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Urheimat der Indoeuropäer
16.11.2014, 19:43
Beitrag: #61
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(16.11.2014 19:06)913Chris schrieb:  Die Trichterbecherkultur entstand ohne die Indogermanen. Die Megalithbauweise hatte man aus Westeuropa übernommen, die Bauweise der Häuser sowie die Sitte, die Toten unter Langhügeln zu begraben, ist zuerst im heutigen Polen feststellbar.
Die polnischen Langhäuser sind ohne Landwirtschaft nicht denkbar, ebensowenig die Megalithbauten - für letztere brauchte man eine Menge Leute, die über einen längeren Zeitraum in einem begrenzten Areal ernährt werden mussten. Das geht nur mit Hilfe von Landwirtschaft.
Zwischen mesolithischer Kunst (und damit auch Religion), Grabbauweise (wieder in intensiver Zusammenhang mit Religion), Keramik und Werkzeugherstellung - z.B. der Äxte/Streitäxte - läßt sich kein Bruch feststellen. Die Bevölkerung hat sich also wohl nicht geändert. Wohl aber die Wirtschaftsweise. Statt vorwiegend Jagd betreiben die Menschen in Mitteleuropa jetzt vorwiegend Landwirtschaft.

Genau das sagte ich bereits weiter vorn, als unser Paul seine Ertebölle-Kultur ins Spiel brachte. Dort hieß es:

"Die Ertebölle-Kultur war eine Kultur des 6. und 5. Jahrtausends v. Chr. Sie kann demnach keinen Einfluss auf Indoeuropäer gehabt haben, da diese erst viel später - vermutlich ab etwa 3000 v. Chr. - nach Mitteleuropa einwanderten. Zu dieser Zeit war in Mittel- und Norddeutschland die Trichterbecherkultur verbreitet, der die großen Megalithbauten zuzuschreiben sind. In Süddeutschland finden sich spätneolithische Kulturen, die aus den vorangegangenen bandkeramischen Kulturen hervorgingen.

Wenn wir eindringende indoeuropäische Gruppen postulieren wollen, so überlagerten die in erster Linie die Leute der Trichterbecher-Kultur und falls es ein sprachliches Substrat im Germanischen geben sollte (!?), so stammt es von von dort her."

Bei den letzten Beiträgen ging es aber um etwas ganz anderes. Dort habe ich hypothetisch postuliert, dass die Indoeuropäer aus der mesolithischen Bevölkerung Europas hervorgegangen seien, ohne Invasionen oder Einwanderungen von außen. Das behauptet z.B. der Archäologe Alexander Häusler, den ich weiter oben mehrfach verlinkt habe. Folgt man einer solchen Hypothese, dann waren nicht nur die Trichterbecherleute bereits Indoeuropäer, sondern auch alle ihre Vorgänger bis hinein ins Mesolithikum - zumindest waren sie Proto-Indoeuropäer und repräsentierten die indigene Bevölkerung Europas.

Man muss diesem Ansatz ja nicht folgen, aber es ist interessant, ihn einmal durchzuspielen und auf etwaige Schwächen oder auch Stärken abzuklopfen.
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16.11.2014, 20:39
Beitrag: #62
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(16.11.2014 19:25)Paul schrieb:  Die Landwirtschaft hat sich am Atlantik entlang und die Donau hinauf Nordwärts ausgebreitet. Den Atlantik nordwärts breiteten sich Kulturmerkmale aus, welche mit Megalithbauten verbunden waren. Irgendwo im heutigen Deutschland sind sie auf Indogermanen gestoßen, welche die Landwirtschaft übernahmen und sie wiederum nach Norden zu den Ertebölleleuten ausbreiteten.

Nein. Kannst du dir gern so zusammenreimen, war aber nicht so.

Alle Funde zeigen: Das „Neolithische Kulturrepertoire“ kam nicht als „Paket“, sondern als Bündel von Ideen, Ritualen, Kenntnissen und Bräuchen, die stückweise und auch nicht immer komplett von der einheimischen Bevölkerung übernommen wurden.
Erst danach treten in Mitteleuropa relativ plötzlich Menschen auf, die ausweiselich ihres Kulturepertoires (Waffen, Pferde) eindeutig Indoeuropäer sind. Die sprachlichen Hinweise gehen in die gleiche Richtung (z.B. Versuche der Rekonstruktion einer indeoeuropäischen Ursprache).

