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Die Rettung Westroms:
21.02.2013, 06:02
Beitrag: #4
RE: Die Rettung Westroms:
Ich bin der Meinung, dass im 5. Jahrhundert die gesellschaftlichen Widersprüche im Weströmischen Reich schon soweit fortgeschritten waren, so dass dessen Untergang nicht mehr aufzuhalten war. Ob dies an der Niederschlagung des Spartakus-Aufstandes lag, bezweifele ich. Dessen Rolle sollte sicher beim Niedergang der Römischen Republik mehr hervorgehoben werden. Denn trotz der Sklavenarbeit erlebte das Römische Reich nach dem Spartakus-Aufstand eine Blütezeit, die allerdings im 5. Jahrhundert schon lange Geschichte war.

Dass es allerdings keine soziale Revolution bzw. dass es nicht ausreichend soziale Reformen gegeben hat, ist auf alle Fälle einer der Gründe des Untergangs Westroms. Der Übergang zum Christentum, die Einführung des Sonntags als arbeitsfreien Tag usw. waren nicht ausreichend, die soziale Grundfrage d.h. Abschaffung der Sklaverei blieb ungelöst. Zwar war die Sklaverei im 5. Jahrhundert nicht mehr die vorherrschende Produktionsweise, aber die soziale Lage eines Kolonen war auch nicht besser, obwohl er de jure Pächter eines Stücks Land war. Inwieweit der Rechtsstatus eines Hirten seit Spartakus sich geändert hat, weiß ich momentan nicht. Meiner Meinung war er auch im 5. Jahrhundert Sklave und sein Status unterschied sich nicht von dem der gehüteten Viehherden, z.B. Rinder.

Der Wohlstand der Städte ging trotz verschärfter Ausbeutung von Bauern, Kolonen, Sklaven oder städtischer Plebejer zurück. Die Massen waren verelendet, Reichtum und Armut polarisierten – auf der einen Seite die Großgrundbesitzer, die den Großteil der erwirtschafteten Einnahmen einbehielten, auf der anderen Seite die Armen, die von Steuerlasten erdrückt wurden. Diese Großgrundbesitzer waren oft nicht mehr bereit, dem Römischen Reich zu dienen. Nicht dass sie dekadent im Luxus schwelgten, aber sie verfolgten eigene Interessen, die im schlimmsten Fall sich gegen das Reich richteten. Man kann deshalb sagen, das fehlende oder mangelhafte Bewusstsein für einen starken Staat führte ebenfalls zum Untergang des Weströmischen Reiches. Inwieweit die Einführung des Christentums zum Verlust römischer Tugenden führte oder sich das Christentum erst nach dem schleichenden Verfall der altrömischen Werte behaupten konnte, ist meiner Meinung nach auch noch nicht richtig geklärt.

Das Reich schrumpfte allmählich, es bildeten sich auf ehemaligen Reichsgebieten germanische Reiche, wie z.B. das Vandalenreich oder das Tolosanische Reich der Westgoten. Das römische Heer wurde zwar zahlenmäßig vergrößert, es besaß jedoch nicht mehr die Kampfkraft vergangener Zeiten, z.B. der frühen Kaiserzeit (etwa von Augustus bis Trajan/Hadrian). Das lag sicher am hohen Anteil nichtrömischer Söldner. Sie wurden jedoch gebraucht, da die inneren und äußeren Konflikte Roms seit dem 3. Jahrhundert einen enormen Blutzoll gefordert hatten. Dies ist ebenfalls ein Grund des Untergangs Westroms, vielleicht sogar der wichtigste.

Infolge der Verheerungen der Hunnen lagen auch viele Felder auf dem Balkan, in Pannonien, Gallien oder Norditalien brach. Sklavenarbeit wurde unrentabel. Freie waren noch ideologisch in der Ächtung körperlicher produktiver Arbeit verhaftet. Ein weiteres Problem war die Entvölkerung der Städte und der Zerfall zentraler Strukturen. Lokale Machthaber (z.B. Bischöfe) beugten sich den gegebenen Machtverhältnissen. Ob das gemeinsame Christentum eine Verbindung zwischen Römern und Germanen schuf, oder der gegenseitige Vorbehalt aufgrund des katholischen und arianischen Bekenntnisses größer war, weiß ich nicht genau einzuschätzen. Ich kann mir jedenfalls vorstellen, dass ein städtischer Gallo-Römer die Sicherheit unter einem westgotischen oder später fränkischen König durchaus schätzte.

Ein weiterer Grund des Untergang Westroms lag auch daran, dass 330 die Hauptstadt von Rom nach Konstantinopel verlegt wurde. Konstantinopel wurde das Zentrum des Römischen Reiches, die Eliten lebten dort und der Aufbau der Stadt kostete immense Summen, die woanders fehlten. Gebiete wie Britannien, Gallien, Hispanien wurden entfernte Provinzen.

Spätestens mit dem Beginn der Völkerwanderung war das Schicksal des Weströmischen Reiches besiegelt. Die Niederlage von Valens bei Adrianopel (378) oder die Plünderung Roms durch Alarich (410), aber auch der Rückzug aus Britannien sind eindeutige Ereignisse, die beweisen, dass Westrom sich nicht mehr aus eigener Kraft verteidigen kann. Personifiziert wird dieser Sachverhalt durch den Heermeister Stilicho, der trotz seiner germanischen Herkunft ein loyaler Mann war. Von Ricimer kann man das nicht mehr so absolut sagen. Und deswegen sind Figuren wie Orestes oder Odoaker mehr oder weniger folgerichtig. Und war das Zurücknehmen des Limes in Obergermanien nicht schon im 3. Jahrhundert ein erstes Signal, das auf Verteidigungsdefizite hinwies?

Die alles entscheidende Frage ist jedoch, wieso ging neben dem Weströmischen nicht auch das Oströmische Reich unter? Ein Glücksumstand war sicher der Zerfall des Hunnenverbandes in den 450-er Jahren. Sicher auch, dass die gebürtigen Thraker Marcian und Leo I. fähige Kaiser waren, die Thrakien und Kleinasien behaupteten. Und eben auch, dass Geiserich nicht stark genug war, seine defensive Orientierung gegenüber Konstantinopel aufzugeben und stattdessen die oströmische Hauptstadt zu erobern. Womit wir praktisch zur Lösung obiger Frage kommen, wer hätte eigentlich im 5. Jahrhundert Konstantinopel erobern können?

Wahrscheinlich niemand. Damit schlussfolgere ich, dass das Erobern und Plündern bzw. das Versagen in der Verteidigung von Rom und auch von Ravenna ebenfalls eine Ursache des Untergangs Westroms war.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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