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Portugal – Ein Land am Rande Europas
12.07.2012, 20:49
Beitrag: #1
Portugal – Ein Land am Rande Europas
Es folgt mein neues Thema, ich hoffe es stößt auf Interesse Smile :

Portugal – Ein Land am Rande Europas und seine Beziehungen zu anderen Ländern unter Einbeziehung der Reiseaufzeichnungen zu Lissabon von Joachim Schlör und des Essays „Wie ein großes Portugal“ (Lídía Jorge)


Portugal - was macht dieses Land ganz im Südwesten Europas so interessant? Ist es nur die geographische Lage? Sind es bestimmte geschichtliche Ereignisse? Ist es der Weg nach Europa mit all seinen Besonderheiten?
Ich möchte diesen Fragen im Verlauf meiner Beiträge nachgehen, in denen zwei Begleitquellen einen besonderen Stellenwert einnehmen.

Ich beginne mit einer kurzen Erläuterung Themenstellung, in der ich zunächst über Portugal und seine Randlage in Europa schreiben werde. Es folgt eine Zusammenfassung der beiden Begleitquellen.
Die Geschichte des Landes von seiner Gründung im Mittelalter bis zu seinem Weg nach Europa und in die Europäische Union wird den zweiten Teil darstellen. Hier werde ich Zusammenhänge, die auch in der Begleitliteratur vorkommen, näher ausführen.
Es folgen dann drei Aspekte, die ich in dem Essay beziehungsweise den Reiseaufzeichnungen besonders interessant fand.
Zum einen wird es um das Judentum in Spanien und speziell in Portugal gehen, das dort parallel zum aufstrebenden Weltreich eine dramatische Entwicklung und Verfolgung auszuhalten hatte. Zum anderen geht es um die Emigration über Portugal in andere Länder. Besonderen Wert lege ich hier auf die Emigration zur Zeit des NS-Regimes in Deutschland. Zuletzt werde ich die Vor- und Nachteile, die sich für Portugal aus seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Union seit 1985 bis etwa 2008 ergeben haben, gegenüberstellen.
Ein abschließendes Fazit beendet meine Ausführungen.

Ich werde versuchen in einem „Zwei-Tage-Rhythmus“ zu posten. Damit in Ruhe mitgelesen werden kann. Auf Fragen werde ich gerne eingehen. Ergänzungen können ebenfalls gerne angebracht werden.

Der vernetzte Mensch von heute gerät in Gefahr,
die globalisierte Welt als eine Ansammlung von Zitaten zu erleben.

Doug Mack
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12.07.2012, 20:51
Beitrag: #2
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
... und weil nur die Einleitung langweilig ist, hier gleich der erste Teil:

Portugal als Land an der Peripherie

Portugal liegt auf der europäischen Landkarte im äußersten Südwesten und ist an der Landseite vollständig von Spanien umgeben. Es hat keinen direkten und kurzen Zugang zu wichtigen Zentren Europas wie zum Beispiel der Gegend um Paris, Brüssel oder dem Ruhrgebiet. Eine solche Lage bezeichnet man als peripher.
Dazu kommt noch die Lage der Iberischen Halbinsel, welche ebenfalls nur durch die Pyrenäen mit Europa verbunden ist.
Komplett anders stellt sich die Lage bezogen auf die komplette Erdkugel dar.
Hier besitzt Portugal eine außerordentlich zentrale Lage. Durch den direkten Zugang zum Meer hat Portugal sehr gute und strategisch günstige Bedingungen für den Schiffsverkehr. Außerdem sorgt die „herausgezogene Lage“ der Iberischen Halbinsel für eine optimale Bewegung in alle Himmelsrichtungen. Im Norden erreicht man Großbritannien, im Westen Amerika und im Süden schließt sich Afrika an.
Diese Position kann also global betrachtet als zentral bezeichnet werden.

