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Zeitalter der Ideologien
04.06.2013, 10:44
Beitrag: #16
RE: Zeitalter der Ideologien
Ich denke, dass wir gerade gewaltig aneinender vorbei schreiben. Möchte deswegen eine eigene Definition von "Ideologie" wagen, und dann nochmals erläutern, was die Fragestellung eigentlich meint.

Eine Ideologie [Weltanschauung] ist von Menschen gewollte, von einer bis mehreren verschiedenen Gruppen getragenen Idee. Diese Idee erfüllt in dem Sinne folgende Punkte: Geschichtstelos, also die Vollendung in einer optimalen Gesellschaft am Ende einer Transformation oder Revolution, einen Voluntarismus, also die den unbedingten Willen den Telos zu erreichen, den Zukunftsoptimismus, dass der Telos erreicht wird und meist alles Leid auszurotten, eine Inkonfomität der Trägerschicht auf aktuell herrschende pragmatische Verhältnisse und eine philosphisch - vordenkerische Schule.

Darum ist Globalsierung keine Ideologie in diesem Sinne, Kapitalismus ist dann eine, obwohl ich dazu geneigt bin, zu sagen, dass Globalisierung zwangsläufige Folge des Kapitalismuses ist.

Aber wenn wir ehrlich sind: die größten Gegensätze scheinen sich in den 90ern Jahren aufgelöst zu haben, da heute Sozialismus sehr viele Anleihen aus dem Liberalismus genommen hat, sich auch ein bisschen aus der Marxistischen und Babouef'schen Traditionslinie gelöst hat. Es gibt heute zwar Globalisierungsgegner und "Occupy" und "Blockuppy" aber das sind innerhalb der großen Masse doch nur wenige und es steht sogar in Frage, ob diese nur tatsächlich Weltanschauliche Ziele verfolgen. Es ist nicht mehr so, dass ein über 1/3 in "sozialistischen" Staaten leben, weil man eine Transformation hin zu einer kommunistischen Gesellschaft anstrebt. Dafür haben wir mehr und mehr Strukturen, die eher aus sehen als "pragmatische Diktaturen" wie beispielswiese Russland und China. Beide haben sich von ihrem sozialistischen Erbe gelöst nur einige Relikte deuten auf die Vergangenheit an. Aber längst wurde der Telos und der Optimismus über Bord geworfen und beide wissen, dass es mit der Vernichtung der westlichen Welt keine kommunistische Weltengemeinschaft geben wird.

Andere Phänomene weißen auch auf das Ende des Zeitalters der Ideologien hin: im 19. Jahrhundert entstanden die meisten, die sich durch ihre Radikalität auszeichneten. Und vom Liberalismus bis hin zum Nationalsozialismus (welcher ein Pseydosozialis war; eher ausgeprägter Nationalismus mit einigen populären Elemete der 1880er) alles schon bei nun bestehenden Staaten ausprobiert. Aber irgendwie entwickelten sie sich dahingehend und mehr und mehr überwiegend, dass sie programmatisch in das bestehende System jeweils einpassen. Und auch dazu führen, dass es oft Land für Land für eine Ideologie völlig unterschiedliche programmatische Ansätze gibt. Dieser Trend zeigt dann eher ein Pragmatismus, der sich auf höchster Ebene mit allem deckt, was sonst zu Konkurrenz steht und nur in unteren Ebenen noch Unterschiede in Detailfragen aufzeigt.

Zitat: Ein Ende dieses momentanen Zustands in dem Sinne, dass der mittelalterliche Zustand wieder eintritt, also ein Rückschritt, ist unwahrscheinlich.

Nein, hier ist nicht von mittelalterlichem Rückschritt die Rede, sondern eine momentane Tendenz sich mit der Lage abzufinden, dass man jede Ansicht innerhalb eines Systems anpassen kann. Der große Unterschied ist, dass die Gesellschaft heute viel pluralisierter ist, als beispielsweise um 1500. Es ist ja keine Frage, ob es keine Meinung oder so gibt, sondern gerade der umgekehrte Fall lässt sich ja beobachten: ein immer sensibleres Gespür, dass sich in verschiedenen Phänomenen der Gesellschaft manifestiert. Teilweise - aber eben nur teilweise - sehr umstritten. Aber genau diese Sensiblität zeigt doch ideengeschichtlich genau worauf es ankommt: das man mit einer Weltanschauung und gemeinsamen Telos herrschen kann, gibt es nicht mehr in dem Maße, wie es sie im 19. Jahrhundert gab. Heute gehen in demokratischen Systemen eher Ideen ein, die nicht mehr genuin links, rechts, sozialistisch, konservativ, liberal, klerikal etc sind. Und schon alleine diese systematische Konsenzfähigkeit zeigt - oder auch nicht, genau das ist die Frage - dass Ideologien an sich keine Vorherrschaft mehr zeigt und gar nicht mehr den Anspruch auf totale Transformation oder Revolution haben.

Wer die Vergangheit nicht achtet, dem kann es die Zukunft kosten

"Im übrigen, mein Sohn, lass dich warnen! Es nimmt kein Ende mit dem vielem Bücherschreiben und viel studieren ermüdet den Leib!" Kohelet 12,12
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Zeitalter der Ideologien - WernerS - 28.04.2013, 23:36
RE: Zeitalter der Ideologien - WernerS - 04.06.2013 10:44

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