Regionale Unterschiede sind dabei wichtig, weil sie eben eine andere Entwicklung zeigen wie die, die du gerne hättest: Die Iberische Halbinsel, Frankreich, Britische Inseln, Norddeutschland, Skandinavien und Nordpolen waren bis 5000 v.Chr. von einer Jäger-Bauern-Kultur bestimmt, südwestlich dieser Regionen gab es eine fast reine Bauernkultur, die Linearbandkeramiker, die aber genetisch eindeutig keine Indogermanen waren. Grund für die Unterschiede in West und Ost waren unterschiedliche Klima- und Bodenverhältnisse.
Die von Nordmarokko und Spanien aus sich ausbreitende Cardial-Kultur war eine neolithische Viehzüchterkultur und zeitgleich mit Bandkeramikkultur. Der größte Teil der Megalithanlagen in Spanien und Portugal stammt von dieser Kultur (= ältester Zweig der Megalithkultur, zweiter Zweig breitete sich offenbar über Polen von Osten her über Europa aus!). An der Westküste Spaniens und Frankreichs entstand ab 6000 v.Chr. die mit der Cardial-Kultur verwandte LaHoguette-Kultur (Schaf- und Ziegenzüchter), die sich bis in die Gegend von Stuttgart nach Osten ausbreitete (hier Zusammentreffen mit Linearbandkeramikern und gemeinsames, meist friedliches Zusammenleben und Austausch in Kontaktzone).
Erst nach dieser Phase kamen die Trichterbecherleute und haben Kulturmerkmale der Megalithiker in ihre Kultur aufgenommen. Und das waren, wie gesagt, KEINE Indogermanen.

Du kannst es drehen und wenden, die ersten, die als Indgermanen in Europa in Frage kommen, sind die Streitaxtleute. Und die tauchten erst auf, als die Ertebölle-Kultur schon fast 2000 Jahre Geschichte war, nämlich ab etwa 2800 v.Chr.
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16.11.2014, 20:41
Beitrag: #63
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(16.11.2014 19:43)Dietrich schrieb:  Man muss diesem Ansatz ja nicht folgen, aber es ist interessant, ihn einmal durchzuspielen und auf etwaige Schwächen oder auch Stärken abzuklopfen.

Das schon. Aber, wie gesagt, vor allem die Schienbeine und der Überbiss, abgesehen von der zeitlichen Abfolge, sprechen massiv gegen diese Theorie. Sie hat große Schwächen und wenige Stärken...

VG
Christian
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16.11.2014, 21:53
Beitrag: #64
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(16.11.2014 19:43)Dietrich schrieb:  Genau das sagte ich bereits weiter vorn, als unser Paul seine Ertebölle-Kultur ins Spiel brachte. Dort hieß es:

"Die Ertebölle-Kultur war eine Kultur des 6. und 5. Jahrtausends v. Chr. Sie kann demnach keinen Einfluss auf Indoeuropäer gehabt haben, da diese erst viel später - vermutlich ab etwa 3000 v. Chr. - nach Mitteleuropa einwanderten. Zu dieser Zeit war in Mittel- und Norddeutschland die Trichterbecherkultur verbreitet, der die großen Megalithbauten zuzuschreiben sind. In Süddeutschland finden sich spätneolithische Kulturen, die aus den vorangegangenen bandkeramischen Kulturen hervorgingen.
Wenn wir eindringende indoeuropäische Gruppen postulieren wollen, so überlagerten die in erster Linie die Leute der Trichterbecher-Kultur und falls es ein sprachliches Substrat im Germanischen geben sollte (!?), so stammt es von von dort her."

Bei den letzten Beiträgen ging es aber um etwas ganz anderes. Dort habe ich hypothetisch postuliert, dass die Indoeuropäer aus der mesolithischen Bevölkerung Europas hervorgegangen seien, ohne Invasionen oder Einwanderungen von außen. Das behauptet z.B. der Archäologe Alexander Häusler, den ich weiter oben mehrfach verlinkt habe. Folgt man einer solchen Hypothese, dann waren nicht nur die Trichterbecherleute bereits Indoeuropäer, sondern auch alle ihre Vorgänger bis hinein ins Mesolithikum - zumindest waren sie Proto-Indoeuropäer und repräsentierten die indigene Bevölkerung Europas.

Man muss diesem Ansatz ja nicht folgen, aber es ist interessant, ihn einmal durchzuspielen und auf etwaige Schwächen oder auch Stärken abzuklopfen.