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Doug Mack
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14.07.2012, 12:08
Beitrag: #3
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
Die Reiseaufzeichnungen von Joachim Schlör

„Lissabon im April“ lautet die Überschrift zum vierten Kapitel der Reisenotizen „Hotel Europa“, die von Joachim Schlör verfasst und im Jahr 2000 herausgegeben wurden. Schlör ist 1960 in Heilbronn geboren, lebt aber derzeit in Berlin. In seiner bisherigen wissenschaftlichen Arbeit beschäftigte er sich mit europäisch-jüdischen Studien. Auch sonst beschäftigt sich Schlör intensiv mit dem Judentum. Zurzeit leitet er das „Kompetenznetz Jüdische und Rabbinische Studien“ an der Universität Potsdam. Auch viele seiner Bücher beschäftigen sich mit diesem Thema.
Er beschreibt in „Hotel Europa“ seine Eindrücke von verschiedenen Ländern am Rande Europas und deren Hauptstädte. Seine Aufzeichnungen sind über das Jahr verteilt, so bereist er zum Beispiel London im Januar und Lissabon im April.
In diesem Kapitel beschreibt Schlör seine Gedanken zu Portugal. Sein assoziativer Stil fällt besonders auf. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er Eindrücke und Beobachtungen in einen größeren geschichtlichen und politischen Kontext einordnet und sich weiterführende Gedanken macht.
Schlör bezeichnet Portugal als finis terrae und als ein Land der Abschiede von Europa (vgl. Schlör, 37). Er spielt hier auf die Rolle Portugals für Emigranten nach Übersee an, wie es sie zum Bespiel zur Zeit des Nazi-Regimes gab. Die geographische Lage macht Portugal offen für Eindrücke und Einflüsse aus Afrika und Amerika und gleichzeitig zu einem perfekten Platz, Europa zu verlassen. Dafür ist vor allem Lissabon nach Schlörs Meinung ein gutes Beispiel (vgl. Schlör, 37f.).
Gleichzeitig brachen von hier auch die großen Seefahrer und Entdecker in die Welt auf und brachten neues Wissen. Dieser Blickwinkel vom Rand auf Europa fasziniert Schlör und er fühlt sich an den Film „Lisbon Story“ erinnert. Seine frühere Abneigung für „EG-Studien“ hat sich in Interesse gewandelt (vgl. Schlör, 38).
Er berichtet über eine Reise in die spanisch-portugiesische Grenzregion, wo ihn vor allem die Geschichte des Judentums am Ende des 15. Jahrhunderts beeindruckt. Mit der Inquisition waren die Juden hier vertrieben worden und hatten sich über ganz Europa verteilt. Diese jüdische Geschichte verbindet Lissabon mit anderen europäischen Metropolen wie Konstantinopel, Sarajevo oder Triest (vgl. Schlör, 38).
Jedoch zeigt sich Schlör nachdenklich über die Folgen der EU-Mitgliedschaft Portugals. Er nennt als Beispiel, dass die traditionellen Fischerboote nicht den EU-Verordnungen entsprächen und diese verloren gehen könnten. Die Fischerboote sind ein Symbol für den Wunsch nach eigener Identität und gegen die Angleichung aus Brüssel. Schlör bedauert die Wirkung einer kalten und starren Bürokratie (vgl. Schlör, 39).
In Portugal wird außerdem der Einfluss seiner äußeren Kontakte deutlich, vor allem der aus Afrika und Amerika. Schlörs letzter Punkt ist der typisch portugiesische Fado. Er schildert eine Situation in einem Lokal, in dem ein spontaner Auftritt stattfindet, obwohl das Lokal nicht so voll ist, dass sich dies lohnen würde. Mit den sehnsüchtigen, traurigen Eindrücken, die durch ein Lächeln zur rechten Zeit doch einen europäischen Zustand erreichen, beschließt Schlör seine Aufzeichnungen zu Portugal (vgl. Schlör, 40-43).

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14.07.2012, 17:32
Beitrag: #4
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
Zumindest bei mir stößt dieses Thema auf großes Interesse. Ich werde sehr aufmerksam (und natürlich kritisch) mitlesen.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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14.07.2012, 18:34
Beitrag: #5
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
Wenn ich da etwas einfügen darf.

