschleunigungsgesetz". Das zielte zunächst ja nur darauf ab, das zarte Wirtschaftswachstum nach der Krise nicht gleich wieder abzuwürgen. Und was wurde daraus? Es wurde wahrgenommen als Steuerpolitik für Hoteliers. Auch hier hat die FDP sich alles fast widerstandslos gefallen lassen: Leute die keine Ahnung vom Steuerrecht hatten, haben in den großen Medien, die Meinungsmachend sind, propagiert, die Senkung des Umsatzsteuerbeitrags komme den Hotelbesitzer zu gute, da diese ja eine Steuererleichterung zugesprochen bekommen würden. Das ist allerdings sachlich nicht richtig. Die Umsatzsteuer bezahlt der Leistungsempfänger und nicht der Leistungsgeber. Es ist für einen Unternehmer also an sich keine Erleichterung, sehr wohl aber denen, die Hotelzimmer, Pensionen, Stundenzimmer usw. in Anspruch nehmen. Und genau diese Tatsachen wurden nicht erklärt. Ja, man hat alle mögliche fadenscheinige Argumente gebracht, aber man hat erklärt was eigentlich sachlich passiert. Das hätte man von einer Partei, der man Wirtschafts- und Steuerkompetenz nachsagt, eigentlich erwarten dürfen. Ich denke, bei den ganzen BWLern in der Fraktion dürfte sich doch wenigstens einer in der Buchhaltung auskennen.
Leider war das der Auslöser, dafür dass es ständig bergab ging. Diejenigen, die sich über das „Wirtschaftswachstumsbeschleunigungsgesetz“ hermachten, haben schließlich verdrängt, dass auch Einkommensteuersätze geringfügig gesenkt wurden. Der erste Schritt für die Steuerreform. Man hat es hingenommen, dass die Regierung von Außen schon schief betrachtet wird. (Ich rege mich heute noch furchtbar darüber auf, welcher Quark in der Zeit über das Gesetz verbreitet worden ist).

Das nächste was man der FDP übel genommen hat, war dann das Nichtstun vor der Wahl in Nordrhein Westfalen. 2010. Denn das obig beschriebene Gesetz hat auch die CDU ins Wanken gebracht, die ja in NRW keine allzu große Basis hat. Fast schon gespenstisch, dass der Zuspruch immer noch so groß war, die FDP gewann sogar einen Sitz dazu, auch wenn es für die Regierung schon nicht mehr reichte. Das Problem legte aber genau das offen, was vorher schon verdrängt worden ist: die Regierung funktioniert nicht, es ist nicht stimmig und lässt sich von Außen auch manipulieren. Zuerst von der Gegnerschaft, denen man gar nichts entgegenzusetzen hatte in der öffentlichen Diskussion und dann die Passivität beim Angehen der ganz großen Sache. Und das war für die FDP fatal, da sie schließlich seit Jahren Wahlkampf gemacht hat, dass die Politik Schröders mit der „ruhigen Hand“ und Merkels Politik der „kleinen Schritte“ verächtlich gemacht hat. Und nur weil der Ministerpräsident Jürgen Rüttgers um sein Amt fürchtete sowie um die Regierungsbeteiligung der CDU und FDP sollten die Bundestagsfraktionen besser keine große Politik machen, das wäre ja für ihn schlecht. Schlecht war das dann trotzdem, weil genau die Passivität eher Rüttgers Wahlkampf behinderte als die Vorhaben.

Nach und nach hatte sich die FDP dann auch zerstritten was die Hilfe für Griechenland anging. In Griechenland selbst war die FDP unten durch, da sie darauf bestanden haben, nur mit Gegenforderungen Kredite zu geben. Ja, erstaunlicherweise setzte sie sich da durch. Aber in der Partei selbst regte sich ja die Kritik grundsätzlich an der monetären Ausrichtung der Partei. Es brachen nun die Konflikte auf, die es vorher schon gab, aber die nun schwache Parteiführung nicht mehr parieren konnte. Während es schon 2010 erbitterte Kämpfe gab, man sich immer tiefer in die Kämpfe verstrickte, war das Bild, dass die Partei abgab immer mehr beschädigt. Peinliches Feilschen um Ämter, gegenseitige Klagen von wegen Schadensersatz und so weiter zeugten davon, das nun alle mehr als nervös wurden und die vorher kaum kritisierten lokale Führungen immer mehr den Halt verloren.