Laut Wikipedia wurde die Erteböllekultur aber 4100 vor Chr. direkt durch die Trichterbecherkultur abgelöst.

http://de.wikipedia.org/wiki/Ertebølle-Kultur

Ich lese überall, das die Trichterbecherkultur eine indogermanische Kultur war.
Im Fernsehen kam mal eine Sendung darüber, das die Trichterbecherkultur aus der Vermischung dieser beiden Kulturen stammte, welche in Schleswig Holstein seinen Anfang genommen hätte und dann expandierte. Indogermanische Einwanderer aus der Michelsberger Kultur hätten sich mit den Ertebölleleute in Schleswig Holstein vermischt.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
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16.11.2014, 22:02
Beitrag: #65
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(16.11.2014 20:41)913Chris schrieb:  Das schon. Aber, wie gesagt, vor allem die Schienbeine und der Überbiss, abgesehen von der zeitlichen Abfolge, sprechen massiv gegen diese Theorie. Sie hat große Schwächen und wenige Stärken...
Für den Überbiss der Trichterbecher-Leute hätte ich gern mal eine Quelle. Den hatten Napoleons Soldaten auch fast alle, weil sie meist starke Pfeifenraucher waren. Big Grin
Ich will damit sagen, bestimmte an Skeletten sichtbare anatomische Merkmale müssen nicht genetisch, sondern können kulturell bedingt sein. Die potentielle Liste ist lang: abgenutzte Kniescheiben bei frommen Katholiken und Muslimen, O-Beine bei Reitern, Rundrücken bei heutigen Computer-Nerds...

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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16.11.2014, 22:42
Beitrag: #66
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Wo bitteschön liest du das "überall", lieber @Paul. In 75 Jahre alten Büchern aus dem 3.Reich? Die Trichterbecherkultur war ziemlich sicher nicht indogermanisch, bestenfalls am Ende indogermanisch beeinflusst. Bessere Kandidaten für frühe Indogermanen sind die nachfolgenden Schnurkeramiker, aber auch das trifft es wahrscheinlich nicht so recht.

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16.11.2014, 23:59
Beitrag: #67
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(16.11.2014 22:02)Arkona schrieb:  Für den Überbiss der Trichterbecher-Leute hätte ich gern mal eine Quelle.

Sorry, hab´s grad noch mal nachgelesen: Es war kein Überbiss, es war ein Aufbiss.
Quelle:
Probst, Ernst: Das Rätsel der Großsteingräber. Die nordwestdeutsche Trichterbecher-Kultur. 2011.

VG
Christian
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17.11.2014, 15:59
Beitrag: #68
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(16.11.2014 20:41)913Chris schrieb:  Das schon. Aber, wie gesagt, vor allem die Schienbeine und der Überbiss, abgesehen von der zeitlichen Abfolge, sprechen massiv gegen diese Theorie. Sie hat große Schwächen und wenige Stärken...

Du solltest vielleicht einmal die Argumente durchlesen, die Alexander Häusler für seine Autochthonen-Hypothese und gegen die Einwanderungs-Theorie der Indoeuropäer anführt. http://www.uni-leipzig.de/~diffint/index...view/36/23

Die Hypothese einer indoeuropäischen Einwanderung nach Europa steht auf schwachen Füßen, da es keine archäologischen Belege für solche Zuwanderungen gibt. Übrigens auch keine für eine so genannte "Urheimat" in Südrussland. Grabhügel - von Marija Gimbutas Kurgane genannt - gibt es auch bei anderen Kulturen. Vor allem sind sie kein Alleinstellungsmerkmal für Indoeuropäer. Diese Kultur ist seit langem bekannt unter dem Namen "Ockergrabkultur", oder "Jamnajakultur", ohne dass man indes archäologisch eine Expansion nach Europa und Indien beweisen könnte.

Und - mit Verlaub - eine Theorie auf Überbiss und Schienbeine zu stützen, ist dann doch etwas wenig Butter bei die Fische.
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17.11.2014, 16:29
Beitrag: #69
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(16.11.2014 21:53)Paul schrieb:  Laut Wikipedia wurde die Erteböllekultur aber 4100 vor Chr. direkt durch die Trichterbecherkultur abgelöst.

Ja und?