Portugal und England verbindet das mW allerlängste nie gebrochene Bündnis zweier selbständiger Staaten.
Seit dem 14. Jahrhundert!

Ich glaube der genaue Beginn ist auf das Jahr hin gar nicht mehr zu fixieren.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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14.07.2012, 18:52
Beitrag: #6
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
(14.07.2012 18:34)Suebe schrieb:  Wenn ich da etwas einfügen darf.

Portugal und England verbindet das mW allerlängste nie gebrochene Bündnis zweier selbständiger Staaten.
Seit dem 14. Jahrhundert!

Ich glaube der genaue Beginn ist auf das Jahr hin gar nicht mehr zu fixieren.

Darfst Du gern. Dieser Aspekt ist nämlich hoch spannend. Auf ihn wird noch mehrfach eingegangen werden! Die Geschichte Portugals wird nämlich noch Gegenstand der Serie sein. Man wird erkennen, dass der Name England tatsächlich über die Jahrhunderte immer wieder fallen wird. Smile

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15.07.2012, 09:23
Beitrag: #7
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
(14.07.2012 18:34)Suebe schrieb:  Wenn ich da etwas einfügen darf.

Portugal und England verbindet das mW allerlängste nie gebrochene Bündnis zweier selbständiger Staaten.
Seit dem 14. Jahrhundert!

Ich glaube der genaue Beginn ist auf das Jahr hin gar nicht mehr zu fixieren.

Ja stimmt, das habe ich auch schon gehört...

Spannend so was Cool

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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16.07.2012, 14:18
Beitrag: #8
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
Noch eine Literaturquelle. Übermorgen geht es dann mit der Geschichte los Smile


Das Essay „Wie ein großes Portugal“ (Lídía Jorge)

Das Essay „Wie ein großes Portugal“ wurde von Lídía Jorge zum Thema „Portugiesische Literatur und Europa“ geschrieben und von Karin von Schweder-Schreiner ins Deutsche übersetzt.
Lídía Jorge, 1946 in Boliqueime geboren, studierte in Lissabon Romanistik und hielt sich während des Kolonialkrieges in Afrika auf. Nach ihrer Rückkehr lehrte sie Literaturwissenschaft in Lissabon. Ihre Romane und Werke haben oft mit ihren Erfahrungen im Kolonialkrieg zu tun. Für ihr letztes Buch „O vale da paixao“ wurde sie national und international ausgezeichnet.

Lídía Jorge begibt sich auf eine Art Reise durch die Beziehungen Portugals zu Europa von den siebziger Jahren bis heute. Sie führt zunächst die Geschichte eines portugiesischen Studenten aus, der in Paris seine Begleitgruppe verlässt, um in Frankreich zu leben (vgl. Jorge, 183). Vor einem Café rief er „Europa, ich bin in Europa“ und zeigt damit, dass er sein Heimatland, das geographisch natürlich zu Europa gehört, trotzdem nicht als Teil Europas sieht. In seinem Land herrscht eine Diktatur, Rede-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind eingeschränkt, das Land ist arm und führt einen Krieg in seinen Kolonien. Aus diesem Land flieht er, wie viele andere auch, nach Frankreich.
Jorge behandelt in dem folgenden zweiten Abschnitt die Sicht der Portugiesen auf diese rasante Umstellung nach der Revolution(vgl. Jorge, 183).
Portugals Entwicklung in Richtung eines demokratisch und wirtschaftlich europäisch geprägten Landes steht im Gegensatz zu der Flut der Menschen, die aus den ehemaligen Kolonien zurückkommen und den Portugiesen den Eindruck vermitteln, dass „eine gigantische, über fünfhundert Jahre alte Welle die Portugiesen, die einstmals von dort nach Afrika aufgebrochen waren, samt Waffen und Gepäck zurückgespült“ hat (Jorge, 184).
Jorge sieht in dieser bewegten Geschichte Portugals den Grund, warum sich die portugiesische Literatur, außer der von allen Seiten bewunderten Lyrik, nur mit dem altem Kolonialreich, dem Kolonialkrieg und der Nelkenrevolution beschäftigt. Dies führte aus ihrer Sicht dazu, dass die portugiesische Literatur gegenüber der eher europäisch geprägteren missverstanden wurde. Portugals Literatur war zu sehr auf die nationale Identität reduziert.
Doch für Jorge hat dieser Aspekt an Bedeutung verloren. Aufgrund der Kolonialgeschichte behalte Portugals Literatur aber etwas Besonderes und Einzigartiges innerhalb der europäischen Literatur (vgl. Jorge, 185).
Jorge meint, dass aus dem portugiesischen Faktor der Vergangenheitsbewältigung ein zeitgenössischer, europäischer Faktor geworden sei.
Im dritten Abschnitt fragt sich Jorge, inwieweit Portugal Europa helfen oder auch beeinflussen könne. Europas Hauptproblem sei es, die inneren Grenzen abzustecken. Nach dem historischen Erbe des Kolonialismus kann Portugal Helfer beim Abstecken der Grenzen im Umgang mit den Nachbarn sein. Die portugiesische Belletristik und sie selbst beziehen sich auf genau dieses Thema. Sie nennt zum Schluss das Werk „Mamma Marcia“, als Beispiel.

