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Handelsrouten in und um Rom:
30.08.2012, 19:41
Beitrag: #1
Handelsrouten in und um Rom:
Durch das Römische Reich führten zahlreiche Handelsstraßen. Um diese und um die Handelsstraßen die aus dem Römischen Reich hinaus, in den Handel mit anderen Völkern führte, geht es in diesem Tread.

Ich lade euch dazu ein über dieses Thema und seine zahlreichen Aspekte, Recherchebeiträge zu bringen und zu diskutieren.
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22.10.2012, 10:03
Beitrag: #2
RE: Handelsrouten in und um Rom:
Der Handel im römischen Reich war bereits Gegenstand ewiger Forschungsdiskussionen. Über die Menge der Güterproduktion und des Warenaustauschs gibt es mehrere Ansichten. Jetzt versuche ich, möglichst objektiv an die Sache heranzugehen. Ich beschränke mich zudem auf die Zeit des römischen Weltreiches. In den ersten Jahrhunderten nach der Gründung der Stadt war es ein ganz normaler Ort, der mit seinen Nachbarn Handel trieb und zu dem manchmal griechische oder phönizische Händler gelangten. Im 5. Jahrhundert vor Christus kam es dann zu einer Krise der Wirtschaft, die sich an einem Rückgang der kunsthandwerklichen Erzeugnisse und der Importprodukte sowie dem Beginn der Schuldknechtschaft zeigte. Zu dieser Zeit hatte Rom auch nur ein bedingtes Expansionsstreben. Erst als dann ab dem 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. Rom zu einer Groß- und Weltmacht wurde, begann langsam das Handelssystem, wie ich es hier beschreibe. Voll ausgeprägt war es erst zu Beginn der Kaiserzeit, als die meisten späteren Provinzen erobert waren.

INHALTSVERZEICHNIS
1. Einführung: Ein allgemeiner Überblick über das Ausmaß und die Bedeutung des Handels.
2. Staatliche Lenkungsmaßnahmen
3. Die Wirtschaftsformen des römischen Reiches
4. Ablauf und Wesen des Handels
5. Geographisches
Über römische Münzen gibt es im Internet genügend Informationen, weshalb ich da auf Erläuterungen verzichte.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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22.10.2012, 10:03
Beitrag: #3
RE: Handelsrouten in und um Rom:
1. Einführung: Ein allgemeiner Überblick über das Ausmaß und die Bedeutung des Handels.

Eines ist soweit klar: Der Großteil von dem, was die Bevölkerung des gigantischen Imperiums produzierte, waren landwirtschaftliche Produkte, die für den Eigenverbrauch gedacht waren. Was nicht zum Selbstversorger-Dasein gebraucht wurde, floss dem lokalen Kleinhandel zu. Handwerkliche und ähnliche Produkte wurden ebenfalls vor Ort gefertigt. Gab es keinen passenden Arbeiter am Hof, so war in der nächsten größeren Ansiedlung sicher jemand vorhanden, der die Aufgabe erledigen konnte. Es gab auch die kaiserlichen Domänen, die an die umliegenden Höfe ihre Produkte verkauften und den Erlös an die Staatskasse weiterleiteten, sofern er nicht für notwendige Ausgaben verbraucht wurde. Doch das soll nicht heißen, dass das römische Reich so primitiv war, wie man es jetzt vielleicht denkt. Gemäß den lokalen Begebenheiten wurden oft jeweils die Produkte verstärkt produziert, für die sich das Klima eignete. Hinzu kamen die großen Landgüter der reichen Oberschicht aus Italien und den Provinzen, die sich besonders auf der Appenin-Halbinsel konzentrierten, aber eigentlich in jeder fruchtbaren Gegend des Reiches zu finden waren. Sie waren ein kräftiger Motor des Handels.