4100 v. Chr. gab es in Norddeutschland und Südskandinavien - Zentrum der Trichterbecherkultur - noch keine Indoeuropäer. Die saßen noch - folgt man Marija Gimbutas - in der südrussischen Steppe und führten ein lustiges Leben inmitten ihrer Kurgane. Insofern ist die Trichterbecherkultur vermutlich eine indigene Kultur, hervorgegangen aus der Bevölkerungsschicht, die dort schon seit dem Mesolithikum ansässig war. Was nicht ausschließt, dass es in dieser langen Zeitspanne immer wieder Bevölkerungsverschiebungen gab.

Die Trichterberleute erlernten den Ackerbau und bildeten die erste neolithische Kultur des Nordens aus. Die alte Tante Wiki sagt dazu:

"Im nördlichen Mitteleuropa, im mittleren Osteuropa und in Südskandinavien ist sie die erste, vom Ackerbau geprägte Kultur des (nordisches Frühneolithikums). Sie folgt im Norden der mesolithischen Ertebølle-Kultur (5100-4100 v. Chr.), im übrigen Verbreitungsgebiet den bereits bäuerlichen Kulturen der Bandkeramik und der Rössener Kultur."

Marija Gimbutas - um dieser Dame weiter zu folgen - setzt die erste indoeuropäische Einwanderung in diese Region im 3. Jahrtausend an. Dort trafen indoeuropäische Gruppen auf die Trichterbecherleute, die sie assimilierten und deren Megalithkultur sie verdrängten. Die Megalithgräber verschwinden jetzt aus Norddeutschland und Skandinavien, denn die Indoeuropäer bestatteten ihre Toten nicht in Kollektiv- sondern in Einzelgräbern (auch als http://de.wikipedia.org/wiki/Einzelgrabkultur bezeichnet). Und darauf häuften sie vielfach - nicht immer - einen kleinen Kurganhügel.

Damit haben wir jetzt die so genannte schnurkeramische oder auch Streitaxtkultur vor uns, die die erste indoeuropäische Kultur Mittel- und Norddeutschlands sowie Südskandinaviens ist. Wiki sagt zur Grablegung:

"Typisch sind Einzelbestattungen in Hocklage unter Grabhügeln; d. h. die Toten wurden mit angezogenen Beinen auf der Seite liegend bestattet. Kennzeichnend für die Schnurkeramik ist eine konsequent „bipolare Bestattungsweise“. Das bedeutet, dass für Männer und Frauen entgegengesetzte Grablegungen üblich waren. Die Toten der mitteleuropäischen Schnurkeramik liegen meist in der Ost-West-Achse, dabei die Frauen linksseitig mit dem Kopf nach Osten, die Männer rechtsseitig mit dem Kopf nach Westen."

Damit weichen die Indoeuropäer fundamental von den Trichterbecherleuten ab, die sie nun eindeutig überformt und assimiliert haben.

Die alte Tante Wiki sagt abschließend zu den Schnurkeramikern lapidar:

"Diskutiert wird hingegen, ob die Schnurkeramiker die älteste Einwanderergruppe der indogermanischen Sprachfamilie in Mitteleuropa darstellen." http://de.wikipedia.org/wiki/Schnurkeramik
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04.12.2014, 03:56
Beitrag: #70
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Die Trichterbecherkultur war sicherlich eine indigine Kultur, die aber kulturelle Einflüsse und wahrscheinlich auch Einwanderer aus dem Süden aufnahm, so das die Sprache indogermanisiert wurde. Sie behielt natürlich starke Anteile ihrer bisherigen Sprache. Gleichzeitig wanderten auch Bevölkerungen in den Süden und der Handel verstärkte sich. So breitete sich die Trichterbecherkultur auf eine große Region aus.

viele Grüße

Paul

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04.12.2014, 18:24
Beitrag: #71
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(04.12.2014 03:56)Paul schrieb:  Die Trichterbecherkultur war sicherlich eine indigine Kultur, die aber kulturelle Einflüsse und wahrscheinlich auch Einwanderer aus dem Süden aufnahm, so das die Sprache indogermanisiert wurde. Sie behielt natürlich starke Anteile ihrer bisherigen Sprache. Gleichzeitig wanderten auch Bevölkerungen in den Süden und der Handel verstärkte sich. So breitete sich die Trichterbecherkultur auf eine große Region aus.

