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Phryger = Seevölker in Anatolien?
12.04.2013, 21:40
Beitrag: #96
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(12.04.2013 20:40)913Chris schrieb:  Die Ägypter haben bestimmt nicht aus Spaß zweimal im Abstand von mehreren Jahrzehnten die gleichen Völkernamen verwendet.
Ich denke, dass die Schardana etc. Söldner waren, die irgendwo im Raum Ägäis-Kreta-Zypern-(West-)Anatolien lebten und sich, wenn irgendwo Krieg im Verzug war, meldeten. Zwischen den großen Kriegen (= Angriffen auf Ägypten) können diese Völker durchaus auch gewandert sein, aber die Völker an sich waren mit Sicherheit bei Merenptah und bei Ramses III. dieselben. Die Darstellungen von Karnak und Medinet Habu gleichen sich nicht zufällig in auffälliger Weise...

Es gibt verschiedene Stellen in ägyptischen Tempelinschriften, die sich derartig ähnlich sind, obwohl sie zu unterschiedlichen zeiten verfaßt wurden, daß es als beinahe sicher gilt, daß das gleiche Ereignis zweimal verbraten wurde.
Die ägyptischen Inschriften sind alles in allem keine historischen Dokumentationen, sondern im allgemeinen dienen sie dazu, einen Pharao zu verherrlichen. Daß oftmals als Sieg dargestellt wurde, was in Wahrheit bestenfalls ein Remis war, ist mehrfach nachgewiesen. Warum also soll alles, was über die Seevölker berichtet wird, plötzlich exakt der Wahrheit entsprechen? Warum sollen nicht bei der zweiten Seevölkerschlacht Völker aufgeführt sein, die vielleicht gar nicht (mehr) dabei waren, die das ganze aber für den Pharao viel großartiger klingen lassen? Ein Sieg gegen sieben odre acht verschiedene Völker klingt doch um einiges großartiger als einer gegen drei oder vier...

Nein, auf die ägyptischen Inschriften alleine würde ich mich nicht verlassen. Zumindest würde ich sie nicht unbedingt für bare Münze nehmen. Ein bißchen Skepsis ist durchaus angebracht- man weiß doch, daß sie in vielerlei Beziehung unzuverlässig sind.

(12.04.2013 20:40)913Chris schrieb:  Die Lage in Anatolien wurde ebenso mit Sicherheit nicht "nur" aufgrund eines Handelskrieges so drastisch wie in den Quellen beschrieben..

"Nur" ein Handelskrieg?
Ich glaube, du unterschätzt hier die Bedeutung des Handels für die Region gewaltig. Der Reichtum der späten Bronzezeit war das Resultat eines gut funktionierenden Handelsnetzes. Aber- wenn der Handel, von dem die Menschen leben- zusammenbricht, wovon leben sie dann? Wenn Getreidelieferungen ausbleiben, aber rund um die Städte nicht genug angebaut werden kann, um die Städte zu versorgen? Insbesondere, wenn die klimatischen Bedingungen nicht ideal sind...

(12.04.2013 20:40)913Chris schrieb:  Innere Schwäche des Hethiterreichs aufgrund von Thronstreitigkeiten und Bürgerkriegen (= Kriegen zwischen Großkönig und Vasallenkönigen aus der Herrscherfamilie, vgl. Kizzuwatna vs. Hattuscha am Ende des Hethiterreichs) könnte Feinde geradzu eingeladen haben, mal einen ÜBerfall zu versuchen,
davon gehe ich aus. Das stand höchstwahrscheinlich am Anfang- Das Gleichgewicht der Kräfte ist hier wohl ins Schwanken geraten

(12.04.2013 20:40)913Chris schrieb:  dazu die Dürre in Anatolien,,

Ist die denn inzwischen nachgewiesen? Soweit ich weiß, ist die Dürre fürs tote Meer nachgwiesen, als Erklräung, warum diejnigen, die sich aus Ugarit aufgemacht haben, sich nicht irgendwo südlich von Ugarit niedergelassen haben.
Daß in Anatolien eine Dürre geherrscht hat, wurde in dieser Zusammenhang geschlussfolgert, weil das ein Grund für die Seevölkerwanderung gewesen sein könnte.
Nur darf man so meiner Meinung nach nicht argumentieren. Dann muss man die Dürre schon nacweisen. Dann kann sie ein Grund sein. Aber nicht aufgrund der Seevölkerstürme schlußfolgern, daß die Dürre vom Toten Meer bestimmt auch in Anatolien geherrscht hat...