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19.07.2012, 19:52
Beitrag: #9
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
Die Geschichte Portugals

Ursprünge und Entwicklung im Mittelalter


Die römische Provinz Lusitanien, die einen relativ ähnlichen Grenzverlauf wie das heutige Portugal aufwies, wurde nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches im Jahre 711 von den Mauren erobert. Erst mit der Reconquista, also der christlichen Zurückeroberung der iberischen Halbinsel, beginnt die erste Entwicklung eines Königreiches mit dem Namen Portugal.
Nachdem die Grafschaft Portucale zunächst von Léon-Kastilien abhängig war, rief sich 1139 Alfonso I. zum König aus. Zunächst hatte er durch einen wichtigen Sieg gegen die Mauren seinen Anspruch gefestigt.
Das neue Königreich führte die Reconquista fort und eroberte 1147 Lissabon.
1250 erreicht Portugal seine heutigen Grenzen.

(vgl. Korst 2006,25; Bernecker und Pietschmann 2001,9-18; G-Geschichte 07/2005, 46)

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21.07.2012, 12:08
Beitrag: #10
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
Der Aufstieg

Schon im 14. Jahrhundert weitete Portugal den Handel im Mittelmeer und in den Nordseeraum aus. 1353 schloss Portugal einen Vertrag mit England, der portugiesischen und englischen Händlern freien Handel und Schutz gewährte.
Durch die Heiratsstrategien im Spätmittelalter kam es 1385 zu einem Konflikt zwischen dem Bürgertum und dem Adel. Als einzige Erbin des verstorbenen Königs Ferdinand hatte die Königin von Kastilien Anspruch auf die Krone Portugals. Dies hätte eine Vereinigung zur Folge gehabt, doch ein Halbbruder des Toten nutzte die Situation und beanspruchte, unterstützt von dem Bürgertum, die Krone. Johann von Avis wehrte sich 1385 bei Aljubarrota erfolgreich gegen die Invasion der Kastilier und wurde als König anerkannt. Er begründete die Dynastie Avis, unter dieser begannen der wirtschaftliche Aufstieg sowie erste Erkundungs- und Entdeckungsfahrten unter Heinrich dem Seefahrer (1394-1460).

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23.07.2012, 16:44
Beitrag: #11
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
Das Weltreich (1479-1580)