Dieser ist gut an der Verbreitung bestimmter Waren zu erkennen. Das Glanzbeispiel ist wieder einmal Pompeji, wo man Korn und Hülsenfrüchte aus Ägypten, Fischsauce aus Spanien und Wein aus vielen anderen Provinzen konsumierte. Aber die Verbindungen gingen nicht nur aus den Provinzen nach Italien. Terra Sigillata aus Rheinstetten im südlichen Rheinland-Pfalz hat man im ganzen nördlichen Teil des Reiches gefunden, in Britannien, Gallien, den Alpen- und den Donauprovinzen. Gleiches galt beispielsweise auch für das „garum“, die Fischsauce aus Spanien, ein Wundermittel für alles, dem heutigen Maggi oder Ketchup entsprechend. Dass man in vielen Provinzen nicht nur ausländische Edelprodukte wie Kunsthandwerk-Erzeugnisse oder vornehmen Wein fand, sondern auch billige Produkte wie Fischsauce, Lampen, Tonscherben etc., beweist die große Bedeutung des Fernhandels. Doch gerade dass in der Oberschicht teilweise Produkte aus anderen Provinzen den gleichwertigen aus der Heimatregion vorgezogen wurden, verdeutlicht dieses Bild: Wollte man zu der von Rom akzeptierten Elite gehören, musste man sich in gewissem Maße anpassen und die erwähnte Fischsauce durfte nur aus Spanien sein. Italischer Wein galt als der beste weit und breit. Die Hauptverbraucher waren trotzdem Rom und die großen Städte des Reiches wie Antiochia.
So viel zu den allgemeinen Vorbedingungen, die Wahrheit ist aber: Man wird nie herausfinden, welche Ausmaße der Handel nun tatsächlich annahm, was das für die Wirtschaft bedeutete und welcher Anteil an Geld und Wirtschaftskraft dadurch in Anspruch genommen wurde. Besonders vergängliche (z. B. Textilien) oder kostbare und deshalb später wiederverwertete (Metalle, Waffen, Schmuck) Waren sind für eine historische Untersuchung völlig untauglich. Die Bedeutung der Verteilung der Funde von Keramik, Amphoren etc. lässt sich zwar abschätzen, verzerrt aber das Gesamtbild dadurch, dass sie überschätzt wird. Man kann nur herausfinden, dass es einen starken Handelssektor gab, und dass er nicht so unbedeutend war, wie teilweise behauptet wird.

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22.10.2012, 10:04
Beitrag: #4
RE: Handelsrouten in und um Rom:
2. Staatliche Lenkungsmaßnahmen

Wie beim Handel allgemein ist auch hier eine Verzerrung des Bildes durch die unsichere Quellenlage unvermeidlich. Es war Aufgabe der Cäsaren, das Volk der Stadt Rom mit allem Lebensnotwendigen immer zu versorgen und vor Gütermangel zu bewahren. Dazu gab es den praefectus annonae, der Getreide und andere Lebensmittel beschaffte und kostenlos an die Bevölkerung verteilte. Außerdem musste der Kaiser dafür sorgen, dass die Legionen und Grenzwachen jederzeit genügend Vorräte aus der Umgebung bekamen. Und schließlich hatte Italien als das Herz und die „Urprovinz“ des Reiches einige Vorrechte. Doch er musste auch dafür sorgen, dass die Einheimischen nicht zu kurz kommen. In diesem Zusammenhang müssen wir die Regelung Hadrians betrachten, dass Attika nur zwei Drittel seines erwirtschafteten Öls exportieren konnte, den Rest aber für die Versorgung der eigenen Bewohner, besonders derjenigen Athens, aufzuwenden hatte. Dahinter steckte neben der Intention, die Versorgung der Provinzen zu gewährleisten, gefährliche Spekulationen zu verhindern und das Einkommen Athens zu sichern, auch der Wunsch, den Fernhandel etwas einzudämmen.
