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Phryger = Seevölker in Anatolien?
01.04.2013, 21:37
Beitrag: #61
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Man kann doch nicht sinn- und zwecklos unter zweifellos großen Verlusten Staaten vernichten und dann weiterziehen, das gibt doch keinen Sinn. Hatti nahmen die Phryger in Besitz. Was ist mit den anderen Ländern? In Nordsyrien schufen die geschlagenen Hatti-Hethiter Kleinstaaten. Was war das Ziel der Sieger ? Ägypten erobern?
Dann hätte man doch Zypern (mit billigen Krediten) als Ausgangsbasis nehmen und dort die Frauen parken können.
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01.04.2013, 22:06
Beitrag: #62
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(01.04.2013 20:21)913Chris schrieb:  Wenn die Seevölker aus Anatolien stammen - warum sind dann in den hethitischen Quellen keine Entsprechungen zu den in der Merenptah-Inschrift genannten Völkernamen enthalten?
Merenptah erwähnt die Šardana, Šekeleša, Aqi-waša, Luka, Turiša, Mešweš, Tjehenu und die Tjemehu.

Ich habe jetzt einige Bücher über das Thema Seevölkwer gelesen, und es gibt lediglich zwei Völker, die man wirklich enträtselt zu haben glaubt- nämlich die Sardana und die von dir gar nicht erwähnten Peleset. Bei allen anderen sind die Vorschläge über die Herkunft sehr unterschiedlich.
Schon die Bezeichnungen der Merenptah- inschrift stimmt nicht mit der aus Medinet Habu überein- und beides stammt aus Ägypten. Da sich die hethiter und Ägypter kaum auf gemeinsame Bezeichnungen geeinigt haben dürfte, könnte es durchaus möglich sein, daß die Hethiter andere Bezeichnungen gewählt haben, die wir auch kennen. Mehrere Namen, die möglicherweise aus hetithtischen Schriften bekannt sind, nennst du ja selbst...

(01.04.2013 20:21)913Chris schrieb:  Sardana erinnern verdächtig an die Sarden, also ein Seefahrervolk aus dem westlichen Mittelmeer.


... bei denen aber jeglicher Grund fehlt, warum sie das Hethitierreich, Ugarit oder Ägypten angegriffen haben sollen...

(01.04.2013 20:21)913Chris schrieb:  Dito die Sekelesa (Sikuler aus Sizilien?)
Hier gilt das gleiche. Wenn sie aus Sizilien stammen- welches Intresse besteht an einem Angriff auf Hattusa, Ugarit oder Ägypten?

(01.04.2013 20:21)913Chris schrieb:  Die Aqiwasa könnten die Ahhiwaja sein, die Luka die Lykier.

Die werden aber in den hetitischen Quellen genannt. Und ich glaube nicht daran, daß die Ahhijawa die Achaier sind...Wink

(01.04.2013 20:21)913Chris schrieb:  Die Turisa könnten die Tyrsener sein, ein Volk aus der nördlichen Ägäis, eventuell die Vorfahren der Etrusker, die in ihren italienischen Wohnsitzen ebenfalls der Seefahrt zugetan waren und denen ja eine kleinasiatische Herkunft nachgesagt wurde....
Interessanter Hinweis. Sind die Turisa identisch mit den Tekkern?

(01.04.2013 20:21)913Chris schrieb:  Die Meschwesch waren ein auch in anderen ägyptischen Quellen belegter Stamm aus Libyen.
Tjehenu iund Tjemehu sind ägyptische Bezeichungen für Regionen in Libyen..

Stimmt. Aber soweit war ich noch nicht.Wink So schnell bin ich mit dem lesen auch nicht. Die Theorie geht nämlich dann weiter, daß mit dem Angriff der Seevölker gewissermaßen eine Art Krieg im östlichen Mittelmeer ausgebrochen ist, in dem sich die unterschiedlichen Staaten auf unterscheidliche Seiten geschlagen haben. Die Lybier haben sich danach mit den Seevölkern verbündet, ebenso die Assyrer, die Mitanni, die Kaskäer. Auf der anderen Seite standen die Hethiter, Amurru, Ägypten und das mykenische Griechenland.

(01.04.2013 20:21)913Chris schrieb:  Zwei Völker eventuell aus dem westlichen Mittelmeer, zwei Völker eventuell aus dem (nördlichen?) Ägäisraum, ein Volk aus Anatolien (damals noch Nordwestanatolien), zwei Völker aus Libyen..

nenn mir einen vernünftigen Grund, warum zwei Völker aus dem westlichen Mittelmeer im östlichen Mittelmeer herumwildern sollten... Ich meine, man steht doch nicht einfach mal in Sardinien auf und sagt sich "Oh, heute fahre ich mal los und mache die Hethiter platt...."
Das einzige, was ich mir vorstellen könnte, sofern die Identifizierung tatsächlich richtig ist, wäre, daß die Inschriften mal wieder zeitlich nicht ganz genau waren und die Völker aus dem westlichen Mittelmeer nach dem hauptansturm der Seevölker kamen, weil Platz da war- und daß die Inschriften da etwas durcheinanderwarfen. (Was bei ägyptischen Tempelinschriften auch nicht unmöglich ist.)

Die beiden Völker aus dem nördlichen Ägäisraum - da habe ich meine Probleme mit. Denn - ich wiederhole es gerne noch mal- Ahhijawa ist meiner Meinung nach nicht das mykensciehe Griechenland, sondern liegt irgendwo in Anatolien. Und was nun die Leute aus der Nordägäis anbetrifft, die die Vorfahren der Etrusker gewesen sein sollen- hat man nicht vor einiger Zeit festgestellt, daß die Vorfahren der Etrusker von der anatolischen Küste kamen?

(01.04.2013 20:21)913Chris schrieb:  Übrigens: Nirgendwo erfahren wir davon, dass einmal eine mykenische Stadt, sei es Mykene selbst oder z.B. auch Theben, mal die Oberhoheit über die anderen Mykenerstädte gehabt hat. Das müsste aber als Voraussetzung für ein Reich Ahhijawa eingetroffen sein - und zwar auf längere Zeit, immerhin tauchen die Ahhijawa immer wieder in den hethitischen Quellen auf.