Unter den Nachfolgern Heinrichs kommt es zu weiteren Entdeckungsfahrten. Bartolomeu Diaz umsegelt als Erster das Kap der Guten Hoffnung und in Guinea werden erste Besitzungen (1482) gegründet.
Später entdeckt Vasco da Gama den Seeweg nach Indien. Von nun an ist das kleine Königreich im Besitz des Gewürzmonopols, das nicht immer friedlich verteidigt und ausgebaut wird. Es kommen ständig neue Niederlassungen in Asien, Brasilien und Afrika hinzu. Dadurch erlangt Portugal kulturell und wirtschaftlich einen starken Aufschwung, es folgt eine enorme Blütezeit und Portugal wird das reichste Land Europas.
Den enormen Einfluss der beiden Nationen auf der Iberischen Halbinsel zeigt auch die Demarkationslinie, bei der der Papst die Welt allein unter Portugal und Spanien aufteilt. Diese Regelung hat jedoch nicht lange Bestand.
(vgl. Korst 2006,28; Bernecker und Pietschmann 2001,27-46)
Diese Epoche wird noch heute in besonderer Weise mit Portugal verbunden. Auch Schlör nennt Portugal das „Land der Entdecker [und] der Abenteurer[…]“ (Schlör, S. 37).
Ein weiteres wichtiges Ereignis zu dieser Zeit ist die Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahr 1492. Ein großer Teil zog in Richtung Portugal, von wo sie allerdings auch wieder vertrieben wurden. Auch hierauf nimmt Schlör deutlich Bezug (vgl. Schlör S. 38).

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26.07.2012, 21:01
Beitrag: #12
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
Ein Tag Verspätung, dafür ein etwas längerer Abschnitt Wink


Die Abhängigkeit von Spanien und England (1580- ca. 1720)

Nach zunehmenden Angriffen von französischer, englischer und holländischer Seite auf die Handelsschifffahrt Portugals und auch durch die beginnende Spaltung Europas durch die Reformation kam es zu einer Annähung zwischen Portugal und Spanien. Dies führte auch zu Heiratsverflechtungen. Das wurde zu einem Problem, als der kinderlose König Sebastian in einer Schlacht in Marokko ums Leben kam. Der einzige noch lebende Thronfolger war der kinderlose Kardinal Henrique, der keine testamentarische Nachfolge hinterließ. Der Spanier Philip II. konnte aufgrund vorangegangener Hochzeiten seinen Anspruch legitimieren und es gelang ihm, ohne größere Auseinandersetzungen den Thron zu besteigen.
Das glorreiche Haus Avis war ausgestorben.
Trotz Bestrebungen, Eigenständigkeit zu bewahren, musste Portugal in der Folgezeit an verschiedenen Konflikten Spaniens teilnehmen, was zum Verlust von Kolonien und mit der Niederlage der spanischen Armada (1588) auch zu enormen Verlusten der Flotte führte. Außerdem zerrte der Bankrott der Spanier auch die portugiesischen Kassen aus.
Erst 1640 gelang es, mit der Hilfe Frankreichs die Unabhängigkeit Portugals wiederherzustellen. Die Franzosen als Konkurrenten Spaniens unterstützten den Herzog von Braganca bei einem Aufstand, um die Spanier zu schwächen. Ohne nennenswerte Gegenwehr konnte sich der Herzog zum König Johann IV. ausrufen lassen. Das Haus Braganca regierte als folgende Dynastie Portugal. Um sich vor dem erwarteten Angriff Spaniens zu schützen, erneuerte Johan die Bündnisse mit England und eroberte Teile des Kolonialreiches zurück. Zur bedeutendsten Kolonie avancierte nun Brasilien und fast ausschließlich durch brasilianisches Zuckerrohr kam Geld in den Staatshaushalt.
Infolge mangelnder Reformbereitschaft des Klerus und des Adels geriet Portugal auch wirtschaftlich in immer größere Abhängigkeit von England. Dieses versorgte das Land mit Fertigwaren und unterstützte durch rege Abnahme des Zuckerrohrs den Außenhandel. Die Engländer übten indirekten Einfluss auf Portugal aus, indem sie sich als Handels- und Militärpartner unverzichtbar machten. Deutlich wird dies auch durch den Methuen -Vertrag im Jahre 1703, der verhinderte, dass sich Portugal durch modernere Produktionsweisen von den Briten lösen konnte.
Aus der Abhängigkeit von Spanien war eine indirekte Abhängigkeit von England geworden. Erst die Goldfunde in Brasilien konnten diese Beklemmung lockern, doch eine wirkliche Industrialisierung fand nicht statt.