Die Getreideversorgung für Rom hingegen ist alles andere als klar erforscht. Die verschiedenen Experten haben verschiedene Ergebnisse für den Umfang berechnet und sind dabei auf Werte zwischen 150.000 und 400.000 Tonnen gekommen. Ein weiterer umstrittener Punkt, nämlich die Frage, was der Grund für diesen Aufwand sei, ist für mich ziemlich klar: Ein Kaiser musste unbedingt den Bedarf Roms decken, da seine Macht und sein Wohlbefinden mehr oder weniger von der Gunst des Volkes abhingen. Selbst die geizigsten und geldgierigsten Kaiser haben diese Institution nicht angetastet. Hinzu kam, dass die Bevölkerung Roms zu gewissen Teilen gar kein lebensfähiger Körper war: In den letzten zwei Jahrhunderten vor Christus war arbeits- und einkommensloses Proletariat eingewandert, von dem nicht jeder eine Arbeit fand. Dieser Zustrom an Einwohnern setzte natürlich da noch nicht aus, durch die ganze hohe Kaiserzeit hindurch kamen Menschen aus aller Herren Länder an. Doch die These von H. Pavis d’Escurac, der private Handelssektor habe praktisch gar nicht existiert, sondern sei nur eine Schein-Institution gewesen, ist auch nicht richtig.
Man kann allgemein sagen, die Einmischungen der Herrscher waren beträchtlich, doch sie fanden generell nur dort Anwendung, wo es für das Wohlergehen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft nötig war. Das meiste Geld gab der Kaiser auch in Zeiten aus, wo einer oder mehrere dieser Sektoren in einer Krise steckte: Als 33 n. Chr. Kaiser Tiberius mit einem (durch seine gut gemeinten Maßnahmen verschuldeten) Niedergang vieler Großgrundbesitzerfamilien konfrontiert wurde, verlieh er zinslos 100 Millionen Sesterzen, um die Gesellschaftsstruktur wieder herzustellen. Wegen einer Überproduktion an Wein in Italien verbot Domitian dessen weiteren Anbau. Wo ein Land entvölkert oder unbesiedelt war, gab der Herrscher Prämien an Neusiedler, die das Land bestellten, aus. Es wäre sicherlich zu diskutieren, ob diese Politik die Lebenszeit des Reiches verlängert hat. Es gibt und gab in der Neuzeit genügend Wirtschaftswissenschaftler, die das bestreiten. Um das auf das Beispiel von Tiberius anzuwenden: Wenn der Grundbesitzerstand untergegangen wäre, hätte vielleicht ein neuer, dynamischerer, dem Gemeinwesen Leben spendender Stand an seine Stelle treten können. Wären die staatlichen Lenkungsmaßnahmen für unterbevölkerte Gebiete ausgeblieben, hätte sich die Bevölkerung vielleicht dort konzentriert, wo es sich am meisten lohnte, was eventuell die Wirtschaft gestärkt hätte?
Manchmal griffen Herrscher – oder auch Städte – jedoch auch einfach nur zu ihren Gunsten ein, zum Beispiel dadurch, dass in vielen hellenistischen Städten der einzige Ort zu den Geldwechseln eine staatliche Bank war. Es gab ausreichend Regelungen von Kaisern, die darauf hinzielten, möglichst viel Profit aus deren privaten Landgütern zu ziehen. Von denen gab es schließlich mehr als genug, beispielsweise war ganz Ägypten eine kaiserliche Domäne. Die dortigen Bewohner durften ihr Land weiter benutzten, wenn sie im Gegenzug Steuern zahlten. Doch das ist eine andere Thematik.

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22.10.2012, 10:05
Beitrag: #5
RE: Handelsrouten in und um Rom:
3. Die Wirtschaftsformen des römischen Reiches

Hier will ich kurz – Betonung auf „kurz“ – die wichtigsten Wirtschaftsformen des römischen Reiches anschneiden, um einen allgemeinen Überblick über die Grundvoraussetzungen für den Handel bieten zu können.
Zuerst einmal erlebte die Landwirtschaft einen gewaltigen Aufschwung, da die Römer unfruchtbare Böden kultivierten, Sümpfe trockenlegten, Oasen und viel Ackerland schufen, aber auch, da ein gewisses Level an Technologie relativ flächendeckend verbreitet werden konnte. Durch die Kenntnis anspruchsloser Pflanzen konnten auch die steinigen und schlechten Böden reichen Ertrag hervorbringen. Dass die Römer auch Steuern erhoben, die in Naturalien oder Geld erbracht wurden, führte dazu, dass Nomaden sesshaft wurden. Von dieser ganzen Entwicklung profitierten hauptsächlich die mittleren und großen Grundbesitzer, während die Kleinbauern ihr Landstück oft nicht vergrößern konnten.