Vor allem in Baden Württemberg (und das kenne ich nun aus eigener Erfahrung) wurde die FDP so zu einer nicht mehr ernst genommen Größe. Baden-Württemberg 2010 noch von CDU-FDP regiert, überall FDP-Leute in den Rathäusern und Regierungspräsidien, gilt ja bis heute als Stammland der Liberalen. Der deutsche Liberalismus ist durch den starken Mittelstand in BaWü gut vertreten. Doch auch in der Landesregierung gärte es. Was auf Bundesebene die Eurofrage war, war dort die Frage um das Stuttgarter Bahnhöfle. Es ging – wie bei der Eurofrage auch – eher um persönliche Eitelkeiten als um die Sache selbst. Solidarisch stellten sich die badischen Abgeordneten hinter das Projekt, nach außen hin noch homogen vertreten, allerdings die württembergischen Liberalen taten sich nach mehr und mehr Druck von Außen zunehmend schwer. Der Riss war deutlich und man wusste immer weniger, was denn nun von der FDP zu halten ist. Noch weniger, als bei dem turnusgemäßen Wahlvorgang zum Fraktionsvorsitzende der S 21 Befürworter und Kämpfer für den Airport Lahr Ulrich Noll hintenherum abgesägt worden ist. Noll, kurz darauf auch verstorben, stand noch für die im Bund längst abgesägte Riege um Westerwelle. Allerdings wurde das für die Fraktion zum Bumerang, Noll war – nicht nur bei mir – äußerst populär und das einzige Gegengewicht gegen die Führung der Landesregierung.

Das Rüsten auf die Wahl 2011 endete in einem Desaster. Kandidaten, die sich durch Mittel am Rande der Legitimität die Plätze erschlichen, Erpressungsversuche und dies alles Parteiintern. Nur die mediale Aufmerksamkeit richtete sich ja auf die FDP besonders in dieser Zeit und somit kamen die Machenschaften ans Licht. Ja, kann man solche Leute wählen, die so mit ihrer Macht umgehen? Man konnte das Verantwortungsgefühl dieser Menschen nicht mehr ergründen. Woher sollte das Vertrauen kommen? Die Menschen haben sich reflexartig abgewendet als sie bemerkten, dass in der FDP nur noch Chaos herrschte. Als dann auch noch zwei Wochen vor der Wahl die Katastrophe in Japan war, kippte die Stimmung endgültig. Weil natürlich, die FDP ja an der Verlängerung der Forschungsphase für AKW mitbeteiligt war und das nur wenige Wochen vor dem Unglück. Dass dann BaWü den ohnehin verhassten Stefan Mappus (CDU) abgewählt hat und die FDP ihr schlechtestes Ergebnis in ihrem Heimatland bekommen hat, war aus meiner Sicht nur die gerachte Quittung für dieses mieße Verhalten.

Das sich aber weiterhin verschlimmerte. Langsam trennten sich mehr und mehr Mitglieder ab und griffen nun den Bundesvorstand wegen der Eurorettungspolitik an. Um gehört zu werden und sicher auch zu verhindern, dass sich die Regierungsfraktion im Bund nicht endgültig von dem Willen der Basis entfernt, hat eine Gruppe rund um den Abgeordneten Frank Schäffler einen Mitgliederentscheid beantragt. Dieser beinhaltete den Antrag darüber abzustimmen, in welche Richtung die FDP steuern soll. Die Idee des Antrags war, dass der Euro wieder aufgelöst werden soll und die Wirtschaftsunion zur reinen Freihandelszone zurück kehren soll, dass heißt weiter, die Schließung der EZB und das Auflösen europäischer Institutionen. Genau also das Gegenteil dessen, was die FDP bisher mitgemacht hat, immerhin geht es darum, was vor allem von der CDU aufgebaut worden ist und was als ihr Lieblingsprojekt sich immer gut verkaufen hat lassaen. Nun also stand auch der letzte Rest des Koalitionsfrieden auf dem Spiel. Hektisch und nahezu unprofessionell bereitet die Parteiführung den Gegenschlag vor, es entstand ein schlampiger Gegenantrag, der die Linie der Regierung als einzige Richtung der FDP anbot. Und dann wurde schön brav mit Post abgestimmt. Und ausgezählt. Und der Verdacht lag nahe, nicht wirklich sauber. Immerhin setzen sich diese durch, die noch zur Parteiführung standen, war das nun ein gezinktes Ergebnis oder nicht. Doch nun merkte man den Zerfall deutlich.

