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Geschichten rund um die Seidenstraße
23.10.2012, 17:52
Beitrag: #16
RE: Geschichten rund um die Seidenstraße
Teil 2

Solange Rom und Parther ungefähr von der Macht her im Gleichgewicht waren,
war alles in Ordnung.
Als aber die Sassaniden im Partherreich die Macht übernahmen,
wurde es für die Römer gefährlich.

Beiträge zu den Sassaniden aus WDPG’s Serie zur Geschichte Persiens: Teil 1, Teil 2

Besonders Schapur I., der von 242 bis 272 regierte, war ein gefährlicher Gegner.
Der römische Kaiser Valerian (reg. 253-260) wurde sogar 260 von der neuparthischen Armee
gefangen genommen, gedemütigt und schließlich getötet.

Valerians Gefangennahme auf einem sassanidischen Relief

Über Rom brach eine Krise von nie gekannten Ausmaßen hinein:
Eine Provinz nach der anderen spaltete sich vom Reich ab,
und immer mehr Legionen riefen ihre eigenen Favoriten zu Kaisern aus.
In Palmyra hatte inzwischen ein Beduinenscheich die Macht übernommen,
Odaenathus, über dessen Herkunft nichts bekannt ist.
Er griff die bedeutend größere parthische Armee an
und fügte ihr eine empfindliche Niederlage zu.
Dann schaltete er einen Usurpator des römischen Kaiserthrones aus.

Da der neue römische Kaiser Gallienus (reg. [253-]260-268) völlig überfordert war,
griffen andere fähige Männer nach der Macht, und schafften es so das Reich etwas zu sichern.
In Gallien handelte es sich dabei um den Usurpator Postumus,
im Südosten war es eben Odaenathus.
Aus Dank ernannte ihn Gallienus zum König und zum Generalstatthalter des ganzen Orients.
Also setzte er sich nun offen für Rom ein und rüstete gegen Ktesiphon, die Partherhauptstadt.
Doch damit schaffte er sich auch Feinde, die er nicht erwartete:
Neidische römische Offiziere brachten ihn um.

Septimius Odaenathus bei Wikipedia

Sein Sohn Valbalathus war noch zu jung, um die Herrschaft zu übernehmen.
Deswegen herrschte nun die Königswitwe Zenobia.
Sie wird von den Quellen als Prototyp einer orientalischen Regentin geschildert
und in höchsten Tönen gelobt:
als fähige, schöne, keusche und allseits beliebte Königin habe sie geherrscht.
Aber sie war auch ehrgeizig, und Palmyra reichte ihr nicht.
Rom kriegte seine Probleme immer noch nicht in den Griff,
und so war es ihr ein leichte, ihre Herrschaft auf Syrien auszudehnen.
Mit ihrem Berater Cassius Longinus (213-273) bereitete sie diese Okkupation
ideologisch vor und brachte die Oberschicht des Landes auf ihre Seite.

268 schickte sie auch ihren General Zadas mit einer Armee nach Ägypten,
das dieser quasi im Handstreich für sie eroberte.
Hinzu kam die Provinz Arabia mit der Hafenstadt Petra.
So hielt Zenobia alle Fäden des Orienthandels in ihrer Hand.
Als nächstes plante sie, auch den Bosporus zu kontrollieren
und bereitete die Eroberung Kleinasiens vor.
Man sieht, sie wollte eine den Römern ebenbürtige oder gar überlegene Macht schaffen.

Antoninian des Gallienus

Doch 270, als der Nachfolger des Gallienus, Kaiser Claudius II. Gothicus starb,
kam in Rom wieder ein starker Mann auf den Kaiserthron, Aurelian.
Er sorgte für Disziplin in der Armee und räumte erst einmal das auf,
was vom Reich übrig geblieben war.
Zunächst setzte er sich für eine Verständigung mit Zenobia ein:
Er bot ihr an, sich mit ihr die Macht über den ganzen Orient zu teilen,
wenn sie denn nur Ägypten, seit jeher Privatbesitz der römischen Kaiser, herausgab.
Die machtbewusste Frau wollte darauf natürlich gar nicht erst eingehen.