Über gewerbliche Waren lässt sich nur schwer etwas sagen. Die antiken Schriftsteller interessierten sich nur für Außergewöhnliches, da das Normale eh jedem bekannt war, und die Fundkataloge liefern ebenfalls nur sehr vage Informationen. Für die meisten Bedürfnisse gab es Handwerker in der Region oder sogar am Hof. Doch Großgrundbesitzer, größere Siedlungen oder gar Städte, die einen nicht unerheblichen Teil an der Bevölkerung ausmachten, griffen meist auf Manufakturen und Großbetriebe zurück.
Eine Sonderstellung nimmt die Keramik ein, die viel gebraucht wurde. Terra Sigillata, feines rötliches mit Glanzton überzogenes Tafelgeschirr, wurde im ganzen Reich gefunden. Analysen haben zwar ergeben, dass die meisten Werkstätten nicht mehr als zehn oder zwanzig Beschäftigte hatten. Doch das soll nicht heißen, dass es nur lokale Kleinbetriebe waren: Die Werkstätten schlossen sich anscheinend – wie auch die anderen Berufsgruppen – in Gilden zusammen, sodass beispielsweise der Vertrieb gemeinsam besorgt wurde oder eine Werkstatt nur bestimmte Arbeitsgänge erledigte. In Gallien arbeiteten ganze Dörfer als Töpferei-Organisationen. Ab den ersten Jahrzehnten nach Christi Geburt kam es zum Konkurrenzkampf zwischen germanischer, gallischer und italienischer Ware. Dies hatte zur Folge dass immer mehr Großbetriebe entstanden und die Qualität abnahm.
Eng mit der Keramik zusammen hingen Amphoren und Ziegel, bei denen die Herstellungsverhältnisse ähnlich verworren sind. Vermutlich gab es verschiedene Unternehmensformen vom Kleinbetrieb bis zur Manufaktur. Bemerkenswert ist auch noch, dass in und um Rom extrem viel Ziegel gebrannt wurden, die in die ganze Welt verkauft wurden. Das war aber auch nötig, da Rom ja ansonsten ein riesiges schwarzes Loch war, das Waren aus der ganzen Welt verschlang, ohne viel zu produzieren.
Kommen wir zu den Bergwerken und Steinbrüchen. Die meisten dieser Stätten waren bereits unter den julisch-claudischen Kaisern zum Staatsbesitz gemacht worden. Sofort nach der Eroberung einer Provinz wurde alles nach Bodenschätzen abgesucht: Silber und Gold brauchte man für Münzen und Luxusartikel, Eisen für Waffen und Werkzeuge, Kupfer, Zink und Zinn für Bronze und Messing, und Blei zum Abdichten, Herstellen von Behältern und vielem anderem. Es gab zwei Formen der Nutzung der Vorkommen: Entweder halbfreie Kolonen arbeiteten gemeinschaftlich zusammen und mussten die Hälfte des abgebauten Materials an kaiserliche Prokuratoren abgeben, oder aber das Bergwerk wurde zur Stätte grausamster Sklavenausbeutung. Die Erträge gingen in jedem Fall teils in die Hand des Herrschers (der sie für öffentliche Bauten etc. brauchte) und teils in den freien Markt.
Zusammengefasst kann man sagen: Die meisten Kleinbauern und Dorfbewohner lebten in einem geschlossenen Kreislauf, in dem alles benötigte wenn nicht am Hof, so doch im Ort hergestellt und benutzt wurde. Daneben gab es jedoch noch den Welthandel – auf der einen Seite die großen Siedlungen, Städte oder luxuriös lebenden Großgrundbesitzer (die weniger produzierten als sie verbrauchten), auf der anderen Seite die Manufakturen, Handwerksbetriebe und Gutsbesitzer (die davon profitierten).