Einflüsse aus dem Süden gehen zunächst von der bandkeramischen Kultur aus, denn von ihr übernahmen die Trichterbecherleute den Ackerbau - vermutlich im Rahmen eines Kulturtransfers, wobei es sicher auch zu Vermischungen mit den Bandkeramikern kam. Das geschah etwa um das Jahr 4000 und später, denn von da ab datiert die Trichterbecherkultur. An Indoeuropäer war zu diesem Zeitpunkt nicht zu denken.

Die sickerten ab etwa 3000 ein, brachten ihre schnurkeramische Kultur mit und verdrängten die Megalithkultur der Trichterbecherleute. Ob es ein Sprachsubstrat im Germanischen gibt, ist bis heute umstritten.
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04.12.2014, 19:14
Beitrag: #72
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Ich weiß, dass bei der Thematik sehr viel Spekulation und kreative Phantasie mit reinspielt.
Was ich mich immer wieder frage - was war der Antrieb, die Triebkraft, die es ermöglichte, dass sich ein bestimmtes ähnliches Grundvokabular in völlig unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in einem derart riesigen Gebiet in relativ kurzer Zeit verbreiten konnte. Irgendein "evolutionärer" Grund im weitesten Sinne.
Kriegerische Expansionstheorien fallen für mich da völlig aus.


Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon, wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen!

Eduard F. Mörike (1804-1875)
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04.12.2014, 19:35
Beitrag: #73
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Tausende Jahre sind aber keine kurze Zeit. Die Sprachfamilie breitete sich im diesen langen Zeiträumen aus, sie war aber nicht mehr einheitlich.
Ich war völlig überrascht, als ich von Stefan Jakob einen Satz in Ururalisch( über 10000 Jahre alt), mit deutscher Übersetzung las, welcher leicht verständlich war, also dem modernen deutsch ähnelte.

viele Grüße

Paul

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04.12.2014, 20:05
Beitrag: #74
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(04.12.2014 19:35)Paul schrieb:  Tausende Jahre sind aber keine kurze Zeit.

das kann man sehen wie man will. Kurz und lang sind relative Begriffe. Man weiß nicht, wie und warum es diese Indogermanisierung der Sprache in dem betreffenden Gebiet gab oder wo sie möglicherweise ihren Ursprung hatte. Von daher kann man auch keine genauen Angaben über die Dauer dieses Prozesses machen -sprich, der genannte Zeitraum ist auch nur eine mehr oder minder gut begründete Vermutung.

(04.12.2014 19:35)Paul schrieb:  Ich war völlig überrascht, als ich von Stefan Jakob einen Satz in Ururalisch( über 10000 Jahre alt), mit deutscher Übersetzung las, welcher leicht verständlich war, also dem modernen deutsch ähnelte.

Das würde ich auch gerne mal sehen. Es gibt ja einige Verbindungen der uralischen Sprachen mit dem Indogermanischen Wortstämmen, aber dass das dann gleich "deutschähnlich" ausgesehen haben soll, ist natürlich schwer zu glauben.
Sei so gut und verlink da mal was brauchbares.

Oder meinst du die deutsche "Übersetzung", die dann leicht verständlich war ...Big Grin


Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
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05.12.2014, 11:21
Beitrag: #75
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(04.12.2014 19:14)Avicenna schrieb:  Ich weiß, dass bei der Thematik sehr viel Spekulation und kreative Phantasie mit reinspielt.
Was ich mich immer wieder frage - was war der Antrieb, die Triebkraft, die es ermöglichte, dass sich ein bestimmtes ähnliches Grundvokabular in völlig unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in einem derart riesigen Gebiet in relativ kurzer Zeit verbreiten konnte. Irgendein "evolutionärer" Grund im weitesten Sinne.
Kriegerische Expansionstheorien fallen für mich da völlig aus.

Ich könnte mir gut vorstellen, ohne jetzt große Beweise zu haben, daß sich die Lebensbedingungen im genannten zeitraum in erheblichem Umfang veränderten. Ich denke jetzt nur an die Orkneys, wo es ja eine Hochkultur gab, die ca. 2300 v Chr. plötzlich verschwand. Die Siedlungen wurden einfach aufgegeben, die Menschen wanderten nach Süden, was darauf hindeutet, daß hier vielleicht tatsächlich ein Klimawandel oder ein Vulkanausbruch, der zur Abkühlung des Klimas führte, stattgefunden hat.
(und auf den Orkneys blieb das auch weitestgehend erhalten, weil das Klima dort oben erst jetzt allmählich wieder eine so großzügige Bebauung zuläßt).

