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Presseschau Das Kapital - neu gelesen
30.12.2015, 05:14
Beitrag: #16
RE: Presseschau Das Kapital - neu gelesen
Eine Korrektur muss wohl doch noch hinzu: Weder Lenin noch Stalin haben den sog asiatischen Despotismus durchgesetzt oder gar verherrlicht. Das hat der ganz von selbst geschafft... Wink
Tsdjährige Traditionen schafft man nun mal nicht eben von heute auf morgen ab!
Lenin hat sich nachweislich an west-/mitteleuropäischen Entwicklungen orientiert und auch Stalin hat das getan. Gerade daraus haben ja etliche Verwerfungen und allmähliche Entstellungen resultiert!
Lenin musste und wollte die kapitalistische Wirtschaftsentwicklung nachholen, um die Marxsche Basis für die proletarische Revolution wenigstens im Nachhinein und unter Parteikontrolle zu schaffen. Dazu diente auch die NEP der 20er Jahre mit ihren neureichen Millionären. Stalin ist von der Parteibasis, um die er sich im Gegensatz zu anderen Funktionären, die in Moskau hocken blieben, besonders gekümmert hat, demokratisch gewählt worden. Lenin gefiel das gar nicht, denn mit ihm kam ein machtbewusster und äußerst misstrauischer Mensch in eine Führungsposition. Nach Lenins Tod hat er dann nach und nach alle eventuellen Konkurrenten (physisch) ausgeschaltet. Es gibt da eine sehr bezeichnende Anekdote...
Durch den entstehenden Personenkult (Hofschranzen gibt's in jeder Gesellschaft) verbunden mit einer Aura der Unfehlbarkeit, konnten Fehler nicht mehr im Vorfeld verhindert werden. Immerhin hatten M+E ja nicht hinterlassen wie der Sozialismus aufzubauen wäre, noch dazu unter solchen Bedingungen. Während Lenin noch mehr oder weniger erfolgreich experimentierte, wurde unter Stalin der Buchstabe zum Dogma, ob's nun passte oder nicht. Kennt man auch aus der Kirchengeschichte!
Immer, wenn aus einer (guten) Idee eine quasi-religiöse Überzeugung, ein Dogma wird, wird's gefährlich! Es fehlt dann das nötige Korrektiv. Nach Stalins Tod kam es dann allmählich zu einer dynamischeren Entwicklung, auch mit Fehlerkorrekturmöglichkeit, zB Ulbrichts NÖS in der DDR. Der Wechsel zu Breshnew als 'Entwicklungskonservativer' ließ dann diese Entwicklungen letztlich nicht zu, was dann zum Kollaps führte. Der ging eigentlich vom Kopf, der SU aus. Honecker mag zu spät gekommen sein und Ulbricht war vielleicht zu früh, aber der eigentliche und entscheidende Zuspätkommer war doch wohl Gorbatschow. Ihn (und die Anderen gleich mit) hat dann auch das Leben in Person von Jelzin und mit dem das russische Volk bestraft. Zwischen Wollen und Können (hier als Befähigung zum zielgerichteten Tun gemeint) besteht nun mal ein gewisser Unterschied...
Der asiatische Despotismus meint übrigens einen Beamtenstaat mit einer Regierung aus Beamten unter einem gottgleichen Führer. Der entwickelt sich bis zu einem gewissen Grad erfolgreich, erstarrt dann und steuert endlich in eine Krise, die zum Sturz der Regierung (oft auch des göttlichen bzw vergötterten Führers) führt. Danach entsteht allmählich eine neue Herrschaft mit gleicher Basis, aber idR auf höherer technisch-organisatorischer Entwicklungsstufe bis alles wieder von vorn losgeht. Wir haben hier also eine klassische Entwicklungsspirale, keine Linie oder gar Kurve mit Aufundabs. China ist dafür ein besonders gutes Beispiel. Die Basis dieser Herrschaftsform und Produktionsweise sind übrigens regionale Wirtschaftseinheiten (Dörfer), die in ihrer Gesamtheit von Beamten verwaltet werden, nicht unbedingt leibeigene Bauern wie im hochfeudalen Europa.
Man kann sich als oberster Führer vor dem Hintergrund einer solchen Tradition durchaus zum Despoten entwickeln (besonders bei entsprechenden Charaktereigenschaften), obwohl man den sog. 'asiatischen Despotismus' eigentlich als unzeitgemäß archaisch ablehnt (das hat Stalin wahrscheinlich nicht mal gemerkt, wohl erst recht nicht Ceauşescu). Das hat sich nach der Wende in einigen ehemaligen Sowjetrepubliken erneut bestätigt. Die ggw Entwicklung in Ungarn und Polen mag andere Ursachen haben und noch weit davon entfernt sein, erinnert aber durchaus an derartige Möglichkeiten...
Gruß + Guten Rutsch, Lucius
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RE: Presseschau Das Kapital - neu gelesen - Lucius - 30.12.2015 05:14
Beinahe amüsant - Lucius - 05.01.2016, 04:42

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