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Antikommunismus, die "Grundtorheit unserer Epoche"
06.08.2012, 13:15
Beitrag: #58
RE: Antikommunismus, die "Grundtorheit unserer Epoche"
(27.07.2012 18:35)Renegat schrieb:  Wenn wir heute in der Nachschau eine antikommunistische Linie von den Sozialistengesetzen bis 1989 ziehen, urteilen wir pauschal, da scheinen sich ja alle Poster einig zu sein.
Andererseits sind die Gründe fast immer ähnlich gewesen. Nach der unvollständigen 1848 Revolution und den Umwälzungen der Industriealisierung war nach wie vor die Frage der Verteilungsgerechtigkeit offen. Der theoretische Kommunismus nach Marx und Engels lieferte darauf eine Antwort. Es gab viele, die wenig bis nichts hatten und wenige bei denen sich Kapital und damit Macht und Einfluss häuften. Dazwischen befand sich eine labile Mittelschicht, die vage Hoffnung hatte, zumindest halbwegs zu etwas Wohlstand zu kommen und diesen behalten zu können.
Dass die Besitzenden nie Freunde des Kommunismus waren, muß man erwarten, während der Kaiserzeit genauso wie während der Weimarer Republik und in der Nachkriegszeit. Die Besitzenden hätten unter einem kommunistischen System Reichtum und Macht abgeben müssen und das ohne eigenen Einfluß.
Ihre Strategie, einerseits durch Gewährung einer moderaten Teilhabe Anreize zu schaffen und andererseits die Systemalternative schlecht zu reden, finde ich folgerichtig.
(27.07.2012 19:35)Renegat schrieb:  [quote='Dietrich' pid='5504' dateline='1343408394']

Eine Gesellschaftslehre, die Gleichheit und Gerechtigkeit auf ihre Fahnen geschrieben hat, muss ihre Richtigkeit irgendwann auch in der Praxis beweisen. Und wie wir wissen, ist sie damit grandios gescheitert. Erfolgreich war das spätkapitalistische Konzept einer sozialen Marktwirtschaft - bei allen Unzulänglichkeiten - und nicht der Kommunismus.

Der real existierende Sozialismus konnte nach 1945 überall im Osten besichtigt werden und er hat die Menschen nicht dazu veranlssen können, ihn zu preisen oder gar freiwillig zu übernehmen.
Darum ging es in diesem Thema nicht, sondern um den Antikommunismus als Grundtenor einer Epoche. Im Vorbeitrag 20 habe ich versucht zu erklären, warum ich nach einigem Nachdenken inzwischen meine, dass es diesen Grundtenor gegeben haben muß, einfach weil der Kommunismus zwangsläufig den massiven Widerstand der besitzenden Eliten hervorrufen mußte und als erste Abwehrmaßnahme kann man doch immer befürchtende, schwarzmalende Kritik erwarten. Das ist eine Binsenweisheit, von deswegen würde ich auch nicht von "Grundtorheit" sprechen. Für die Eliten war es sicher keine solche, sondern eine erfolgreiche Strategie.
Und wenn die Mittelschicht dadurch größer wurde und mehr profitiert hat und es selbst der Unterschicht noch relativ gut ging, dann hat sich diese Strategie für alle gelohnt.
Manchmal frage ich mich eben, ob wir die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft verzeichnen könnten, wenn es nicht auf der anderen Seite des Vorhangs das Gegenmodell gegeben hätte. Die aktuellen Auflösungstendenzen bestärken eher meine Zweifel.

(28.07.2012 20:01)Renegat schrieb:  
(28.07.2012 17:03)Suebe schrieb:  sie beschäftigen sich mehr mit dem "Durchhalten" der "Arbeiterklasse" bis zum bitteren Ende.

Zeigt aber sehr deutlich, dass der Kommunismus 1949 keine ernstzunehmende Alternative war.

Klar, 1949 bestimmt nicht mehr und dafür gab es neben den genannten weitere Gründe. Alle Deutschen und bes. Kriegsheimkehrer wußten doch, dass sie diesen Krieg begonnen und verloren hatten. Sie erwarteten keine gnädigen Sieger, schon gar nicht aus Ländern wie Rußland und Frankreich, die sie überfallen hatten. Von den USA war am wenigsten Rache zu erwarten und da die aus Weltmachtkonkurrenzgründen Verbündete suchten und auch bereit waren, diese durch Kredite zu fördern, war den Deutschen aus allen Schichten doch klar, auf wessen Seite sie sich zu schlagen hatten.
Das meinte ich doch mit der Antikommunismusstrategie "Zuckerbrot und Peitsche", auf der einen Seite Ängste vor dem Osten schüren und andererseits selber so viel Angst vor einer Revolution haben, dass die Brosamen durchaus etwas dicker ausfielen und das ganze hieß "Soziale Marktwirtschaft.
Deshalb meine ich doch, dass wir mit dem Antikommunismus ganz gut gefahren sind und dass er uns jetzt fehlt.

(29.07.2012 12:06)Renegat schrieb:  
(28.07.2012 20:01)Renegat schrieb:  Das meinte ich doch mit der Antikommunismusstrategie "Zuckerbrot und Peitsche", auf der einen Seite Ängste vor dem Osten schüren und andererseits selber so viel Angst vor einer Revolution haben, dass die Brosamen durchaus etwas dicker ausfielen und das ganze hieß "Soziale Marktwirtschaft.
Deshalb meine ich doch, dass wir mit dem Antikommunismus ganz gut gefahren sind und dass er uns jetzt fehlt.