(12.04.2013 20:40)913Chris schrieb:  die Hungerflüchtlinge zur Folge hatte, vielleicht noch ein paar Erdbeben, ,

Die Erbeben zählen eigentlich nicht. Denn die meisten Städte in der Ägäis und Anatolien, die nachweislich von Erdbeben betroffen waren, wurden nicht einfach so aufgegeben, sondern wieder aufgebaut. Das ist es nänmlich, was man üblicherwiese nach einem Erdbeben tut- man geht hin und baut die Stadt halt wieder auf. So geschehen u.a. auch in Troja...

(12.04.2013 20:40)913Chris schrieb:  schon hast du eine wunderschöne Endzeitstimmung beisammen, die die Wanderung ganzer Völker richtiggehend logisch macht...

die Logik erschließt sich mir auch, wenn ein ganzer Lebensraum plötzlich durch Krieg zerstört würde. Es blieb nicht dabei, daß ein paar anatolische Staaten gegen Hattusa den Aufstand geprobt haben. Die Stimmung am Ende der Bronzezeit war extrem angespannt, wie die starken Befestigungsanlagen in der gesamten Ägäis beweisen. Es ist nicht nötig, Städte und Paläste zu befestigen, wenn jeder friedlich handel treibt und jeder dem anderen sein Brötchen gönnt.
Man geht hin und schützt und befestigt seine Stellung, wenn man Angriffe fürchtet- wie sie beispeilsweise durch einen Markt gegeben ist, der die Grenzen seines Wachstums erreicht hat, wenn man nicht nur darauf achten muss, daß man selbst angegriffen wird, sondern auch darauf, daß der Nachbar möglichst nicht mächtiger wird, weil das einen selbst gefährdet.
In einer derartig angespannten Situation gibt es nicht einfach "nur" einen Handelskrieg- wenn da die eine Partei übermütig wird und sich etwas aneignet, was nach Meinung einer anderen Partei dieser gar nicht zusteht, beginnt ein Flächenbrand...
Tatsächlich lassen sich bis heute eher Flüchtlingsströme aus Kriegsgebieten erkennen als aus Erdbebenregionen...
Bei einem Erdbeben wartet man ganz einfach ab, bis sich die Erde wieder beruhigt, dann kehrt man zurück und baut neu. In Kriegsgebieten weiß man nicht, wie lange der Krieg noch dauert. Also macht man sich aus dem Staub.

Warum sollen die Menschen damals anders gewesen sein als heute?
Als Ugarit zerstört wurde, machte sich fast die ganze Einwohnerschaft auf den Weg. Nix mit Erdbeben, nix mit Dürre. zerstörung durch andere hat da viel nachhaltiger gewirkt...

(12.04.2013 20:40)913Chris schrieb:  besonders, wenn es sich um Völker handelt, die seit Jahrzehnten gewohnt sind, dass die Männer immer wieder mal für ein Jahr oder länger irgendwo sind, um Krieg zu führen, und dabei aus erster Hand mitkriegen, ein wie schönes Land doch Ägypten ist...

VG
Christian

Du glaubst also wirlich, daß diejenigen, die Ugarit verlassen haben, gesagt haben "Ach, Ägypten ist am schönsten, da wollen wir hin?"
Nee, unwahrscheinlich. Erst mal will man weg. Und dann läßt man sich da nieder, wo man das Gefühl hat, daß man da bleiben kann. Daß man irgendwann, nachdem es anderswo nicht geklappt hat, zu dem Schluss kam, Ägypten sei einen Versuch wert, das kann ich mir schon eher vorstellen. Aber nicht, daß die Flüchtlinge ihre Heimat gezielt verlassen, um nach Ägypten zu gehen. Damals gab es noch kein Fernsehen und nichts- woher sollten die meisten Menschen wissen, wie schön es in Ägypten war? Selbst wenn es ein paar Männer wußten- die Mehrzahl des Volkes wußte es nicht. Und daß die, wenn es mühsam ist, nicht länger weiter ziehen wollen, weil das gelobte Land noch nicht in Sicht ist, kann man auch schon in der Bibel nachlesen....

Es gibt für eine Menschenmenge nur einen Grund weiter zu ziehen- weil es dort, wo sie gerade sind, einfach keine Möglichkeit zum bleiben gibt. Wenn man die Möglichkeit hat, sich dort, wo man ist, sein leben einzurichten, zieht man nicht weiter- nicht wenn man auch noch die Kinder dabei hat.

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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