Aurelians Kräfte waren im Moment noch an anderen Baustellen des Imperiums gebunden.
Die literarischen Quellen sind für die nun folgende Phase
bei weitem nicht so aufschlussreich wie die Ergebnisse der Numismatik:
270 bis Anfang 271 wurden die Münzen im Namen von Valbalathus und Aurelian geprägt.
Als Zenobia sich danach wieder stärker fühlte, wurde Aurelian gestrichen
und die Münzprägung geschah ab sofort durch sie selbst und ihren Sohn.
Doch schon im August verschwanden beide Palmyrener und Aurelian tauchte wieder auf.
Der römischen General Probus, der später selber den Kaiserthron besteigen sollte
(276-282), hatte Ägypten wieder erobert.
Als Reaktion ernannte sich Zenobia provokativ zur „Kaiserin des Ostens“.

Antoninian des Valbalathus
Denarius der Zenobia


Alles lief auf eine endgültige Entscheidung hinaus.
Die Parther waren im Moment mit eigenen Problemen beschäftigt und heilfroh,
wenn sie in Ruhe gelassen wurden.
Langsam eroberte Aurelian die ehemaligen Provinzen wieder zurück.
Dabei ging er sowohl taktisch als auch ideologisch sehr gut vor:
Er verschonte Antiochia nach der Eroberung und verkündete öffentlich,
der Sonnengott habe sich von Zenobia ab- und ihm zugewandt.
Mit 70.000 Mann erschien er bald darauf vor den Mauern Palmyras.

Sein Friedensangebot war sehr gemäßigt:
Zenobia sollte ins Exil, Reparationen an die Römer, Palmyra sollte alle Rechte behalten.
In der Antwort verglich sich Zenobia mit der freiheitsliebenden Kleopatra
und vertraute auf ihre Wüstenstämme.
Doch die kamen nicht.
Als die Belagerung immer erfolgreicher und der Zustand der Palmyrener
immer schlechter wurde, versuchte Zenobia, zu fliehen.
Doch sie wurde geschnappt. Wie Kleopatra verhielt sie sich nicht gerade:
Sie schob alle Schuld auf die Berater, die tatsächlich hingerichtet wurden.
Doch auch sie wurde mitgenommen.

Herbert Schmalz: Zenobias letzter Blick Richtung Palmyra, Historiengemälde

Palmyras Bewohner wurden verschont und dafür die öffentlichen Gebäude geplündert.
Als Aurelian schon wieder am Abziehen war, erfuhr er von einer neuen Erhebung in Palmyra.
Sofort kehrte er um und machte die Stadt dem Erdboden gleich.

Über Zenobias Schicksal gibt es zwei Versionen:
Entweder sie ist auf der Fahrt nach Rom gestorben,
oder sie wurde auf Aurelians Triumphzug mitgeführt, heiratete später
einen Senator und lebte bis an ihr Lebensende auf dessen Villa.

Zenobia in Wikipedia Zenobias Geschichte und der Aufstieg Palmyras

Palmyra wurde unter Kaiser Diokletian (284-305) ein Heerlager,
im 4. Jahrhundert zu einem Bischofssitz,
und im 6. Jahrhundert ein Verteidigungsposten der Byzantiner.
634 eroberten Muslime die Stadt.
Doch seine alte Bedeutung erhielt es nie wieder.
Im 10. Jahrhundert zerstörte ein Erdbeben die Gegend.
Erst im 19. Jahrhundert kamen Archäologen wieder.


So endete die Blütezeit Palmyras.
Es ist ein deutliches Zeichen für den immensen,
sowohl von der Nachwelt und der heutigen Öffentlichkeit als auch von den Althistorikern
meistens unterschätzten Anteil des Handels an der Bedeutung einer Stadt,
dass Palmyra im Ringen um die Vorherrschaft im Nahen Osten
den beiden heute allseits bekannten Kontrahenten Rom und Persien
wenn auch nicht militärisch, so doch von der Bedeutung ebenbürtig war.

Und es ist eine genauso große Lehre für alle Staaten und Städte
in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft,
dass die Stadt Palmyra eine erstaunliche Macht besitzen und erhalten konnte,
solange sie sich nur um wirtschaftliche Belange kümmerte,
und dass sie ziemlich schnell dem Untergang entgegenging,
sobald sie von einer Person alleine regiert wurde
und mehr erlangen wollte, als die anderen abgeben konnten.

Rundgang durch eine antike Stadt

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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RE: Geschichten rund um die Seidenstraße - Maxdorfer - 23.10.2012 17:52

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