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22.10.2012, 10:06
Beitrag: #6
RE: Handelsrouten in und um Rom:
4. Ablauf und Wesen des Handels

Wie bereits erwähnt, diente der Fernhandel hauptsächlich dazu, erstens große Städte wie Karthargo, Alexandria, Ephesos oder Antiochia – und natürlich Rom –, zweitens die Grundbesitzer auf ihren Domänen und drittens Gebiete, in denen viel Militär stand, aber wenig Landwirtschaft betrieben wurde, zu versorgen. Besonders erstere und letztere hatten nun einmal naturgemäß an sich, dass sie wenig Nahrungsmittel produzierten, dafür viele Produkte, die auf dem Land nicht hergestellt wurden.
Die Schiffe, die die Römer für ihre Getreideversorgung nutzten, waren so gigantisch wie erst wieder die Handelsschiffe des 15. Jahrhunderts. Bis zum Beginn der industriellen Revolution war das Handelsaufkommen in und um Rom im gesamten Mittelmeerraum unübertroffen. Ein eindrucksvolles Zeichen dafür ist der Scherbenhaufen, der Müllberg der Stadt, der schon bald landschaftsgestaltende Formen annahm und Monte Testaccio genannt wurde. Der zwischen der Herrschaft des Kaisers Augustus (30 v. – 14 n. Chr.) und dem Jahr 255 benutzte Hügel besteht aus mehr als 50 Millionen Amphoren! Dass es sich nicht nur um Luxusgüter handelte, wird dabei klar: Es waren auch Fertigprodukte, so sind mehr als drei Viertel der Amphoren solche, die Öl aus Spanien transportierten. Und der Konsum der Hauptstadt ging ja weit über die staatlichen Lebensmittelverteilungen und damit den offiziellen Handel hinaus. Es wird vermutet, dass reiche Aristokraten aus Italien oder den eroberten Provinzen die Erzeugnisse ihrer Landgüter auf eigene Kosten nach Rom bringen ließen und sie dort zur Versorgung ihrer selbst und der Familie, aber auch zur Ausrichtung der luxuriösen Gastmähler und zur Verteilung an ihre Klienten nutzten. Nur der verbleibende Rest sei auf den Markt gekommen. Das einzige Problem an der These ist, dass es nicht mehr ist als eine These. In dem Maße, wie sich die Provinzen urbanisierten, romanisierten und somit auch emanzipierten, wurden sie immer mehr in den Handel mit einbezogen. Der Kleinhandel kann hier nicht wirklich behandelt werden, da er weder große archäologische Zeugnisse noch schriftlich zu fixierende Daten oder Beschreibungen mit sich brachte.
Die geäußerte These, die Hauptachse des Güterverkehrs habe sich im 2. Jahrhundert nach Christus von einer sternförmigen auf Rom hin zu einer langgestreckten parallel zur Nordgrenze des Reiches zwischen Gallien und Pannonien entwickelt, ist auch falsch. Es ist zwar richtig, dass ein solcher Handel vermehrt stattfand: Britanniens einzige Möglichkeit zum Handel war sowieso der Austausch mit Gallien, gleiches galt für Germanien. Gallische Händler wiederum zogen meistens nicht weiter, aber immerhin bis Pannonien. Die Donauprovinzen hatten auch einen regen Innenhandel, der die Waren bis zum schwarzen Meer bringen konnte. Dort begann wiederum die Gegend, in der die griechischen und kleinasiatischen Händler Produkte auf- und verkauften, und diese kamen bis Ägypten, Syrien oder Afrika. So konnte sich eine Achse quer durch das Imperium bilden. Aber gleichzeitig und verstärkt richtete sich eben auch der Handel auf die größte Stadt des Reiches, Rom, aus. Eine Bemerkung wert ist noch die Tatsache, dass sich die Achse an der Nordgrenze hauptsächlich durch Handel mit Keramik, Glas, Textilien bildete, während der Mittelmeerhandel um Rom mit den Erzeugnissen der dortigen Provinzen, Getreide, Öl, Wein, Fischsauce und Marmor aufwartete. Als dritter Punkt kommt noch der Güterverkehr mit kostbaren kunsthandwerklichen und anderen orientalischen Produkten hinzu, der von der Ostgrenze des Reiches in alle Richtungen, besonders aber natürlich nach Rom führte. Dieses selber hatte nur einen kleinen Tiberhafen, während die großen Häfen in Puteoli und später in Ostia lagen. Dort wurden die Waren entweder über Land oder mit kleinen Flussschiffen nach Rom gebracht. Da man auf diesen Strecken kleinere Gefährte benutzte und somit weniger transportierte, dürfte es sich um einen beträchtlichen Berufszweig gehandelt haben.