Stimmt. Deswegen glaube ich ja auch nicht, daß Ahhijawa das mykensiche Griechenland ist. Die standen meiner meinung nach nämlich auf der andren Seite...

(01.04.2013 20:21)913Chris schrieb:  Ramses III. schreibt, dass Ḫatti, Qadi, Qarqemiš, Arzawa, und Alasia sowie Amurru von den Seevölkern vernichtet bzw. verheert worden seien.
Hatti ist das Hethiterreich, Quadi das Reich Kizzuwatna in Kilikien, Qarqemisch ist Karkemisch in Nordsyrien, Arzawa liegt im Westen Anatoliens und hat Apasa/Ephesos als Hauptstadt, Alasia ist Zypern, Amurru ist ein Staat der auch in der Bibel bekannten Amoriter im nördlichen Libanon; hier sollen die Seevölker gelagert haben.

Das würde zu deiner These passen: Als erstes wurde das Hethiterreich vernichtet, danach bewegte man sich südwärts der Küste entlang.

Ist ja nicht meine These- ist nur ein Buch, das ich gerade lese- und du sollst mir dabei helfen, ein paar Behauptungen, die da drin stehen zu überprüfen...Smile

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01.04.2013, 22:12
Beitrag: #63
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(01.04.2013 21:37)Harald1 schrieb:  Man kann doch nicht sinn- und zwecklos unter zweifellos großen Verlusten Staaten vernichten und dann weiterziehen, das gibt doch keinen Sinn.

Stimmt. Aber man kann sich auf der Suche nach potentiellem Siedlungsland durch die Gegend schlagen.
Man schlägt eine Armee oder auch Flotte, hat damit das Reich, dem die Armee oder Flotte gehörte und das ohnehin schon geschwächt war, zum Zusammenbruch gebracht, aber Land zum Siedeln hat man deswegen immer noch nicht - denn da leben schon Menschen. Also zieht man weiter.
Das nächste Reich wehrt sich wieder gegen die Eindringlinge, auch diesmal gewinnt man eine Schlacht, entdeckt dann aber, dass einem das Land nicht gefällt - und zieht wieder weiter.

So oder so ähnlich stelle ich mir den Seevölkerzug vor.
Ein Teil der Seevölker hat sich dann in Palästina angesiedelt, und zwar interessanterweise NUR an der Küste, nicht im Inland - die Hebräer waren ein "Inland-Volk", die Kanaaniter waren zwar Seefahrer, aber ihre Hauptorte waren weiter nördlich, und die Städte, die die Philister in Besitz nahmen, waren zuvor in ägyptischem Besitz. Möglicherweise wandelte da Ramses III. in den Spuren von Ramses II. - der Sieg über die Seevölker war vielleicht gar keiner, sondern eher ein Patt wie in der Schlacht von Karkemisch gegen die Hethiter. So konnten zumindest die Philister von der ägyptischen Schwäche profitieren und das spätere Philisterland in Besitz nehmen...

WENN die Schardana wirklich die Sarden waren und die Schekelescha die sizilianischen Sikuler, könnte es sein, dass diese beiden weiterzogen Richtung Libyen und dann nach Westen, bis sie die beiden später nach ihnen benannten Inseln fanden und sich dort niederließen. Oder es könnte sein, dass sie schlicht nach Hause zurückkehrten.

Eine weitere Erklärungsmöglichkeit des Seevölkerzuges liegt nämlich darin, dass es gar keine Völkerwanderung war, sondern "nur" ein gigantischer Raubzug, und dass sich Angehörige vieler Völker daran beteiligten (so nach und nach, nachdem sie erkannt hatten, welche Möglichkeiten hier lagen). Sikuler und Sarden wären demnach gar nicht "komplett" mitgewandert, sondern nur mit einem gewissen Kontingent.
Wer sich da an den Trojanischen Krieg á la Homer erinnert fühlt - nur zu. Damit dieses Szenario stimmen kann, müsste allerdings Ramses III. gehörig übertrieben haben bei seiner Darstellung der Abwehrschlacht gegen die Seevölker, und Hethiter, Ugariter und Zyprer müssten schon erheblich mehr geschwächt gewesen sein als gedacht, damit sie unter dem Ansturm von lediglich einer riesigen Piratenflotte gleich komplett zusammenbrachen.
Aber auch dafür gibt es Parallelen in der Geschichte: Etwa Henry Morgan, der Panama City abbrannte und aus der ehemaligen Hauptstadt des spanisch-amerikanischen Reiches eine Provinzstadt machte. Und das mit einem Minimum an Männern. Was konnte dagegen ein ganzes Piratenheer - das auch zahlenmässig ein "richtiges" Heer gewesen sein müsste - anrichten? Ein 1000 Jahre alte Handelsstadt so vernichten, dass sie nie wieder aufgebaut werden konnte (Ugarit)? Warum denn nicht, noch dazu in der Auflösungsphase, in der sich die Welt des Alten Orient gegen Ende der Bronzezeit nachgewiesenermaßen befand??

VG
Christian
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01.04.2013, 22:13
Beitrag: #64
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(01.04.2013 21:37)Harald1 schrieb:  Man kann doch nicht sinn- und zwecklos unter zweifellos großen Verlusten Staaten vernichten und dann weiterziehen, das gibt doch keinen Sinn. Hatti nahmen die Phryger in Besitz. Was ist mit den anderen Ländern? In Nordsyrien schufen die geschlagenen Hatti-Hethiter Kleinstaaten. Was war das Ziel der Sieger ? Ägypten erobern?
Dann hätte man doch Zypern (mit billigen Krediten) als Ausgangsbasis nehmen und dort die Frauen parken können.