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28.07.2012, 18:47
Beitrag: #13
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
An der Schwelle zur Moderne

Unter diesem Goldboom gelang es zumindest der Oberschicht, ein zweites Mal ein goldenes Zeitalter einzuläuten. Unter Johann V. wurde eine rege Bautätigkeit entwickelt und Portugal erlebte eine neue Blüte. Sein Sohn Joseph I. hatte mit dem langsam schwindenden Goldboom in Brasilien zu kämpfen. Dessen Berater Marquês de Pombal versuchte Portugal nach dem Vorbild anderer Nationen in allen Bereichen zu erneuern.
1755 kam es dann in Lissabon zu einer Naturkatastrophe. Ein Erdbeben mit einem verheerenden Feuer verwüstete große Teile Lissabons und forderte viele Menschenleben. Der Wiederaufbau, sowie weitere Reformen lagen in Pombals Händen und führten zu einer wirtschaftlichen Erholung Portugals.
Trotzdem kam Portugal nicht zur Ruhe. Durch sein Bündnis mit England wurde das Land in die napoleonischen Kriege gezogen. Die Franzosen fielen 1807 in Portugal ein und verwüsteten das Land, während der Hof nach Brasilien geflohen war. Erst 1811 vertrieben die Engländer die Franzosen wieder und Portugal lag wirtschaftlich am Boden. Die beginnende Industrialisierung war gestoppt und Portugal wurde von Brasilien aus regiert, welches nun ein eigenes Königreich war.



In den letzten Beiträgen kommt übrigens das angesprochene, wechselvolle Bündnis mit England vor Wink

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01.08.2012, 19:50
Beitrag: #14
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
Liberal- konstitutionelle Monarchie und sozio – ökonomischer Umbruch

Um 1820 bekamen die französisch geprägten Liberalen immer mehr Zuspruch und befanden sich im Aufwind. Durch die abwesenden Herrscher, die englische Vorherrschaft, die sich nach der Vertreibung der Franzosen entwickelt hatte, und den Abfluss finanzieller Mittel nach Brasilien verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage zusehends. Durch Einflüsse des liberalen Spanien ermutigt, probten die Liberalen im August 1820 den Aufstand und setzten eine Rückkehr des Königs, die Vorherrschaft des Parlaments gegenüber dem König und weitere Merkmale einer liberal-konstitutionellen Monarchie durch. Trotz der Forderung, dass Brasilien Portugal weiter zugehörig sein solle, erklärte es im Jahr 1822 die Unabhängigkeit.
Schon 1826 wurde die portugiesische Verfassung jedoch wieder abgeschwächt. Später kam es zu einer schwachen Industrialisierung mit der Errichtung von Eisenbahnen und Straßen, doch es konnte kein Durchbruch erzielt werden. Während dieser Zeit türmten sich Schuldenberge auf, die 1891 zum Staatsbankrott führten. Im späten 19. Jahrhundert eroberte auch Portugal einige Kolonien in Afrika.

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01.08.2012, 22:03
Beitrag: #15
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
(01.08.2012 19:50)Viriathus schrieb:  Im späten 19. Jahrhundert eroberte auch Portugal einige Kolonien in Afrika.
Das ist bemerkenswert, denn von Portugal starteten im 15.Jhd. noch vor Spanien die Ozeanentdecker. Unter Heinrich dem Seefahrer erreichten sie die westafrkanische Küste und etablierten dort Handelsstützpunkte u.a. in Elmina. http://de.wikipedia.org/wiki/Elmina
Allerdings wurden diese mithilfe der ansässigen Herrscher unterhalten oder gepachtet und dienten mehr als Zwischenstation und zum Handel, später war es ein berüchtigtes Sammellager für den Sklavenhandel. Das Hinterland zu erobern, haben die Portugiesen im 15./16.Jhd. nicht versucht.
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01.08.2012, 22:21
Beitrag: #16
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
(01.08.2012 22:03)Renegat schrieb:  Das Hinterland zu erobern, haben die Portugiesen im 15./16.Jhd. nicht versucht.