Wenn dem so war, dann war Boden, der zur Verfügung stand und die Menschen ernähren konnte, plötzlich viel knapper- und das hat natürlich zu gesellschaftlichen Veränderungen geführt. Man konnte ja nicht so weitermachen wie bisher.

Und wenn sich die Gesellschaft verändert, verändert sich die Sprache. Vielleicht brachten die Indoeuropäer Worte mit, die viel leichter beschrieben, was jetzt gesellschaftlich passierte...

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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05.12.2014, 17:42
Beitrag: #76
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(04.12.2014 19:14)Avicenna schrieb:  Ich weiß, dass bei der Thematik sehr viel Spekulation und kreative Phantasie mit reinspielt.
Was ich mich immer wieder frage - was war der Antrieb, die Triebkraft, die es ermöglichte, dass sich ein bestimmtes ähnliches Grundvokabular in völlig unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in einem derart riesigen Gebiet in relativ kurzer Zeit verbreiten konnte. Irgendein "evolutionärer" Grund im weitesten Sinne.
Kriegerische Expansionstheorien fallen für mich da völlig aus.

Wenn man davon ausgeht, dass sich die Indoeuropäer von einem bestimmten Druckzentrum nach West und Ost ausbreiteten, dort die indigene Bevölkerung überschichteten und ihr ihre Sprache aufzwangen, bietet eine solche Hypothese eine Erklärung für das Phänomen. Wanderungen von Hirten- oder Steppenreitervölkern, die sich über große Gebiete ausbreiteten, hat es in der Geschichte mehrfach gegeben. Man denke nur an die Mongolen oder die Hunnen.

Allerdings verschwanden die Sprachen der alteingesessenen Völker nicht vollständig. Es gab eine Vermischung mit der Sprache der Indoeuropäer, die zur Übernahme von Begriffen führte. Das können Sprachwissenschaftler noch heute anhand eines vorindoeuropoäischen sprachlichen Substrats erkennen, das z.B. im Griechischen recht umfangreich ist. Erst durch die Einflüsse einheimischer Idiome entwickelten sich die verschiedenen indoeuropäischen Sprachen, aus denen man gleiche Grundbestandteile herausfiltern kann. So schuf die Sprachwissenschaft die hypothetische indoeuropäische Grundsprache, die natürlich nur ein Konstrukt sein kann. http://de.wikipedia.org/wiki/Indogermanische_Ursprache
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06.12.2014, 19:47
Beitrag: #77
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(05.12.2014 17:42)Dietrich schrieb:  Wenn man davon ausgeht, dass sich die Indoeuropäer von einem bestimmten Druckzentrum nach West und Ost ausbreiteten, dort die indigene Bevölkerung überschichteten und ihr ihre Sprache aufzwangen, bietet eine solche Hypothese eine Erklärung für das Phänomen. Wanderungen von Hirten- oder Steppenreitervölkern, die sich über große Gebiete ausbreiteten, hat es in der Geschichte mehrfach gegeben. Man denke nur an die Mongolen oder die Hunnen.

Allerdings verschwanden die Sprachen der alteingesessenen Völker nicht vollständig. Es gab eine Vermischung mit der Sprache der Indoeuropäer, die zur Übernahme von Begriffen führte. Das können Sprachwissenschaftler noch heute anhand eines vorindoeuropoäischen sprachlichen Substrats erkennen, das z.B. im Griechischen recht umfangreich ist. Erst durch die Einflüsse einheimischer Idiome entwickelten sich die verschiedenen indoeuropäischen Sprachen, aus denen man gleiche Grundbestandteile herausfiltern kann. So schuf die Sprachwissenschaft die hypothetische indoeuropäische Grundsprache, die natürlich nur ein Konstrukt sein kann. http://de.wikipedia.org/wiki/Indogermanische_Ursprache

Wie ich schon schrieb, glaube ich nicht an eine physische Expansion von "Urindoeuropäern" bzw. dem massenhaften Wandern von Sprechern eines urindogermanischen Dialekts. Eben weil das Urindogermanische eine (re)konstruierte und von daher auch mehr oder weniger theoretische Sprache ist, fällt es ohnehin schwer, sich eine solche Sprechergemeinschaft vorzustellen.
Mir ist schon klar, dass die Sprachen der alteingesessenen Bevölkerungsgruppen nicht einfach verschwanden, sondern mit indogermanischen Wortstämmen und den zugehörigen Flektionen überschichtet wurden und in dieser Kombination die Basis für die einzelnen indogemanischen Sprachen bildeten.
Die Beispiele mit den Hunnen und Mongolen haben insofern ihre Berechtigung, als dass sie riesige geographische Gebiete überrannten und eine zeitlang auch partiell beherrschten, aber sprachlich ist da, zumindest im europäischen Raum, nicht viel geblieben.

