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römische & germanische Traditionen im Mittelalter
11.09.2013, 17:45
Beitrag: #6
RE: römische & germanische Traditionen im Mittelalter
(11.09.2013 15:02)Suebe schrieb:  die germanischen Stämme wollten keineswegs das römische Reich zerstören, sie wollten Teil des Reiches sein.

Und nicht nur deshalb griffen sie dankbar auf Römisches zurück:
Das gotische, fränkische usw. Recht war dafür geeignet, eine nichtstädtische, auf Landwirtschaft basierende Gemeinschaft zu regieren.
Bei allen Streitereien, die Städte und Handel oder gar die Kirche betrafen, musste man auf römisches Recht zurück greifen.
Außerdem waren die Germanen überall nur dünne Oberschicht. Für die einheimischen Romanen ließ man oft einfach das römische Recht weiter gelten, so dass es in den meisten Germanenreichen anfangs zwei parallel genutzte Rechtssysteme gab: Das germanische und das römische.
Nachdem das römische Recht schon viel ausgefeilter war als das germanische, setzte sich letzteres weitgehend durch. Auch die Kirche nutzte ihr römisches Rechtssystem weiter und je größer die Macht der Kirche wurde, desto größer wurde auch die Rolle des römischen Rechts; beide Entwicklungen griffen ineinander über.
Nur z.B. im bäuerlichen Bereich hielt sich noch lang und zäh germanisches Recht.
Auch das Lehensrecht ist eigentlich eine germanische Sache.

Auch die Städte, die das 5./6./7.Jh. überlebt hatten, waren römische Städte. Richtig, Paul, auch die Kelten kannten städtische Siedlungen, und die Germanen übernahmen vereinzelt sogar solche Siedlungen, aber die Regel war das nicht. In allen germanischen Reichen siedelten sich die Machthaber in römischen Städten an!

Straßen: Auch hier wandelte man im Wortsinn noch sehr lange auf römischen Pfaden. Gepflasterte Straßen gab´s in Europa außer aus römischer Hand und immer wieder repariert keine. Und da auch die römischen Straßen nicht ewig hielten, pflügte man nach Regenfällen oder im Winter, wenn der Schnee schmolz, oft durch tiefen Schlamm (was die Bildung von Hohlwegen begünstigte) oder blieb dann doch lieber gleich daheim oder in der Herberge (was die Entwicklung der Städte förderte).
Aber auch wenn die römischen Straßenkörper dahin waren, die Straßenführung behielt man bei, so dass noch heute viele Straßen im ehemals römischen Gebiet alte Römerstraßen nachzeichnen.

In den Klöstergärten hielt sich auch noch so manches aus römischen Quellen: Von den Büchern abgesehen zogen die Mönche Kirschen und anderes Obst, das durch die Römer nach Germanien gekommen war. Wer es sich leisten konnte, baute sich Häuser aus Stein (lat. "murus" = Mauer) statt aus Holz und hatte nicht nur Rauchluken, sondern Fenster (lat. "fenestera"), wenn auch nicht mit Glas, sondern mit Tierhäuten oder Pergament abgedichtet (wenn überhaupt).

Und dann natürlich der Wein: Auch etwas, was ohne die Römer nie in Germanien angebaut worden wäre. Die Kelten bekamen ihren Wein ja nur über griechische und etruskische Händler... Jedes Kloster in Mitteleuropa hatte seine Weinberge. Die in der Nähe des Klosters waren für den Alltagsgebrauch (nur mit Wasser vermischt zu trinken), die Weinberge in Südtirol (JEDES süddeutsche Kloster hatte da mindestens einen Weinberg) waren für die (kirchliche) Oberschicht (wobei auch die Adligen ihren Anteil am Klosterwein einforderten, so sie die Chance dazu hatten... Wink )

Die Waffen der Germanen wurden spätestens im Mittelalter "romanisiert" (germanische Söldner dürften auch schon zu Zeiten des Römischen Reichs abgekupfert haben). Rüstungen z.B., Taktiken, einzelne Kampfweisen, Belagerungsmaschinen, Burgen (aus Stein oder Holz) waren Fortführungen von römischen Entwicklungen.

Ich hab jetz sicherlich vieles vergessen, aber schon diese kleine Auswahl zeigt, dass das Mittelalter sehr viel mehr Römisches an sich hatte als man vielleicht meinen könnte. In allen Alltagsangelegenheiten der Unter- und der Oberschicht waren etwa dreiviertel römischer Einfluss da, nur ein Viertel (grobe Schätzung!) stammte aus germanischen Wurzeln. Die Namen etwa, oder die Familienstrukturen. Aber das Leben im mittelalterlichen Europa wurde vom römischen Recht, von der römischen Sprache Latein und vom römischen Erbe bestimmt.

VG
Christian
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RE: römische & germanische Traditionen im Mittelalter - 913Chris - 11.09.2013 17:45

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