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Alternative Ständesysteme
14.07.2013, 15:26
Beitrag: #4
Ständesystem im Islam, 3: In der Stadt
Die Zentren der muslimischen Gesellschaft waren allerdings die Städte, die wuchsen und auch für das kulturelle Leben von einiger Bedeutung waren. Im Vergleich zu denen Europas waren sie riesig und auch in viel größerer Anzahl vorhanden als in den Heimatländern der Kreuzritter. Die Städte waren mit einer großen Moschee und einem Gouverneurspalast, vielen Märkten und Befestigungsanlagen versehen.
Grob kann folgende Gesellschaftsgruppen unterscheiden:
  • Ganz oben standen die Mitglieder des Militärs sowie die wenigen Adeligen (Familienangehörigen und Nachkommen des Propheten Mohammed). Als Vertreter der Regierung hatten sie die Kontrolle über die Städte. In den Hauptstädten befand sich über ihnen natürlich noch der Herrscherhof mit seinen vielen Ämtern und Besonderheiten, in der gewöhnlichen Stadt der arabischen Welt waren diese aus der Hauptstadt entsandten Beamten und die in der ganzen arabischen Welt lebenden Prinzen die Spitze der Gesellschaft.
  • Eine Art Bürgertum, also eine obere Mittelschicht, bildeten die ebenfalls aus der Hauptstadt entsandten Beamten, die Schreiber, die die Stadt verwalteten und den Willen des Herrschers durchsetzten. Dieses Bürgertum war gesellschaftlich von großer Bedeutung, weil es zahlenmäßig größer war als die höheren Schichten der Gesellschaft.
  • Ebenfalls auf dieser Stufe stehen die Vertreter der Religion, die Schriftgelehrten und Theologen und die Richter. Religiös gesehen standen all diese natürlich weit über den Militärs etc., ihr faktischer sozialer Status und ihre gesellschaftliche Position entsprach aber der der Schreiber.
  • Auch zur Mittelschicht gehörten die Händler und Handwerker, bei denen es natürlich in der Praxis enorme Unterschiede gab: Einige lebten am Existenzminimum, andere waren zu riesigem Reichtum gekommen und konnten sich fast schon einen eigenen Hofstaat leisten (natürlich nicht politisch). Im Gegensatz zum mittelalterlichen Christentum stand der Islam irdischem Gewinnstreben nicht ablehnend gegenüber, sodass es einen schnellen technischen Fortschritt gab. Im Handel nahmen die Muslime eine bedeutende Stellung ein, aber auch als Produzenten (z. B. Damaszener-Stahl, Farben- und Seifenproduktion). In den muslimischen Städten gab es bereits eine ausgeprägte Arbeitsteilung. Allerdings nahmen auch staatliche Betriebe, die dann wieder von Beamten geleitet wurden, eine bedeutende Rolle ein.
  • Eine niedrige Stellung in der Gesellschaft hatten einige Berufe, die verachtet wurden. Wer sie ausübte, konnte dadurch vielleicht zu einigem Wohlstand kommen, gesellschaftlich aber nicht aufsteigen. Dazu gehörten zum Beispiel die des Weinhändlers, des Taubenzüchters oder des Webers.
  • Die Unterschicht ist am schlechtesten zu bestimmen. Sie bestand aus den - wie auch auf dem Land für die Wirtschaft sehr wichtigen - Tagelöhnern, aus Bettlern, aus allen möglichen Individuen, die sich auf irgendeine Weise, zum Beispiel durch Gelegenheitsarbeit ernährten. Ich habe schon im Beitrag über die Gesellschaft auf dem Land erwähnt, dass es auch Menschen gab, die sich von einem Reicheren ernähren ließen und ihm dafür für die verschiedensten Dinge zu Diensten standen (Patronatswesen).
  • Sklaven gab es nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Stadt. Sie bildeten durchaus einen wichtigen Faktor in der Wirtschaft, es gab aber nicht so viele wie beispielsweise in Rom.
Eine weitere Gruppe waren die fityan (die Einzahl lautet fata), junge Männer, die ritterliche Ideale verkörperten und Tapferkeit und Brüderlichkeit lebten. Sie hatten keine Frauen und keine Familien, sondern lebten in solidarischen Gemeinschaften zusammen. Einige waren ausgesprochen friedlich, andere jedoch Horte der Rebellion und Gewalt.

Von herausragender Bedeutung für die ganze Gesellschaft war das Amt des muhtasib, einer Art Aufseher über die gesamte Wirtschaft, der darauf achtete, das staatliche Vorgaben eingehalten wurden und der allgemein über einige Macht verfügte.
Von der Gesellschaft nicht völlig isoliert, aber doch abgetrennt lebten die Menschen fremder Herkunft, für die es eigene Stadtviertel gab.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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Alternative Ständesysteme - RPGator - 10.07.2013, 02:01
Ständesystem im Islam, 3: In der Stadt - Maxdorfer - 14.07.2013 15:26
RE: Alternative Ständesysteme - Paul - 14.01.2018, 05:51

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