Ich halte es da mehr mit der Herangehensweise von Alexander Häusler, auf den du ja auch schon verwiesen hast, und seiner Sicht eines autochthon entstandenen indogermanischen Sprachkontinuums in großen Teilen Europas.
Mit der matrilinearen Lebensweise eines "friedlichen Alteuropas", wie sie von Marija Gimbutas postuliert wurde und auf der ihre Kurganhypothese aufsetzt, kann ich mich einfach nicht anfreunden. Dann schon eher mit Teilen der Anatolien-Hypothese von Renfrew, obwohl diese in der Forschung mehr als umstritten ist und als überholt gilt.
Ich habe mich aber seit gut zwei Jahren nicht mehr groß mit der Materie beschäftigt und muss mich erst wieder etwas einlesen. Insbesondere auch was die ursächlichen Zusammenhänge zwischen den Vorläufern der altiranischen Sprachen oder auch dem Vedischen bzw. Sanskrit und dem Indogermanischen betrifft.


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Eduard F. Mörike (1804-1875)
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06.12.2014, 21:45
Beitrag: #78
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Eine gewisse physische Expansion muss es gegeben haben. schließlich verbreiten sich Sprachen und Kulturen nicht völlig unabhängig von ihren Trägern, den Menschen per Windbestäubung. An eine Masseninvasion aus der Steppe glaubt kein ernstzunehmender Wissenschaftler (mehr), etwas anderes ist ein Elitetransfer. Der Gedanke ist mir sympathisch und erklärt vieles.

Anatolien als Urheimat sollte man besser vergessen, da passt fast gar nichts.

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06.12.2014, 22:13
Beitrag: #79
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(06.12.2014 21:45)Arkona schrieb:  Eine gewisse physische Expansion muss es gegeben haben. schließlich verbreiten sich Sprachen und Kulturen nicht völlig unabhängig von ihren Trägern, den Menschen per Windbestäubung. An eine Masseninvasion aus der Steppe glaubt kein ernstzunehmender Wissenschaftler (mehr), etwas anderes ist ein Elitetransfer. Der Gedanke ist mir sympathisch und erklärt vieles.

Da hast du natürlich vollkommen Recht. Irgendwer hat sich aus irgendwelchen Gründen bewegt, aber eben nicht in dieser Art von Masseninvasion, wie du schon geschrieben hast.

Der Elitetransfer und damit auch ein entsprechender Sprach- oder Begrifflichkeitsexport, wie soll das in diesem riesigen Gebiet, über das wir ja schlussendlich reden, funktioniert haben. Prinzipiell ja, dafür gibt es auch andere historische Parallelen, aber ziemlich flächendeckend für ein so großes Gebiet, dann schon wieder eher unwahrscheinlich. Was wäre der Antrieb für einen immer wieder neuen und fortschreitenden Elitetransfer gewesen. Im Einzelfall ja, aber nicht für das in Frage kommende Gesamtgebiet.

(06.12.2014 21:45)Arkona schrieb:  Anatolien als Urheimat sollte man besser vergessen, da passt fast gar nichts.

was die Ausbreitung des Indogermanischen betrifft, stimme ich dir zu. Aber die Anatolien-Hypothese ist ja eine Kombination aus Indogermanisierung und der Neolithisierung Europas.
In der Gänze nicht passend, aber in Teilen nicht völlig von der Hand zu weisen.


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Eduard F. Mörike (1804-1875)
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06.12.2014, 23:27
Beitrag: #80
RE: Urheimat der Indoeuropäer
In dem Zusammenhang habe ich eine Frage. Inwieweit gibt es einigermaßen gesicherte Erkenntnisse über den zeitlichen Ablauf der Indogermanisierung? Wäre ein solcher Ablauf dann auch auf ein bestimmtes Modell bzw. eine bestimmte gerade gängige Ausbreitungshypothese bezogen oder unabhängig davon. Das wäre ja schon irgendwie wichtig.


Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
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