Wer sagt denn, daß es sinn- oder zwecklos war?
Wenn diese Theorie, der ich gerade nachgehe, dann stand am Anfang des ganzen Krieges ein Krieg um Handelrouten.
Der handel war das, was in der Bronzezeit die Städte und Völker reich machte und den Städten und Reichen Macht verlieh, hatte aber zum Ende der Bronzezeit seine Grenzen erreicht. (Die Grenzen des Wachstums galten auch schon damals). Wenn man nicht mehr auf friedlichem Weg expandieren kann, dann tut man es eben auf kriegerischem Weg...
Das Ziel könnte die volle Kontrolle über die Handelsrouten im östlichen Mittelmeer gewesen sein...

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Oscar Wilde
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03.04.2013, 10:15
Beitrag: #65
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Im Ausstellungsband "Traum und Wirklichkeit - Troja" von 2001 schreibt einer meiner ehemaligen Tübinger (Gast-)Dozenten, Peter Högemann, dass "Midas´ Rolle als Bewahrer hethitischer (!) Traditionen, aber auch als Vermittler nahöstlicher, eisenzeitlicher Errungenschaften, z.B. der Wehrtechnnik, hier vor allem der assyrischen (!) Kavallerie, aber auch von Kunstgewerbe, vielleicht auch der Alphabetschrift, (...) erst in Umrissen erkennbar [ist]." (S.63). Am Rande: Das griechische Alphabet ist uns in seiner ostionischen = anatolisch-ionischen Form geläufig...

Auch Priamos wird von Homer so beschrieben, dass er in jungen Jahren phrygischer Bundesgenosse gewesen sei, seine Frau Hekabe sei gar selbst Phrygerin gewesen! Klingt nicht so, als seien die Phryger Teil einer Gruppe (der Seevölker nämlich) gewesen, die Troja mit zerstört hätte...
Überdies ist der Name Priamos luwisch.
Im mysischen Pergamon saß ein weiterer trojanischer Verbündeter: Telephos, der lange vor dem trojanischen Krieg mit seinen Streitwagen Achilles an der Landung in seinem Land hinderte und zur Heimkehr zwang. Telephos ist die griechische Version des Namens einer uranatolischen Vegetationsgottheit namens Telibinu. Telephos´ Sohn Eurypylos war laut Homer Führer der Keteier (nach dem um 600 schreibenden Lyriker Alkaios ein älterer Name für die Mysier) und Bundesgenosse des Priamos. Auch die Lyder - zweifelsfrei ein anatolisches Volk, dessen homerische Bezeichnung "Maionier" luwisch ist und die ältere Bezeichnung darstellt - sind mit den Mysiern verwandt.

Das Ganze deutet eher darauf hin, dass es eine trojanisch-phrygische-lydische Kulturkontinuität gegeben hat. Laut Xanthos, unserer ältesten nichthomerischen Quelle zu Anatolien, sind die Phryger erst nach dem trojanischen Krieg eingewandert (aus Thrakien); wir haben es also bei Homer mit einer für Epen häufig anzutreffenden Vermischung von Zeithorizonten zu tun. Nichts desto trotz aber auch mit einem Hinweis, dass die Phryger NICHT zu den Seevölkern gehört haben können.

VG
Christian
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03.04.2013, 10:40
Beitrag: #66
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Wieso ist das ein Hinwei, daß die Phryger nicht zu den Seevölkern gehört haben können?
Oder verfolgst du die Theorie, daß es die Seevölker waren, die Troja zerstört haben- somit also die Mykener Bestandteil dre Seevölker waren?

ich frage jetzt einfach mal ganz blöd und verfolge damit auch keine besondere Theorie, es ist nur eine Frage.

Aber zunächst einmal zurück zu Troja: Warum sollten die Phryger nicht zu Trojas Verbündeten gezählt haben, auch wenn sie damals noch nicht nach Anatolien eingewandert waren?
Troja kontrollierte den Zugang zum Marmarameer, den Bosporus und dem schwarzen Meer. Sicherlich führten auch einige Handelsrouten von Troja in die Länder nördlich des Marmarameers und des schwarzen Meeres- also dem Herkunftsgebiet der Phryger.

Warum ist es also ausgeschlossen, daß die Phryger an der Seite der Trojaner gekämpft haben? Vor allem dann nicht, wenn der Trojanische Krieg nicht um die schöne Helena, sondern ebenb um Handelsrouten geführt wurde?

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Oscar Wilde
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03.04.2013, 10:44
Beitrag: #67
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Die Threadfrage war doch, ob die Phryger zu den Seevölkern gehört haben. Haben sie nicht.
Ebenso geistert durch die Forschung die These, dass Troja gar nicht von Griechen, sondern eben von Seevölkern zerstört worden sei, Homer also irrte. Wären die Phryger Teil der Seevölker gewesen, hätten sie Troja mit zerstören müssen. Haben sie aber nicht, sie gehörten also aus einem weiteren Grund nicht zu den Seevölkern.

Das wollte ich eigentlich nur sagen.

VG
Christian
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03.04.2013, 11:04
Beitrag: #68
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Ich glaube nicht, daß Troja durch die Seevölker zerstört wurde- ich ziehe viel eher in Betracht, daß die Trojaner zu den Seevölkern gehörten...
Es gibt durchaus Hinweise darauf- so wird eines der Seevölker als "Tekker" bezeichnet. Die Bezeichnung für die Menschen aus Troja nach dem trojanischen Krieg lautete aber "Teuker"...
Aber das muss ich noch ein bißchen nachprüfen, deswegen werde ich das jetzt auch noch nicht so vehement verteidigen, falls du es in der Luft zerreißt...Big Grin

Und wenn tatsächlich die Trojaner zu den Seevölkern gehört haben, dann könnten auch die Phryger mitdabei gewesen sein....

Laß uns einfach mal kruz spekulieren- wenn die Trojaner mit bei den Seevölkern dabei waren, dann könnte der trojanische Krieg geführt worden sein, um die Seevölkerinvasion zu stoppen.
Was ich für eine ganz reizvolle, wenn natürlich auch sehr gewagte und höchst spekulative Überlegung halte.