Das nicht unbedingt, aber sie betrieben Handel und Mission bis tief ins Innere des Kontinents hinein. Sie waren im 16. Jahrhundert damit in Gegenden aktiv, die erst im späten 19. Jahrhundert wieder ein Weißer betrat.
http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigreich_Kongo

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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02.08.2012, 09:51
Beitrag: #17
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
(01.08.2012 22:21)Arkona schrieb:  
(01.08.2012 22:03)Renegat schrieb:  Das Hinterland zu erobern, haben die Portugiesen im 15./16.Jhd. nicht versucht.

Das nicht unbedingt, aber sie betrieben Handel und Mission bis tief ins Innere des Kontinents hinein. Sie waren im 16. Jahrhundert damit in Gegenden aktiv, die erst im späten 19. Jahrhundert wieder ein Weißer betrat.
http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigreich_Kongo

Haben die Portugiesen ihr Wissen eigentlich Geheim gehalten?

Anlass dieser Frage:
In der Mitte des 19. Jahrhunderts haben europäische Handelsgesellschaften die Ostafrikanischen Flüsse auf ihre Eignung als Handelsstraßen untersucht. Aus einem dieser Expeditionsberichte ist mir erinnerlich, dass die an der Sambesi-Mündung ansäßigen Portugiesen dessen Eignung grundsätzlich verneinten. Die Expedition aber trotzdem loszog.
Demnach können zdZ im interessierten Europa keine verlässlichen Berichte über den Sambesi vergelegen haben.

Dass die Expedition, als sie vor Ort war, auf alle Fälle loszog ist ja klar.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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02.08.2012, 10:19
Beitrag: #18
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
(02.08.2012 09:51)Suebe schrieb:  Haben die Portugiesen ihr Wissen eigentlich Geheim gehalten?

Anlass dieser Frage:
In der Mitte des 19. Jahrhunderts haben europäische Handelsgesellschaften die Ostafrikanischen Flüsse auf ihre Eignung als Handelsstraßen untersucht. Aus einem dieser Expeditionsberichte ist mir erinnerlich, dass die an der Sambesi-Mündung ansäßigen Portugiesen dessen Eignung grundsätzlich verneinten. Die Expedition aber trotzdem loszog.
Demnach können zdZ im interessierten Europa keine verlässlichen Berichte über den Sambesi vergelegen haben.

Dass die Expedition, als sie vor Ort war, auf alle Fälle loszog ist ja klar.

Zur Zeit der großen Entdecker eindeutig ja, nur in groben Zügen waren die Routen allgemein bekannt. Da schlummert sicher noch manche Überraschung in portugiesischen Archiven oder im Vatikan.

Die großen afrikanischen Ströme sind allesamt nicht schiffbar wegen Stromschnellen, deshalb drangen Europäer erst im 19. Jahrhundert (wieder) ins Innere vor. So ganz unrecht hatten die Portugiesen also nicht, auch wenn sie sicher mit Schauergeschichten von Kannibalen und wilden Bestien die Konkurrenz abhalten wollten.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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02.08.2012, 10:32
Beitrag: #19
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
An der westafrikanischen, späteren Sklavenküste war es für die Portugiesen, später die Niederländer und zuletzt die Briten viel einfacher mit den einheimischen Herrschern zusammenzuarbeiten. Sie waren Seefahrer und Händler. Es wurde zwar mit Waren aus dem Landesinneren gehandelt aber über einheimische Zwischenhändler. Mission fand höchstens an den Küsten statt.
Der Drang, das Innere des afrikanischen Kontinents zu erforschen und zu erobern, kam erst im 19. Jhd auf.
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02.08.2012, 10:54
Beitrag: #20
RE: Portugal – Ein Land am Rande Europas
(02.08.2012 10:32)Renegat schrieb:  Mission fand höchstens an den Küsten statt.
Der Drang, das Innere des afrikanischen Kontinents zu erforschen und zu erobern, kam erst im 19. Jhd auf.
Du hast offenbar meinen Link nicht beachtet, sonst würdest du das nicht behaupten.

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