(29.07.2012 11:29)Suebe schrieb:  Jetzt verstehe ich Dich.Idea

Du meinst, "man" brauchte den Kommunismus als Antagonismus.
Siehe Spätmittelalter. Kaiser und Pabst
Als der eine als politische Kraft wegfiel, war mit dem anderen auch nichts mehr los.
Ja, genau so, hat theoretisch irgendwas mit Dialektik zu tun. Smile




(29.07.2012 11:29)Suebe schrieb:  Zu den Brosamen "Soziale Makrtwirtschaft" habe ich allerdings eine andere Meinung.
Schon der Erzkapitalist Henry Ford hat begriffen, dass der Arbeiter als Konsument eine überaus wichtige Größe ist.
Allerdings, und da gebe ich Dir recht, scheint man derzeit im Lohndumping Europa diese Weisheit vergessen zu haben.
Ja, dazu gibt es jede Menge Wirtschaftstheorien u.a. von Keynes http://de.wikipedia.org/wiki/John_Maynard_Keynes
Die kannten die Amerikaner natürlich auch, als sie nach dem 2.WK nach kurzer Agrarlandverwirrung beschlossen, keinen Rachefrieden zu riskieren, sondern Zuckerbrot zu verteilen, in Form von KFB-Krediten.
Ob sie das ohne den Antikommunismus auch gemacht hätten, weiß ich nicht, möchte ich auch nicht diskutieren.
Die BRD ist gut damit gefahren und heute fehlt uns dieser Gegenentwurf, manche sprechen vom entfesselten Kapitalismus. Die Fessel war auch Angst vor dem Kommunismus, deshalb war er keinesfalls eine Grundtorheit, sondern für breite Bevölkerungsschichten überaus nützlich.

(31.07.2012 09:32)Renegat schrieb:  Die Betrachtung des Antikommunismus als These "Konkurrenz der Systeme führt zur Verbesserung der Lebensverhältnisse breiter Schichten" ist schwer mit konkreten Fakten zu stützen.
Man kann die Geschichte diskutieren, indem man Ereignisse aus Geschichtsbüchern und Fachliteratur aufzählt, wie das hier und in anderen Themen zu den Ereignissen bes. der Weimarer Republik gemacht wurde. Das ist gut und richtig, ohne Kenntnis der Ereignisse, keine Abwägung.
Daneben frage ich mich aber immer nach den Beweggründen, die hinter diesen Fakten liegen.
Stimmungen, Ängste, Kräfteverhältnisse lassen sich selten objektiv messen und berechnen, bestimmen aber das Verhalten von Politikern, Wirtschaftslenkern, eigentlich aller Menschen viel mehr, als wir mit unserem Vernunftanspruch wahrhaben wollen.

Je länger die Ereignisse zurückliegen, desto schwieriger wird die Einschätzung solcher Gründe hinter den Ereignisfakten.
Ob man auch das frühe Mittelalter so betrachten kann, könnten wir in http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...hp?tid=173 diskutieren.


(30.07.2012 16:00)Renegat schrieb:  ...die Angst der Wirtschaft vor anderen Wirtschaftssystemen macht sie kompromißbereiter und stärkt die Arbeitnehmerseite.
(30.07.2012 16:44)Suebe schrieb:  Das einzige was die Stellung des Arbeitnehmers nachhaltig stärkt ist eine gute Beschäftigungslage.
Ein Grund ja, der einzige Grund nein. Solidarität, gute Organisation zur Stärkung der Marktmacht auf der Arbeitnehmerseite, stärkt auch die Stellung. Dabei hilft ein konkurrierendes System und nur das war die These.
Es ist doch auffällig, dass in dem Augenblick, als der Osten zusammenbrach, sich der Kapitalismus als Sieger ausrief. Und ein siegreiches System darf alles und hat immer Recht, sehr überspitzt formuliert.


(30.07.2012 16:44)Suebe schrieb:  Gesetze und Regelungen können da etwas "abfedern" aber nicht mehr.
Ja. Im Rausch des Systemsieges hat man gute Argumente, diese Gesetze zu umgehen (Zeitarbeit, christliche Gewerkschaften etc) oder zu ändern.

(06.08.2012 12:08)Annatar schrieb:  
(05.08.2012 21:42)Renegat schrieb:  Bei der These geht es nicht darum, ob der Realkommunismus oder was auch immer eine ernsthafte Konkurrenz war.
Angst ist nicht objektiv. Man könnte auch sagen, die Angst alles zu verlieren, macht freigiebiger bei den Peanuts.
Angst oder besser Respekt verschafft der Arbeitnehmerseite eine bessere Verhandlungsposition.
Es kann allderings nur etwas anst machen, was auch eine ernstzunehmende Konkurenz ist.
(05.08.2012 21:42)Renegat schrieb:  Deinen Einwand mit den Billigländern kann ich nachvollziehen, den demografischen Wandel nicht.
Warum ??

Hallo Annatar,
ich habe nochmal den Verlauf der betreffenden Diskussion zitiert, ich habe nämlich das Gefühl, dass wir uns im Kreis drehen.
Das oberflächlich richtige Argument, der Kommunismus konnte den besitzenden Eliten niemals Angst machen, weil er niemals eine wirkliche Konkurrenz war, erklärt nicht den kalten Krieg.
Nur wenn der Kommunismus niemals als konkurrierendes System empfunden worden wäre, hätte es subjektige Befürchtungen und deren Weichmachereffekt nicht gegeben, dann hätte dieser Effekt auch 1989 nicht wegfallen können, weil es ihn niemals gab.
Ich behaupte auch nicht, dass das Wegfallen dieses Effekts der einzige Grund für die Entfesselung des Kapitalismus ist.
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RE: Antikommunismus, die "Grundtorheit unserer Epoche" - Renegat - 06.08.2012 13:15

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