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03.04.2013, 11:47
Beitrag: #69
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(03.04.2013 11:04)Bunbury schrieb:  Ich glaube nicht, daß Troja durch die Seevölker zerstört wurde- ich ziehe viel eher in Betracht, daß die Trojaner zu den Seevölkern gehörten...
Es gibt durchaus Hinweise darauf- so wird eines der Seevölker als "Tekker" bezeichnet. Die Bezeichnung für die Menschen aus Troja nach dem trojanischen Krieg lautete aber "Teuker"...
Aber das muss ich noch ein bißchen nachprüfen, deswegen werde ich das jetzt auch noch nicht so vehement verteidigen, falls du es in der Luft zerreißt...Big Grin

Bitte, mach ich doch gerne. Dazu brauch ich bloß Tante Wiki:
http://de.wikipedia.org/wiki/Sikeler
Wink

(03.04.2013 11:04)Bunbury schrieb:  Und wenn tatsächlich die Trojaner zu den Seevölkern gehört haben, dann könnten auch die Phryger mitdabei gewesen sein....

Dann schon. Aber: "WENN"!!

(03.04.2013 11:04)Bunbury schrieb:  Laß uns einfach mal kruz spekulieren- wenn die Trojaner mit bei den Seevölkern dabei waren, dann könnte der trojanische Krieg geführt worden sein, um die Seevölkerinvasion zu stoppen.
Was ich für eine ganz reizvolle, wenn natürlich auch sehr gewagte und höchst spekulative Überlegung halte.

Dann hätten die Mykener im Sinn gehabt, quasi den Seevölkern den Durchgang ins Mittelmeer zu sperren...
Mja...
Reizvolle Spekulation, aber hast da auch was, was als Beweise oder auch nur als Hinweis dienen könnte??

VG
Christian
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03.04.2013, 13:37
Beitrag: #70
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Bleib doch lieber bei den nordschottischen Piktenstämmen.
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03.04.2013, 14:04
Beitrag: #71
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(03.04.2013 11:47)913Chris schrieb:  
(03.04.2013 11:04)Bunbury schrieb:  Laß uns einfach mal kruz spekulieren- wenn die Trojaner mit bei den Seevölkern dabei waren, dann könnte der trojanische Krieg geführt worden sein, um die Seevölkerinvasion zu stoppen.
Was ich für eine ganz reizvolle, wenn natürlich auch sehr gewagte und höchst spekulative Überlegung halte.

Dann hätten die Mykener im Sinn gehabt, quasi den Seevölkern den Durchgang ins Mittelmeer zu sperren...
Mja...
Reizvolle Spekulation, aber hast da auch was, was als Beweise oder auch nur als Hinweis dienen könnte??

VG
Christian

Momentan erst mal nicht viel mehr als den Hinweis, daß die Seevölker als Bund verschiedener Völker beschreiben werden und nach Ansicht einiger Forscher in Anatolien ihren Anfang nahmen- und das dasgleiche auf das trojanische Bündnis zutrifft...

Letztendlich ist die Ursache des trojanischen Krieges reine Spekulation- es sei denn man nimmt Homer ernst und glaubt, daß dieser ganze Krieg nur deshlab begonnen wurde, weil ein trojanischer Königssohn einem achaiischen König die Frau ausgespannt hat..

Was es an Hinweisen auf einen Handelskrieg zwischen Troja und Mykene gibt, steht nicht im Widerspruch zu der Annahme, daß die Anatolier zuerst angefangen haben könnten...

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03.04.2013, 14:19
Beitrag: #72
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(03.04.2013 13:37)Harald1 schrieb:  Bleib doch lieber bei den nordschottischen Piktenstämmen.

Die Moderation mag mich verbessern, wenn ich mich irre, aber soweit ich mich recht entsinne, soll dies ein Forum sein, in dem historische Fragen diskutiert und erörtert werden.

Um das altbekannte wiederzukauen braucht es kein Forum- da haben wir gegen Tante Wiki eh keine Chance.

Es zwingt dich keiner, meine Beiträge zu lesen- du kannst mich gerne auf die Ignorierliste setzen. Wär mir bei deinen diskussionsbereichernden Kommentaren macnhmal sogar lieber....Wink

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03.04.2013, 14:51
Beitrag: #73
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(03.04.2013 14:04)Bunbury schrieb:  Momentan erst mal nicht viel mehr als den Hinweis, daß die Seevölker als Bund verschiedener Völker beschreiben werden und nach Ansicht einiger Forscher in Anatolien ihren Anfang nahmen- und das dasgleiche auf das trojanische Bündnis zutrifft...

Laut Wikipedia spricht sogar noch einiges mehr für die These, die Seevölker könnten aus dem mykenischen Einflussbereich stammen - was Italien und Anatolien mit einschließt...

VG
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03.04.2013, 21:39
Beitrag: #74
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Bei Wikipedia bin ich da sehr vorsichtig- da kann morgen nämlich schon wieder etwas anderes stehen. ist zumindest meine Erfahrung gerade in dieser Sache...

Aber WDPG hat immer noch nicht verraten, wie er und Luki auf den Gedanken gekommen sind, die Phryger könnten Bestandteil der Seevölker gewesen sein.
Einfach nur, weil sie am Ende da saßen, wo vorher die Hethiter waren?

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04.04.2013, 11:33
Beitrag: #75
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(03.04.2013 21:39)Bunbury schrieb:  Aber WDPG hat immer noch nicht verraten, wie er und Luki auf den Gedanken gekommen sind, die Phryger könnten Bestandteil der Seevölker gewesen sein.
Einfach nur, weil sie am Ende da saßen, wo vorher die Hethiter waren?

Das wir darüber gesprochen haben war schon etliche Zeit lang her. Ich kam ehrlich gesagt aus dem von dir geschriebenen Grund auf den Gedanken. Die Phryger folgten den Hethitern nach, OK bis sie ein größere Reich bildeten dauerte es etwas, aber der zeitliche Abstand vom Ende der Hethiter und der Besiedlung durch die Phryger ist nicht so gigantisch groß.
Da kam mir der Gedanke das, dass ja eine Möglichkeit sein könnte. Eine die man hier (eigentlich damals noch im alten Forum, wo ich die Frage dann aber nie gestellt habe) mal reinstellen kann.