Über das ganze Meer führten „Schiffsstraßen“, also viel benutzte Strecken auf dem Meer, nach Rom. Gewisse unwirtliche Gebiete wurden gemieden, andere bevorzugt – besonders, wenn sich auf ihnen Inseln wie Malta, Sizilien bzw. Kreta oder andere Dinge lagen. Zudem wurden die Waren aus Spanien und Gallien über die dortigen Flüsse ans Mittelmeer und dann die Küste entlang nach Italien verschifft. Die Geschichtsschreiber der Antike verachteten meistens die Händler, die sich bereicherten, „ohne dafür zu arbeiten“. Nur der Großhandel, in dem sie meist selbst nicht unerheblich tätig waren, wurde akzeptiert, denn die Schiffe brachten Neuigkeiten, versorgten die Stadt Rom und jede andere Ortschaft und waren sehr welterfahren. Aber dies ändert nichts an der Überzeugung der heutigen Historiker, dass der Handel ein wichtiger Wirtschaftsfaktor des römischen Reiches war.
Schließlich noch ein paar abschließende Worte zum Umfang des Außenhandels: Der Handel mit den Germanen wird oft überschätzt, nicht selten bewegte er sich auf lokaler oder regionaler Ebene. Besonders der Bernsteinhandel war weniger ausgeprägt als oft vermutet. Doch trotzdem gab es ihn – und beide Seiten profitierten davon. Ausgeprägter war der Orienthandel, da die Römer dort auf ihnen in einigen Dingen überlegene Kulturen trafen. Die Angabe von Plinius, dass Rom alljährlich 100 Millionen Sesterzen im Osten lasse, ist allerdings mit Vorsicht zu genießen: Woher will er die Daten haben? Im Allgemeinen dominierte der Innenhandel, doch die Produkte, die es eben nur auswärts gab, wurden eingeführt: Blonde Haare, wilde Tiere, mystischer Bernstein, Seide, Gewürze etc. Immerhin gab es einige römisch geprägte und mit Produkten aus dem ganzen Reich versorgte Städte, zum Teil bis in Indien.

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22.10.2012, 10:07
Beitrag: #7
RE: Handelsrouten in und um Rom:
5. Geographisches

Die römischen Straßen überzogen meistens schon bald nach der Eroberung einer Provinz das ganze Land. Deshalb konzentrierten sich die Handelswege auch nicht besonders auf eine Region – auch die ersten Alpenpässe wurden eingerichtet – auch wenn de facto natürlich gewisse angenehme oder kultivierte Regionen bevorzugt wurden. Sofort, wenn eine Provinz erobert wurde, zog schon ein Tross mit Händlern mit, der Siedlungen nahe den Kastellen aufbaute und oft selbst dann noch existierte, wenn die Legion längst abgezogen war. Einige heutige Städte entstanden auf diese Weise. Anders war das bei der Schifffahrt, die auf verschiedene Kriterien achtete. Schließlich war der Seehandel aufgrund der Wetterschwankungen und der Piraten ein sehr risikoreiches Geschäft, bei dem man hohe Verluste machen konnte. Ging ein Schiff zugrunde, war das ein erheblicher Verlust. Die wichtigsten Routen der römischen Seehändler führten
a) durch Gallien und die Schweiz ins Mittelmeer und dann nach Rom
b) zwischen Rom und Nordafrika
c) aus dem Orient (und dort aus Alexandria) nach Rom
Schließlich sollte man noch die Stadt Aquileia erwähnen, die am Nordende der Adria lag und mit fast jeder Provinz des Reiches Kontakt hatte. Waren aus den südlichen Gegenden des Reiches trafen nach ihrem Weg durch die Adria ein, einige wurden auf dem Landweg über die Alpen nach Gallien und die umgebenden Provinzen gebracht, andere gelangten über die Save in die Donauprovinzen.
