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Auszug aus einem Brief von mir zum Thema Liberale und Katholiken
03.08.2012, 22:40
Beitrag: #1
Auszug aus einem Brief von mir zum Thema Liberale und Katholiken
Zitat:Das schlechte Verhältnis zwischen Liberalen und Kirchen rührt nicht a priori von politischen Gründen. Bei genauerem Hinsehen hat sich das erst nach der französischen Revolution bzw. nach dem damals dort herrschenden Kulturkampf nach und nach entwickelt. Im Grunde genommen trug der mittlere und niedere Klerus (also Priester, Prälaten, Diakone und wenige Presbyter) die Revolution sogar mit, die Quellen sprechen sogar dafür, dass von der Amtskirche ein gewisses Wohlwollen dieses Umstandes ausging. Jedoch brauchte der Staat Geld und somit wurden katholische Besitztümer konfisziert. Eine Radikalisierung der sogenannten „revolutionären Vernunftsreligion“ nutzte dies ferner um Kirchtürme einzureisen, da sie gegen die Gleichheit der Menschen verstoße, andere Menschen hätten ja auch keine so hohe Gebäude. Es trat dann der Bruch mit dem liberalen und säkularem Staat und der Kirche ein, wobei die Breve des Papstes sich nicht gegen die Revolution und noch weniger der Erklärung der Menschenrechte richtete, sondern im Allgemeinen den Umständen. Die Liberalen der französischen Revolution haben ihre eigenen Grundsätze verraten. Statt einer rechtlichen Gleichbehandlung der jeweiligen Kirchen wurden die katholischen Kirchen (auch wegen des Prunks und Reichtums) regelrecht ausgebeutet, obwohl Verträge dies verboten hatten. Bei der protestantischen Kirche Frankreich wurden diese Verträge jedoch eingehalten. Das ist in den Augen der katholischen Kirche ein klarer Verstoß gegen das liberale Ansinnen der Demokraten, vor allem auch des Artikels 17 der französischen Verfassung – der Schutz des Eigentums vor dem Staat. Es bedarf hierüber wohl keiner genaueren Erklärung. Auch die Religionsfreiheit sieht der Papst verletzt, da der neue französische Staat Katholiken ausgrenzte und gezielt diskriminierte. Dazu kommt dann ein Bruch mit Napoleon Bonaparte als er in dem „Versöhnungskonkordat“ 1801 eine Sonderklausel hinzu fügte, den ssogenannten„organischen Artikel“ der der Kirche keine Gelegenheit mehr gab, sich selbst zu organisieren. Dies wurde als Betrug aufgefasst, der protestierende Papst sogar festgenommen und eingesperrt.

Was danach passierte war eine Art Kontrastierung. Auf Seiten der Kirche gab es keinen Grund mehr einem säkularen und liberalen Staat zu vertrauen, somit verurteilte man das Begehren nach bürgerlichem Herrschen und die Liberalen zahlten es mit einer Marginalisierung der Katholiken in Europa heim.

So und nun ein paar Worte zur Situation heute und damit wieder der Bogen zum Artikel: Wenn Kirchen (ich nehme nun die katholische) heute von den liberalen Werten sprechen, um die sie besorgt sind, ist das weder Opportunismus noch Heuchelei. Im Grunde wird bei intensivem Studium der kirchlichen Quellen deutlich, dass das liberale Naturrecht schon immer im Christentum latent verankert war. Es verwundert nicht, dass die Kirche nach außen hin ihre Probleme mit den geistigen Freiheitsrechten schwer tat, wollte sie damit aber nur verhindern, dass eine staatliche oder vielleicht irr-lehrende Macht in ihr Gefüge eingreift, denn Glaube lebt von und vor allem in einer Gemeinschaft, die sich in der Kirche manifestiert. Vom geschichtlichen Zusammenhang weiß man nun, dass diese Gefahr gar nicht so sehr besteht, wenn die interne Kommunikation einigermaßen gut funktioniert. Das zweite Vatikanische Konzil bestätigt, dass die Kirche in einem partnerschaftlichen Verhältnis zu einem säkularen Staat zu einem stehen muss, sobald er bereit ist, die Rechte ihrer Gläubigen zu schützen (als Negativbeispiel: Nordkorea, welche Christen verfolgen und sie im Untergrund praktisch leben müssen). Die Anerkennung der Menschenrechte sind somit Grund vorraussetzung für dieses Nebeneinander.

Literatur:



Neundörfer, Karl: Der ältere deutsche Liberalismus und die Forderung der Trennung von Staat und Kirche. Mainz, 1909.

Bloch, Tamara: Die Stellungnahme der römisch-katholischen Amtskirche zur Frage der Menschenrechte seit 1215. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Gewährleistungen im CIC/1983. Frankfurt a. M., 2008. (Schriften zum Staatskirchenrecht Bd. 41).

Hürten, Heinz: Kirche auf dem Weg in eine veränderte Welt. Ein Versuch über die Auseinandersetzung der Katholiken mit der Gesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts. Münster, 2003. (Beiträge zu Theologie, Kirche und Gesellschaft Bd. 6).

Meyer, Wolfgang: Konflikte mit der Staatsmacht. Im Krieg der Weltanschauungen. In: G-Geschichte 3/08 (2008), Seiten: 40 - 45.

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