Das war eigentlich der ganze Hintergrund.
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04.04.2013, 12:38
Beitrag: #76
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(03.04.2013 21:39)Bunbury schrieb:  Bei Wikipedia bin ich da sehr vorsichtig- da kann morgen nämlich schon wieder etwas anderes stehen. ist zumindest meine Erfahrung gerade in dieser Sache...

Tscha, das is halt bei Tante Wiki so. Aber ich hab mir mal eine Literaturangabe aus dem Seevölker-Artikel zur Brust genommen (http://www.salimbeti.com/micenei/sea.htm).
Die werden die einzelnen Seevölker sehr detailliert beschrieben.

Die Schardana etwa.

Sie tauchen seit der Amarna-Zeit immer wieder in den ägyptischen Quellen auf. Unter Echnaton sind sie Teil der ägyptischen Garnison von Byblos. Unter Ramses II. sind sie Teil der bei Kadesh eingesetzten Söldner und sogar der Leibgarde Ramses´ II. Unter Merenptah werden sie zuerst als Teil der Seevölker bezeichnet (wobei diese Bezeichnung so allgemein ist, dass es durchaus nicht ausgeschlossen ist, dass die Ägypter nicht immer dieselben Völker mit der Bezeichnung meinten...) und greifen Ägypten zusammen mit libyschen Stämmen an. Sie werden anschließend im Delta angesiedelt, konnten also wohl von den Ägyptern nicht wirklich geschlagen werden, auch wenn Merenptah in seiner Inschrift in alter pharaonischer Tradition das Gegenteil behauptet. Unter Ramses III., der die "finale Schlacht" gegen die Seevölker zu Land und zur See schlägt, sind die Schardana wieder unter den Feinden der Ägypter, oft zusammen mit Peleset/Philistern abgebildet.
Etwa 1100 v.Chr. sind die Schardana zum letzten Mal in ägyptischen Inschriften überliefert, und zwar als eines der Völker, die Phönizien bewohnen.
Aus Ugarit haben wir eine Nachricht, nach der ein Vater eines Schardana einen semitischen Namen trägt. Auch stellen die Ägypter die Schardana so dar, wie sie üblicherweise Semiten darstellen. Die Dolchschwerter der Schardana erinnern ebenfalls an östliche, semitische oder hurritische Vorbilder.
Darüber hinaus ist überliefert, dass die Schardana wie auch die Ekwesh und Schekelesch beschnitten waren, anders etwa als die Philisiter/Peleset, die in der Bibel geradezu das Paradebeispiel für Nichtbeschnittene darstellen.

All das legt nahe, dass die Ägypter die Schardana als semitisches Volk der Levanteküste kannten.

Nun gibt es aber Hinweise, dass die Schardana eventuell nicht aus der Levanteregion stammten. Sie tragen auch Schwerter und Schilde, die an ägäische oder anatolische Vorbilder erinnern, dito ihre Lamellenpanzer. Ihr Name taucht in der namenkundlichen Überlieferung Westanatoliens wiederholt auf, und zwar interessanterweise ausgerechnet in der Region, die später von Lydern bewohnt wird (die ldische Hauptstadt heißt Sardis, es gibt dort einen Berg namens Sardena, eine Ebene von Sardanion und eine Bevölkerungsgruppe der ionischen Küste, die als kampfkräftig bezeichnet wird, namens Sardonier.
Es könnte nun sein, dass die Schardana ursprünglich eine Sölndertruppe aus dem Ägäisraum und/oder aus Westanatolien waren, die den Ägyptern über Generationen hinweg als Söldner dienten und sich in der Zeit ihrer Anwesenheit in der Levante derart akkulturierten, dass sie von den Ägyptern für Semiten gehalten wurden.

Die Verbindung ins westliche Mittelmeer stellt sich im Lichte der zitierten Homepage so dar, dass von Sardinien und Korsika die einzigen Belege für Hörnerhelme stammen und auch der Name Sardinien auf die Schardana hinedeutet. Die Belege sind in erster Linie Menhire, die Hörner(-helme) tragen und die aus der Zeit zwischen 1400 bis 1000 v.Chr. stammen. Mit einer 200jährigen Pause (während der sich offenbar die Nuraghen-Kultur entwickelt!) tauchen dann auf Sardinien kleine Bornzestatuetten auf, die eindeutig Hörnerhelme sowie die schon Jahrhunderte zuvor von den Ägyptern dargestellten Rundschilde tragen. Eine phönizische Inschrift ("Stele di Nora") aus dem 8.Jh. nennt die Einwohner Sardiniens "srdn", was unter Hinzufügung der in dieser Konsonantenkombination üblichen Vokale "Sardana" ergibt...
Andererseits sind von Zypern (Enkomi) und aus Mykene Darstellungen von Hörnerhelmen aus dem 12.Jh.v.Chr. belegt, also aus der Zeit kurz nach den Seevölkerangriffen.
Besonders aufgrund der Hörnerhelme wird kaum bezweifelt, dass da eine Verbindung besteht zwischen dem Ägäisraum, den Schardana und Sardinien. Aber welche? Am logischsten erscheint mir, dass Schardana aus dem östlichen Mittelmeer ins westliche gekommen sind und sich hier angesiedelt haben. Wenn die Schardana Verbündete der Libyer gewesen sind, wäre der Schritt auf die Inseln des westlichen Mittelmeers nicht mehr weit gewesen. Und nach der Niederlage gegen die Ägypter könnten sich Teile der Schardana in Phönizien pder bei den Philistern angesiedelt haben, während andere Teile ins westliche Mittelmeer gezogen sind.

Da die Schardana beschnitten waren - im westlichen Mittelmeer absolut unüblich - und da sie von den Ägyptern wie Semiten dargestellt werden, ist es m.E. wahrscheinlich, dass die Schardana nicht von Sardinien gekommen sind, sondern dahin gewandert sind.