Es folgt noch ein kleiner Überblick über die einzelnen Regionen des Reiches und ihre Bedeutung am Handel:
a) Italien wurde in der älteren Geschichtsschreibung (schon in der Antike) oft als wirtschaftlich dekadent dargestellt. Mittlerweile wurde das in Frage gestellt, und es ist bekannt, dass die Warenströme alles andere als einseitig in eine Richtung flossen. Trotzdem lagen hier oft die großen Landgüter, die die Wirtschaftslage etwas einseitig machten. Angebaut wurden vor allem Getreide, Öl und Wein, die typisch mediterranen Produkte.
b) Gallien erlebte in der Hohen Kaiserzeit eine wirtschaftliche Blütezeit. Besonders Tonwaren und Wein waren Exportartikel, aber auch eine große Bandbreite an anderen Produkten. Doch schon zu Beginn des dritten nachchristlichen Jahrhunderts begann der Niedergang.
c) Spanien machte eine ähnliche Entwicklung durch wie Gallien: Spanische Weine, Fischsaucen und Öle waren über das ganze Reich und besonders in Rom verbreitet. Hinzu kamen die drei Metalle Gold, Silber und Kupfer. Doch auch hier war die Spätantike geprägt vom Rückgang der Wirtschaft.
d) Nordafrika war die Provinz, die am meisten vom Niedergang Galliens und Spaniens profitierte und diesen unter der Regierungszeit der afrikanischstämmigen Severer vielleicht sogar verursachte. Auch hier waren Getreide, Weine etc. die Hauptexportartikel, die Blütezeit begann aber erst im zweiten/dritten Jahrhundert, also recht spät.
e) Ägypten war zusammen mit Nordafrika die „Kornkammer des Reiches“ und ein Umschlagplatz für Waren aus dem Orient (Alexandria). Auch Papyrus kam von hier. Da es Privatbesitz der Kaiser war, wurde die private wirtschaftliche Initiative stark gehemmt.
f) Der vordere Orient ist schwer einzuschätzen, da hier viele vergängliche Artikel hergestellt wurden. Die Blütezeit war das 2. Jahrhundert nach Christus, die Hauptgrundbesitzer der Kaiser sowie Heiligtümer. Palmyra war eine wichtige Oasenstadt, wo die Händler aus dem Osten eintrafen. Bewässerungssysteme machten außerdem Landwirtschaft möglich.
g) Kleinasien war sehr städtisch orientiert, eine wichtige Rolle spielten Textilien, Metallverarbeitung (und Kunsthandwerk) und Keramikherstellung. Eine etwas geringere Rolle spielte die Landwirtschaft mit Getreide, Wein und Öl, hinzu kamen Waldwirtschaft und Viehzucht. Auch „Fertig-Sarkophage“ für den Versand ins ganze Reich wurden produziert. Der Handel war auch wichtig, einige Städte hatten eigenes Geld (noch aus griechischer Zeit).
h) Griechenland hatte während dem Hellenismus einen Niedergang erlebt und wurde dann durch Bürgerkriege weiter geschwächt. Allmählich erholte sich die Region aber. Wegen der unwegsamen Landschaft wurde wenig Landwirtschaft betrieben, vielleicht mal Oliven oder Wein angebaut. Die Griechen waren eher Handwerker, Künstler und Händler.
i) Die Donauprovinzen waren wirtschaftlich bunt gemischt: Es gab viele Bergwerke, aber auch einen großen landwirtschaftlichen Sektor, etwas Tonwaren wurden hergestellt. Hinzu kam der Handel mit Sklaven, Vieh, Leder und Bernstein. Durch ihre Lage war die Region auch im Innenhandel des Reiches ein wichtiges Durchfahrtsgebiet.

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29.09.2016, 00:06
Beitrag: #8
RE: Handelsrouten in und um Rom:
Natürlich handelten die Römer auch mit Regionen außerhalb ihres Imperiums, wenn sie Zugang hatten und es sich lohnte. Oft wurde der Handel über Zwischenhändler abgewickelt.
Die Bernsteinstraße und Seidenstraße sind Beispiele. Köln war sicher ein wichtiger Handelsplatz für die Handelsströme mit Germanien.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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