Alle die bisher noch zähneknirschend den Kurs der FDP mitgemacht hatten traten nun aus, viele, die das ursprünglich angedachte Modell der Internetbürgerrechtspartei aus den frühen 2000er stützen wanderten zu der Piratenpartei, ihre Erfolge dieser Zeit rühren davon, dass die Liberalen verzweifelt ihre Wurzeln im Linksliberalismus gesucht haben. Wieder andere, davon aber weniger, landeten bei der libertären Splitterpartei „Partei der Vernunft“, ein zweifelhaftes Projekt aus Sicht der FDP, wurde nun aber für sie zur neuen Heimat. Und viele der eher konservativen Kräfte, wenn nicht gar der meisten bereiteten dann das Projekt „Alternative für Deutschland“ vor. Und diese sehen sie als Ersatz für die FDP. Auch wenn es programmatisch nicht viele Kontaktpunkte zwischen den Parteien gibt, ist sie für das Gros der ehemaligen FDP-Wähler wohl das neue Lager.

Und wenn man dann das Bild der FDP sieht, dass sie seit dem abgegeben hat, muss man sich keine Sorgen über grundsätzliche Debatten machen. Ich muss nun ein Beispiel bringen, es geht die Selbstbeteiligung der Krankenversicherten. Man kann nicht jahrelang predigen, diese 10 € Quartalsgebühr sei unsozial und grundsätzlich falsch, dann aber einen Antrag (auch wenn er aus der Opposition kommt) nahezu geschlossen abzulehnen um nur ein paar Tage später einen fast wortgleichen Antrag dann anzunehmen. Also ganz ehrlich: solche kollektive Verwirrung wählt keiner. Und wie ich finde auch mit Recht nicht. Und erst wenn die Verantwortlichen dafür weg sind und es auch mal Leute gibt, die sich mit Verstand und vor allem Anstand und Selbstwert zeigen, dann kann man mal darüber sprechen, welche grundsätzliche Philosophie notwendig ist.

Es ist recht deprimierend zu sehen wie die Sachen laufen. Mittlerweile denke ich, es ist besser, so wie es Otto Fürst von Bismarck formuliert hat: Wenn man nicht sieht wie Würstchen und Gesetze gemacht werden, kann man auch besser schlafen. Ich denke mal, wenn man noch tiefer gräbtkann man diese Tendenzen bei allen Parteien irgendwo finden. Nur die können besser damit umgehen als eine gewisse blau-gelbe Exregierungspartei.

Wer die Vergangheit nicht achtet, dem kann es die Zukunft kosten

"Im übrigen, mein Sohn, lass dich warnen! Es nimmt kein Ende mit dem vielem Bücherschreiben und viel studieren ermüdet den Leib!" Kohelet 12,12
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FDP - 913Chris - 01.03.2014, 20:59
RE: FDP - Marek1964 - 02.03.2014, 13:54
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RE: FDP - Renegat - 06.03.2014, 12:30
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RE: FDP - WernerS - 16.08.2014, 13:40
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RE: FDP - WernerS - 16.08.2014, 22:38
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RE: FDP - Suebe - 12.07.2023, 09:59
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RE: FDP - Titus Feuerfuchs - 23.10.2023, 18:49
RE: FDP - Marek1964 - 19.10.2023, 13:16
RE: FDP - Suebe - 19.10.2023, 17:24
RE: FDP - Suebe - 21.10.2023, 07:59

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