VG
Christian
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04.04.2013, 16:26
Beitrag: #77
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Peleset und Danuna

Im Unterschied zu den Schardana tauchen die Peleset erst in den ägyptischen Inschriften auf, als sie z.Zt. von Ramses III. im Verbund mit anderen Seevölkern Ägypten angriffen. Sie gehörten sowohl zur Land- wie auch zur Seestreitmacht der Seevölker. Mit ihnen können allerdings auch schon einige Söldner identifiziert werden, die unter Ramses III. zusammen mit Schardana und Danuna als ägyptische Söldner gegen die Libyer kämpften. Aus der Darstellung in Medinet Habu tragen die Peleset wie auch die Danuna Rundschilde mit metallenen Schmuck- oder Verstärkungsscheiben auf der Außenseite, lange Schwerter (die quer auf dem Rücken getragen werden) und lange Speere oder Lanzen, dazu die berühmten „Federkronen“-Helme, die in einigen Fällen nicht nur den Kopf, sondern auch Wangen und Nacken schützen. Solche Helme bestanden wohl aus Ringen aus Leder oder Metall, in die Strohbüschel oder auch echte Federn gesteckt wurden. Sie sind bis Sardinien nachgewiesen, hauptsächlich jedoch während der Bronzezeit und der frühen Eisenzeit im Bereich des Nahen Ostens und des östlichen Mittelmeers.
Außerdem werden sie in Medinet Habu gezeigt, wie die Peleset (im Kampf gegen Schardana-Söldner des Pharaos!) auf Streitwagen nahöstlicher Bauart kämpfen. Das Interessante an dieser Darstellung ist, dass die Peleset nach mykenischer Art mit Speer und Schwert bewaffnet kämpfen und nicht nach nahöstlicher Art mit Pfeil und Bogen. Offenbar haben die Peleset die mykenische Kampfweise mit den nahöstlichen Streitwagen verbunden, was voraussetzt, dass sie eines von beiden schon vorher kannten und dann lange genug im Bereich der anderen Kampfweise lebten, um beides kombinieren zu können.
Auf einer vereinzelten Darstellung in Medinet Habu erkennen wir jedoch auch einen namentlich als solchen bezeichneten gefangenen Peleset, der NICHT den typischen Federhelm trägt, sondern nur eine den Oberkopf bedeckende Kappe. Es waren also wohl unterschiedliche Kopfbedeckungen bei den Peleset üblich, wenn man nicht davon ausgeht, die Kappe des gefangenen Peleset sei etwa eine Art Unterlage für den Federhelm, der in diesem Fall abgenommen worden ist.
Die Rüstungen, die die Peleset auf den Darstellungen von Medinet Habu tragen, erinnern zum Teil an kretische und ägäische Bronzerüstungen, zum Teil aber auch an die Lamellenrüstungen der Schardana.
Auch die Schiffe der Peleset wie auch der übrigen Seevölker haben große Ähnlichkeit mit ägäisch-mykenischen Schiffen, auch wenn die Ruder, die diese Schiffe zweifellos hatten, nicht gezeigt werden. Sie waren wohl aufgrund der Schlachtsituation im Schiffsinneren untergebracht. Wenn die Peleset sowie die anderen seefahrenden Seevölker daher nicht gleich als mykenische Griechen identifizert werden müssen, dann doch zumindest als Völker, die aus dem Einflussbereich der mykenischen Kultur stammen müssten oder sich mindestens beim Durchzug durch die Ägäis so viel Zeit gelassen haben müssen, dass sie die Schiffsbautechniken der Mykener übernehmen konnten.

Schon Champollion identifizierte die Peleset als die biblischen Philister, die in den fünf Städten Aschdod, Askalon, Gaza, Ekron und Ghat siedelten. Diese Städte waren alle vor dem Seevölkersturm unter ägyptischer Kontrolle, die Peleset wurden also wohl dort mit der (mehr oder weniger erzwungenen) Erlaubnis der Ägypter angesiedelt. Außerdem schreibt Ramses III. explizit, er habe die Peleset „in seinen Festungen“ angesiedelt.
Die Philister beherrschten dank ihrer militärischen Überlegenheit und ihrem regionalen Eisenmonopol über die eingesessene Bevölkerung auch das Hinterland ihrer „Dekapolis“ (wohl in Absprache mit dem Pharao, der sie als seine „Vasallen“ bezeichnete) und lieferten so den Hintergrund zu den in der Bibel überlieferten Geschichten über Kampf, aber auch Zusammenarbeit zwischen dieser eingesessenen Bevölkerung, die sich aus mow nomadischen Hebräern und städtisch siedelnden Kanaanitern zusammen setzte.
Wer waren nun Peleset und Danuna? Die Peleset sind recht zuverlässig mit den Philistern identifizert, wie oben schon erwähnt. Die Danuna könnten mit den homerischen „Danaern“ zusammenhängen. Wo aber kamen diese Völker her?
Homer erwähnt verschiedene Male die „Pelasger“. Sie sollen sowohl in Thrakien wie auch auf Kreta und den ägäischen Inselns gewohnt haben. Weiterhin gibt die Bibel die Auskunft, die Philister seien von Kreta gekommen, wobei für die Zeit Salomos (laut Bibel die Zeit zwischen 1000 und 900 v.Chr., also die Jahrhunderte unmittelbar nach dem Seevölkersturm) davon gesprochen wird, dass Söldner aus „Kreti und Pleti“ in der königlichen Leibwache dienten. Kreter und Peleter müssten also zwar beide von Kreta gekommen sein, aber doch noch unterschiedlichen Charakter gehabt haben. Die Dorer, die in historischer Zeit Teile Kretas bewohnten, kamen aber erst ab ca. 1000 v.Chr. auf die Insel und fallen als etwaige Vorfahren der Peleset weg. Dennoch belegt die große Ähnlichkeit der Keramik der Philister mit der Keramik, die auf Kreta und in der Ägäis bis nach Troja in der Späthelladisch-IIIC genannten Zeitstufe verbreitet ist (also um 1190, genau in der Zeit, in der der Seevölkersturm stattfand, bis etwa 1030 v.Chr.), dass die Philister tatsächlich vor ihrem Eintreffen in Palästina im Bereich der griechisch-kretischen Kultur gelebt haben müssen.
Das müsste allerdings schon um 1700 v.Chr., also lange vor dem Seevölkersturm, der Fall gewesen sein, denn auf dem sog. Phaistos-Disk ist ein Schriftzeichen, das einen Federhelm darstellt. Den minoischen Kretern war also diese Art von Helm schon bekannt. Auch ist auf Kreta eine Staue ausgegraben worden, die aus dem 13. bis 12.Jh.v.Chr. stammt und ebenfalls eine Federkrone trägt. Von Malta ist eine Puppe ägyptischer Herkunft bekannt, die eine Federkrone trägt, aufgrund der Gesichtsgestaltung jedoch eher als Karikatur angesprochen wird denn als naturalistische Darstellung.
Eine andere kretische Helmart ist belegt durch einen Fund, der auf etwa 1200 v.Chr. datiert wird, also mitten in die Seevölkerzeit fällt. Dieser Helm ist aus metallenen Bändern aufgebaut, die übereinander und im Wechsel mit Ornamentbändern angeordnet sind und so einen zylinderähnlichen Helm ergeben, der an eine Tiara erinnert – und an Darstellungen von Seevölkerhelmen aus Medinet Habu.
Einen weiteren Hinweis auf eine Herkunft der Philister aus dem Ägäisraum oder auch aus Anatolien liefern Särge der Philister, die in Palästina ausgegraben worden sind. Diese Särge sind so gestaltet, dass sie an menschliche Figuren erinnern. Sie tragen Gesichter mit Federkronen auf der Außenseite. Die Gestaltung der Gesichter erinnert an die sog. „Maske des Agamemnon“, die Schliemann in Mykene ausgrub.
Die Philister lebten also sehr wahrscheinlich seit der mykenischen Zeit im griechischen Bereich. Wenn sie nicht hier als Volk entstanden sind, müssen sie mindestens lange Zeit hier verbracht haben und sich von den mykenischen Griechen kulturell einiges abgeschaut haben. Sie gelangten dann irgendwie nach Anatolien und von dort im Gefolge der restlichen Seevölker bis Ägypten, wo sie von den Ägyptern schließlich angesiedelt wurden.

Bei den Danuna, deren Name mitunter auch als „Denyen“ gelesen wird, sind wir auf noch viel mehr Spekulationen angewiesen als bei den Peleset. Sie könnten wie gesagt mit den homerischen „Danaern“ gleich gesetzt werden. Aus ägyptischen Inschriften und aus den Amarna-Briefen sind uns die „Danunäer“ überliefert, wahrscheinlich sind Denyen, Danaer und Danunäer drei Bezeichnungen für das gleiche Volk. Nach der ägyptischen Darstellung gibt es in Griechenland eine Landschaft namens „Danaja“, zu der Mukana (Mykene), Deqis (Theben), Mişana (Messenenien), Nuplija (Nauplion), Kutira (Kythera) und Weleja (Elis) gehören sowie wahrscheinlich auch der Ort Amukla (Amyklai), der aber später aus unbekannten Gründen wieder aus der ägyptischen Liste gestrichen wurde. Dazu würde passen, dass die Griechen die Danaer von einem mythischen Stammvater „Danaos“ ableiten, der Herrscher über die Argolis im Nordosten der Peloponnes gewesen sei. Gleichzeitig wäre dann Danaos im Zentrum der Landschaft gesessen, die von den Ägyptern als „Danaja“ bezeichnet wurde und die von Theben im Norden bis zur Insel Kythera südlich der Peloponnes reichte.
Dagegen sprechen nun aber ausgerechnet ägyptische Quellen, die berühmten Amarna-Briefe aus der Zeit Echnatons, die schon im 14.Jh.v.Chr. ein Volk mit dem akkadischen Namen „Danuna“ im Süden von Anatolien in der Ebene von Adana verorten. Der König des nordsyrischen Stadtstaates Ja´udi erwähnt um 800 v.Chr., dass ein „Danunäer-König“ als Großkönig über die ganze Region geherrscht habe, wobei sein Land noch zur Zeit seines Vaters anderen Herrschern unterstanden hätte. Im 14.Jh. v.Chr. war die Region zum hethitischen Reich gehörig, allerdings „nur“ in der Form eines Vasallenkönigreichs (Kizzuwatna). Der König von Ja´udi war dann dem König von Que (dem Nachfolgestaat von Kizzuwatna!) unterworfen, dessen Hauptstadt das spätere Adana war, der also wohl als „Danunäer-König“ angesprochen war.
Von Kizzuwatna aus nun startete der Untergang des hethitischen Großreichs, denn hier herrschte ein Onkel des vorletzten Hethiterkönigs, der seinen Neffen vom Thron stürzte und selbst die Herrschaft übernahm. In diese Thronstreitigkeiten hinein platzten die Seevölker und brachten dem geschwächten Großreich den Untergang.
Das passt aber nicht zu der Nachricht, dass „Danuna“ zu den Seevölkern gehört hatten, außer, man geht davon aus, dass anatolische Danuna und griechische Danajer von Ramses III. gleichgesetzt wurden. Möglich auch, dass griechische Danajer zu den Seevölkern gehört hatten, die die hethitisch-ugaritische Flotte vor Zypern schlugen und dass sich nach dem Untergang der Hethiter wie auch Ugarits anatolische Danuna den Seevölkern anschlossen, und dass dann aufgrund der Namensähnlichkeit beide Völker von den Ägyptern nicht mehr unterschieden wurden. Gegen diese Alternative wiederum spricht, dass die Danuna in Medinet Habu einheitlich dargestellt werden, was bei der Herkunft eines Teils der Danuna aus Griechenland und eines anderen Teils aus Anatolien wohl schwer möglich gewesen wäre.

VG
Christian
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04.04.2013, 19:03
Beitrag: #78
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Tjeker / Sikuler / Sikeler

Die Bezeichnung Tjeker für einen Teil der Seevölker findet sich in Medinet Habu in der monumentalen Inschrift, die Ramses III. anlässlich seines Kampfes gegen die sog. Seevölker verfassen hat lassen. Die Schwierigkeit bei der Identifizierung der Tjeker bzw. Sikeler liegt darin, dass die ägyptische Schreibung sowohl als „tkr“ als auch als „skl“ gelesen werden kann. Die Bezeichnung „Sikeler“ ist sogar die eigentlich üblichere gewesen; nur auf neuägyptisch lässt sich das Wort auch als „Tjeker“ lesen. In Keilschrift ergibt sich „Sikeler“, was auch die Griechen so übernahmen. Die Sikeler sind dabei nicht zu verwechseln mit der Urbevölkerung Siziliens, wobei allerdings Querverbindungen nicht unmöglich sind, denn die Seevölker-Sikeler/Tjeker könnten nach der Niederlage gegen die Ägypter sehr wohl mindestens teilweise Richtung Westen gewandert sein und auf Sizilien gelandet sein.

Die Tjeker werden in Medinet Habu zusammen mit den Peleset am häufigsten dargestellt, sie scheinen also eine der größten Gruppen innerhalb der Seevölker gewesen zu sein. Sie sind neben den Peleset und den Danuna die einzigen, die sowohl an der Land- wie auch an der Seeschlacht beteiligt sind. Sie benutzten eine ganz ähnliche Keramik wie die Peleset/Philister, scheinen also wie sie auch im kretisch-ägäischen Raum gelebt zu haben bzw. von dort zu stammen. Wie bei den Peleset auch deuten gewichtige Hinweise Richtung Kreta; die Tjeker werden daher manchmal als auch möglicherweise eteokretisches Volk angesehen. Aus Zypern stammen Darstellungen von Kriegern, die nahe legen, dass die Tjeker hier zumindest zeitweise gesiedelt haben. Die Art, wie die „Schilfblatt-Helme“ der Tjeker in Medinet Habu dargestellt werden, erinnert an mykenische Helme, wie sie z.B. auf der berühmten „Kriegervase“ abgebildet sind. Die Tjeker kämpften mit kurzen Schwertern, runden Schilden und langen Speeren. Sie sind auf den Darstellungen in Medinet Habu ganz ähnlich dargestellt wie die Schekelesch und die Weschwesch, jedoch mit deutlich hellerer Hautfarbe.
Bedeutsam im Zusammenhang mit den Tjekern ist nun, dass sie als einziger Teil der Seevölker auch in einer Quelle ausführlich erwähnt werden, die nicht im Zusammenhang mit dem Seevölkersturm steht: Im sog. „Reisebericht des Wenamun“ aus dem 11.Jh.v.Chr. reist der Titelheld in die Stadt Dor, die er als „Stadt der Tjeker“ bezeichnet, im heutigen Nordisrael und trifft dort auf einen Stadtfürsten namens „Beder“. Dieser Beder ist somit der einzige Angehörige der Seevölker, der uns namentlich bekannt ist. Schon Mitte des 11.Jh.v.Chr. wurde Dor zerstört (vermutlich von den aufstrebenden Phöniziern), seitdem fehlt jede Nachricht über den Verbleib der Tjeker. Allerdings sind die archäologisch feststellbaren Spuren der Tjeker in Dor auch zuvor schon eher spärlich, so dass zwar auf ihre Anwesenheit in Dor geschlossen werden kann, aber sie stellten keinesfalls die Bevölkerungsmehrheit.

Woher könnten nun die Tjeker gekommen sein? Lange wurde vermutet, sie könnten aus der Gegend von Troja gestammt haben, denn dort ist ein Volk der „Teukrer“ überliefert. Von der Stadt Salamis auf Zypern ist überliefert, dass sein mythischer Gründer „Teuker“ hieß.
Auch ihrer Keramik und Waffenausstattung nach steht zu vermuten, dass die Tjeker irgendwo aus dem Ägäisraum kommen.

Zählt man alle Hinweise zusammen, ergibt sich folgendes Bild:
Ein möglicher Weg der Tjeker, der sie schlussendlich nach Dor in Kanaan geführt haben könnte, führt von der Troas oder Griechenland über Zypern und/oder Kreta nach Dor. Die Tjeker waren wohl tatsächlich auf Landsuche, sonst hätten sie sich nicht zu Land und zu Wasser auf Ägypten zubewegt (was im Übrigen auch für die Peleset und die Danuna gilt) und sie waren zwar zahlreich in der Schlacht gegen die Ägypter vertreten, aber sie waren nicht so viele, als dass sie in Dor mehr als die herrschende Oberschicht stellen konnten.
Eventuell sind auch Teile der Tjeker ins westliche Mittelmeer gewandert (zusammen mit Teilen der Schardana?) und haben sich dort auf Sizilien niedergelassen, wobei allerdings die Griechen überliefern, die Sikuler Siziliens seien aus Italien gekommen. Eine solche Wanderung könnte allerdings erklären, warum die Tjeker in Medinet Habu als sehr zahlreich dargestellt werden und dann in Dor offenbar nur wenige sind.

VG
Christian
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04.04.2013, 23:29
Beitrag: #79
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Erst mal Danke für die vielen Infos.

Das alles läßt ja jetzt ein paar interessante Schlussfolgerungen zu, findest du nicht auch?
Damit kann man doch noch ein bißchen spielen, wenn du Lust hast. Wink Habe die nächsten zwei tage vermutlich keine Zeit, aber dann komme ich noch mal darauf zurück...Smile

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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05.04.2013, 12:47
Beitrag: #80
RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Man sollte nicht mit der heutigen Weltkarte im Kopf denken. Man liess sich dort nieder,wo man unangefochten gut leben konnte und hatte keinen Grund dann weiterzuziehen. Ein übergreifendes und abgesprochenes strategisches Konzept, Ägypten von 3 Seiten (W,E, zur See - nur die Nubier von S fehlen noch) anzugreifen, gab es bestimmt nicht.

Das gilt im Grunde für alle "Völkerwanderungen".

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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